Thomas Brdaric: "Gegen Freiburg – das ist ein Plattform-Spiel"

DFB.de: 2004 gehörten Sie zum deutschen EM-Aufgebot, 2006 nominierte Jürgen Klinsmann doch andere Stürmer: Hanke, Asamoah, ihren Klubkollegen Neuville, auch Odonkor. Haben Sie damals die Entscheidung verstanden?

Brdaric: Die Nationalmannschaft hat sich irgendwann auf vier statt fünf Stürmer festgelegt. Da wurde die Luft dünn. 2005 gehörte ich noch zum Confed-Cup-Kader. 2006 habe ich dann in der Bundesliga als deutscher Stürmer zehn Tore geschossen. 2007 war ich schon wieder verletzt. Die Chance war vertan. Trotzdem, ich nehme so viel Positives mit. Ich war da, als das Duo Klinsmann/Löw mit der Nationalmannschaft in eine neue Ära aufbrach. Jürgen Klinsmann ging an Grenzen, vieles hat sich sehr schnell sehr weit entwickelt. Über Trainingsaufbau und Spielvorbereitung konnte ich damals vieles lernen. Es ist einfach zu bewundern, wie die Nationalmannschaft nun schon über sieben Jahre ihre Position in der Welt verteidigt. Ich bin mir sicher: In Brasilien haben wir die Chance, Weltmeister zu werden.

[th]


[bild1]

Mitten in der Mecklenburgischen Seenplatte liegt Neustrelitz. Kein Wunder also, dass Thomas Brdaric dreimal in dem halbstündigen Interview "idyllisch" sagt. Der 38-jährige ehemalige Bundesliga-Stürmer, acht Mal deutscher Nationalspieler und 2002 mit Bayer Leverkusen Champions-League-Finalist, will sich mit dem Regionalliga-Klub TSG Neustrelitz erste Meriten als Trainer verdienen.

Gelegenheit bietet sich Brdaric im DFB-Pokal. Heute empfängt Neustrelitz im "idyllischen" Parkstadion den SC Freiburg (ab 15.30 Uhr, live bei Sky). Auf einen Schlag könnte sich vieles verändern. Knapp eine Viertelmillion zahlt der DFB für das Erreichen der 2. Runde. DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth sprach mit Thomas Brdaric über ein "Plattform-Spiel".

DFB.de: Sie haben den Regionalligaklub Neustrelitz von Rastislav Hodul übernommen, der als Co-Trainer von Falko Götz bei Erzgebirge Aue unterschrieb. Welche Rahmenbedingungen haben Sie vorgefunden?

Thomas Brdaric: Soweit alles okay, das ist nicht die Bundesliga. Wir müssen schon mal fünf Minuten fahren, wenn wir vom Platz in den Kraftraum wollen. Aber die Spieler gehen ein ordentliches Tempo. Teilweise haben wir drei Einheiten pro Tag, das ist kein Zuckerschlecken. Wir müssen auch ein höheres Level erreichen, darum geht es. Ich versuche, geduldig zu bleiben. Zur Frage also: Die Bedingungsebene passt. Ich fühle mich wohl bei der TSG Neustrelitz.

DFB.de: Bitte stellen Sie uns Ihre Mannschaft vor.

Brdaric: Die erste Pokalrunde haben wir durch ein 3:0 über Hansa Rostock erreicht, aber das Team vom Frühjahr ist mit dem von heute nicht zu vergleichen. Mame Mbar Diouf oder Aymen Ben-Hatira, deren Brüder man aus der Bundesliga kennt, haben uns verlassen. Das Grundgerüst steht dennoch. Neustrelitz ist ein Ausbildungsverein. Wir müssen junge Spieler weiter entwickeln.

DFB.de: Das Pokalspiel gegen Freiburg nennen Sie eine "Plattform". Auf einen Schlag könnte der Trainer Brdaric sehr bekannt und in die Neustrelitzer Kasse eine Menge Geld gespült werden. Wie stehen die Chancen?

Brdaric: Dass meine Jungs an dem Spiel gegen den Europa-League-Klub Freiburg wachsen werden, kann uns keiner nehmen. Wir wollen dieses Erlebnis auskosten, aber wir wollen sicher auch nichts verschenken. Der SC Freiburg hat Außergewöhnliches geleistet, Christian Streich hat eine "No-Name"-Truppe nach Europa geführt. Ein Sieg über Schalke und Freiburg stände in der Champions League. Wir werden vorbereitet sein. Und: unsere Saison entscheidet sich nicht am 3. oder 4. August.

DFB.de: Fünf Stammspieler haben den SC Freiburg verlassen, darunter Neu-Nationalspieler Max Kruse. Der Favorit muss sich also selbst erst finden. Ist das ein kleiner Hoffnungsschimmer?

Brdaric: Sagen wir es mal so – ständen Kruse, Johannes Flum, Daniel Caligiuri, Cedric Makiadi und Jan Rosenthal heute noch im Freiburger Kader, hätte ich sicher noch ein paar Sorgenfalten mehr. Freiburg steckt zu Beginn dieser Saison im Umbruch, sie werden noch nicht eingespielt sein. Hoffentlich können wir das ausnutzen.

DFB.de: 2006 begann ihr langes Leiden, 2008 mussten Sie die Profikarriere nach mehreren Knieoperationen beenden. Wie geht es Ihnen heute gesundheitlich?

Brdaric: Sie sprechen da ein Thema an, dass mich lange belastet hat. Ich wurde rausgerissen aus dem Fußball. Mit 31 Jahren war ich noch überhaupt nicht bereit fürs Karriereende. Ich hatte es bis ganz nach oben geschafft, hatte dem Druck stand gehalten - plötzlich war Schluss. Das zu verarbeiten, hat Zeit gebraucht, ich musste den erzwungenen Abschied verarbeiten. In den drei Jahren habe ich dann meine Trainerlizenzen gemacht. Neustrelitz ist für mich die Chance, als ehemaliger Profi mit großem Erfahrungsschatz und als junger Trainer einen ersten Schritt zu machen. Ich will mich hier beweisen.

DFB.de: Die vergangenen zwei Jahre verbrachten Sie als Sportdirektor von Dynamo Minsk in Weißrussland und dann ab Dezember 2011 beim usbekischen Meister Bunyodkor Taschkent. Nebenbei haben Sie in dieser Zeit die UEFA Pro-Lizenz erworben. In welcher Sprache eigentlich?

Brdaric: Auf Russisch. Ich habe mir die Sprache sehr mühsam und mit großem Aufwand beigebracht. Nach dem Erwerb der B- und A-Lizenz kam das Angebot aus Weißrussland. Dort habe ich in einem Jahr die UEFA Pro-Lizenz erworben und ganz passabel Russisch gelernt. Geduldige Arbeitskollegen auf der Geschäftsstelle in Minsk waren meine Lehrer. Das erste halbe Jahr war nicht einfach. Ich hatte eine wichtige Position, konnte mich aber nicht adäquat ausdrücken. Nachts habe ich gebüffelt. Heute beherrsche ich vier Sprachen: Deutsch, Serbisch, Englisch und eben Russisch.

DFB.de: Enorm!

Brdaric: Ja, sprachlich bin ich breit aufgestellt, was für einen Trainer nicht unwesentlich ist. Jetzt müssen die sportlichen Erfolge dazu kommen.

[bild2]

DFB.de: 2004 gehörten Sie zum deutschen EM-Aufgebot, 2006 nominierte Jürgen Klinsmann doch andere Stürmer: Hanke, Asamoah, ihren Klubkollegen Neuville, auch Odonkor. Haben Sie damals die Entscheidung verstanden?

Brdaric: Die Nationalmannschaft hat sich irgendwann auf vier statt fünf Stürmer festgelegt. Da wurde die Luft dünn. 2005 gehörte ich noch zum Confed-Cup-Kader. 2006 habe ich dann in der Bundesliga als deutscher Stürmer zehn Tore geschossen. 2007 war ich schon wieder verletzt. Die Chance war vertan. Trotzdem, ich nehme so viel Positives mit. Ich war da, als das Duo Klinsmann/Löw mit der Nationalmannschaft in eine neue Ära aufbrach. Jürgen Klinsmann ging an Grenzen, vieles hat sich sehr schnell sehr weit entwickelt. Über Trainingsaufbau und Spielvorbereitung konnte ich damals vieles lernen. Es ist einfach zu bewundern, wie die Nationalmannschaft nun schon über sieben Jahre ihre Position in der Welt verteidigt. Ich bin mir sicher: In Brasilien haben wir die Chance, Weltmeister zu werden.