Tolle Resonanz für Flüchtlings-Jobbörse auf dem Betzenberg

Die Ungewissheit ist groß. Halb zehn an einem Samstagmorgen auf dem Betzenberg in Kaiserlautern. Hier im VIP-Bereich auf der Haupttribüne haben 15 Unternehmen ihre Stände aufgebaut. Fast alle Firmen, sagt Peter Weißler von der Bundesagentur für Arbeit, suchten "händeringend nach motivierten Auszubildenden". Heute wurden speziell geflüchtete Menschen eingeladen. "Diese Ausbildungsbörse ist in ihrer Ausrichtung einzigartig", sagt Weißler, "denn erstmals hat man die BA und das Fußballehrenamt zusammengebracht."

Der Aufruf an Geflüchtete, heute hier vorbeizuschauen und sich zu informieren, erfolgte auch über die DFB-Stiftung Egidius Braun und den Südwestdeutschen Fußballverband. Finanziell hat sich Aydan Özoguz beteiligt, die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung. "Wir wissen alle nicht, was uns erwartet", sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Kaiserslautern-Pirmasens in seiner Ansprache um halb zehn. Ein leichtes Lächeln, ein wenig sorgenvoll schaut Peter Weißler aber auch aus. Bleibt es leer heute – das fragt er sich genauso wie Sven Molter von General Dynamics, Vanessa Wolff von der Drogeriekette DM und auch Szilvia Várnai von der Bäckerei Barbarossa. 80 Filialen betreibt man hier in Kaiserslautern. Várnai sucht dringend junge Bäcker. Um zehn Uhr wird die Tür aufgeschlossen. Und um 10.30 Uhr ist der Raum pickepacke voll. Es ist wie ein Bild für die Anziehungskraft des Fußballs. Immer mehr geflüchtete Menschen, meistens junge Männer so zwischen 20 und 30 Jahre alt, drängen sich an den Ständen.

"Die jungen Leute wissen, was sie wollen"

Sven Molter ist Personalchef beim Kaiserslauterer Unternehmen General Dynamics. Man baut Amphibienfahrzeuge für die Bundeswehr, man sucht Mechatroniker und Industriemechaniker. Der Geschäftssitz liegt am Fuß des Betze. Molter ist begeistert: "Kompliment an die BA und an die Egidius Braun-Stiftung. Die Resonanz heute ist größer als bei der letzten ganz öffentlichen Ausbildungsbörse im September. Die jungen Leute, die heute unseren Stand besuchen, sind informiert und wissen ganz genau, was sie wollen." Einer dieser jungen Leute ist Khaled Abou-Hassoun, der vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland kam. Ihn interessiert die Möglichkeit einer dualen Ausbildung, parallel zur Berufsausbildung möchte er Informatik studieren. Den Sprachkurs B1 hat er bestanden, B2 gerade abgeschlossen. Er spricht fließend und nur mit einer leichten Akzentfärbung Deutsch. Als er Mitte 2016 vom Auffanglager in Gera nach Kaiserslautern übersiedelte, begann er bald beim TFC Kaiserslautern Volleyball zu spielen. Der Sport habe ihm geholfen, auch weil man im Verein darauf bestand, dass Deutsch gesprochen werde. Abou-Hassoun würde gerne in Deutschland bleiben. Was ihm gefällt? "Die Meinungsfreiheit", sagt er, "und die Möglichkeiten."

2016 lebten in Deutschland 1,6 Millionen Schutzsuchende, mit 454.000 Menschen stellten die Syrer die größte Flüchtlingsgruppe. Bereits im Frühjahr 2015 hatten die DFB-Stiftung Egidius Braun und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Aydan Özoguz die Kampagne "1:0 für ein Willkommen" gestartet, bei der es zuerst einfach nur um eine Einladung zum gemeinsamen Fußballspielen ging. Seit dem Frühjahr 2017 werden mittels "2:0 für ein Willkommen" Vereine gefördert, die Schutzsuchende beim Spracherwerb oder der Jobsuche zur Seite stehen. "Wir hatten Mittel für 1200 Vereine budgetiert, bis heute sind es rund 3400", sagt Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski. "Sowohl die Ehrenamtler in den Fußballvereinen als auch Flüchtlinge sind jetzt so weit, dass wir den nächsten Schritt gehen können, nämlich dass wir Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung bringen." Die politische Aufladung des Themas, sagt der Lauterer BA-Chef, "spielt für uns überhaupt keine Rolle." Weißler: "Wir wollen Geflüchtete in Lohn und Brot bringen, weil es einen Bedarf seitens der Unternehmen gibt und weil wir immer versuchen, die Leute aus der Alimentierung zu holen." In Kaiserslautern konnten 2017 400 Ausbildungsstellen nicht besetzt werden. Weißler: "Die Flüchtlinge können das Delta schließen."

Geduld ist gefragt

Dass dafür aber auch ein langer Atem nötig sein wird, nämlich über fünf Jahre, belegte dieser Tage eine neue Studie der Bundesagentur. Erst nach fünf Jahren nämlich hatte jeder zweite Schutzsuchende im erwerbsfähigen Alter eine Beschäftigung gefunden. "Das Potenzial ist da, aber man erlebt auch eine riesige Spannbreite bei dem, was die Leute können", sagt Jürgen Müller vom VfB Reichenbach. Seit 2015 hat man etliche Flüchtlinge im Verein aufgenommen. "Drei spielen in unserer ersten Mannschaft, andere sind in der Laufgruppe, fast alle aus Eritrea, Somalia und Syrien." Heute begleitet er eine Gruppe, weil er hofft, dass der eine oder andere so einen Job findet. Einmal in der Woche unterrichtet er Deutsch. Einige machten große Fortschritte, er habe aber auch einen Mann aus Afghanistan in der Gruppe, der weder lesen noch schreiben könne. "Es war wichtig, dass wir uns als Verein früh und sehr offensiv um die Leute gekümmert haben", meint Jürgen Müller. Zwar bietet das BAMF einen Sprachkurs (600 Stunden) und einen Orientierungskurs (100 Stunden) an, aber nur Asylbewerbern mit einer hohen Bleibewahrscheinlichkeit. Alle anderen sind auf den ehrenamtlichen Sprachkurs etwa im Sportverein angewiesen. "Mir begegnet schon viel Dankbarkeit", sagt Müller.

Die Flüchtlinge tragen Visitenkarten und viele neue Informationen nach Hause, die Personaler von DM, General Dynamics und allen anderen Unternehmen haben viele Mobilnummern aufgenommen. "Man hat gemerkt, die Leute haben ein Ziel vor Augen. Wir haben nächste Woche eine Sitzung, da werde ich von dieser tollen Ausbildungsbörse berichten", sagt Vanessa Wolff, die eine von sechs DM-Filialen in Kaiserslautern leitet. Um 15 Uhr ist Abpfiff auf dem Betze, wo es in dieser Saison wohl selten einen so erfolgreichen Tag gab.

[th]

Die Ungewissheit ist groß. Halb zehn an einem Samstagmorgen auf dem Betzenberg in Kaiserlautern. Hier im VIP-Bereich auf der Haupttribüne haben 15 Unternehmen ihre Stände aufgebaut. Fast alle Firmen, sagt Peter Weißler von der Bundesagentur für Arbeit, suchten "händeringend nach motivierten Auszubildenden". Heute wurden speziell geflüchtete Menschen eingeladen. "Diese Ausbildungsbörse ist in ihrer Ausrichtung einzigartig", sagt Weißler, "denn erstmals hat man die BA und das Fußballehrenamt zusammengebracht."

Der Aufruf an Geflüchtete, heute hier vorbeizuschauen und sich zu informieren, erfolgte auch über die DFB-Stiftung Egidius Braun und den Südwestdeutschen Fußballverband. Finanziell hat sich Aydan Özoguz beteiligt, die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung. "Wir wissen alle nicht, was uns erwartet", sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Kaiserslautern-Pirmasens in seiner Ansprache um halb zehn. Ein leichtes Lächeln, ein wenig sorgenvoll schaut Peter Weißler aber auch aus. Bleibt es leer heute – das fragt er sich genauso wie Sven Molter von General Dynamics, Vanessa Wolff von der Drogeriekette DM und auch Szilvia Várnai von der Bäckerei Barbarossa. 80 Filialen betreibt man hier in Kaiserslautern. Várnai sucht dringend junge Bäcker. Um zehn Uhr wird die Tür aufgeschlossen. Und um 10.30 Uhr ist der Raum pickepacke voll. Es ist wie ein Bild für die Anziehungskraft des Fußballs. Immer mehr geflüchtete Menschen, meistens junge Männer so zwischen 20 und 30 Jahre alt, drängen sich an den Ständen.

"Die jungen Leute wissen, was sie wollen"

Sven Molter ist Personalchef beim Kaiserslauterer Unternehmen General Dynamics. Man baut Amphibienfahrzeuge für die Bundeswehr, man sucht Mechatroniker und Industriemechaniker. Der Geschäftssitz liegt am Fuß des Betze. Molter ist begeistert: "Kompliment an die BA und an die Egidius Braun-Stiftung. Die Resonanz heute ist größer als bei der letzten ganz öffentlichen Ausbildungsbörse im September. Die jungen Leute, die heute unseren Stand besuchen, sind informiert und wissen ganz genau, was sie wollen." Einer dieser jungen Leute ist Khaled Abou-Hassoun, der vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland kam. Ihn interessiert die Möglichkeit einer dualen Ausbildung, parallel zur Berufsausbildung möchte er Informatik studieren. Den Sprachkurs B1 hat er bestanden, B2 gerade abgeschlossen. Er spricht fließend und nur mit einer leichten Akzentfärbung Deutsch. Als er Mitte 2016 vom Auffanglager in Gera nach Kaiserslautern übersiedelte, begann er bald beim TFC Kaiserslautern Volleyball zu spielen. Der Sport habe ihm geholfen, auch weil man im Verein darauf bestand, dass Deutsch gesprochen werde. Abou-Hassoun würde gerne in Deutschland bleiben. Was ihm gefällt? "Die Meinungsfreiheit", sagt er, "und die Möglichkeiten."

2016 lebten in Deutschland 1,6 Millionen Schutzsuchende, mit 454.000 Menschen stellten die Syrer die größte Flüchtlingsgruppe. Bereits im Frühjahr 2015 hatten die DFB-Stiftung Egidius Braun und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Aydan Özoguz die Kampagne "1:0 für ein Willkommen" gestartet, bei der es zuerst einfach nur um eine Einladung zum gemeinsamen Fußballspielen ging. Seit dem Frühjahr 2017 werden mittels "2:0 für ein Willkommen" Vereine gefördert, die Schutzsuchende beim Spracherwerb oder der Jobsuche zur Seite stehen. "Wir hatten Mittel für 1200 Vereine budgetiert, bis heute sind es rund 3400", sagt Stiftungsgeschäftsführer Tobias Wrzesinski. "Sowohl die Ehrenamtler in den Fußballvereinen als auch Flüchtlinge sind jetzt so weit, dass wir den nächsten Schritt gehen können, nämlich dass wir Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung bringen." Die politische Aufladung des Themas, sagt der Lauterer BA-Chef, "spielt für uns überhaupt keine Rolle." Weißler: "Wir wollen Geflüchtete in Lohn und Brot bringen, weil es einen Bedarf seitens der Unternehmen gibt und weil wir immer versuchen, die Leute aus der Alimentierung zu holen." In Kaiserslautern konnten 2017 400 Ausbildungsstellen nicht besetzt werden. Weißler: "Die Flüchtlinge können das Delta schließen."

Geduld ist gefragt

Dass dafür aber auch ein langer Atem nötig sein wird, nämlich über fünf Jahre, belegte dieser Tage eine neue Studie der Bundesagentur. Erst nach fünf Jahren nämlich hatte jeder zweite Schutzsuchende im erwerbsfähigen Alter eine Beschäftigung gefunden. "Das Potenzial ist da, aber man erlebt auch eine riesige Spannbreite bei dem, was die Leute können", sagt Jürgen Müller vom VfB Reichenbach. Seit 2015 hat man etliche Flüchtlinge im Verein aufgenommen. "Drei spielen in unserer ersten Mannschaft, andere sind in der Laufgruppe, fast alle aus Eritrea, Somalia und Syrien." Heute begleitet er eine Gruppe, weil er hofft, dass der eine oder andere so einen Job findet. Einmal in der Woche unterrichtet er Deutsch. Einige machten große Fortschritte, er habe aber auch einen Mann aus Afghanistan in der Gruppe, der weder lesen noch schreiben könne. "Es war wichtig, dass wir uns als Verein früh und sehr offensiv um die Leute gekümmert haben", meint Jürgen Müller. Zwar bietet das BAMF einen Sprachkurs (600 Stunden) und einen Orientierungskurs (100 Stunden) an, aber nur Asylbewerbern mit einer hohen Bleibewahrscheinlichkeit. Alle anderen sind auf den ehrenamtlichen Sprachkurs etwa im Sportverein angewiesen. "Mir begegnet schon viel Dankbarkeit", sagt Müller.

Die Flüchtlinge tragen Visitenkarten und viele neue Informationen nach Hause, die Personaler von DM, General Dynamics und allen anderen Unternehmen haben viele Mobilnummern aufgenommen. "Man hat gemerkt, die Leute haben ein Ziel vor Augen. Wir haben nächste Woche eine Sitzung, da werde ich von dieser tollen Ausbildungsbörse berichten", sagt Vanessa Wolff, die eine von sechs DM-Filialen in Kaiserslautern leitet. Um 15 Uhr ist Abpfiff auf dem Betze, wo es in dieser Saison wohl selten einen so erfolgreichen Tag gab.

###more###