Es ist kalt an diesem Wintertag in Köln. Im Musikstudio jedoch ist es
gemütlich warm - und ein bisschen eng. Die neue Platte von Udo
Jürgens wird aufgenommen. Der ist Deutschlands beliebtester Sänger,
obwohl er aus Österreich kommt. Doch Jürgens singt an diesem Tag
nicht allein wie sonst. Ihm assistieren die Spieler der deutschen Nationalmannschaft, Kaltz, Vogts, Maier, Schwarzenbeck, fast alle sind sie da, Sänger in Jogginganzügen. Der Name des Projekts: "Buenos Dias, Argentina!" Es soll die offizielle Hymne der DFB-Auswahl zur WM in ein paar Monaten werden, im Sommer 1978.
"Buenos Dias, Argentina! Er war lang, mein Weg zu dir. Doch nun schwenk‘ ich den Sombrero: Buenos Dias, ich bin hier!" Das meiste singt Jürgens, die Nationalspieler bilden den Chor für den Refrain. "Die Aufnahmen waren sehr lustig", sagt Jürgens. "Natürlich waren die Spieler keine Sänger, aber sie haben es gerne gemacht und einfach drauflosgesungen wie die Fans im Stadion. Das hat gut geklungen. Wenn viele Leute singen, stimmt’s immer." Die Fans sahen das offenbar ähnlich. Im März kam die Platte auf den Markt. Als die WM in Argentinien begann, waren schon fast eine Million verkauft.
Cordoba bremst den Fußballhit aus
"Wenn wir in Córdoba gewonnen hätten, wären es vermutlich zwei geworden", sagt Jürgens. "Aber vom Tag
der Niederlage an waren die Leute so sauer, dass sie
keine Platten mehr gekauft haben. Córdoba hat den Song
abgewürgt." Allerdings auf einem Niveau, das selbst eine
Legende wie Jürgens vorher noch nicht erreicht hatte.
Und auch nachher nicht mehr erreichte.
Eine Million verkaufte Platten – kein Lied von Udo
Jürgens verkaufte sich so gut. Selbst in Japan war
"Buenos Dias, Argentina!" ein Erfolg. Marty Robbins
coverte den Song in den USA, wo er in den Country
Charts nach oben schoss. Jürgens bekam als Songwriter
in Hollywood einen Country Award. "Eine Sternstunde
im Leben eines Musikers" sei dieses Lied gewesen,
"und, ja, das lag sicher auch daran, dass die
Nationalmannschaft mit dabei war". Auch wenn ihr das Lied nicht allzu viel Glück brachte. Das 2:3 gegen Österreich
in der 2. Finalrunde zählt zur Kategorie "Bittere
Niederlagen" der DFB-Geschichte.
Zwölf Jahre später standen Deutschlands beste
Fußballer erneut mit Jürgens am Mikrofon. "Wir sind
schon auf dem Brenner" hieß das Lied, das Franz Beckenbauer
und seine Mannschaft zur WM begleitete. Wieder
ein erfolgreicher Song, getoppt aber vom Erfolg des
Teams: Italia Novanta endete mit dem Titel. 1998 dann
noch mal singende Kicker, diesmal sang Jürgens mit
der Nationalmannschaft Österreichs, "ich fand, dass
ich das dem Land ein bisschen schuldig war, nachdem
ich zweimal mit den Deutschen gesungen hatte". Der
Titel "Wunderknaben" bezog sich auf das Team der
frühen 30er, stimmte jedoch bei der Auswahl von ’98 nur
bedingt. Österreich fuhr nach drei Spielen wieder heim.
Emotionaler Abschiedssong für Helmut Schön
Fast vergessen ist das Stück, das Jürgens zum
Abschied von Helmut Schön als Bundestrainer schrieb:
"Der Mann mit der Mütze geht nach Haus". "Da war
Emotion drin", sagt Jürgens. "Er hat geweint, der halbe
Saal hat geweint, und ich musste schlucken beim Singen,
weil ich merkte, wir sehr das gestimmt hat." Noch
heute ergreift es ihn, wenn er daran denkt, an seinen
Auftritt, an die Reaktion des zurückhaltenden Gentlemans
Schön, der ihn voller Rührung in den Arm nahm.
[bild1]
Es ist kalt an diesem Wintertag in Köln. Im Musikstudio jedoch ist es
gemütlich warm - und ein bisschen eng. Die neue Platte von Udo
Jürgens wird aufgenommen. Der ist Deutschlands beliebtester Sänger,
obwohl er aus Österreich kommt. Doch Jürgens singt an diesem Tag
nicht allein wie sonst. Ihm assistieren die Spieler der deutschen Nationalmannschaft, Kaltz, Vogts, Maier, Schwarzenbeck, fast alle sind sie da, Sänger in Jogginganzügen. Der Name des Projekts: "Buenos Dias, Argentina!" Es soll die offizielle Hymne der DFB-Auswahl zur WM in ein paar Monaten werden, im Sommer 1978.
"Buenos Dias, Argentina! Er war lang, mein Weg zu dir. Doch nun schwenk‘ ich den Sombrero: Buenos Dias, ich bin hier!" Das meiste singt Jürgens, die Nationalspieler bilden den Chor für den Refrain. "Die Aufnahmen waren sehr lustig", sagt Jürgens. "Natürlich waren die Spieler keine Sänger, aber sie haben es gerne gemacht und einfach drauflosgesungen wie die Fans im Stadion. Das hat gut geklungen. Wenn viele Leute singen, stimmt’s immer." Die Fans sahen das offenbar ähnlich. Im März kam die Platte auf den Markt. Als die WM in Argentinien begann, waren schon fast eine Million verkauft.
Cordoba bremst den Fußballhit aus
"Wenn wir in Córdoba gewonnen hätten, wären es vermutlich zwei geworden", sagt Jürgens. "Aber vom Tag
der Niederlage an waren die Leute so sauer, dass sie
keine Platten mehr gekauft haben. Córdoba hat den Song
abgewürgt." Allerdings auf einem Niveau, das selbst eine
Legende wie Jürgens vorher noch nicht erreicht hatte.
Und auch nachher nicht mehr erreichte.
Eine Million verkaufte Platten – kein Lied von Udo
Jürgens verkaufte sich so gut. Selbst in Japan war
"Buenos Dias, Argentina!" ein Erfolg. Marty Robbins
coverte den Song in den USA, wo er in den Country
Charts nach oben schoss. Jürgens bekam als Songwriter
in Hollywood einen Country Award. "Eine Sternstunde
im Leben eines Musikers" sei dieses Lied gewesen,
"und, ja, das lag sicher auch daran, dass die
Nationalmannschaft mit dabei war". Auch wenn ihr das Lied nicht allzu viel Glück brachte. Das 2:3 gegen Österreich
in der 2. Finalrunde zählt zur Kategorie "Bittere
Niederlagen" der DFB-Geschichte.
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Zwölf Jahre später standen Deutschlands beste
Fußballer erneut mit Jürgens am Mikrofon. "Wir sind
schon auf dem Brenner" hieß das Lied, das Franz Beckenbauer
und seine Mannschaft zur WM begleitete. Wieder
ein erfolgreicher Song, getoppt aber vom Erfolg des
Teams: Italia Novanta endete mit dem Titel. 1998 dann
noch mal singende Kicker, diesmal sang Jürgens mit
der Nationalmannschaft Österreichs, "ich fand, dass
ich das dem Land ein bisschen schuldig war, nachdem
ich zweimal mit den Deutschen gesungen hatte". Der
Titel "Wunderknaben" bezog sich auf das Team der
frühen 30er, stimmte jedoch bei der Auswahl von ’98 nur
bedingt. Österreich fuhr nach drei Spielen wieder heim.
Emotionaler Abschiedssong für Helmut Schön
Fast vergessen ist das Stück, das Jürgens zum
Abschied von Helmut Schön als Bundestrainer schrieb:
"Der Mann mit der Mütze geht nach Haus". "Da war
Emotion drin", sagt Jürgens. "Er hat geweint, der halbe
Saal hat geweint, und ich musste schlucken beim Singen,
weil ich merkte, wir sehr das gestimmt hat." Noch
heute ergreift es ihn, wenn er daran denkt, an seinen
Auftritt, an die Reaktion des zurückhaltenden Gentlemans
Schön, der ihn voller Rührung in den Arm nahm.
Emotion, das ist so ein Wort, das Udo Jürgens gerne
benutzt. Mit seinen jetzt 79 Jahren ist er so etwas wie
Deutschlands musikalischer Übervater. Dabei hat er
einen österreichischen Pass und lebt in der Schweiz,
seine Eltern jedoch waren Deutsche. Deutschland habe
ihm sein ganzes Leben ermöglicht, dort begann seine
Karriere. Auch deshalb interessiert ihn nur der Fußball
nördlich der Alpen. Bundesliga wird jeden Samstag in
der Sportschau geguckt, Europapokal und die Nationalmannschaft
sowieso regelmäßig. Im Stadion war er
jedoch schon länger nicht mehr: Seine letzten vier Live-
Spiele endeten alle 0:0, da hätte er auch daheimbleiben
können.
Seit den 60ern Fußballfan
Zum Fußball kam er so richtig in den 60ern, damals
lebte er in München und freundete sich mit Franz Beckenbauer
an. Die Freundschaft hält bis heute, seither ist
Jürgens Bayern-Fan. Beckenbauer war es auch, der ihm
1996 den FIFA-Verdienstorden überreichte und damit
das Engagement des Musikers würdigte, der den Fußball-
Weltverband bei dessen Engagement für SOS-Kinderdörfer
unterstützte. In Jürgens’ Stiftung gehört der "Kaiser"
dem Kuratorium an. Und Jupp Heynckes "outete"
sich schon in mehreren Interviews als Udo-Fan.
Mit Bayern allein ist es bei Jürgens aber nicht getan.
Über seinen Landsmann Max Merkel kam er auch in
Kontakt mit dem 1. FC Nürnberg. Dortmund mag er, weil
er fast nirgendwo so oft aufgetreten ist wie in den Westfalenhallen,
gleich neben dem Stadion. Schalke und
Hamburg, die großen Traditionsvereine, schätzt er auch,
außerdem hat er sich gefreut, dass Hertha BSC wieder
in die Bundesliga aufgestiegen ist. "Zum Glück habe
ich ein großes Herz, da passen viele Vereine rein", sagt
er. Aber nur eine Nationalmannschaft.
Begeisterung für Angriffsfußball
Spieler wie Marco Reus und Mario Götze beeindrucken
ihn, "solche jungen Kerle von Anfang 20, die schnell
sind und unglaublich gut mit dem Ball umgehen können".
Überhaupt ist er vom Spielstil des Teams angetan:
"Angriffsfußball ist das Schönste, was es gibt." Und
wenn dann gesungen wird auf den Tribünen, dann packt
es ihn richtig. Nicht, dass da jeder einen Ton halten
kann. "Aber es entsteht ein Gesamtklang, der durch
nichts zu ersetzen ist. Kein Chor der Welt kann einen
dermaßen beeindruckenden Klang erzeugen wie ein
Stadion, das ,We are the champions’ singt. Das ist weit
entfernt von musikalischer Qualität, das ist nur noch
Emotion und unglaublich eindrucksvoll", sagt er. "Genau
da will die Musik hin: dass Menschen so emotional
reagieren, dass sie sich von ihren Plätzen erheben und
mitsingen. Dann fängt der ganze Saal oder das ganze
Stadion an zu fliegen." Diese Gefühle sind es, die Musiker
wie Fußballer auslösen können.
Was nicht heißt, dass jeder Fußball-Song automatisch
ein Erfolg wird. Nicht jedes Lied passt zu jedem
Zeitgeist. Als Jürgens 1978 "Buenos Dias, Argentina!"
schrieb, waren Schnulzen angesagt, also schrieb er
eine: "Buenos Dias, Buenos Aires! Wenn die rote Sonne
glüht, rauscht von ferne der La Plata, und er singt mit
mir ein Lied." Heute kommen eher Lieder wie "Tage
wie diese" von den Toten Hosen an. "Das ist ein tolles
Lied, weil es die Emotion des Augenblicks zu 100 Prozent
einfängt", sagt Jürgens. "Es wundert mich nicht,
dass die Fans im Stadion das mitsingen." Das würde er
auch selbst tun, da ist er sich sicher.
Fußballhits nicht mehr im Programm
Seine eigenen Fußballhits kommen heute so gut wie
gar nicht mehr in seinen Programmen vor. "Ich war
noch niemals in New York", "Aber bitte mit Sahne",
"Mit 66 Jahren", "Ein ehrenwertes Haus" – die unvergänglichen
Klassiker, die jeder kennt, haben Vorrang.
Die Fußball-Lieder waren Lieder ihrer Zeit. Außerdem
braucht Jürgens Platz für seine neuen Songs. Seine
Konzerte sind nach wie vor ausverkauft, noch immer
setzt er sich im Bademantel an den Flügel. Mit 79 ist
noch lang’ noch nicht Schluss.
Die Zeit jedoch, in der man Songs mit Fußballteams
gesungen hat, die ist vorbei, glaubt er. Heute hat jeder
TV-, jeder Radiosender sein eigenes WM-Lied. Früher lief
eines auf allen Kanälen. 1994 hat die Nationalmannschaft
zuletzt einen Song zur Weltmeisterschaft aufgenommen.
Und, klar, die Spieler müssen es auch wollen. "Jetzt
könnte es nach der ersten Niederlage heißen: Die haben
ihre Vorbereitungszeit lieber im Studio verbracht, um
mit dem Jürgens ein lächerliches kleines Liedchen zu
singen, als vernünftig zu trainieren und sich vorzubereiten.
Fußball ist in der Beziehung so ernst geworden, das
war früher ein Stück weit anders", sagt Jürgens. "Nach
Córdoba wäre keiner auf die Idee gekommen, zu sagen:
Hätten die nur nicht dieses Lied aufgenommen." Vielleicht
war es dafür auch einfach zu erfolgreich.