Tiffert: "Genau die richtige Entscheidung"

Tiffert: Das war schon eine gute Mannschaft. Aus fast jedem ist ein Bundesliga-Spieler geworden.

DFB.de: Wie planen Sie Ihre Zukunft?

Tiffert: Ich habe für die nächste Saison einen Vertrag bei den Seattle Sounders, aber ganz ehrlich, man weiß doch im Sport nie genau, was kommt. Ich würde gerne noch ein Jahr in der MLS spielen. Ich konnte die Sache gut gestalten, es ist ja nicht leicht, mitten in der Saison in eine Mannschaft zu kommen. Mitte Januar fliege ich wieder nach Seattle. Und ich freue mich darauf.

Zur Person: Meister mit dem VfB Stuttgart, Meister in Österreich mit Red Bull Salzburg, starke Jahre in Duisburg und als einer des besten „Sechser“ im Profifußball beim 1. FC Kaiserslautern – Christian Tiffert feierte in seiner Laufbahn viele Erfolge. Die Leser der Tageszeitung 'Die Rheinpfalz' wählten ihn 2011 zum 'FCK-Spieler des Jahres'. Für Deutschland bestritt er 24 Länderspiele als U 21-Junior, darunter die Europameisterschaft 2004.

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Christian Tiffert hört sich überraschend frisch an. Der 30-jährige Ex-Bundesligaprofi hat das vergangene halbe Jahr in Seattle Fußball gespielt und ist gerade durch die Nacht zurück nach Deutschland geflogen. Schlafen im Flieger? "Leider nicht. Wir sind am Nachmittag in Seattle abgehoben und in Deutschland gelandet, als ich langsam müde wurde."

Tifferts Seattle Sounders verabschiedeten sich im Halbfinale der Major League Soccer gegen L.A. Galaxy, bei denen ein gewisser David Beckham mitspielt. Nun trifft Los Angeles am Samstag im MLS-Finale auf Houston Dynamo. Mit einem Zuschauerschnitt von 43.000 ist Seattle eine Hochburg, doch auch sonst interessieren sich die Amerikaner immer mehr für 'Soccer'. Mittlerweile laufen die Ligaspiele auch im Fernsehen, auf ESPN, ABC und dem Fox Soccer Channel. Übertreiben muss man nicht, aber Fußball ist heute – nach Football, Baseball, Basketball und Eishockey - immerhin auf Platz 5 der Profisportarten angekommen.

Im DFB.de-Interview mit Thomas Hackbarth spricht der ehemalige Stuttgarter und Kaiserslauterer, der 2004 mit Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski für Deutschland eine starke U 21-Europameisterschaft spielte, über seine liebgewonnene neue fußballerische Heimat.

DFB.de: Halbfinal-Aus gegen den Titelverteidiger – enttäuscht oder doch zufrieden?

Tiffert: Zum ersten Mal in der Geschichte der Seattle Sounders haben wir die erste Playoff-Runde überstanden. Und gegen L.A. Galaxy waren wir knapp dran. Beim Rückspiel in Seattle lagen wir 2:0 vorne, dann gab es einen umstrittenen Elfmeter. Gegen diesen erfahrenen Gegner mit Landon Donovan, David Beckham und Robbie Keane fiel es uns schwer, noch mal etwas zu drehen. Entscheidend war letztendlich die Hinspielniederlage in Carson, das 0:3 dort. Gerade offensiv ist L.A. Galaxy eine stark besetzte und sehr effektive Truppe, die jeden Fehler ausnutzt.

DFB.de: War es etwas Besonderes, gegen Beckham zu spielen?

Tiffert (lacht): Ich habe auch schon gegen andere große Fußballer gespielt. Ehrfürchtig war ich nicht. Aber er hat wirklich einiges dafür getan, den Fußball in den USA populär zu machen. Und er ist sicher nicht nur ein Werbeträger. Beckham liefert dort guten Fußball ab.

DFB.de: Mit welcher Zielsetzung sind Sie im Sommer in die MLS gewechselt?

Tiffert: Zunächst einmal, dem Verein zu helfen. Und dann wollte ich diese Erfahrung machen. Ich bin 30 Jahre alt, habe lange Jahre in Deutschland gespielt, jetzt war ein guter Zeitpunkt für den Wechsel in die USA. Während meiner Jahre in Kaiserslautern haben wir zwei Kinder bekommen, ich habe lange mit meiner Frau geredet, ob wir wirklich die Zelte abbrechen sollen. Heute weiß ich, das war genau die richtige Entscheidung. Meine Tochter hat einen Englisch-sprachigen Kindergarten besucht. Das war auch eine tolle Erfahrung, wie der kleine Mensch plötzlich immer mehr Worte in einer Fremdsprache kennt.

DFB.de: Wie hat Ihnen Seattle gefallen?

Tiffert: Die Stadt ist sehr europäisch, gar nicht wie New York oder Chicago, wo downtown ein hohes Haus neben dem anderen steht. Seattle ist ganz grün, die Landschaft ist sehr schön, es locken rundum die Berge und viele Seen. Der Bundesstaat Washington wird zurecht „Evergreen State“ genannt.

DFB.de: Was hat Ihnen an Amerika nicht gefallen?

Tiffert: Ich habe das deutsche Fernsehen vermisst. Die Bundesliga lief leider nicht im Fernsehen, und um ein Champions-League-Spiel zu sehen musste ich mich aufgrund des Zeitunterschiedes mittags um 12 Uhr vor den Fernseher setzen. Das hat nicht so wirklich Flair.

DFB.de: Ihre bekanntesten Mitspieler in Seattle waren Zach Scott, Eddie Johnson oder der österreichische Torwart Michael Gspurning. Sie haben die Fäden im zentralen Mittelfeld gezogen. Wie war denn das Niveau?

Tiffert: Die MLS ist sicher keine Operetten-Liga. Man wird jede Woche gefordert. Die Schiedsrichter lassen sehr viel laufen. Es wird teilweise mit offenem Visier gekämpft, es kommt also zu vielen Torchancen. Die Zuschauer erleben meistens sehr unterhaltsame Spiele.

DFB.de: Und das Niveau ihrer Mitspieler?

Tiffert: Ich will hier nicht wirklich Vergleiche ziehen. Das ist nicht Bundesliga, 2. oder 3. Liga, es ist die MLS. Aber dieses Vorurteil, die MLS sei eine Liga in der 35 Jährige noch mal abkassieren, stimmt so nicht mehr. Das Niveau ist extrem gestiegen, gerade auch durch Zugänge wie Beckham oder Keane.

DFB.de: Im Viertelfinale gegen Salt Lake City haben Sie mit einer klaffenden Kopfwunde weiter gespielt. So wird man Fanliebling, oder?

Tiffert: Ich habe ja gesagt, die Schiedsrichter lassen alles weiterlaufen. Es ist schon ein sehr körperbetonter Fußball. Das wurde getackert und weiter ging’s. Ein klarer Ellenbogen-Check gegen den Kopf, aber es gab nicht mal einen Freistoß. In fünfzehn Spielen hatten wir immerhin fünf Spieler mit einer Platzwunde. Soviel dazu. Das ist einfach die MLS.

DFB.de: Einen Titel haben Sie aber mit Seattle gewonnen – kein Team der Liga hat mehr Tickets verkauft.

Tiffert: Wir hatten 43.000 Zuschauer pro Heimspiel, zweimal war unser CentruyLink Field mit 69.000 Zuschauern komplett ausverkauft. Die Stadt ist durchaus Fußballverrückt. Das hat es mir auch einfach gemacht, mich in Seattle heimisch zu fühlen. Zu uns kommen alle querbeet – durchaus mexikanische Migranten, aber auch Amerikaner ohne eine Einwanderungsgeschichte. Die Atmosphäre im Stadion ist sehr familiär. Vor jedem Spiel musiziert eine Blaskapelle, und wenn wir mal nicht so gut gespielt haben, kann man trotzdem gemütlich nach Hause laufen.

DFB.de: Und auf dem Flug heute haben Sie wahrscheinlich in der Zeitung über die Gewaltdebatte im deutschen Fußball gelesen.

Tiffert: Gewalt im Stadion ist in den USA zumindest beim ‚soccer’ ein ‚no go’ Man kann ja euphorisch sein, mit Herzblut mitfiebern, aber hier in Deutschland nimmt es doch über Hand. Wollen wir in Deutschland irgendwann italienische Verhältnisse bekommen, wo aufgrund der Aggression in den Stadien der Fanzuspruch stark rückläufig ist? Das macht doch keinem mehr Spaß.

DFB.de: Sie haben schon für Magath, Sammer und Trapattoni gespielt. Was für ein Trainer ist Sigi Schmidt in Seattle?

Tiffert: Ein sehr gelassener, aber er kann auch laut werden. Er bringt viel Erfahrung mit, hat auch schon mit anderen Klubs Erfolge in der MLS gefeiert. Das Training von ihm ist abwechslungsreich, und obwohl er auch Deutscher ist, reden wir im Training nur Englisch. Das passt auch, ich will keine Ausnahmeregelung.

DFB.de: Haben Sie den Microsoft-Gründer und Sounders-Besitzer Paul Allen kennengelernt?

Tiffert: Bei den Playoff-Spielen war er immer im Stadion. Sein Interesse am Klub spüren wir alle.

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DFB.de: Wie oft denken Sie noch an die U 21-Europameisterschaft 2004?

Tiffert: Ich denke nicht so oft über vergangene Zeiten nach. Ab und zu spricht man vielleicht darüber, aber wirklich nicht so oft.

DFB.de: Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski und Tim Wiese gehörten damals auch zum deutschen Team.

Tiffert (lacht): Ich hatte schon gute Mitspieler, oder?

DFB.de: Sie gehörten damals auch zum festen Stamm.

Tiffert: Das war schon eine gute Mannschaft. Aus fast jedem ist ein Bundesliga-Spieler geworden.

DFB.de: Wie planen Sie Ihre Zukunft?

Tiffert: Ich habe für die nächste Saison einen Vertrag bei den Seattle Sounders, aber ganz ehrlich, man weiß doch im Sport nie genau, was kommt. Ich würde gerne noch ein Jahr in der MLS spielen. Ich konnte die Sache gut gestalten, es ist ja nicht leicht, mitten in der Saison in eine Mannschaft zu kommen. Mitte Januar fliege ich wieder nach Seattle. Und ich freue mich darauf.

Zur Person: Meister mit dem VfB Stuttgart, Meister in Österreich mit Red Bull Salzburg, starke Jahre in Duisburg und als einer des besten „Sechser“ im Profifußball beim 1. FC Kaiserslautern – Christian Tiffert feierte in seiner Laufbahn viele Erfolge. Die Leser der Tageszeitung 'Die Rheinpfalz' wählten ihn 2011 zum 'FCK-Spieler des Jahres'. Für Deutschland bestritt er 24 Länderspiele als U 21-Junior, darunter die Europameisterschaft 2004.