Todt vor dem Derby: "Freiburg war die Avantgarde"

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) ist der SC Freiburg im Abstiegskampf zu Gast beim VfB Stuttgart. Vor dieser Partie des 29. Spieltages berichtet Jens Todt, inzwischen 43 Jahre alt und Manager des Zweitligisten Karlsruher SC, im exklusiven DFB.de-Interview mit dem Historiker Udo Muras davon, wie der SC Freiburg vor 20 Jahren mit einem 4:0 in Stuttgart eine der sensationellsten Aufholjagden im Abstiegskampf einleitete.

DFB.de: Sie haben Ihre Bundesligakarriere in Freiburg begonnen und in Stuttgart beendet. Wissen Sie eigentlich, zu wem Sie am Samstag halten sollen, Herr Todt?

Jens Todt: Da will ich mich gar nicht entscheiden müssen. Ich hatte in beiden Städten tolle Jahre. Aber ich glaube, dass der VfB im Moment die Punkte dringender braucht.

DFB.de: Am 23. April 1994 war es umgekehrt. Schildern Sie doch bitte noch mal die damalige Lage!

Todt: Wir hatten drei Spieltage vor Schluss vier Punkte Rückstand auf Platz 15 und standen mit dem Rücken zur Wand. Im Grunde waren wir schon abgestiegen. Wir mussten praktisch jedes Spiel gewinnen, damals war ja noch die Zwei-Punkte-Regelung gültig.

DFB.de: Der VfB war zudem die beste Mannschaft der Rückrunde, dessen Kapitän Guido Buchwald wettete noch auf der Tartanbahn um 100 Mark, dass der SC verlieren würde. Hinzu kamen Ihre Personalsorgen. Uwe Wassmer, Altin Rraklli und Uwe Spies fielen aus…

Todt: Und trotzdem haben wir bei unheimlicher Hitze eine ganz außergewöhnliche Leistung geboten. Rodolfo Cardoso hat ein gutes Spiel gemacht, das weiß ich noch.

DFB.de: Richtig, er hat zwei Tore geschossen beim 4:0. Wer traf noch?

Todt: So was konnte ich mir nie gut merken, sorry.

DFB.de: Ralf "Kanzler" Kohl traf auch doppelt. Wissen Sie denn, was an diesem Tag noch in der Bundesliga passiert ist?

Todt: Helfen Sie mir!

DFB.de: In München fiel das berühmte Helmer-"Phantomtor". Das hat Ihrem spektakulären Sieg leider etwas die Show gestohlen.

Todt: Mag sein. Für uns war er trotzdem ungeheuer wichtig. Es war die Initialzündung für die geglückte Aufholjagd. Danach haben wir uns gesagt: "Da kann ja doch noch was gehen."

DFB.de: Sie selber haben ja gar nicht so gut gespielt laut kicker, der Ihnen nur die Note 4 gab. Trotzdem waren Sie ein gefragter Mann im Frühjahr 1994. Stimmt es denn, dass Sie noch im Kabinengang von VfB-Manager Dieter Hoeneß angesprochen wurden, ob Sie eventuell wechseln wollten? Und dass Sie am nächsten Tag mit HSV-Manager Heribert Bruchhagen verhandelten?

Todt: Ja, das stimmt. Ich hatte damals ein paar gute Angebote, aber für mich war klar, dass ich in Freiburg bleiben wollte. Erst recht in der Bundesliga.

DFB.de: Was ja klappte. Der SCF gewann tatsächlich die drei letzten Spiele und überholte Nürnberg noch im letzten Spiel. Das ganze Land schien es Ihnen zu gönnen, die taz titelte: "Das Gute hat gesiegt." Woher rührten die Sympathien?

Todt: Wir waren der sympathische Underdog und der etwas andere Bundesliga-Standort. Im Umfeld herrschte immer Ruhe, es war immer klar, wer Trainer sein würde - und unsere Art zu spielen kam an.

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DFB.de: Man sprach ja schon bald von den "Breisgau-Brasilianern". Wie haben Sie denn gespielt, was war das Besondere?

Todt: Trainer Volker Finke hat aus unseren Möglichkeiten das Optimum gemacht. Es war eine gute Mischung, ein bunter Haufen. Unser Spiel hatte eine ganz klare Handschrift. Wir waren sehr laufstark und stellten in Ballnähe Überzahl her. Was heute alle wollen. In gewisser Hinsicht waren wir der Vorreiter in Deutschland - die Avantgarde. Volker Finkes Rolle dabei wird meiner Meinung nach im Rückblick etwas unterbewertet.

DFB.de: In Freiburg wurde damals sicher niemand unterbewertet. Die Mannschaft wurde auf dem Rathausbalkon wie ein Meister gefeiert und vom OB empfangen. Für den Klassenverbleib!

Todt: Daran habe ich nie mehr gedacht seitdem, aber auch das stimmt. Der Klassenverbleib mit Freiburg 1994 kommt noch vor dem DFB-Pokalsieg mit Werder Bremen und war mit der schönste Moment meiner Spielerkarriere. Er war ein Wunder.

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) ist der SC Freiburg im Abstiegskampf zu Gast beim VfB Stuttgart. Vor dieser Partie des 29. Spieltages berichtet Jens Todt, inzwischen 43 Jahre alt und Manager des Zweitligisten Karlsruher SC, im exklusiven DFB.de-Interview mit dem Historiker Udo Muras davon, wie der SC Freiburg vor 20 Jahren mit einem 4:0 in Stuttgart eine der sensationellsten Aufholjagden im Abstiegskampf einleitete.

DFB.de: Sie haben Ihre Bundesligakarriere in Freiburg begonnen und in Stuttgart beendet. Wissen Sie eigentlich, zu wem Sie am Samstag halten sollen, Herr Todt?

Jens Todt: Da will ich mich gar nicht entscheiden müssen. Ich hatte in beiden Städten tolle Jahre. Aber ich glaube, dass der VfB im Moment die Punkte dringender braucht.

DFB.de: Am 23. April 1994 war es umgekehrt. Schildern Sie doch bitte noch mal die damalige Lage!

Todt: Wir hatten drei Spieltage vor Schluss vier Punkte Rückstand auf Platz 15 und standen mit dem Rücken zur Wand. Im Grunde waren wir schon abgestiegen. Wir mussten praktisch jedes Spiel gewinnen, damals war ja noch die Zwei-Punkte-Regelung gültig.

DFB.de: Der VfB war zudem die beste Mannschaft der Rückrunde, dessen Kapitän Guido Buchwald wettete noch auf der Tartanbahn um 100 Mark, dass der SC verlieren würde. Hinzu kamen Ihre Personalsorgen. Uwe Wassmer, Altin Rraklli und Uwe Spies fielen aus…

Todt: Und trotzdem haben wir bei unheimlicher Hitze eine ganz außergewöhnliche Leistung geboten. Rodolfo Cardoso hat ein gutes Spiel gemacht, das weiß ich noch.

DFB.de: Richtig, er hat zwei Tore geschossen beim 4:0. Wer traf noch?

Todt: So was konnte ich mir nie gut merken, sorry.

DFB.de: Ralf "Kanzler" Kohl traf auch doppelt. Wissen Sie denn, was an diesem Tag noch in der Bundesliga passiert ist?

Todt: Helfen Sie mir!

DFB.de: In München fiel das berühmte Helmer-"Phantomtor". Das hat Ihrem spektakulären Sieg leider etwas die Show gestohlen.

Todt: Mag sein. Für uns war er trotzdem ungeheuer wichtig. Es war die Initialzündung für die geglückte Aufholjagd. Danach haben wir uns gesagt: "Da kann ja doch noch was gehen."

DFB.de: Sie selber haben ja gar nicht so gut gespielt laut kicker, der Ihnen nur die Note 4 gab. Trotzdem waren Sie ein gefragter Mann im Frühjahr 1994. Stimmt es denn, dass Sie noch im Kabinengang von VfB-Manager Dieter Hoeneß angesprochen wurden, ob Sie eventuell wechseln wollten? Und dass Sie am nächsten Tag mit HSV-Manager Heribert Bruchhagen verhandelten?

Todt: Ja, das stimmt. Ich hatte damals ein paar gute Angebote, aber für mich war klar, dass ich in Freiburg bleiben wollte. Erst recht in der Bundesliga.

DFB.de: Was ja klappte. Der SCF gewann tatsächlich die drei letzten Spiele und überholte Nürnberg noch im letzten Spiel. Das ganze Land schien es Ihnen zu gönnen, die taz titelte: "Das Gute hat gesiegt." Woher rührten die Sympathien?

Todt: Wir waren der sympathische Underdog und der etwas andere Bundesliga-Standort. Im Umfeld herrschte immer Ruhe, es war immer klar, wer Trainer sein würde - und unsere Art zu spielen kam an.

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DFB.de: Man sprach ja schon bald von den "Breisgau-Brasilianern". Wie haben Sie denn gespielt, was war das Besondere?

Todt: Trainer Volker Finke hat aus unseren Möglichkeiten das Optimum gemacht. Es war eine gute Mischung, ein bunter Haufen. Unser Spiel hatte eine ganz klare Handschrift. Wir waren sehr laufstark und stellten in Ballnähe Überzahl her. Was heute alle wollen. In gewisser Hinsicht waren wir der Vorreiter in Deutschland - die Avantgarde. Volker Finkes Rolle dabei wird meiner Meinung nach im Rückblick etwas unterbewertet.

DFB.de: In Freiburg wurde damals sicher niemand unterbewertet. Die Mannschaft wurde auf dem Rathausbalkon wie ein Meister gefeiert und vom OB empfangen. Für den Klassenverbleib!

Todt: Daran habe ich nie mehr gedacht seitdem, aber auch das stimmt. Der Klassenverbleib mit Freiburg 1994 kommt noch vor dem DFB-Pokalsieg mit Werder Bremen und war mit der schönste Moment meiner Spielerkarriere. Er war ein Wunder.