Tennis Borussia Berlin: 111 bewegte Jahre

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Tennis Borussia Berlin - nach Träumen von der Champions League heute in der Berlin-Liga angekommen.

Der Blick zurück auf die schönen Zeiten. Es ist der 28. Oktober 1998. Im Achtelfinale des DFB-Pokals trifft das in die 2. Bundesliga aufgestiegene Team von Tennis Borussia Berlin auf den großen Stadtrivalen Hertha BSC. Hertha führt im Olympiastadion 1:0, doch der Außenseiter dreht das Spiel auf überragende Art und Weise. 4:2 gewinnen die aufstrebenden Charlottenburger. Die neutralen Zuschauer unter den 40.000 Besuchern feiern die von Hermann Gerland trainierte Mannschaft, die Rangordnung im Berliner Fußball ist für einen Tag außer Kraft gesetzt.

"Am nächsten Tag sind die Leute in Berlin in Lila rumgelaufen. Es ist wohl Ironie des Schicksals, dass es danach nur noch bergab ging", sagt Denis Roters. Er ist seit über 20 Jahren mit Leib und Seele Fan der "Veilchen". Roters engagiert sich seit langem in der Fanszene und war unter anderem Mitbegründer des Forums "Lila Kanal".

Zwei Jahre in der Bundesliga

Abwärts ging es in der langen Geschichte der Lila-Weißen des Öfteren, aber beileibe nicht immer. 1974 und 1976 spielte TeBe jeweils eine Saison in der Bundesliga. Trainer war unter anderem Fußball-Weltenbummler Rudi Gutendorf, der sogar seinen Daimler versteigerte, um Geld für neue Spieler zu erlösen. Von 1928 an hatte der Klub viermal in Folge im Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft gestanden. Nach dem 2. Weltkrieg war der Berliner Tennis-Club Borussia, so der damalige Name, vorübergehend Berlins Nummer eins.

Nach dem Abstieg 1977 spielte TeBe einige Jahre in der noch zweigleisigen 2. Bundesliga. Danach hieß die sportliche Heimat lange Oberliga Berlin, die Gegner Rapide Wedding oder Traber FC. 1992 stieg Jack White ein, der einst selbst für den Verein gespielt hatte. Der Musikproduzent, der mit bürgerlichen Namen Horst Nußbaum heißt, wollte den Verein zurück in die Bundesliga führen. 500.000 D-Mark machte der Produzent von bekannten Größen wie Tony Marshall, Roberto Blanco oder Roland Kaiser dafür locker.

"Der Einstieg von White erfolgte zu einer Zeit, in der Vereinspatriarchen im Profifußball noch eine große Rolle spielten. Nur wenige Jahre später kehrte er TeBe über Nacht den Rücken. Wir standen vor dem existenziellen Nichts", erzählt Roters. Kurz vor dem finanziellen Ruin hängte sich der klamme Regionalligist 1995 einer undurchsichtigen Kapitalgesellschaft an den Hals. Zwischen den Optionen "Göttinger Gruppe" oder Konkurs wählte man die erste. Und hatte damit zunächst Erfolg.

Als TeBe von der Champions League träumte

Die Fans hatten beim Einstieg des Investors ein mulmiges Gefühl, freuten sich aber über die Verpflichtung neuer Stars. Francisco Copado und Jens Melzig wurden aus der Bundesliga in die Regionalliga gelockt. Der Aufstieg in die 2. Bundesliga gelang 1998. Dort stand TeBe mit Hermann Gerland in der Tabelle bestens da. Doch dann wurde der erfolgreiche Coach im Herbst weggeschickt, Begründung: Er habe zu lange mit der Vertragsverlängerung gezögert. Assistent Stanislav Levy wurde zum neuen Cheftrainer befördert. Er musste nach wenigen Monaten für Winfried Schäfer seinen Trainerstuhl räumen.

Mit Schäfer wollte TeBe Berlin hoch hinaus. Beim Zweitligisten, der vor ein paar tausend Leuten spielte, fielen plötzlich Begriffe wie Champions League. 80 Millionen D-Mark pumpte die Finanzholding "Göttinger Gruppe" in den Verein. Das Image von TeBe litt darunter.

"Als Gerland und Levy gehen mussten und Winfried Schäfer das Zepter übernahm, war der Bruch zwischen Verein und Fans endgültig vollzogen", sagt Roters heute. Anfeindungen war der Klub seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga gewohnt. Nun blickte die eigene kleine Fanszene selbstkritisch und mit Galgenhumor auf Tennis Borussia.

Rasanter Absturz bis in die 6. Liga

Mit Stars wie Ansgar Brinkmann, Sasa Ciric, Enrico Kern, Uwe Rösler oder Sergej Kirjakow stellte TeBe einen sündhaft teuren Kader. Trotz der hohen Investitionen entkam der Verein erst am letzten Spieltag der Saison 1999/2000 dem Abstieg. Auch die "Göttinger Gruppe" geriet in Schwierigkeiten. Ihr wurde Anlagebetrug vorgeworfen. Das Lizenzierungsverfahren für die neue Saison geriet zum Fiasko. Die Charlottenburger mussten den Zwangsabstieg antreten. Sogar die Regionalliga war nicht mehr zu halten.

Heute spielt der Klub in der Berlin-Liga (6. Liga). An die große Vergangenheit erinnert nur das altehrwürdige Mommsenstadion mit Sauna und Entmüdungsbecken. Einen Hauptsponsor sucht TeBe vergeblich. Viele kleine Unternehmen unterstützen den Traditionsklub. Der sechsstellige Betrag, den der Verein jede Saison aufbringen muss, wird zusätzlich durch Fanaktionen und kreative Partys gestemmt.

Vom DFB zertifiziertes Nachwuchsleistungszentrum

Sehen lassen kann sich die Jugendarbeit. TeBe verfügt als einziger Verein unterhalb der Regionalliga über ein vom DFB zertifiziertes Nachwuchsleistungszentrum. Vergangene Saison war der Klub noch in der B-Junioren-Bundesliga vertreten.

Durch die Verschlechterung der finanziellen Lage haben die Anhänger des Klubs im Laufe der Jahre wieder an Einfluss gewonnen. "Im Prinzip ist es so, das wir jetzt der Verein sind", meint Roters. Sein größter Wunsch ist, "dass der Verein einfach weiter existiert".

111 Jahre ist Tennis Borussia vor einem Monat geworden. An die Zeit mit der "Göttinger Gruppe", als der Verein von der Champions League träumte, ist ein Kalauer übrig geblieben. "Wo bitte geht's zu Tennis Borussia?" Antwort: "Immer den Bach runter."

[fde]

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Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Tennis Borussia Berlin - nach Träumen von der Champions League heute in der Berlin-Liga angekommen.

Der Blick zurück auf die schönen Zeiten. Es ist der 28. Oktober 1998. Im Achtelfinale des DFB-Pokals trifft das in die 2. Bundesliga aufgestiegene Team von Tennis Borussia Berlin auf den großen Stadtrivalen Hertha BSC. Hertha führt im Olympiastadion 1:0, doch der Außenseiter dreht das Spiel auf überragende Art und Weise. 4:2 gewinnen die aufstrebenden Charlottenburger. Die neutralen Zuschauer unter den 40.000 Besuchern feiern die von Hermann Gerland trainierte Mannschaft, die Rangordnung im Berliner Fußball ist für einen Tag außer Kraft gesetzt.

"Am nächsten Tag sind die Leute in Berlin in Lila rumgelaufen. Es ist wohl Ironie des Schicksals, dass es danach nur noch bergab ging", sagt Denis Roters. Er ist seit über 20 Jahren mit Leib und Seele Fan der "Veilchen". Roters engagiert sich seit langem in der Fanszene und war unter anderem Mitbegründer des Forums "Lila Kanal".

Zwei Jahre in der Bundesliga

Abwärts ging es in der langen Geschichte der Lila-Weißen des Öfteren, aber beileibe nicht immer. 1974 und 1976 spielte TeBe jeweils eine Saison in der Bundesliga. Trainer war unter anderem Fußball-Weltenbummler Rudi Gutendorf, der sogar seinen Daimler versteigerte, um Geld für neue Spieler zu erlösen. Von 1928 an hatte der Klub viermal in Folge im Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft gestanden. Nach dem 2. Weltkrieg war der Berliner Tennis-Club Borussia, so der damalige Name, vorübergehend Berlins Nummer eins.

Nach dem Abstieg 1977 spielte TeBe einige Jahre in der noch zweigleisigen 2. Bundesliga. Danach hieß die sportliche Heimat lange Oberliga Berlin, die Gegner Rapide Wedding oder Traber FC. 1992 stieg Jack White ein, der einst selbst für den Verein gespielt hatte. Der Musikproduzent, der mit bürgerlichen Namen Horst Nußbaum heißt, wollte den Verein zurück in die Bundesliga führen. 500.000 D-Mark machte der Produzent von bekannten Größen wie Tony Marshall, Roberto Blanco oder Roland Kaiser dafür locker.

"Der Einstieg von White erfolgte zu einer Zeit, in der Vereinspatriarchen im Profifußball noch eine große Rolle spielten. Nur wenige Jahre später kehrte er TeBe über Nacht den Rücken. Wir standen vor dem existenziellen Nichts", erzählt Roters. Kurz vor dem finanziellen Ruin hängte sich der klamme Regionalligist 1995 einer undurchsichtigen Kapitalgesellschaft an den Hals. Zwischen den Optionen "Göttinger Gruppe" oder Konkurs wählte man die erste. Und hatte damit zunächst Erfolg.

Als TeBe von der Champions League träumte

Die Fans hatten beim Einstieg des Investors ein mulmiges Gefühl, freuten sich aber über die Verpflichtung neuer Stars. Francisco Copado und Jens Melzig wurden aus der Bundesliga in die Regionalliga gelockt. Der Aufstieg in die 2. Bundesliga gelang 1998. Dort stand TeBe mit Hermann Gerland in der Tabelle bestens da. Doch dann wurde der erfolgreiche Coach im Herbst weggeschickt, Begründung: Er habe zu lange mit der Vertragsverlängerung gezögert. Assistent Stanislav Levy wurde zum neuen Cheftrainer befördert. Er musste nach wenigen Monaten für Winfried Schäfer seinen Trainerstuhl räumen.

Mit Schäfer wollte TeBe Berlin hoch hinaus. Beim Zweitligisten, der vor ein paar tausend Leuten spielte, fielen plötzlich Begriffe wie Champions League. 80 Millionen D-Mark pumpte die Finanzholding "Göttinger Gruppe" in den Verein. Das Image von TeBe litt darunter.

"Als Gerland und Levy gehen mussten und Winfried Schäfer das Zepter übernahm, war der Bruch zwischen Verein und Fans endgültig vollzogen", sagt Roters heute. Anfeindungen war der Klub seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga gewohnt. Nun blickte die eigene kleine Fanszene selbstkritisch und mit Galgenhumor auf Tennis Borussia.

Rasanter Absturz bis in die 6. Liga

Mit Stars wie Ansgar Brinkmann, Sasa Ciric, Enrico Kern, Uwe Rösler oder Sergej Kirjakow stellte TeBe einen sündhaft teuren Kader. Trotz der hohen Investitionen entkam der Verein erst am letzten Spieltag der Saison 1999/2000 dem Abstieg. Auch die "Göttinger Gruppe" geriet in Schwierigkeiten. Ihr wurde Anlagebetrug vorgeworfen. Das Lizenzierungsverfahren für die neue Saison geriet zum Fiasko. Die Charlottenburger mussten den Zwangsabstieg antreten. Sogar die Regionalliga war nicht mehr zu halten.

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Heute spielt der Klub in der Berlin-Liga (6. Liga). An die große Vergangenheit erinnert nur das altehrwürdige Mommsenstadion mit Sauna und Entmüdungsbecken. Einen Hauptsponsor sucht TeBe vergeblich. Viele kleine Unternehmen unterstützen den Traditionsklub. Der sechsstellige Betrag, den der Verein jede Saison aufbringen muss, wird zusätzlich durch Fanaktionen und kreative Partys gestemmt.

Vom DFB zertifiziertes Nachwuchsleistungszentrum

Sehen lassen kann sich die Jugendarbeit. TeBe verfügt als einziger Verein unterhalb der Regionalliga über ein vom DFB zertifiziertes Nachwuchsleistungszentrum. Vergangene Saison war der Klub noch in der B-Junioren-Bundesliga vertreten.

Durch die Verschlechterung der finanziellen Lage haben die Anhänger des Klubs im Laufe der Jahre wieder an Einfluss gewonnen. "Im Prinzip ist es so, das wir jetzt der Verein sind", meint Roters. Sein größter Wunsch ist, "dass der Verein einfach weiter existiert".

111 Jahre ist Tennis Borussia vor einem Monat geworden. An die Zeit mit der "Göttinger Gruppe", als der Verein von der Champions League träumte, ist ein Kalauer übrig geblieben. "Wo bitte geht's zu Tennis Borussia?" Antwort: "Immer den Bach runter."