Theo Zwanziger: "Es geht um die Glaubwürdigkeit der FIFA"

Auf dem FIFA-Kongress in Zürich ist heute DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger in das Exekutivkomitee des Weltverbandes gerückt und hat dort den Platz von Franz Beckenbauer eingenommen. Mit DFB.de hat der 65-Jährige über diese neue Aufgabe und aktuelle Probleme der FIFA gesprochen.

DFB.de: Herr Dr. Zwanziger, Sie sind heute ins Exekutivkomitee der FIFA eingezogen. Ist Ihnen nicht ein wenig mulmig angesichts der vielen Vorwürfe und Anschuldigungen, die sich dieser Tage um Ihre künftigen Kollegen ranken?

Zwanziger: Ja, natürlich ist da ein etwas ungutes Gefühl. Ich würde schon lieber in ein Gremium einziehen, das auch in der Öffentlichkeit über jeden Zweifel erhaben ist und nur gute Kritiken bekommt. Das ist doch normal. Aber das kann ich mir in meiner Funktion nicht aussuchen. Sicher ist die öffentliche Wahrnehmung des FIFA-Exekutivkomitees derzeit alles andere als gut, aber soll ich mich deshalb meiner Verantwortung als DFB-Präsident und Mitglied des UEFA-Exekutivkomitees entziehen? Ich glaube das wäre das falsche Zeichen. Ich stelle mich dieser neuen Aufgabe und werde sie genauso kritisch, sachbezogen, intensiv und mit denselben Idealen angehen, wie jede andere zuvor auch.

DFB.de: Mit welchem Ziel?

Zwanziger: Es geht meiner Meinung nach vorerst darum, sämtliche Bestechungs- und Korruptionsvorwürfe, die seit Wochen rund um die FIFA kursieren, gründlich zu untersuchen und, so sich Beweise ergeben, konsequent zu handeln. Zudem müssen Prozesse in Bewegung gesetzt werden, um einen solchen Imageschaden, wie er inzwischen entstanden ist, in Zukunft auszuschließen. Es geht schließlich um die Glaubwürdigkeit der FIFA, ihres Präsidenten und somit des Fußballs auf der ganzen Welt. Da kann und darf es keine Kompromisse geben. Was zählt, ist einzig und allein eine lückenlose Aufklärung und die Schaffung größtmöglichster Transparenz für die Zukunft. Diese Thesen hat bei der Kongresseröffnung am Dienstagabend auch Micheline Calmy-Rey, die Bundespräsidentin der schweizerischen Eidgenossenschaft, recht eindrucksvoll formuliert.

DFB.de: Diese lückenlose Aufklärung hat Sepp Blatter, der – wie vom DFB gewünscht – in geheimer Wahl mit großer Mehrheit wiedergewählt worden ist, für seine vierte Amtszeit angekündigt...

Zwanziger: Nicht nur angekündigt, sondern schon auf dem heutigen Kongress in konkretes Handeln umgesetzt. Besonders bemerkenswert ist für mich in diesem Zusammenhang, dass er durch Kongressentscheidung vom heutigen Tag dem Exekutivkomitee die Kompetenz entzogen hat, den Austragungsort für die Weltmeisterschaften festzulegen. Die Vergabe im Dezember, insbesondere nach Katar, ist letztlich die Ursache für all die Verdächtigungen, Anschuldigungen und Irritationen mit denen sich die FIFA und Sepp Blatter persönlich in den vergangenen Wochen beschäftigen mussten. Korruption ist immer dort latent vorhanden, wo viel Geld ist und die Entscheidungsgewalt über den Finanzfluss bei wenigen Personen liegt.

DFB.de: Aber wieso schließt die Tatsache, dass fortan die Delegierten der 208 Verbände der FIFA über die WM-Vergabe entscheiden, Korruption aus?



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Auf dem FIFA-Kongress in Zürich ist heute DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger in das Exekutivkomitee des Weltverbandes gerückt und hat dort den Platz von Franz Beckenbauer eingenommen. Mit DFB.de hat der 65-Jährige über diese neue Aufgabe und aktuelle Probleme der FIFA gesprochen.

DFB.de: Herr Dr. Zwanziger, Sie sind heute ins Exekutivkomitee der FIFA eingezogen. Ist Ihnen nicht ein wenig mulmig angesichts der vielen Vorwürfe und Anschuldigungen, die sich dieser Tage um Ihre künftigen Kollegen ranken?

Zwanziger: Ja, natürlich ist da ein etwas ungutes Gefühl. Ich würde schon lieber in ein Gremium einziehen, das auch in der Öffentlichkeit über jeden Zweifel erhaben ist und nur gute Kritiken bekommt. Das ist doch normal. Aber das kann ich mir in meiner Funktion nicht aussuchen. Sicher ist die öffentliche Wahrnehmung des FIFA-Exekutivkomitees derzeit alles andere als gut, aber soll ich mich deshalb meiner Verantwortung als DFB-Präsident und Mitglied des UEFA-Exekutivkomitees entziehen? Ich glaube das wäre das falsche Zeichen. Ich stelle mich dieser neuen Aufgabe und werde sie genauso kritisch, sachbezogen, intensiv und mit denselben Idealen angehen, wie jede andere zuvor auch.

DFB.de: Mit welchem Ziel?

Zwanziger: Es geht meiner Meinung nach vorerst darum, sämtliche Bestechungs- und Korruptionsvorwürfe, die seit Wochen rund um die FIFA kursieren, gründlich zu untersuchen und, so sich Beweise ergeben, konsequent zu handeln. Zudem müssen Prozesse in Bewegung gesetzt werden, um einen solchen Imageschaden, wie er inzwischen entstanden ist, in Zukunft auszuschließen. Es geht schließlich um die Glaubwürdigkeit der FIFA, ihres Präsidenten und somit des Fußballs auf der ganzen Welt. Da kann und darf es keine Kompromisse geben. Was zählt, ist einzig und allein eine lückenlose Aufklärung und die Schaffung größtmöglichster Transparenz für die Zukunft. Diese Thesen hat bei der Kongresseröffnung am Dienstagabend auch Micheline Calmy-Rey, die Bundespräsidentin der schweizerischen Eidgenossenschaft, recht eindrucksvoll formuliert.

DFB.de: Diese lückenlose Aufklärung hat Sepp Blatter, der – wie vom DFB gewünscht – in geheimer Wahl mit großer Mehrheit wiedergewählt worden ist, für seine vierte Amtszeit angekündigt...

Zwanziger: Nicht nur angekündigt, sondern schon auf dem heutigen Kongress in konkretes Handeln umgesetzt. Besonders bemerkenswert ist für mich in diesem Zusammenhang, dass er durch Kongressentscheidung vom heutigen Tag dem Exekutivkomitee die Kompetenz entzogen hat, den Austragungsort für die Weltmeisterschaften festzulegen. Die Vergabe im Dezember, insbesondere nach Katar, ist letztlich die Ursache für all die Verdächtigungen, Anschuldigungen und Irritationen mit denen sich die FIFA und Sepp Blatter persönlich in den vergangenen Wochen beschäftigen mussten. Korruption ist immer dort latent vorhanden, wo viel Geld ist und die Entscheidungsgewalt über den Finanzfluss bei wenigen Personen liegt.

DFB.de: Aber wieso schließt die Tatsache, dass fortan die Delegierten der 208 Verbände der FIFA über die WM-Vergabe entscheiden, Korruption aus?

Zwanziger: Ganz auszuschließen ist Korruption nie, aber sie wird dadurch viel schwieriger, weil etwaige Bestechungsversuche an viel mehr Personen gerichtet werden müssen und damit viel leichter aufzudecken sind.

DFB.de: Glauben Sie denn, dass Sepp Blatter der richtige Mann für diese Aufklärung ist?

Zwanziger: Er hat ja schon damit begonnen und wird insbesondere durch die Stärkung der Ethikkommission und deren völlig unabhängige Gestaltung eine weitere positive Entwicklung einleiten. Dass muss er aber auch, denn er hat sich als Präsident der FIFA selber stark in diese Pflicht genommen und damit das sehr gute Wahlergebnis erreicht.

DFB.de: Es gibt auch nach der Wahl von Sepp Blatter immer wieder Stimmen, die nicht verstehen, warum der DFB sich nicht dem Antrag des englischen Verbandes angeschlossen und den Versuch unternommen hat, die zu verschieben?

Zwanziger: Warum hätten wir das tun sollen? Nur weil ein Teil der Öffentlichkeit das immer wieder fordert? Die FIFA ist mehr als Sepp Blatter. Es ist eine weltweite Organisation von 208 Nationalverbänden, die von engagierten Menschen geführt wird und unter der Leitung von Sepp Blatter eine sehr gute Entwicklung genommen hat. Gerade wir Deutschen haben viel Grund, der FIFA dankbar zu sein. Wir haben die WM 2006 ausrichten dürfen, letztes Jahr die Frauen-U 20-WM und in Kürze die Frauenfußball-WM. Wir konnten auf dieser Grundlage Stadien modernisieren und Bolzplätze im ganzen Land bauen können. Als wie undankbar hätte uns die ganz große Mehrheit der 186 Stimmen empfunden, wenn wir uns einer ganz kleinen Minderheit angeschlossen, mit der letztlich kein Fortschritt in der Sache, sondern nur öffentlicher Wirbel verbunden gewesen wäre. Wir bleiben dankbar und sind an sachlicher Mitarbeit in der FIFA interessiert.

DFB.de: Es gab also keine Alternative zu Blatter?

Zwanziger: Man sollte einmal inhaltlich einen Blick in die Statuten der FIFA werfen. Dort heißt es im zweiten Artikel, dass es der Zweck des Weltverbandes ist, den Fußball fortlaufend zu verbessern und weltweit zu verbreiten. Durch die Förderung von Jugend- und Entwicklungsprogrammen und unter Berücksichtigung des völkerverbindenden, erzieherischen, kulturellen und humanitären Stellenwerts des Fußballs. Diesen Zweck hat die FIFA in den vergangenen Jahren glänzend erfüllt. Und das ist vor allem auch der Verdienst von Sepp Blatter, der die sozial- und gesellschaftspolitische Kraft des Fußballs auf der ganzen Welt erkannt hat. Das alles wird aufgrund der aktuellen Diskussionen völlig beiseite geschoben.

DFB.de: Im weiteren Verlauf dieses Artikels heißt es aber auch, dass es Zweck der FIFA ist zu verhindern, dass Methoden oder Praktiken vorkommen, die die Integrität der Spiele oder Wettbewerbe gefährden oder zu Missbräuchen des Fußballs führen könnten.

Zwanziger: Das ist richtig, und diesbezüglich gibt es derzeit die bekannten Defizite, die es gründlich und schnellst möglichst aufzuarbeiten gilt. Vor allem um die WM-Vergabe 2022 nach Katar ranken sich immer wieder Spekulationen und Korruptionsvorwürfe. Sogar der FIFA-Generalsekretär hat, egal ob salopp formuliert oder nicht, in einer E-Mail die finanziellen Möglichkeiten Katars kritisch betrachtet. Deshalb bin ich der Meinung, dass diese WM-Vergabe nochmals auf den Prüfstand gebracht werden sollte.

DFB.de: Wie?

Zwanziger: Das bedarf einer genaueren Betrachtung. Sollte die FIFA ein Interesse daran haben, dass auch Vertreter des Exekutivkomitees bei solch einer Aufarbeitung mitwirken, so bin ich bereit, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Schließlich war ich im Dezember 2010 am WM-Vergabeprozess persönlich nicht beteiligt.

DFB.de: Das klingt, als würden Sie Ihre neue Aufgabe trotz der aktuellen Probleme dieses Gremiums mit vollem Elan angehen.

Zwanziger: Das gehört sich doch so. Wer mich kennt, weiß, dass mit mir Korruption und Mauscheleien nicht zu machen sind. Diese Einstellung, das steht fest, werde ich auch für einen Platz im Exekutivkomitee der FIFA nicht aufgeben.

DFB.de: Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, hat unlängst in einem Zeitungsinterview bezweifelt, dass Sie in der Lage sind, bei der FIFA aufzuräumen. Auch wenn Sie ein sehr seriöser Mensch seien und den Willen dazu haben…

Zwanziger: Das habe ich auch gelesen. Bislang weiß ich nicht exakt, was auf mich im Exekutivkomitee der FIFA zukommt. Ich werde allerdings kritische Fragen stellen und mir die Entscheidungsprozesse gewissenhaft ansehen. Schließlich geht es auch um die Glaubwürdigkeit des deutschen Fußballs. Ich habe aber auch Respekt vor Kollegen, die schon länger in diesem Gremium mitwirken, und weigere mich, alles über einen Kamm zu scheren. Sollte ich aber feststellen, dass das ernsthafte Bemühen um Aufklärung und Transparenz an unüberwindbare personelle und strukturelle Grenzen stößt, dann werde ich ganz gewiss mit dem DFB und der UEFA sprechen, ob mein Mitwirken im Exekutivkomitee wirklich sinnvoll ist. Denn verbiegen lasse ich mich auf keinen Fall.