Udo Jürgens: Buenos Dias im Bademantel

Emotion, das ist so ein Wort, das Udo Jürgens gerne benutzt. Mit seinen jetzt 79 Jahren ist er so etwas wie Deutschlands musikalischer Übervater. Dabei hat er einen österreichischen Pass und lebt in der Schweiz, seine Eltern jedoch waren Deutsche. Deutschland habe ihm sein ganzes Leben ermöglicht, dort begann seine Karriere. Auch deshalb interessiert ihn nur der Fußball nördlich der Alpen. Bundesliga wird jeden Samstag in der Sportschau geguckt, Europapokal und die Nationalmannschaft sowieso regelmäßig. Im Stadion war er jedoch schon länger nicht mehr: Seine letzten vier Live- Spiele endeten alle 0:0, da hätte er auch daheimbleiben können.

Seit den 60ern Fußballfan

Zum Fußball kam er so richtig in den 60ern, damals lebte er in München und freundete sich mit Franz Beckenbauer an. Die Freundschaft hält bis heute, seither ist Jürgens Bayern-Fan. Beckenbauer war es auch, der ihm 1996 den FIFA-Verdienstorden überreichte und damit das Engagement des Musikers würdigte, der den Fußball- Weltverband bei dessen Engagement für SOS-Kinderdörfer unterstützte. In Jürgens’ Stiftung gehört der "Kaiser" dem Kuratorium an. Und Jupp Heynckes "outete" sich schon in mehreren Interviews als Udo-Fan.

Mit Bayern allein ist es bei Jürgens aber nicht getan. Über seinen Landsmann Max Merkel kam er auch in Kontakt mit dem 1. FC Nürnberg. Dortmund mag er, weil er fast nirgendwo so oft aufgetreten ist wie in den Westfalenhallen, gleich neben dem Stadion. Schalke und Hamburg, die großen Traditionsvereine, schätzt er auch, außerdem hat er sich gefreut, dass Hertha BSC wieder in die Bundesliga aufgestiegen ist. "Zum Glück habe ich ein großes Herz, da passen viele Vereine rein", sagt er. Aber nur eine Nationalmannschaft.

Begeisterung für Angriffsfußball

Spieler wie Marco Reus und Mario Götze beeindrucken ihn, "solche jungen Kerle von Anfang 20, die schnell sind und unglaublich gut mit dem Ball umgehen können". Überhaupt ist er vom Spielstil des Teams angetan: "Angriffsfußball ist das Schönste, was es gibt." Und wenn dann gesungen wird auf den Tribünen, dann packt es ihn richtig. Nicht, dass da jeder einen Ton halten kann. "Aber es entsteht ein Gesamtklang, der durch nichts zu ersetzen ist. Kein Chor der Welt kann einen dermaßen beeindruckenden Klang erzeugen wie ein Stadion, das ,We are the champions’ singt. Das ist weit entfernt von musikalischer Qualität, das ist nur noch Emotion und unglaublich eindrucksvoll", sagt er. "Genau da will die Musik hin: dass Menschen so emotional reagieren, dass sie sich von ihren Plätzen erheben und mitsingen. Dann fängt der ganze Saal oder das ganze Stadion an zu fliegen." Diese Gefühle sind es, die Musiker wie Fußballer auslösen können.

Was nicht heißt, dass jeder Fußball-Song automatisch ein Erfolg wird. Nicht jedes Lied passt zu jedem Zeitgeist. Als Jürgens 1978 "Buenos Dias, Argentina!" schrieb, waren Schnulzen angesagt, also schrieb er eine: "Buenos Dias, Buenos Aires! Wenn die rote Sonne glüht, rauscht von ferne der La Plata, und er singt mit mir ein Lied." Heute kommen eher Lieder wie "Tage wie diese" von den Toten Hosen an. "Das ist ein tolles Lied, weil es die Emotion des Augenblicks zu 100 Prozent einfängt", sagt Jürgens. "Es wundert mich nicht, dass die Fans im Stadion das mitsingen." Das würde er auch selbst tun, da ist er sich sicher.

Fußballhits nicht mehr im Programm



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Es ist kalt an diesem Wintertag in Köln. Im Musikstudio jedoch ist es gemütlich warm - und ein bisschen eng. Die neue Platte von Udo Jürgens wird aufgenommen. Der ist Deutschlands beliebtester Sänger, obwohl er aus Österreich kommt. Doch Jürgens singt an diesem Tag nicht allein wie sonst. Ihm assistieren die Spieler der deutschen Nationalmannschaft, Kaltz, Vogts, Maier, Schwarzenbeck, fast alle sind sie da, Sänger in Jogginganzügen. Der Name des Projekts: "Buenos Dias, Argentina!" Es soll die offizielle Hymne der DFB-Auswahl zur WM in ein paar Monaten werden, im Sommer 1978.

"Buenos Dias, Argentina! Er war lang, mein Weg zu dir. Doch nun schwenk‘ ich den Sombrero: Buenos Dias, ich bin hier!" Das meiste singt Jürgens, die Nationalspieler bilden den Chor für den Refrain. "Die Aufnahmen waren sehr lustig", sagt Jürgens. "Natürlich waren die Spieler keine Sänger, aber sie haben es gerne gemacht und einfach drauflosgesungen wie die Fans im Stadion. Das hat gut geklungen. Wenn viele Leute singen, stimmt’s immer." Die Fans sahen das offenbar ähnlich. Im März kam die Platte auf den Markt. Als die WM in Argentinien begann, waren schon fast eine Million verkauft.

Cordoba bremst den Fußballhit aus

"Wenn wir in Córdoba gewonnen hätten, wären es vermutlich zwei geworden", sagt Jürgens. "Aber vom Tag der Niederlage an waren die Leute so sauer, dass sie keine Platten mehr gekauft haben. Córdoba hat den Song abgewürgt." Allerdings auf einem Niveau, das selbst eine Legende wie Jürgens vorher noch nicht erreicht hatte. Und auch nachher nicht mehr erreichte.

Eine Million verkaufte Platten – kein Lied von Udo Jürgens verkaufte sich so gut. Selbst in Japan war "Buenos Dias, Argentina!" ein Erfolg. Marty Robbins coverte den Song in den USA, wo er in den Country Charts nach oben schoss. Jürgens bekam als Songwriter in Hollywood einen Country Award. "Eine Sternstunde im Leben eines Musikers" sei dieses Lied gewesen, "und, ja, das lag sicher auch daran, dass die Nationalmannschaft mit dabei war". Auch wenn ihr das Lied nicht allzu viel Glück brachte. Das 2:3 gegen Österreich in der 2. Finalrunde zählt zur Kategorie "Bittere Niederlagen" der DFB-Geschichte.

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Zwölf Jahre später standen Deutschlands beste Fußballer erneut mit Jürgens am Mikrofon. "Wir sind schon auf dem Brenner" hieß das Lied, das Franz Beckenbauer und seine Mannschaft zur WM begleitete. Wieder ein erfolgreicher Song, getoppt aber vom Erfolg des Teams: Italia Novanta endete mit dem Titel. 1998 dann noch mal singende Kicker, diesmal sang Jürgens mit der Nationalmannschaft Österreichs, "ich fand, dass ich das dem Land ein bisschen schuldig war, nachdem ich zweimal mit den Deutschen gesungen hatte". Der Titel "Wunderknaben" bezog sich auf das Team der frühen 30er, stimmte jedoch bei der Auswahl von ’98 nur bedingt. Österreich fuhr nach drei Spielen wieder heim.

Emotionaler Abschiedssong für Helmut Schön

Fast vergessen ist das Stück, das Jürgens zum Abschied von Helmut Schön als Bundestrainer schrieb: "Der Mann mit der Mütze geht nach Haus". "Da war Emotion drin", sagt Jürgens. "Er hat geweint, der halbe Saal hat geweint, und ich musste schlucken beim Singen, weil ich merkte, wir sehr das gestimmt hat." Noch heute ergreift es ihn, wenn er daran denkt, an seinen Auftritt, an die Reaktion des zurückhaltenden Gentlemans Schön, der ihn voller Rührung in den Arm nahm.

Emotion, das ist so ein Wort, das Udo Jürgens gerne benutzt. Mit seinen jetzt 79 Jahren ist er so etwas wie Deutschlands musikalischer Übervater. Dabei hat er einen österreichischen Pass und lebt in der Schweiz, seine Eltern jedoch waren Deutsche. Deutschland habe ihm sein ganzes Leben ermöglicht, dort begann seine Karriere. Auch deshalb interessiert ihn nur der Fußball nördlich der Alpen. Bundesliga wird jeden Samstag in der Sportschau geguckt, Europapokal und die Nationalmannschaft sowieso regelmäßig. Im Stadion war er jedoch schon länger nicht mehr: Seine letzten vier Live- Spiele endeten alle 0:0, da hätte er auch daheimbleiben können.

Seit den 60ern Fußballfan

Zum Fußball kam er so richtig in den 60ern, damals lebte er in München und freundete sich mit Franz Beckenbauer an. Die Freundschaft hält bis heute, seither ist Jürgens Bayern-Fan. Beckenbauer war es auch, der ihm 1996 den FIFA-Verdienstorden überreichte und damit das Engagement des Musikers würdigte, der den Fußball- Weltverband bei dessen Engagement für SOS-Kinderdörfer unterstützte. In Jürgens’ Stiftung gehört der "Kaiser" dem Kuratorium an. Und Jupp Heynckes "outete" sich schon in mehreren Interviews als Udo-Fan.

Mit Bayern allein ist es bei Jürgens aber nicht getan. Über seinen Landsmann Max Merkel kam er auch in Kontakt mit dem 1. FC Nürnberg. Dortmund mag er, weil er fast nirgendwo so oft aufgetreten ist wie in den Westfalenhallen, gleich neben dem Stadion. Schalke und Hamburg, die großen Traditionsvereine, schätzt er auch, außerdem hat er sich gefreut, dass Hertha BSC wieder in die Bundesliga aufgestiegen ist. "Zum Glück habe ich ein großes Herz, da passen viele Vereine rein", sagt er. Aber nur eine Nationalmannschaft.

Begeisterung für Angriffsfußball

Spieler wie Marco Reus und Mario Götze beeindrucken ihn, "solche jungen Kerle von Anfang 20, die schnell sind und unglaublich gut mit dem Ball umgehen können". Überhaupt ist er vom Spielstil des Teams angetan: "Angriffsfußball ist das Schönste, was es gibt." Und wenn dann gesungen wird auf den Tribünen, dann packt es ihn richtig. Nicht, dass da jeder einen Ton halten kann. "Aber es entsteht ein Gesamtklang, der durch nichts zu ersetzen ist. Kein Chor der Welt kann einen dermaßen beeindruckenden Klang erzeugen wie ein Stadion, das ,We are the champions’ singt. Das ist weit entfernt von musikalischer Qualität, das ist nur noch Emotion und unglaublich eindrucksvoll", sagt er. "Genau da will die Musik hin: dass Menschen so emotional reagieren, dass sie sich von ihren Plätzen erheben und mitsingen. Dann fängt der ganze Saal oder das ganze Stadion an zu fliegen." Diese Gefühle sind es, die Musiker wie Fußballer auslösen können.

Was nicht heißt, dass jeder Fußball-Song automatisch ein Erfolg wird. Nicht jedes Lied passt zu jedem Zeitgeist. Als Jürgens 1978 "Buenos Dias, Argentina!" schrieb, waren Schnulzen angesagt, also schrieb er eine: "Buenos Dias, Buenos Aires! Wenn die rote Sonne glüht, rauscht von ferne der La Plata, und er singt mit mir ein Lied." Heute kommen eher Lieder wie "Tage wie diese" von den Toten Hosen an. "Das ist ein tolles Lied, weil es die Emotion des Augenblicks zu 100 Prozent einfängt", sagt Jürgens. "Es wundert mich nicht, dass die Fans im Stadion das mitsingen." Das würde er auch selbst tun, da ist er sich sicher.

Fußballhits nicht mehr im Programm

Seine eigenen Fußballhits kommen heute so gut wie gar nicht mehr in seinen Programmen vor. "Ich war noch niemals in New York", "Aber bitte mit Sahne", "Mit 66 Jahren", "Ein ehrenwertes Haus" – die unvergänglichen Klassiker, die jeder kennt, haben Vorrang. Die Fußball-Lieder waren Lieder ihrer Zeit. Außerdem braucht Jürgens Platz für seine neuen Songs. Seine Konzerte sind nach wie vor ausverkauft, noch immer setzt er sich im Bademantel an den Flügel. Mit 79 ist noch lang’ noch nicht Schluss.

Die Zeit jedoch, in der man Songs mit Fußballteams gesungen hat, die ist vorbei, glaubt er. Heute hat jeder TV-, jeder Radiosender sein eigenes WM-Lied. Früher lief eines auf allen Kanälen. 1994 hat die Nationalmannschaft zuletzt einen Song zur Weltmeisterschaft aufgenommen. Und, klar, die Spieler müssen es auch wollen. "Jetzt könnte es nach der ersten Niederlage heißen: Die haben ihre Vorbereitungszeit lieber im Studio verbracht, um mit dem Jürgens ein lächerliches kleines Liedchen zu singen, als vernünftig zu trainieren und sich vorzubereiten. Fußball ist in der Beziehung so ernst geworden, das war früher ein Stück weit anders", sagt Jürgens. "Nach Córdoba wäre keiner auf die Idee gekommen, zu sagen: Hätten die nur nicht dieses Lied aufgenommen." Vielleicht war es dafür auch einfach zu erfolgreich.