Unser Gegner Ungarn: Tempo! Tempo!

Die Zeit der "Goldenen Elf" liegt schon knapp 70 Jahre zurück, doch nach langer Durststrecke befinden sich Ungarns Fußballer wieder auf einem guten Weg. Zum dritten Mal in Folge haben sie sich für eine EM qualifiziert. Ex-Bundesliga-Torwart Gábor Király beschreibt vor dem zweiten EM-Gruppenspiel gegen Deutschland heute (ab 18 Uhr, live in der ARD und bei MagentaTV) ein Team, das sich das Verlieren abgewöhnt zu haben schien. Bis der EM-Auftakt kam.

Die Entwicklung des Fußballs ist in Ungarn staatlich erwünscht. In vielen Städten wurden zuletzt moderne Stadien gebaut. Die Nationalmannschaft ist Teil dieser Entwicklung. Nach 2016 und 2021 hat sie sich zum dritten Mal in Folge für die EM qualifiziert. Ein Schlüssel dafür ist die Kontinuität auf der Trainerposition. Der Italiener Marco Rossi, 2016/2017 Ungarischer Meister mit Honvéd Budapest, ist seit Juni 2018 Nationaltrainer. Er hat einen Generationswechsel vorangetrieben. Und er hat das Team fußballerisch breiter aufgestellt. Die Grund-DNA ist nach wie vor: Die ungarische Mannschaft steht kompakt und schaltet schnell um. Sie ist kampfstark und hat die Fähigkeit zu leiden. Was sich geändert hat: Mittlerweile kann das Nationalteam auch Ballbesitzfußball.

Rossi ist ein guter Stratege. Die Kompaktheit und das Umschaltspiel sind die Grundlage. Doch das genaue System passt der Trainer dem Gegner an. Rossi ist clever, denkt aber nicht zu kompliziert, er gibt seinen Spielern klare und einfache Anweisungen. Seine enorme Popularität im Land speist sich auch aus seinem freundlichen Auftreten. Und: Falls es mal schiefgelaufen ist, räumt Rossi auch öffentlich Fehler ein – sehr oft nötig war das in letzter Zeit glücklicherweise nicht.

Gulácsi oder Dibusz?

Im Tor bin ich gespannt. Lange war Péter Gulácsi, der Torwart von RB Leipzig, die Nummer eins. Doch nach einem Kreuzbandriss musste er pausieren. Nachrücker Dénes Dibusz hat seine Sache gut gemacht. Er ist Kapitän bei Ferenc-város Budapest, Ungarns Rekordmeister. Dibusz ist 33 Jahre alt, Gulácsi 34 – Ungarn hat zwei erfahrene Torhüter von internationalem Format. Davor wird meist mit drei Innenverteidigern gespielt. Attila Szalai vom SC Freiburg ist ebenso ein guter Bekannter aus der Bundesliga wie Abwehrchef Willi Orbán von RB Leipzig. Szalai ist mit 26 Jahren im besten Fußballalter, ein schneller, robuster Verteidiger. Orbán, resolut, kopfballstark und erfahren, ist einer, der nie aufgibt. Im März gab es ein in unserem Land viel beachtetes Debüt. Márton Dárdai, der Sohn meines langjährigen Mitspielers Pál Dárdai, hat sich entschieden, für Ungarn zu spielen. Márton ist in Berlin geboren, wurde bei Hertha BSC ausgebildet, hat alle Nachwuchsmannschaften in Deutschland durchlaufen. Ein Innenverteidiger, 22 Jahre jung, wir können uns sehr auf ihn freuen.

Der große Unterschied zu den Vorjahren findet sich im offensiven Mittelfeld der Ungarn und heißt Dominik Szoboszlai. Von 2021 bis 2023 in Leipzig war er ein auffälliges Talent. Seit seinem Wechsel zum FC Liverpool hat Szoboszlai unter Trainer Jürgen Klopp noch mal zugelegt. Er ist ein wesentlicher Grund dafür, dass Ungarn nun auch bei Ballbesitz besser aussieht. Dominik spielt sehr oft die richtigen Pässe im richtigen Moment. Er kann sowohl Mitspieler in Szene setzen als auch selbst Tore erzielen. Mittlerweile wird sein Wert auf 75 Millionen Euro taxiert. Bei den Mitspielern kommt Szoboszlai auch deshalb gut an, weil er neben seiner fußballerischen Klasse ein extrem fleißiger Spieler ist, der bereit ist, die Ärmel hochzukrempeln. Trotz seiner erst 23 Jahre ist Szoboszlai bereits Kapitän.

Hohe Erwartungen

Ein anderer toller Offensivspieler stammt aus meiner Heimatstadt Szombathely: András Schäfer. Ich kenne ihn, seit er ein kleiner Junge war. András hat seine ersten Fußball-Schritte in meinem Ausbildungszentrum gemacht. Seine Eltern wohnten nur 300 Meter von der Anlage entfernt. András kommt über den Willen und die Emotionen. Für mich ist es kein Zufall, dass er jetzt bei Union Berlin in der Bundesliga spielt. Er ist nicht nur lauf- und zweikampfstark, auch und vor allem hat er keine Angst. Egal, wie prominent ein Gegenspieler sein mag, András versucht auch mal etwas Überraschendes. Roland Sallai ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Ungarn ein schwer ausrechenbarer Gegner ist. Im Nationalteam wie beim SC Freiburg sorgt Sallai für rasantes Umschaltspiel. Ist der Ball erobert, wird der schnelle Sallai geschickt. Er sucht den kürzesten Weg zum Tor und ist häufig nur mit Fouls zu stoppen. Im Sturm setzt der Trainer auf Barnabás Varga, einen Spätentwickler mit einer eher untypischen Profi-Karriere. Fast zehn Jahre hat Varga in unteren Ligen in Österreich gekickt, ehe er 2020 nach Ungarn zurückgekehrt ist. Dort wurde er zunächst Torschützenkönig der zweiten Liga, 2022/23 dann der ersten. Seit 2023 spielt Varga bei Meister Ferencváros Budapest. Varga riecht förmlich, wo Torgefahr entstehen wird.

Die Bilanz aus deutscher Sicht:

37 Spiele
13 Siege
12 Unentschieden
12 Niederlagen

[ub]

Die Zeit der "Goldenen Elf" liegt schon knapp 70 Jahre zurück, doch nach langer Durststrecke befinden sich Ungarns Fußballer wieder auf einem guten Weg. Zum dritten Mal in Folge haben sie sich für eine EM qualifiziert. Ex-Bundesliga-Torwart Gábor Király beschreibt vor dem zweiten EM-Gruppenspiel gegen Deutschland heute (ab 18 Uhr, live in der ARD und bei MagentaTV) ein Team, das sich das Verlieren abgewöhnt zu haben schien. Bis der EM-Auftakt kam.

Die Entwicklung des Fußballs ist in Ungarn staatlich erwünscht. In vielen Städten wurden zuletzt moderne Stadien gebaut. Die Nationalmannschaft ist Teil dieser Entwicklung. Nach 2016 und 2021 hat sie sich zum dritten Mal in Folge für die EM qualifiziert. Ein Schlüssel dafür ist die Kontinuität auf der Trainerposition. Der Italiener Marco Rossi, 2016/2017 Ungarischer Meister mit Honvéd Budapest, ist seit Juni 2018 Nationaltrainer. Er hat einen Generationswechsel vorangetrieben. Und er hat das Team fußballerisch breiter aufgestellt. Die Grund-DNA ist nach wie vor: Die ungarische Mannschaft steht kompakt und schaltet schnell um. Sie ist kampfstark und hat die Fähigkeit zu leiden. Was sich geändert hat: Mittlerweile kann das Nationalteam auch Ballbesitzfußball.

Rossi ist ein guter Stratege. Die Kompaktheit und das Umschaltspiel sind die Grundlage. Doch das genaue System passt der Trainer dem Gegner an. Rossi ist clever, denkt aber nicht zu kompliziert, er gibt seinen Spielern klare und einfache Anweisungen. Seine enorme Popularität im Land speist sich auch aus seinem freundlichen Auftreten. Und: Falls es mal schiefgelaufen ist, räumt Rossi auch öffentlich Fehler ein – sehr oft nötig war das in letzter Zeit glücklicherweise nicht.

Gulácsi oder Dibusz?

Im Tor bin ich gespannt. Lange war Péter Gulácsi, der Torwart von RB Leipzig, die Nummer eins. Doch nach einem Kreuzbandriss musste er pausieren. Nachrücker Dénes Dibusz hat seine Sache gut gemacht. Er ist Kapitän bei Ferenc-város Budapest, Ungarns Rekordmeister. Dibusz ist 33 Jahre alt, Gulácsi 34 – Ungarn hat zwei erfahrene Torhüter von internationalem Format. Davor wird meist mit drei Innenverteidigern gespielt. Attila Szalai vom SC Freiburg ist ebenso ein guter Bekannter aus der Bundesliga wie Abwehrchef Willi Orbán von RB Leipzig. Szalai ist mit 26 Jahren im besten Fußballalter, ein schneller, robuster Verteidiger. Orbán, resolut, kopfballstark und erfahren, ist einer, der nie aufgibt. Im März gab es ein in unserem Land viel beachtetes Debüt. Márton Dárdai, der Sohn meines langjährigen Mitspielers Pál Dárdai, hat sich entschieden, für Ungarn zu spielen. Márton ist in Berlin geboren, wurde bei Hertha BSC ausgebildet, hat alle Nachwuchsmannschaften in Deutschland durchlaufen. Ein Innenverteidiger, 22 Jahre jung, wir können uns sehr auf ihn freuen.

Der große Unterschied zu den Vorjahren findet sich im offensiven Mittelfeld der Ungarn und heißt Dominik Szoboszlai. Von 2021 bis 2023 in Leipzig war er ein auffälliges Talent. Seit seinem Wechsel zum FC Liverpool hat Szoboszlai unter Trainer Jürgen Klopp noch mal zugelegt. Er ist ein wesentlicher Grund dafür, dass Ungarn nun auch bei Ballbesitz besser aussieht. Dominik spielt sehr oft die richtigen Pässe im richtigen Moment. Er kann sowohl Mitspieler in Szene setzen als auch selbst Tore erzielen. Mittlerweile wird sein Wert auf 75 Millionen Euro taxiert. Bei den Mitspielern kommt Szoboszlai auch deshalb gut an, weil er neben seiner fußballerischen Klasse ein extrem fleißiger Spieler ist, der bereit ist, die Ärmel hochzukrempeln. Trotz seiner erst 23 Jahre ist Szoboszlai bereits Kapitän.

Hohe Erwartungen

Ein anderer toller Offensivspieler stammt aus meiner Heimatstadt Szombathely: András Schäfer. Ich kenne ihn, seit er ein kleiner Junge war. András hat seine ersten Fußball-Schritte in meinem Ausbildungszentrum gemacht. Seine Eltern wohnten nur 300 Meter von der Anlage entfernt. András kommt über den Willen und die Emotionen. Für mich ist es kein Zufall, dass er jetzt bei Union Berlin in der Bundesliga spielt. Er ist nicht nur lauf- und zweikampfstark, auch und vor allem hat er keine Angst. Egal, wie prominent ein Gegenspieler sein mag, András versucht auch mal etwas Überraschendes. Roland Sallai ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Ungarn ein schwer ausrechenbarer Gegner ist. Im Nationalteam wie beim SC Freiburg sorgt Sallai für rasantes Umschaltspiel. Ist der Ball erobert, wird der schnelle Sallai geschickt. Er sucht den kürzesten Weg zum Tor und ist häufig nur mit Fouls zu stoppen. Im Sturm setzt der Trainer auf Barnabás Varga, einen Spätentwickler mit einer eher untypischen Profi-Karriere. Fast zehn Jahre hat Varga in unteren Ligen in Österreich gekickt, ehe er 2020 nach Ungarn zurückgekehrt ist. Dort wurde er zunächst Torschützenkönig der zweiten Liga, 2022/23 dann der ersten. Seit 2023 spielt Varga bei Meister Ferencváros Budapest. Varga riecht förmlich, wo Torgefahr entstehen wird.

Die Bilanz aus deutscher Sicht:

37 Spiele
13 Siege
12 Unentschieden
12 Niederlagen

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