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Trainer hinter Gittern: Herberger-Award für JVA Schwalmstadt und HFV
Große Bühne für große Taten hieß es am vergangenen Montag in Berlin. Die 14 Preisträger der Sepp-Herberger-Awards 2023 erhielten im Rahmen einer Feierstunde in den Kategorien Handicap-Fußball, Resozialisierung, Schule und Verein, Fußball Digital, Fußball-Stiftung sowie Sozialwerk Geldpreise im Gesamtwert von 100.000 Euro. Platz eins in der Kategorie Resozialisierung belegte gemeinsam mit dem Hessischen Fußball-Verband die JVA Schwalmstadt.
Von den anfänglichen Zweifeln, der Skepsis und Kritik blieb am Ende nichts mehr übrig. Wie auch? Marek Paluszak hatte mit seiner Initiative dafür gesorgt, dass neun Inhaftierte und drei Bedienstete der JVA Schwalmstadt Ende August vergangenen Jahres feierlich ihre Fußballtrainer-C-Lizenz in Empfang nehmen konnten. Nach einer alles andere als alltäglichen Qualifizierung hinter Gittern. "Ich neige dazu, sehr kritisch zu sein, aber in diesem Moment war ich stolz auf alle, die es geschafft haben", sagt Paluszak. Der Diplom-Sportlehrer, der in der JVA als Sachgebietsleiter Sport und Freizeit tätig ist, hatte einmal mehr aus einer fixen Idee eine Chance für die Menschen hinter Gittern gemacht.
"Der Anfang war nicht leicht"
Nachdem er einige Jahre zuvor eine Gruppe Inhaftierter zu lizenzierten Tischtennistrainern gemacht hatte, nutzte er nun den Fußball als Plattform für die Resozialisierung. Erneut galt es, den Inhaftierten eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten und gleichzeitig eine Brücke in das anschließende Leben nach der Haftentlassung zu bauen.
Mit Unterstützung des Hessischen Fußball-Verbandes stellte er die Weichen für den Erwerb der Trainer-C-Lizenz innerhalb der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt. "Der Anfang war nicht leicht", erinnert er sich. Neben bürokratischen Hürden galt es, auch die Einschränkungen der Pandemie zu umschiffen. "Letztlich ist gelungen, was ich zwischendurch angesichts von umfassenden Kontaktbeschränkungen bezweifelt hatte", meint der 62-Jährige. Zwei routinierte Ausbilder des Verbandes kamen zu den Unterrichtseinheiten in die Anstalt, um den Lizenzanwärtern das nötige Wissen rund um das Thema Coaching zu vermitteln.
Motorischer Test und Bewerbungsschreiben
Die Zuhörerschaft war dabei ein ausgewählter Kreis. Denn alle interessierten Inhaftierten mussten zunächst in einem motorischen Test die sportlichen Grundlagen nachweisen. Fußballtechnik, Ballführung und Dribbling waren gefragt. Zudem galt es, in einem Bewerbungsschreiben die eigene fußballerische Laufbahn darzustellen. "Und in Absprache mit dem Fußballverband hat dann jeder ein halbstündiges Gespräch mit den Ausbildern geführt", so Paluszak, der ebenfalls anwesend und anschließend begeistert war. "Alle Beteiligten haben das super gemacht. Die Ausbilder haben sich mit viel Empathie einen Eindruck von den Bewerbern verschafft, um deren Ernsthaftigkeit bewerten zu können, und die Inhaftierten haben trotz mancher Sprachbarriere sehr offen und ohne Hemmungen gesprochen", erinnert er sich.
Letztlich wurden alle für den Lizenzlehrgang zugelassen. "Alle Teilnehmer waren mit viel Disziplin dabei", so der Sportlehrer, der selbst lange Jahre Fußball gespielt hat.
Die Motivation der Teilnehmer im Alter von 23 bis 50 Jahren sei sehr unterschiedlich gewesen. Ablenkung vom "Knastalltag", die Chance "etwas für die Akte" zu tun - also für eine gute Führung - und auch der Wunsch, in der Zeit nach der Entlassung irgendwo als Trainer arbeiten zu können – all das habe die Inhaftierten motiviert mitzumachen.
Alle auf Augenhöhe
Im November 2021 ging es dann los. In den Blockseminaren in der Sporthalle des Gefängnisses wurde gebüffelt, ehe dann Anfang 2022 die Abschlussprüfung anstand. Die Teilnehmer mussten eine Trainingseinheit erarbeiten, schriftlich darlegen und mit einer Gruppe, zu der auch Bedienstete gehörten, durchführen. "Das hat sehr gut funktioniert. Für die Zeit der Prüfung waren alle auf Augenhöhe", erzählt Paluszak. Vor allem hätten alle Teilnehmer sehr viel dazu gelernt.
Und genau darum ging es. Die Ausbildung, die neuen Sichtweisen und der abschließende Erfolg führten dazu, dass die Inhaftierten für die Rückkehr in die Freiheit zusätzliches Rüstzeug erhalten, ist er überzeugt. Und vielleicht bestehe dann auch die Chance, draußen in einem Fußballverein Fuß zu fassen, Kontakte zu knüpfen, um jenseits von Kriminalität und Straftaten wieder einen Platz mitten in der Gesellschaft zu finden.
Frank Illing, Vorsitzender des Ausschusses für Qualifizierung und Vereinsentwicklung beim Hessischen Fußball-Verband, sieht im Engagement seines Verbandes bei dem Projekt in der JVA Schwalmstadt das wichtige Signal, auch jenen Menschen gegenüber Respekt zu bekunden, die "in ihrem Leben komplett falsch abgebogen" seien. "Es ist ein Aufzeigen eines Weges, bei dem man mit seinen anvertrauten Spielerinnen und Spielern beziehungsweise Mitmenschen achtsam umgeht", sagt er. Und HFV-Vizepräsidentin Professorin Silke Sinning ergänzt: "Vertrauensvolles und respektvolles Verhalten untereinander sollte eine zentrale Botschaft für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft sein."
Projektfortsetzung in größerem Stil geplant
Noch sind alle frisch gebackenen Trainer nicht entlassen. Aber Paluszak glaubt an den Erfolg seiner Initiative. Und daher plant er bereits Fortbildungen und für das nächste Jahr die Fortsetzung seines Projekts in größerem Stil.
Den mit 10.000 Euro dotierten ersten Preis bei den Sepp-Herberger-Awards 2023 in der Kategorie Resozialisierung teilen sich die JVA Schwalmstadt und der Hessische Fußball-Verband. Den zweiten Platz belegt die JSA Berlin aus dem Berliner Fußball-Verband und den dritten Platz der 1. FC Köln aus dem Fußball-Verband Mittelrhein.
Kategorien: Über uns, DER DFB, Integration
Autor: sw
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