Uli Stielike: Ein großer Fußballer und Globetrotter wird 60

An einem Herbsttag 1972 kam der große Hennes Weisweiler nach Nordbaden um sich einen 18-Jährigen anzusehen: Uli Stielike, den Libero der Jugend-Nationalmannschaft und der viertklassigen Sportvereinigung Ketsch 06. Stielikes Team verlor 0:2 bei Astoria Walldorf, aber der 18-Jährige gewann - das Vertrauen des Meister-Trainers von Borussia Mönchengladbach, der ihn im Februar 1973 in die Bundesliga holte.

Andere Vereine hatten das Riesentalent auch auf dem Zettel, doch gegen die Borussia hatten weder der Karlsruher SC noch der 1. FC Kaiserslautern in jenen Tagen eine Chance. Am 14. April 1973 debütierte Stielike, der heute seinen 60. Geburtstag feiert, im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den FCK als rechter Verteidiger. Und obwohl ihm Weisweiler "zwei dicke Schnitzer" attestierte, war er voll des Lobes: "Stielike ist vom Talent her eine halbe Klasse besser als alle Fußballer seines Alters, die ich bisher auszubilden hatte."

Mit 18 Jahren Stammspieler in Gladbach

Zwei Monate später durfte er sich bereits DFB-Pokalsieger nennen, drei Minuten vor dem Abpfiff wurde er gegen Köln eingewechselt. Es war das berühmte Finale, in dem ein anderer Joker Geschichte schrieb: Günter Netzer. Der Weltstar wechselte sich bekanntlich selbst ein und schoss mit dem ersten Ballkontakt das Siegtor, dann wechselte er zu Real Madrid. Dass auch der zweite Borussen-Joker jenes Tages diesen Weg gehen würde, war natürlich nicht abzusehen.

Aber Ulli Stielike wurde schon mit 18 Jahren Stammspieler in der mythischen Fohlenelf, gewann drei Meisterschaften in Folge, 1975 auch den UEFA-Pokal und gab noch im selben Jahr auch sein Länderspiel-Debüt. Nach den 90 Minuten von Wien überschlugen sich die Kritiker: "künftiger Weltstar", "zweiter Beckenbauer", "die Entdeckung des Jahres". Uli Stielike, nun im Mittelfeld eingesetzt, stand vor einer Welt-Karriere. Da war es nur folgerichtig, dass sich die ganz großen Klubs für ihn interessierten.

Wechsel zu Real Madrid

Im April 1977 rief Günter Netzer aus Madrid bei ihm an und ließ ihn wissen, dass Santiago Bernabeu, der schon zu Lebzeiten legendäre Präsident von Real Madrid, nach Düsseldorf kommen werde, um ihn spielen zu sehen. Borussia traf im Europacup auf Dynamo Kiew, und obwohl Stielike ausgewechselt wurde, erhielt er ein Angebot von Real. Eines, das ein 22-Jähriger kaum ablehnen konnte. Borussia wurde mit 1,8 Millionen D-Mark entschädigt, Stielikes erster Vertrag lief über zwei Jahre.

Er hatte unerfreuliche Nebenwirkungen, denn der DFB wollte die Abwanderung seiner Nationalspieler ins Ausland bremsen und drohte, ihn nicht mit zur WM nach Argentinien zu nehmen. Aber Stielike, der schon immer einen eigenen Kopf hatte, ließ sich nicht halten. Bundestrainer Helmut Schön tadelte ihn: "Stielike glaubt, dass er schon ein ganz Großer ist. Der soll mal schön auf dem Teppich bleiben. Er irrt, wenn er denkt, dass wir ihn dauernd für Länderspiele holen."

Europameister 1980 mit dem DFB-Team

Nach der enttäuschenden WM in Argentinien mit dem Aus des deutschen Teams in der Zwischenrunde wurde umgedacht und Schöns Nachfolger Jupp Derwall setzte sich für Stielikes Rückkehr ein. Zum Wohle aller, denn 1980 wurde Deutschland mit dem Libero Stielike, der mit seinen 25 Jahren schon einer der Routiniers in der jungen Mannschaft war, Europameister. 1982 stand das DFB-Team in Stielikes "Wohnzimmer", dem Bernabeu-Stadion von Madrid, im WM-Finale. Drei Tage zuvor hatte er im Halbfinal-Drama von Sevilla gegen Frankreich einen Elfmeter verschossen, doch Toni Schumacher bügelte den Fehlschuss wieder aus. Das Bild vom zusammengesunkenen Stielike ("Ich wollte nicht schießen"), den Blick zu Boden gerichtet, gehört zu seiner Vita, die 42 Länderspiele und vorwiegend erfreuliche Momente enthält. Stielike sagt heute: "An diese 15 Jahre habe ich an sich nur positive Erinnerungen."

Mit Real wurde er dreimal Meister (1978 bis 1980), zweimal Pokalsieger (1980, 1982) und zum krönenden Abschluss 1985 UEFA-Pokalsieger. Als er nach acht auch privat sehr glücklichen Jahren in die Schweiz ging, huldigte ihm Real-Präsident Ramon Mendoza: "Er war einer der wenigen Ausländer, die auch mit dem Herzen bei uns waren." Mehrmals wurde er zum besten Ausländer der Primera Division gewählt und bis heute hat kein Deutscher mehr Spiele und Tore (215/41) für Real auf dem Konto als der Vorbild-Profi Stielike, dessen Karriere skandalfrei blieb.

Bis 1988 spielte er noch für Xamax Neuchatel, wie in Gladbach und Madrid ging er auch hier im Triumph – als Meister. Sein Karriere-Fazit: "Ich hatte das Glück, niemals unten gewesen zu sein. Persönlich war ich als Fußballer nie richtig weg vom Fenster."

Mit 34 Jahren Nationaltrainer der Schweiz

Danach hat sich Stielike sofort ins Trainer-Leben gestürzt. Noch ohne Lizenz coachte er mit erst 34 Jahren die Nationalmannschaft der Schweiz, wo er die längste Serie ohne Niederlage (neun Spiele) schaffte, aber die EM 1992 knapp verfehlte. Danach trainierte er zwei Jahre den Ex-Klub Xamax, ehe es ihn 1994 in die Heimat zog: Mit Waldhof Mannheim peilte er die Bundesliga-Rückkehr an, scheiterte aber am letzten Spieltag und wurde wenige Monate später entlassen. Ausgerechnet mit Manager Karl-Heinz Förster, mit dem er 1980 Europameister geworden war, hatte er sich überworfen.

Stielike war und ist stets ein Mann offener Worte gewesen, auch seine Branche hat er kritisch reflektiert. "Als Trainer sollte man am besten im Wohnwagen leben", hat er mal gesagt. Und doch hat er den Job noch oft gemacht: 1996 in Spanien bei Almeria, dann acht Jahre in verschiedenen Funktionen beim DFB. Im September 1998 wurde er Assistent von Bundestrainer Erich Ribbeck, in Erinnerung blieb vor allem sein kariertes Sakko bei der Präsentation und ein Missverständnis. Eigentlich wollte Stielike Bundestrainer werden. Im April 2000 trat er nach Dissonanzen mit Ribbeck zurück.

Geburtstagsfeier im südkoreanischen Seoul

Von 2001 bis 2006 trainierte er U-Nationalmannschaften des DFB, dann ging er nach Afrika, um die Auswahl der Elfenbeinküste zu trainieren (2006 bis 2008). Es folgten kurze Stationen beim FC Sion und in Katar.

Seit September erkundet Stielike einen neuen Erdteil und betreut die Nationalmannschaft von Südkorea. "In Südkorea herrscht eine große Fußballbegeisterung. Das ist eine gute Ausgangsbasis für meine Arbeit", sagt der Globetrotter, der seinen Jubeltag in Seoul feiert. Seine Frau und die beiden Kinder sind es längst gewohnt, dass Uli Stielike immer mal wieder auf Reisen geht - wenn auch nicht im Wohnwagen.

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An einem Herbsttag 1972 kam der große Hennes Weisweiler nach Nordbaden um sich einen 18-Jährigen anzusehen: Uli Stielike, den Libero der Jugend-Nationalmannschaft und der viertklassigen Sportvereinigung Ketsch 06. Stielikes Team verlor 0:2 bei Astoria Walldorf, aber der 18-Jährige gewann - das Vertrauen des Meister-Trainers von Borussia Mönchengladbach, der ihn im Februar 1973 in die Bundesliga holte.

Andere Vereine hatten das Riesentalent auch auf dem Zettel, doch gegen die Borussia hatten weder der Karlsruher SC noch der 1. FC Kaiserslautern in jenen Tagen eine Chance. Am 14. April 1973 debütierte Stielike, der heute seinen 60. Geburtstag feiert, im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den FCK als rechter Verteidiger. Und obwohl ihm Weisweiler "zwei dicke Schnitzer" attestierte, war er voll des Lobes: "Stielike ist vom Talent her eine halbe Klasse besser als alle Fußballer seines Alters, die ich bisher auszubilden hatte."

Mit 18 Jahren Stammspieler in Gladbach

Zwei Monate später durfte er sich bereits DFB-Pokalsieger nennen, drei Minuten vor dem Abpfiff wurde er gegen Köln eingewechselt. Es war das berühmte Finale, in dem ein anderer Joker Geschichte schrieb: Günter Netzer. Der Weltstar wechselte sich bekanntlich selbst ein und schoss mit dem ersten Ballkontakt das Siegtor, dann wechselte er zu Real Madrid. Dass auch der zweite Borussen-Joker jenes Tages diesen Weg gehen würde, war natürlich nicht abzusehen.

Aber Ulli Stielike wurde schon mit 18 Jahren Stammspieler in der mythischen Fohlenelf, gewann drei Meisterschaften in Folge, 1975 auch den UEFA-Pokal und gab noch im selben Jahr auch sein Länderspiel-Debüt. Nach den 90 Minuten von Wien überschlugen sich die Kritiker: "künftiger Weltstar", "zweiter Beckenbauer", "die Entdeckung des Jahres". Uli Stielike, nun im Mittelfeld eingesetzt, stand vor einer Welt-Karriere. Da war es nur folgerichtig, dass sich die ganz großen Klubs für ihn interessierten.

Wechsel zu Real Madrid

Im April 1977 rief Günter Netzer aus Madrid bei ihm an und ließ ihn wissen, dass Santiago Bernabeu, der schon zu Lebzeiten legendäre Präsident von Real Madrid, nach Düsseldorf kommen werde, um ihn spielen zu sehen. Borussia traf im Europacup auf Dynamo Kiew, und obwohl Stielike ausgewechselt wurde, erhielt er ein Angebot von Real. Eines, das ein 22-Jähriger kaum ablehnen konnte. Borussia wurde mit 1,8 Millionen D-Mark entschädigt, Stielikes erster Vertrag lief über zwei Jahre.

Er hatte unerfreuliche Nebenwirkungen, denn der DFB wollte die Abwanderung seiner Nationalspieler ins Ausland bremsen und drohte, ihn nicht mit zur WM nach Argentinien zu nehmen. Aber Stielike, der schon immer einen eigenen Kopf hatte, ließ sich nicht halten. Bundestrainer Helmut Schön tadelte ihn: "Stielike glaubt, dass er schon ein ganz Großer ist. Der soll mal schön auf dem Teppich bleiben. Er irrt, wenn er denkt, dass wir ihn dauernd für Länderspiele holen."

Europameister 1980 mit dem DFB-Team

Nach der enttäuschenden WM in Argentinien mit dem Aus des deutschen Teams in der Zwischenrunde wurde umgedacht und Schöns Nachfolger Jupp Derwall setzte sich für Stielikes Rückkehr ein. Zum Wohle aller, denn 1980 wurde Deutschland mit dem Libero Stielike, der mit seinen 25 Jahren schon einer der Routiniers in der jungen Mannschaft war, Europameister. 1982 stand das DFB-Team in Stielikes "Wohnzimmer", dem Bernabeu-Stadion von Madrid, im WM-Finale. Drei Tage zuvor hatte er im Halbfinal-Drama von Sevilla gegen Frankreich einen Elfmeter verschossen, doch Toni Schumacher bügelte den Fehlschuss wieder aus. Das Bild vom zusammengesunkenen Stielike ("Ich wollte nicht schießen"), den Blick zu Boden gerichtet, gehört zu seiner Vita, die 42 Länderspiele und vorwiegend erfreuliche Momente enthält. Stielike sagt heute: "An diese 15 Jahre habe ich an sich nur positive Erinnerungen."

Mit Real wurde er dreimal Meister (1978 bis 1980), zweimal Pokalsieger (1980, 1982) und zum krönenden Abschluss 1985 UEFA-Pokalsieger. Als er nach acht auch privat sehr glücklichen Jahren in die Schweiz ging, huldigte ihm Real-Präsident Ramon Mendoza: "Er war einer der wenigen Ausländer, die auch mit dem Herzen bei uns waren." Mehrmals wurde er zum besten Ausländer der Primera Division gewählt und bis heute hat kein Deutscher mehr Spiele und Tore (215/41) für Real auf dem Konto als der Vorbild-Profi Stielike, dessen Karriere skandalfrei blieb.

Bis 1988 spielte er noch für Xamax Neuchatel, wie in Gladbach und Madrid ging er auch hier im Triumph – als Meister. Sein Karriere-Fazit: "Ich hatte das Glück, niemals unten gewesen zu sein. Persönlich war ich als Fußballer nie richtig weg vom Fenster."

Mit 34 Jahren Nationaltrainer der Schweiz

Danach hat sich Stielike sofort ins Trainer-Leben gestürzt. Noch ohne Lizenz coachte er mit erst 34 Jahren die Nationalmannschaft der Schweiz, wo er die längste Serie ohne Niederlage (neun Spiele) schaffte, aber die EM 1992 knapp verfehlte. Danach trainierte er zwei Jahre den Ex-Klub Xamax, ehe es ihn 1994 in die Heimat zog: Mit Waldhof Mannheim peilte er die Bundesliga-Rückkehr an, scheiterte aber am letzten Spieltag und wurde wenige Monate später entlassen. Ausgerechnet mit Manager Karl-Heinz Förster, mit dem er 1980 Europameister geworden war, hatte er sich überworfen.

Stielike war und ist stets ein Mann offener Worte gewesen, auch seine Branche hat er kritisch reflektiert. "Als Trainer sollte man am besten im Wohnwagen leben", hat er mal gesagt. Und doch hat er den Job noch oft gemacht: 1996 in Spanien bei Almeria, dann acht Jahre in verschiedenen Funktionen beim DFB. Im September 1998 wurde er Assistent von Bundestrainer Erich Ribbeck, in Erinnerung blieb vor allem sein kariertes Sakko bei der Präsentation und ein Missverständnis. Eigentlich wollte Stielike Bundestrainer werden. Im April 2000 trat er nach Dissonanzen mit Ribbeck zurück.

Geburtstagsfeier im südkoreanischen Seoul

Von 2001 bis 2006 trainierte er U-Nationalmannschaften des DFB, dann ging er nach Afrika, um die Auswahl der Elfenbeinküste zu trainieren (2006 bis 2008). Es folgten kurze Stationen beim FC Sion und in Katar.

Seit September erkundet Stielike einen neuen Erdteil und betreut die Nationalmannschaft von Südkorea. "In Südkorea herrscht eine große Fußballbegeisterung. Das ist eine gute Ausgangsbasis für meine Arbeit", sagt der Globetrotter, der seinen Jubeltag in Seoul feiert. Seine Frau und die beiden Kinder sind es längst gewohnt, dass Uli Stielike immer mal wieder auf Reisen geht - wenn auch nicht im Wohnwagen.