Verstegen: "Jeder Tag ist Spieltag"

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Ihm verdankt der Fußball die Gummibänder. Seit 2004, als ihn Jürgen Klinsmann zur Nationalmannschaft holte, weiß Fußball-Deutschland, wie sehr es beim Fußball tatsächlich auf die Stabilität im Rumpf ankommt. In seinem neusten Buch, "Everyday is Gameday" geht es um Entschlossenheit und Fokus vor dem Anpfiff. Der 44-jährige Mark Verstegen bereitet die deutsche Mannschaft zum sechsten Mal auf ein großes Turnier vor.

DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth sprach mit dem Amerikaner über ein wichtiges WM-Thema: Fitness. Dabei versprüht der Fitnessguru, der mit Topathleten aus der NBA und NFL arbeitet, viel Zuversicht: "Wir werden mit jedem Spiel stärker werden."

DFB.de: Alle Experten sind sich einig: Fitness wird in Brasilien ein Faktor sein, vielleicht sogar der entscheidende. Mark Verstegen, wie fit ist die deutsche Mannschaft?

Mark Vestegen: Seit Beginn des Trainingslagers werden wir jeden Tag stärker, spritziger, ausdauernder. Als Mannschaft nähern wir uns dem Optimum. Wissen Sie, das Gute ist doch, die Basis ist längst gelegt. Die deutsche Mannschaft arbeitet nun schon zehn Jahre mit unserem Programm. Seitdem Jürgen Klinsmann uns 2004 an Bord holte, verfolgen wir einen individualisierten Ansatz, auch bei der Konditionsarbeit im Team. Denn unterschiedliche Positionen verlangen unterschiedliche körperliche Voraussetzungen. Ein Innenverteidiger benötigt gänzlich andere Fähigkeiten als ein offensiver Mittelfeldspieler. Miroslav Klose muss anders trainieren als Erik Durm mit seinen 22 Jahren. Was wir machen, wirkt zudem Verletzungs-präventiv. Ich bin mir absolut sicher, dass wir im Laufe des Turniers stärker werden, auch weil wir genau wissen, wie die Spieler schnell regenerieren können.

DFB.de: Welche Daten haben Sie, um den Fitnesszustand eines Spielers zu bewerten?

Verstegen: Mannschaftsarzt Dr. Tim Meyer erfasst regelmäßig anhand verschiedener Werte, wie ein einzelner Spieler auf Belastungen reagiert. Zudem wird das System "myCoach" von den Spielern während der Trainingseinheiten getragen. Das System zeigt uns aktuell den Pulsschlag, die zurückgelegte Strecke, Beschleunigung und Geschwindigkeit. Ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, ermöglicht es uns "myCoach" nach jedem Training exakt zu sagen, mit welchem Einsatz ein Spieler trainiert hat. Das sagt natürlich noch nichts über seine fußballerische Leistung. Aber der Datenbestand über die körperliche Verfassung eines jeden Spielers ist schon sehr umfangreich.

DFB.de: Wie wurde während der Woche in Santo André trainiert?

Verstegen: Wir sind hier in Brasilien seit dem 8. Juni. Einige sehr harte, auch sehr lange Trainingseinheiten liegen hinter uns. Ein Training dauerte fast zwei Stunden und auch heute standen wir an die 100 Minuten auf dem Platz.

DFB.de: Leiden Sie eigentlich selbst unter der Hitze hier in Santo André?

Verstegen: Ich lebe in Arizona, dort waren es 46 Grad Celsius als ich abflog. Beantwortet das Ihre Frage?

DFB.de: Hat sich die gesamte Mannschaft mittlerweile an die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit gewöhnt?

Verstegen: Ja, das ist durch. In den ersten Tagen war es körperlich extrem belastend. Jetzt haben wir uns darauf eingestellt. Wir fühlen uns wohl hier in Brasilien, was übrigens auch an unserem Basecamp, dem Campo Bahia, liegt. Die Mannschaft isst an der freien Luft, die Anlage bietet überall Gelegenheit, Zeit außerhalb des eigenen Zimmers zu verbringen.

DFB.de: Sie unterteilen in rot, gelb und grün, wenn es um die Intensität im Training geht.

Verstegen: Stimmt, es gibt rote, gelbe und grüne Belastungsphasen während einer Trainingseinheit. Rot bedeutet für die Spieler, dass die Belastung sehr hoch ist, auch der Puls ist dann sehr weit oben. Natürlich ist für einen Profifußballer ganz entscheidend, dass er sich nach einer Phase höchster Belastung körperlich schnell wieder erholt. Etwa damit er die nötige Ruhe beim Torschuss hat oder das nächste Sprintduell gewinnt. Jeder ermüdet, entscheidend ist, wie schnell man wieder auf Normalwerte zurückkehrt. Ich bin wirklich überzeugt, dass wir uns hier einen Vorteil gegenüber anderen Nationen erarbeitet haben. Wir werden mit jedem Spiel stärker werden.

DFB.de: Die WM-Spiele in Brasilien werden ab der 70. Minute entschieden. Stimmen Sie zu?

Verstegen: Fitness gerade bei diesen klimatischen Bedingungen ist schon ein wichtiger Faktor. Aber es kommt schon auch auf das fußballerische Können an (lacht). Deshalb finde ich diese Theorie eher überzogen.

DFB.de: Philipp Lahm musste wegen einer leichten Verletzung pausieren. Auch Bastian Schweinsteiger konnte erst später einsteigen. Hat die Zeit gelangt, alle 23 Spieler WM-fit zu bekommen?

Verstegen: Davon gehe ich aus. Auch wenn beide einige Mannschaftstrainings verpasst haben, heißt das ja nicht, dass sie nichts getan haben. Wie gesagt, unser individualisierter Ansatz funktioniert.

DFB.de: Sie arbeiten mit den Spielern jeden Tag hier in der Hitze. Macht es Ihnen denn noch Spaß?

Verstegen: Oft bekomme ich diesen Stempel als Oberfeldwebel aufgedrückt, dabei haben die Spieler und ich einen riesigen Spaß auf dem Platz. Wir dürfen jeden Tag einen tollen Sport ausüben. Die Spieler tragen den Adler auf der Brust, sie repräsentieren Deutschland. Damit tragen sie eine unglaubliche Verantwortung auf ihren Schultern, aber das sollten sie genießen.

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DFB.de: Sie sind Amerikaner, eigentlich kein Fußballexperte. Wie sehr mussten Sie sich Fußballverständnis aneignen, um ein guter Coach zu werden?

Verstegen: Meine Frau war Kapitän einer Universitätsmannschaft, die zu den Topteams der USA zählt. Die Familie Verstegen ist also schon immer eine Fußballfamilie. Nein, obwohl ich Amerikaner bin, verstehe ich genug vom Fußball, um ein passendes Fitnesskonzept zu entwickeln. Es geht darum, die Spieler körperlich in die Lage zu versetzen, damit sie in Löws System optimale Leistung erbringen.

DFB.de: Mitarbeiter ihrer Firma leiten das Fitnesstraining der US-Nationalmannschaft. Am 26. Juni treffen Deutschland und die USA in Recife im letzten Gruppenspiel aufeinander. Besteht die Gefahr des Geheimnisverrats?

Verstegen (lacht): Nein, da sind wir ganz Sportler. Im vergangenen halben Jahr hat sich unser Dialog auf Geburtstagsgrüße beschränkt. Es ist ein bisschen so, als hätte man zwei Kinder, die in unterschiedlichen Teams gegeneinander antreten.

DFB.de: Wie nervös sind Sie während der Spiele?

Verstegen: Weil wir uns wirklich gewissenhaft vorbereitet haben, bin ich relativ ruhig. Mein neues Buch trägt den Titel "Jeder Tag ist Spieltag". Siegen hat damit zu tun, wie man sich fit hält, wie man sich ernährt, wie man mit Krisen und Konflikten umgeht. Die Grundlagen für den Erfolg am Spieltag werden früh gelegt.

DFB.de: Ist Mark Verstegen eigentlich jemals undiszipliniert?

Verstegen: Sehr selten, aber doch, es kommt vor.

DFB.de: Vielleicht ja auf einer Feier, wenn die deutsche Mannschaft weit kommt?

Verstegen: Das wäre so unglaublich, wenn wir am Ende das ultimative Ziel erreichen. Wir müssen das, was wir kontrollieren können, jeden Tag erfolgreich absolvieren. Dann wird angepfiffen, und wir Fitnesstrainer können dann nur noch beten oder die Finger kreuzen oder was auch immer. Der DFB legt eine unglaubliche Grundlage, unsere Spieler haben die bestmögliche Situation, um Leistung zu erbringen und erfolgreich zu sein. Und um das große Ziel zu erreichen.

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Ihm verdankt der Fußball die Gummibänder. Seit 2004, als ihn Jürgen Klinsmann zur Nationalmannschaft holte, weiß Fußball-Deutschland, wie sehr es beim Fußball tatsächlich auf die Stabilität im Rumpf ankommt. In seinem neusten Buch, "Everyday is Gameday" geht es um Entschlossenheit und Fokus vor dem Anpfiff. Der 44-jährige Mark Verstegen bereitet die deutsche Mannschaft zum sechsten Mal auf ein großes Turnier vor.

DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth sprach mit dem Amerikaner über ein wichtiges WM-Thema: Fitness. Dabei versprüht der Fitnessguru, der mit Topathleten aus der NBA und NFL arbeitet, viel Zuversicht: "Wir werden mit jedem Spiel stärker werden."

DFB.de: Alle Experten sind sich einig: Fitness wird in Brasilien ein Faktor sein, vielleicht sogar der entscheidende. Mark Verstegen, wie fit ist die deutsche Mannschaft?

Mark Vestegen: Seit Beginn des Trainingslagers werden wir jeden Tag stärker, spritziger, ausdauernder. Als Mannschaft nähern wir uns dem Optimum. Wissen Sie, das Gute ist doch, die Basis ist längst gelegt. Die deutsche Mannschaft arbeitet nun schon zehn Jahre mit unserem Programm. Seitdem Jürgen Klinsmann uns 2004 an Bord holte, verfolgen wir einen individualisierten Ansatz, auch bei der Konditionsarbeit im Team. Denn unterschiedliche Positionen verlangen unterschiedliche körperliche Voraussetzungen. Ein Innenverteidiger benötigt gänzlich andere Fähigkeiten als ein offensiver Mittelfeldspieler. Miroslav Klose muss anders trainieren als Erik Durm mit seinen 22 Jahren. Was wir machen, wirkt zudem Verletzungs-präventiv. Ich bin mir absolut sicher, dass wir im Laufe des Turniers stärker werden, auch weil wir genau wissen, wie die Spieler schnell regenerieren können.

DFB.de: Welche Daten haben Sie, um den Fitnesszustand eines Spielers zu bewerten?

Verstegen: Mannschaftsarzt Dr. Tim Meyer erfasst regelmäßig anhand verschiedener Werte, wie ein einzelner Spieler auf Belastungen reagiert. Zudem wird das System "myCoach" von den Spielern während der Trainingseinheiten getragen. Das System zeigt uns aktuell den Pulsschlag, die zurückgelegte Strecke, Beschleunigung und Geschwindigkeit. Ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, ermöglicht es uns "myCoach" nach jedem Training exakt zu sagen, mit welchem Einsatz ein Spieler trainiert hat. Das sagt natürlich noch nichts über seine fußballerische Leistung. Aber der Datenbestand über die körperliche Verfassung eines jeden Spielers ist schon sehr umfangreich.

DFB.de: Wie wurde während der Woche in Santo André trainiert?

Verstegen: Wir sind hier in Brasilien seit dem 8. Juni. Einige sehr harte, auch sehr lange Trainingseinheiten liegen hinter uns. Ein Training dauerte fast zwei Stunden und auch heute standen wir an die 100 Minuten auf dem Platz.

DFB.de: Leiden Sie eigentlich selbst unter der Hitze hier in Santo André?

Verstegen: Ich lebe in Arizona, dort waren es 46 Grad Celsius als ich abflog. Beantwortet das Ihre Frage?

DFB.de: Hat sich die gesamte Mannschaft mittlerweile an die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit gewöhnt?

Verstegen: Ja, das ist durch. In den ersten Tagen war es körperlich extrem belastend. Jetzt haben wir uns darauf eingestellt. Wir fühlen uns wohl hier in Brasilien, was übrigens auch an unserem Basecamp, dem Campo Bahia, liegt. Die Mannschaft isst an der freien Luft, die Anlage bietet überall Gelegenheit, Zeit außerhalb des eigenen Zimmers zu verbringen.

DFB.de: Sie unterteilen in rot, gelb und grün, wenn es um die Intensität im Training geht.

Verstegen: Stimmt, es gibt rote, gelbe und grüne Belastungsphasen während einer Trainingseinheit. Rot bedeutet für die Spieler, dass die Belastung sehr hoch ist, auch der Puls ist dann sehr weit oben. Natürlich ist für einen Profifußballer ganz entscheidend, dass er sich nach einer Phase höchster Belastung körperlich schnell wieder erholt. Etwa damit er die nötige Ruhe beim Torschuss hat oder das nächste Sprintduell gewinnt. Jeder ermüdet, entscheidend ist, wie schnell man wieder auf Normalwerte zurückkehrt. Ich bin wirklich überzeugt, dass wir uns hier einen Vorteil gegenüber anderen Nationen erarbeitet haben. Wir werden mit jedem Spiel stärker werden.

DFB.de: Die WM-Spiele in Brasilien werden ab der 70. Minute entschieden. Stimmen Sie zu?

Verstegen: Fitness gerade bei diesen klimatischen Bedingungen ist schon ein wichtiger Faktor. Aber es kommt schon auch auf das fußballerische Können an (lacht). Deshalb finde ich diese Theorie eher überzogen.

DFB.de: Philipp Lahm musste wegen einer leichten Verletzung pausieren. Auch Bastian Schweinsteiger konnte erst später einsteigen. Hat die Zeit gelangt, alle 23 Spieler WM-fit zu bekommen?

Verstegen: Davon gehe ich aus. Auch wenn beide einige Mannschaftstrainings verpasst haben, heißt das ja nicht, dass sie nichts getan haben. Wie gesagt, unser individualisierter Ansatz funktioniert.

DFB.de: Sie arbeiten mit den Spielern jeden Tag hier in der Hitze. Macht es Ihnen denn noch Spaß?

Verstegen: Oft bekomme ich diesen Stempel als Oberfeldwebel aufgedrückt, dabei haben die Spieler und ich einen riesigen Spaß auf dem Platz. Wir dürfen jeden Tag einen tollen Sport ausüben. Die Spieler tragen den Adler auf der Brust, sie repräsentieren Deutschland. Damit tragen sie eine unglaubliche Verantwortung auf ihren Schultern, aber das sollten sie genießen.

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DFB.de: Sie sind Amerikaner, eigentlich kein Fußballexperte. Wie sehr mussten Sie sich Fußballverständnis aneignen, um ein guter Coach zu werden?

Verstegen: Meine Frau war Kapitän einer Universitätsmannschaft, die zu den Topteams der USA zählt. Die Familie Verstegen ist also schon immer eine Fußballfamilie. Nein, obwohl ich Amerikaner bin, verstehe ich genug vom Fußball, um ein passendes Fitnesskonzept zu entwickeln. Es geht darum, die Spieler körperlich in die Lage zu versetzen, damit sie in Löws System optimale Leistung erbringen.

DFB.de: Mitarbeiter ihrer Firma leiten das Fitnesstraining der US-Nationalmannschaft. Am 26. Juni treffen Deutschland und die USA in Recife im letzten Gruppenspiel aufeinander. Besteht die Gefahr des Geheimnisverrats?

Verstegen (lacht): Nein, da sind wir ganz Sportler. Im vergangenen halben Jahr hat sich unser Dialog auf Geburtstagsgrüße beschränkt. Es ist ein bisschen so, als hätte man zwei Kinder, die in unterschiedlichen Teams gegeneinander antreten.

DFB.de: Wie nervös sind Sie während der Spiele?

Verstegen: Weil wir uns wirklich gewissenhaft vorbereitet haben, bin ich relativ ruhig. Mein neues Buch trägt den Titel "Jeder Tag ist Spieltag". Siegen hat damit zu tun, wie man sich fit hält, wie man sich ernährt, wie man mit Krisen und Konflikten umgeht. Die Grundlagen für den Erfolg am Spieltag werden früh gelegt.

DFB.de: Ist Mark Verstegen eigentlich jemals undiszipliniert?

Verstegen: Sehr selten, aber doch, es kommt vor.

DFB.de: Vielleicht ja auf einer Feier, wenn die deutsche Mannschaft weit kommt?

Verstegen: Das wäre so unglaublich, wenn wir am Ende das ultimative Ziel erreichen. Wir müssen das, was wir kontrollieren können, jeden Tag erfolgreich absolvieren. Dann wird angepfiffen, und wir Fitnesstrainer können dann nur noch beten oder die Finger kreuzen oder was auch immer. Der DFB legt eine unglaubliche Grundlage, unsere Spieler haben die bestmögliche Situation, um Leistung zu erbringen und erfolgreich zu sein. Und um das große Ziel zu erreichen.