Verl: Das "gallische Dorf" in der Regionalliga West

Für den "gallischen" SC Verl wäre es im Kampf gegen die vermeintlichen "Übermächte" in der Regionalliga West ein weiterer Schritt nach vorne.

[mspw]


[bild2]

15 Kilometer südlich von Bielefeld, direkt am Ölbach, liegt die kleine Gemeinde Verl. Mit 25.000 Einwohnern gehört die Stadt nicht gerade zu den Metropolen in Ostwestfalen. Und trotzdem schafft es der ortsansässige SC Verl seit 1994 immer wieder, die "Großen" in der Regionalliga zu ärgern. Seit rund 20 Jahren macht der SCV als "gallisches Dorf" im Westen auf sich aufmerksam. Diesem Ruf machen die Verler auch in der aktuellen Spielzeit alle Ehre. Nach 25 Spielen belegt Verl sensationell den sechsten Tabellenplatz.

Als 1994 die Regionalliga als damals noch dritthöchste Spielklasse eingeführt wurde, waren die Schwarz-Weißen von Anfang an dabei. Dank Platz fünf in der Oberliga-Saison 1993/94 qualifizierte sich der SCV mit Spielern wie dem heutigen Trainer Andreas Golombek sowie Angelo Vier oder Zdenko Miletic für die neue Liga. Das große Geld war damals wie heute nicht vorhanden. "Der SC Verl hat noch nie mit wahnsinnigen Summen um sich geworfen. Der Verein hat seine eigene Linie, mit der er seit langer Zeit erfolgreich ist", sagt Ex-Profi Golombek im Gespräch mit DFB.de.

Raimund Bertels: Vom Spieler zum Vorsitzenden

Noch länger als "sein" Club in der Regionalliga kickt, ist der erste Vorsitzende Raimund Bertels bei den Ostwestfalen tätig. Sieben Jahre spielte er in der ersten Mannschaft, war nach einer kurzen Pause sieben Jahre Trainer der zweiten Mannschaft, ein Jahr Co-Trainer unter Mario Ermisch und zuletzt vier Jahre Cheftrainer. Seit Saisonbeginn ist der 46-Jährige nun auf den Posten des Vorsitzenden gerückt.

Er kennt den Verein wie kein anderer und bestätigt Golombeks Aussagen. "Wir gehen keine finanziellen Risiken ein, verzichten auf Schulden und zahlen immer pünktlich die Gehälter. Wir nutzen unsere Gelder sinnvoll und investieren fast ausschließlich in den Nachwuchs", sagt Bertels auf DFB.de.

Der bekannteste Verler: Ex-Nationalspieler Arne Friedrich

Dass der SCV in der Regionalliga eine gute Durchgangsstation für ambitionierte Talente ist, stellte der Verein aus der Ölbachstadt bereits mehrfach unter Beweis. Mit Ex-Nationalspieler Arne Friedrich sowie Oliver Kirch von Borussia Dortmund, Heinrich Schmidtgal (Fortuna Düsseldorf) und Thomas Bertels (SC Paderborn 07) brachte der Verein in der jüngeren Vergangenheit mehrere Profispieler hervor.

Auch Jahre nach den Engagements hält Vorsitzender Bertels, übrigens nicht verwandt oder verschwägert mit dem Paderborner Mittelfeldspielern, Kontakt zu den ehemaligen Verlern. "Heinrich Schmidtgal und Thomas Bertels kommen immer gerne zurück. Mit Thomas telefoniere ich außerdem häufig. Die Jungs wissen halt, was sie am SC Verl hatten", sagt der Vereins-Chef mit einem Lächeln.

"Wir versprechen den Spielern nicht das Blaue vom Himmel"

Für Raimund Bertels ist der Weg, auf junge Spieler zu setzen, der wirksame Zaubertrank "Gallier" aus Verl. "Jedes Jahr ist es aufs Neue eine Herausforderung, eine schlagkräftige Regionalligamannschaft beim SC Verl zusammenzustellen. Wir können und wollen nicht die Gehälter einiger Ligakonkurrenten zahlen, gehen dafür immer offen und ehrlich mit den Spielern um. Wir versprechen ihnen nicht das Blaue vom Himmel. Stattdessen punktet der SCV mit seiner familiären Art und Weise", erzählt Bertels.

Diese Stimmung innerhalb des Vereins beeindruckt auch den aktuellen Trainer und ehemaligen Verler Spieler Andreas Golombek: "Ich bin gerne an die Poststraße zurückgekehrt, hatte hier in den 90er Jahren eine gute Zeit. Die Kameradschaft wurde und wird noch immer groß geschrieben."

[bild1]

"Vor der Saison als sicherer Absteiger geführt"

In der laufenden Saison stellten die Schwarz-Weißen schon dem einen oder anderen Meisterschaftsfavoriten ein Beinchen. Bei den Sportfreunden Lotte entführte die Golombek-Mannschaft einen Punkt (1:1), bei Viktoria Köln (2:1) gelang Verl sogar ein Dreier. Nach 25 Spielen liegt der SCV "sensationell" (O-Ton Bertels) auf dem sechsten Rang und kann somit schon jetzt die Planungen für die nächste Regionalliga-Saison angehen.

"Daran war vor der Spielzeit überhaupt nicht zu denken. Von vielen Experten waren wir bereits als sicherer Absteiger geführt worden. Die meisten anderen Vereine sind individuell besser aufgestellt als wir. Doch durch harte Arbeit und gute Charaktere innerhalb der Mannschaft haben wir diesen Nachteil wettgemacht", meint Bertels und schiebt nach: "Die Verpflichtung meines Nachfolgers Andreas Golombek war ein absoluter Glücksgriff. Obwohl er die Mannschaft wegen seiner späten Verpflichtung nicht zusammengestellt hat, ist der Draht zu den Jungs hervorragend."

"Sommermärchen"-Held Odonkor ist Co-Trainer

An Golombeks Seite arbeiten gleich zwei Co-Trainer. Zum einen Andrejas Pavkovic, der schon unter Raimund Bertels den Posten des Assistenten besetzt hatte und zum anderen ein prominenter "Jungspund" im Trainergeschäft. Seit Ende Oktober unterstützt der ehemalige Nationalspieler und Weltmeisterschaftsteilnehmer von 2006, David Odonkor, das Verler Trainerteam.

Nach einem mehrwöchigen Praktikum bei Golombek nutzte der seit wenigen Tagen 30 Jahre alte Odonkor, der seine Karriere bereits frühzeitig wegen anhaltender Knieprobleme beenden musste, die Gelegenheit und stieg ins Trainergeschäft ein. "David hat sich gut eingefunden. Er ist absolut bodenständig und ein Typ, mit dem jeder Spieler gut auskommt. Sein Engagement läuft genau so, wie wir uns das vorgestellt haben", sagt Vorsitzender Raimund Bertels. Der auslaufende Vertrag mit dem Deutsch-Ghanaer soll über den Sommer hinaus verlängert werden.

Aus 75 Bundesliga-Einsätzen, 40 Spielen für Real Betis Sevilla in der spanischen Primera Division und 19 Begegnungen für die deutsche Nationalmannschaft kann David Odonkor schließlich mit einem großen Erfahrungsschatz aufwarten, den er auch gerne an die junge Verler Mannschaft weitergibt. "Er schnappt sich während der Trainingseinheiten den einen oder anderen Spieler und sagt ihm, was er verbessern kann. Er bringt die Jungs individuell weiter. Aber auch innerhalb des Trainerteams bringt er sich äußerst gut ein und macht den einen oder anderen Vorschlag für die Trainingseinheiten. Er weiß mit seiner Erfahrung umzugehen", lobt Odonkors "Chef" Andreas Golombek.

Einzug in den DFB-Pokal wäre perfekte Zugabe

Neben dem Klassenverbleib hat das Trainertrio Golombek/Odonkor/Pavkovic noch ein weiteres Ziel in dieser Saison. Am Samstag, den 22. März, steigt ab 15 Uhr im heimischen Stadion an der Poststraße das Viertelfinale um den Westfalenpokal. Gegner wird dann der Westfalenliga-Spitzenreiter TSV Marl-Hüls sein. Durch einen Finaleinzug würde sich der SCV zum vierten Mal in der Vereinsgeschichte für den DFB-Pokal qualifizieren.

"Das wäre eine Klassesache. Aber das wird nicht einfach. Mit dem TSV Marl-Hüls wartet ein ambitionierter Gegner auf uns. Außerdem sind mit dem SC Preußen Münster und den Sportfreunden Siegen auch noch andere höherklassige Mannschaften im Wettbewerb", dämpft Golombek die Erwartungshaltung ein wenig.

Den wohl größten Erfolg der Vereinsgeschichte konnte der SC Verl in der Saison 1999/2000 feiern. In der ersten Runde des DFB-Pokals besiegte der Regionalligist den damaligen Zweitligisten Borussia Mönchengladbach 5:4 nach Elfmeterschießen. Danach beendete dann jedoch die Eintracht aus Frankfurt die Verler Pokalträume. Die "Adlerträger" siegten 4:0 an der Postraße.

Stadion an der Poststraße soll Flutlicht bekommen

Neben den sportlichen Zielen will sich der SC Verl noch in anderen Bereichen weiter verbessern. Der erste Vorsitzende möchte vor allem das Stadion an der Poststraße modernisieren. "Wir befinden uns aktuell mit der Stadt in Gesprächen, damit unser Stadion endlich eine Flutlichtanlage bekommt. Dann könnten wir auch in der dunklen Jahreszeit Spiele unter der Woche zu Hause austragen", erzählt Raimund Bertels.

Für den "gallischen" SC Verl wäre es im Kampf gegen die vermeintlichen "Übermächte" in der Regionalliga West ein weiterer Schritt nach vorne.