Tritschoks: "Duisburg wird schärfster Konkurrent von Frankfurt"

Dr. Hans-Jürgen Tritschoks ist der erfolgreichste Trainer in der Geschichte der Frauen-Bundesliga, die am Samstag immerhin schon in ihre zwölfte Saison als eingleisige Liga startet. Der 52 Jahre alte Mediziner beendete im Sommer beim deutschen Rekordmeister 1. FFC Frankfurt seine Tätigkeit.

Viermal hat er als Trainer des FFC Brauweiler (1997) und des 1. FFC Frankfurt (2005, 2007, 2008) die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Dreimal (1997, 2007 und 2008) holte er dabei das Double. 2006 und 2008 gewann der 1. FFC Frankfurt mit ihm den UEFA-Cup, im vergangenen Sommer durch einen Sieg über den schwedischen Klub Umea IK, in dessen Reihen auch die brasilianische Weltfußballerin Marta spielt.

Im DFB.de-Exklusivinterview mit DFB-Internetredakteur Thomas Hackbarth nennt Tritschoks, der als medizinischer Dozent in der Fußball-Lehrer-Ausbildung an der Sportschule Köln tätig ist, seine gar nicht so überraschenden Titelfavoriten, reagiert auf platte Vorurteile und übt selbst deutlich Kritik an Topstar Marta, die mit Brasilien bei den Olympischen Spielen in Peking im Halbfinale Deutschland ausschaltete, dann aber im Endspiel gegen die USA verlor.

Frage: Fast elf Jahre haben Sie als Trainer in Brauweiler und Frankfurt die Frauen-Bundesliga mitgeformt und gestaltet. Im Sommer standen Sie sonst auf dem Fußballplatz. Fehlt Ihnen die Bundesliga denn nicht jetzt schon?

Dr. Hans-Jürgen Tritschoks: Der 1. FFC Frankfurt braucht einfach einen hauptamtlichen Trainer, das geht angesichts der Entwicklungen im Frauenfußball gar nicht anders. Aufgrund meiner beruflichen Situation konnte ich das nicht sein. Beratend werde ich dem Verein weiterhin zur Seite stehen. Ansonsten freue ich mich auf die Bundesligasaison. Endlich kann ich die Spiele verfolgen, ohne in der Verantwortung zu stehen. Am Samstag geht es endlich wieder los.

Frage: Der 1. FFC Frankfurt geht als Meister, DFB-Pokalsieger und UEFA-Cup-Champion in die neue Saison. Ist das Team eigentlich unschlagbar?

Tritschoks: Der Stamm der Mannschaft ist zusammengeblieben. Mit der amerikanischen Junioren-Nationalspielerin India Trotter hat man sich im Defensivbereich verstärkt. Mit Alisa Vetterlein wurde eine talentierte Nachwuchsspielerin geholt, so dass Frankfurt, wenn Silke Rottenberg wieder fit wird, über drei sehr gute Torhüterinnen verfügt. Gleichzeitig sind die Belastungen sehr hoch. Man muss auch bedenken, dass die Topakteure jetzt schon zum dritten Mal in vier Jahren durchspielen. Wir hatten die Europameisterschaft 2005, dann die WM 2007 und jetzt die Olympischen Spiele. Auch deshalb müssen die Vereine professionelle Bedingungen schaffen - nicht nur infrastrukturell, sondern konkret für die Spielerinnen. Der 1. FFC Frankfurt führt auch diese Entwicklung an.

Frage: Dennoch fällt auf, dass der 1. FFC diesmal keinen "großen Namen" verpflichtet hat.

Tritschoks: Stattdessen drängen junge Spielerinnen wie Svenja Huth in Frankfurt nach vorne. Man wird jetzt erstmal sehen, wie das mit dem Kader anläuft. Im Notfall kann man noch in der Winterpause reagieren.

Frage: Wer kann Frankfurt bei der Titelverteidigung gefährden?

Tritschoks: Die Liga wird spannend. Wenn ich sehe, was bei Bayern München und in Wolfsburg passiert, aber auch in Duisburg oder Potsdam, dann haben wir sicher einen Pool von Titelanwärtern. Die Konkurrenz hat aufgerüstet, der Rest der Liga arbeitet sich an die Frankfurterinnen ran. Duisburg ist Frankfurts schärfster Konkurrent. Man wird sehen, wie der FCR mit der Doppelbelastung von Meisterschaft und UEFA-Pokal zurecht kommt. Potsdam stellt eine sehr junge Mannschaft, viel hängt hier davon ab, wie sich diese Talente entwickeln. Bayern München hat sich mit Melanie Behringer verstärkt und könnte Frankfurt ebenfalls ärgern. Zumal sie schon in der Vorsaison eine glänzende Rolle gespielt und mit Günther Wörle einen hervorragenden Trainer verpflichtet haben. Der Konkurrenzkampf sollte größer werden. Nominell rückt die Liga enger zusammen. Das muss auch so sein im Interesse der Marke Frauenfußball.

Frage: Knapp 27.000 Zuschauer kamen vergangenes Jahr zum UEFA-Cup-Finale gegen Umea. Auch in der Bundesliga zieht der 1. FFC Frankfurt zu den Topspielen ganz passabel Zuschauer an. Was macht der Klub besser als viele andere in der Liga?

Tritschoks: Vater des Erfolges ist Manager Siegfried Dietrich. Unter seiner Führung wird in Frankfurt sehr professionell gearbeitet. Den neidischen Blick sollten andere Klubs lassen, sondern lieber überlegen, was sie kopieren können. Das Zugpferd Frankfurt alleine reicht nicht. Als der DFB nach der WM jedem Bundesligaklub einen Mitarbeiter im Management "spendierte", hat der Verband den Boden bereitet. Das muss jetzt Früchte tragen. Ein Anschub wurde gegeben, aber jetzt sind die Vereine gefragt. Als ich vor vier Jahren in Frankfurt angefangen habe, hatten wir einen Schnitt von etwa 600 Zuschauern. Mittlerweile haben wir ihn auf 1200 angehoben. Beim UEFA-Pokalfinale gegen Umea waren 27.000 im Frankfurter WM-Stadion. Der Erfolg in der Frauen-Bundesliga ist machbar. Aber egal, welchen Weg man wählt - man braucht ein tragfähiges PR- und Marketingkonzept.

Frage: Was sagen sie zu Kritikern des Frauenfußballs, die meinen, das Spiel sei zu langsam, zu wenig athletisch und fußballerisch auf schwachem Niveau?

Tritschoks: Es ist halt einfach so: Frauen haben weniger Kraft, und das gilt beim Tennis genauso wie beim Fußball. Aber das Spiel hat seinen eigenen Reiz: Weniger Fouls bewirken, dass das Spiel meistens flüssiger abläuft. Es gibt selten Theatralik nach einem Foulspiel. Ich erlebe oft, dass Zuschauer, die der Frauen-Bundesliga eine Chance geben, begeistert sind und immer wieder kommen.

Frage: Spüren Sie denn schon einen Rückenwind für den Frauenfußball durch die WM 2011 im eigenen Land?

Tritschoks: Wenn Ende September die Stadien ausgewählt werden, wird das Flair einer nahenden WM langsam spürbar werden. 2010 haben wir die U 20-Weltmeisterschaft im eigenen Land, auch das wird wie ein Katalysator wirken. Genauso wie das Engagement der WM-Botschafterinnen Sandra Minnert, Britta Carlson und Renate Lingor, die durch das ganze Land touren werden.

Frage: Nach den Titelgewinnen bei der Europameisterschaft und der Weltmeisterschaft holte die Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen zum dritten Mal Bronze. Wie hat Ihnen der Auftritt der Nationalmannschaft bei Olympia 2008 gefallen?

Tritschoks: Die Nationalmannschaft hat nicht an ihrem oberen Leistungslimit gespielt. Die Bronzemedaille ist deshalb als ein riesiger Erfolg zu werten.

Frage: Schlagen Sie nachträglich noch drei Kreuze? Schließlich ist es Ihren Spielerinnen im UEFA-Cup-Finale geglückt, die Brasilianerin Marta zu kontrollieren. Im Olympischen Halbfinale dagegen umkurvte Marta einige gestandene Nationalspielerinnen wie Slalomstangen...

Tritschoks: Man kann Spiele schlecht miteinander vergleichen. Wir haben Marta damals einigermaßen in den Griff bekommen. Eines muss ich aber schon sagen: Marta ist eine der weltbesten Spielerinnen, aber sie ist sicher keine Weltfußballerin.

Frage: Erklären Sie bitte den Unterschied!

Tritschoks: Von einer Weltfußballerin erwarte ich mehr als nur fußballerische Leistungen. Da erwarte ich auch eine Persönlichkeit, an der sich Mädchen aufrichten können. Diesen Vorbildcharakter zeigt mir Marta zu wenig. Wenn ich alleine an die Situation im Halbfinale mit Kerstin Stegemann an der Seitenlinie denke, das war doch eine klare Rote Karte. Das war nicht weniger hart als das Foul des belgischen Torwarts beim letzten Länderspiel gegen Lukas Podolski. Das gehört sich nicht. Marta verkörpert wirklich alles, sie ist wahnsinnig schnell, sie hat Spielwitz und Intelligenz, aber man sieht ihr immer ihre Unzufriedenheit an. Da erwarte ich mehr.

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Dr. Hans-Jürgen Tritschoks ist der erfolgreichste Trainer in der Geschichte der Frauen-Bundesliga, die am Samstag immerhin schon in ihre zwölfte Saison als eingleisige Liga startet. Der 52 Jahre alte Mediziner beendete im Sommer beim deutschen Rekordmeister 1. FFC Frankfurt seine Tätigkeit.

Viermal hat er als Trainer des FFC Brauweiler (1997) und des 1. FFC Frankfurt (2005, 2007, 2008) die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Dreimal (1997, 2007 und 2008) holte er dabei das Double. 2006 und 2008 gewann der 1. FFC Frankfurt mit ihm den UEFA-Cup, im vergangenen Sommer durch einen Sieg über den schwedischen Klub Umea IK, in dessen Reihen auch die brasilianische Weltfußballerin Marta spielt.

Im DFB.de-Exklusivinterview mit DFB-Internetredakteur Thomas Hackbarth nennt Tritschoks, der als medizinischer Dozent in der Fußball-Lehrer-Ausbildung an der Sportschule Köln tätig ist, seine gar nicht so überraschenden Titelfavoriten, reagiert auf platte Vorurteile und übt selbst deutlich Kritik an Topstar Marta, die mit Brasilien bei den Olympischen Spielen in Peking im Halbfinale Deutschland ausschaltete, dann aber im Endspiel gegen die USA verlor.

Frage: Fast elf Jahre haben Sie als Trainer in Brauweiler und Frankfurt die Frauen-Bundesliga mitgeformt und gestaltet. Im Sommer standen Sie sonst auf dem Fußballplatz. Fehlt Ihnen die Bundesliga denn nicht jetzt schon?

Dr. Hans-Jürgen Tritschoks: Der 1. FFC Frankfurt braucht einfach einen hauptamtlichen Trainer, das geht angesichts der Entwicklungen im Frauenfußball gar nicht anders. Aufgrund meiner beruflichen Situation konnte ich das nicht sein. Beratend werde ich dem Verein weiterhin zur Seite stehen. Ansonsten freue ich mich auf die Bundesligasaison. Endlich kann ich die Spiele verfolgen, ohne in der Verantwortung zu stehen. Am Samstag geht es endlich wieder los.

Frage: Der 1. FFC Frankfurt geht als Meister, DFB-Pokalsieger und UEFA-Cup-Champion in die neue Saison. Ist das Team eigentlich unschlagbar?

Tritschoks: Der Stamm der Mannschaft ist zusammengeblieben. Mit der amerikanischen Junioren-Nationalspielerin India Trotter hat man sich im Defensivbereich verstärkt. Mit Alisa Vetterlein wurde eine talentierte Nachwuchsspielerin geholt, so dass Frankfurt, wenn Silke Rottenberg wieder fit wird, über drei sehr gute Torhüterinnen verfügt. Gleichzeitig sind die Belastungen sehr hoch. Man muss auch bedenken, dass die Topakteure jetzt schon zum dritten Mal in vier Jahren durchspielen. Wir hatten die Europameisterschaft 2005, dann die WM 2007 und jetzt die Olympischen Spiele. Auch deshalb müssen die Vereine professionelle Bedingungen schaffen - nicht nur infrastrukturell, sondern konkret für die Spielerinnen. Der 1. FFC Frankfurt führt auch diese Entwicklung an.

Frage: Dennoch fällt auf, dass der 1. FFC diesmal keinen "großen Namen" verpflichtet hat.

Tritschoks: Stattdessen drängen junge Spielerinnen wie Svenja Huth in Frankfurt nach vorne. Man wird jetzt erstmal sehen, wie das mit dem Kader anläuft. Im Notfall kann man noch in der Winterpause reagieren.

Frage: Wer kann Frankfurt bei der Titelverteidigung gefährden?

Tritschoks: Die Liga wird spannend. Wenn ich sehe, was bei Bayern München und in Wolfsburg passiert, aber auch in Duisburg oder Potsdam, dann haben wir sicher einen Pool von Titelanwärtern. Die Konkurrenz hat aufgerüstet, der Rest der Liga arbeitet sich an die Frankfurterinnen ran. Duisburg ist Frankfurts schärfster Konkurrent. Man wird sehen, wie der FCR mit der Doppelbelastung von Meisterschaft und UEFA-Pokal zurecht kommt. Potsdam stellt eine sehr junge Mannschaft, viel hängt hier davon ab, wie sich diese Talente entwickeln. Bayern München hat sich mit Melanie Behringer verstärkt und könnte Frankfurt ebenfalls ärgern. Zumal sie schon in der Vorsaison eine glänzende Rolle gespielt und mit Günther Wörle einen hervorragenden Trainer verpflichtet haben. Der Konkurrenzkampf sollte größer werden. Nominell rückt die Liga enger zusammen. Das muss auch so sein im Interesse der Marke Frauenfußball.

Frage: Knapp 27.000 Zuschauer kamen vergangenes Jahr zum UEFA-Cup-Finale gegen Umea. Auch in der Bundesliga zieht der 1. FFC Frankfurt zu den Topspielen ganz passabel Zuschauer an. Was macht der Klub besser als viele andere in der Liga?

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Tritschoks: Vater des Erfolges ist Manager Siegfried Dietrich. Unter seiner Führung wird in Frankfurt sehr professionell gearbeitet. Den neidischen Blick sollten andere Klubs lassen, sondern lieber überlegen, was sie kopieren können. Das Zugpferd Frankfurt alleine reicht nicht. Als der DFB nach der WM jedem Bundesligaklub einen Mitarbeiter im Management "spendierte", hat der Verband den Boden bereitet. Das muss jetzt Früchte tragen. Ein Anschub wurde gegeben, aber jetzt sind die Vereine gefragt. Als ich vor vier Jahren in Frankfurt angefangen habe, hatten wir einen Schnitt von etwa 600 Zuschauern. Mittlerweile haben wir ihn auf 1200 angehoben. Beim UEFA-Pokalfinale gegen Umea waren 27.000 im Frankfurter WM-Stadion. Der Erfolg in der Frauen-Bundesliga ist machbar. Aber egal, welchen Weg man wählt - man braucht ein tragfähiges PR- und Marketingkonzept.

Frage: Was sagen sie zu Kritikern des Frauenfußballs, die meinen, das Spiel sei zu langsam, zu wenig athletisch und fußballerisch auf schwachem Niveau?

Tritschoks: Es ist halt einfach so: Frauen haben weniger Kraft, und das gilt beim Tennis genauso wie beim Fußball. Aber das Spiel hat seinen eigenen Reiz: Weniger Fouls bewirken, dass das Spiel meistens flüssiger abläuft. Es gibt selten Theatralik nach einem Foulspiel. Ich erlebe oft, dass Zuschauer, die der Frauen-Bundesliga eine Chance geben, begeistert sind und immer wieder kommen.

Frage: Spüren Sie denn schon einen Rückenwind für den Frauenfußball durch die WM 2011 im eigenen Land?

Tritschoks: Wenn Ende September die Stadien ausgewählt werden, wird das Flair einer nahenden WM langsam spürbar werden. 2010 haben wir die U 20-Weltmeisterschaft im eigenen Land, auch das wird wie ein Katalysator wirken. Genauso wie das Engagement der WM-Botschafterinnen Sandra Minnert, Britta Carlson und Renate Lingor, die durch das ganze Land touren werden.

Frage: Nach den Titelgewinnen bei der Europameisterschaft und der Weltmeisterschaft holte die Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen zum dritten Mal Bronze. Wie hat Ihnen der Auftritt der Nationalmannschaft bei Olympia 2008 gefallen?

Tritschoks: Die Nationalmannschaft hat nicht an ihrem oberen Leistungslimit gespielt. Die Bronzemedaille ist deshalb als ein riesiger Erfolg zu werten.

Frage: Schlagen Sie nachträglich noch drei Kreuze? Schließlich ist es Ihren Spielerinnen im UEFA-Cup-Finale geglückt, die Brasilianerin Marta zu kontrollieren. Im Olympischen Halbfinale dagegen umkurvte Marta einige gestandene Nationalspielerinnen wie Slalomstangen...

Tritschoks: Man kann Spiele schlecht miteinander vergleichen. Wir haben Marta damals einigermaßen in den Griff bekommen. Eines muss ich aber schon sagen: Marta ist eine der weltbesten Spielerinnen, aber sie ist sicher keine Weltfußballerin.

Frage: Erklären Sie bitte den Unterschied!

Tritschoks: Von einer Weltfußballerin erwarte ich mehr als nur fußballerische Leistungen. Da erwarte ich auch eine Persönlichkeit, an der sich Mädchen aufrichten können. Diesen Vorbildcharakter zeigt mir Marta zu wenig. Wenn ich alleine an die Situation im Halbfinale mit Kerstin Stegemann an der Seitenlinie denke, das war doch eine klare Rote Karte. Das war nicht weniger hart als das Foul des belgischen Torwarts beim letzten Länderspiel gegen Lukas Podolski. Das gehört sich nicht. Marta verkörpert wirklich alles, sie ist wahnsinnig schnell, sie hat Spielwitz und Intelligenz, aber man sieht ihr immer ihre Unzufriedenheit an. Da erwarte ich mehr.