Talente: Welchen Einfluss hat das Geburtsdatum auf die Förderung?

Etwa zwei Drittel der Stützpunktspieler im ersten Halbjahr geboren

Die Förderung an den Stützpunkten ist die erste Stufe der DFB-Talentförderung. Ergänzend zum Training im Heimatverein erhalten Talente im Alter zwischen elf und 15 Jahren hier einmal wöchentlich individuelles Zusatztraining. Nach einer Untersuchung von Prof. Dr. Höner wurden etwa zwei Drittel der Stützpunktspieler in den Monaten Januar bis Juni geboren. Betrachtet man die Quartale, ist der Unterschied noch auffälliger: Ist man im ersten Quartal geboren, ist die Wahrscheinlichkeit in einen Stützpunkt berufen zu werden in etwa doppelt so hoch, als wenn man im letzten Quartal geboren wurde.

Die Schieflage entsteht aber interessanterweise schon eine Stufe früher. "Wir stellen den relativen Alterseffekt schon bei der Meldung von Talenten für die Eingangssichtung fest", berichtet Damir Dugandzic, Stützpunktkoordinator des Badischen Fußballverbandes. Vereine können den Stützpunkttrainern bis zu drei talentierte Spieler melden. Bisher waren dies überdurchschnittlich viele Spieler, die im ersten Halbjahr geboren wurden. Um dem entgegenzuwirken, muss zukünftig mindestens einer der drei Spieler in den Monaten Juli bis Dezember geboren worden sein.

Stellschrauben bei der Eingangssichtung

In anderen Landesverbänden läuft die Eingangssichtung anders. "Bei uns sind jetzt schon die Stützpunkttrainer unterwegs und sichten U 11-Spieler, die nächstes Jahr für ein Stützpunkttraining in Frage kommen", sagt Koordinator Jürgen Betzold vom Niedersächsischen Fußballverband. Damit hier nicht die körperlich überlegenen, weil früher geborenen Spieler bevorteilt werden, sollten die Trainer explizit auf das Geburtsdatum und Spieler, die in der zweiten Jahreshälfte geboren wurden, achten.

Die Stützpunktkoordinatoren einigten sich auf das Ziel, eine möglichst gleichmäßige Verteilung von Spielern aus der ersten und zweiten Jahreshälfte an ihren Stützpunkten zu haben. Stellschrauben, um das zu schaffen, sind das Einladungsmanagement zur Eingangssichtung und die Durchführung des Talentsichtungstages. Wie genau das in den unterschiedlichen Regionen umgesetzt wird – in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet sind die Voraussetzung anders als im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern –, wird sich jeder Koordinator bis zum nächsten Treffen im Jahr 2016 überlegen.

"Spätgeborene" in Landesauswahlen und Leistungszentren berücksichtigen

Mit Maßnahmen an den DFB-Stützpunkten allein wird man den relativen Alterseffekt wahrscheinlich nicht ausgleichen können. Aus diesem Grund nannte Streichsbier Ideen und Ansätze für die weiteren Stufen der Talentförderung. Regelmäßig treffen sich Auswahlmannschaften aller 21 Landesverbände in Duisburg-Wedau zum Sichtungsturnier. Damit dort aus Leistungsdruck nicht nur die älteren und weiter entwickelten Spieler zum Einsatz kommen, nahm beim letzten Turnier erstmals eine 22. Mannschaft teil, die sich aus "spätgeborenen" Spielern des U 19-Jahrgangs zusammensetzte.

Auch für einige Leistungszentren könnte es interessant sein, sich auf Spieler zu konzentrieren, die in der zweiten Jahreshälfte geboren wurden. "Ich habe schon mit einigen Vereinen gesprochen, die in ihrer Region im Schatten eines großen Profiklubs stehen", sagt Streichsbier: "Für diese Vereine ist es eine interessante Alternative, ganz bewusst Spieler aus dem zweiten Halbjahr zu entwickeln. Damit bilden sie einerseits eigene Spieler aus und erhöhen die Identifikation und bleiben gleichzeitig dauerhaft konkurrenzfähig."

Warum es überhaupt wichtig ist, in der Talentförderung Maßnahmen gegen den RAE umzusetzen, brachte zum Abschluss Jörg Daniel noch einmal auf den Punkt: "Wir wollen Gerechtigkeit für unsere Jugendlichen haben – egal, wann sie geboren wurden, sollen sie die Chance haben an unserer Talentförderung teilzunehmen."

[na]


Um seine Talentförderung wird der deutsche Fußball in der ganzen Welt beneidet. Leistungszentren, Eliteschulen des Fußballs, Stützpunkte, Amateurvereine – je nach individuellem Leistungsniveau und Entwicklungsstand erfährt jedes Talent die bestmögliche Ausbildung. Doch wie funktioniert die Talentförderung im Detail? Wie werden aus den Kindern und Jugendlichen von heute die Weltmeister von morgen? Wie sieht die Arbeit an Leistungszentren, Eliteschulen und Stützpunkten aus? DFB.de wirft einen Blick hinter die Kulissen.

Statistiken zeigen: Spieler, die in den ersten Monaten eines Jahres geboren wurden, haben eine größere Chance es in den Profifußball zu schaffen als "Spätgeborene". Der Grund? Eine schleichende Ungerechtigkeit namens "relativer Alterseffekt" (RAE). Auf den verschiedenen Stufen der Talentförderung werden Spieler eines Jahrgangs miteinander verglichen. Gerade im Alter von zwölf bis 15 sind die körperlichen Unterschiede und Entwicklungsschritte aber enorm. Ein Spieler, der im Januar geboren wurde, kann körperlich schon deutlich weiter sein als ein Dezember-Kind, das fast ein Jahr jünger ist. Wer bekommt im Zweifel den Platz im DFB-Stützpunkt, im Leistungszentrum eines Profiklubs, in einer Landesverbands- oder DFB-Auswahlmannschaft?

Schott: "Jedem Talent Chance geben, gesichtet zu werden"

Zukünftig soll diese Frage nicht mehr so leicht zu beantworten sein. Zumindest nicht mit einem Blick in die Geburtsurkunde. "Unser Anspruch ist es, jedem Talent in Deutschland die Chance zu geben, gesichtet und gefördert zu werden, unabhängig vom Geburtsdatum", sagte Ulf Schott, DFB-Direktor für Spielbetrieb, Talentförderung, Trainerausbildung und Schule im kicker. Am Dienstag und Mittwoch diskutierten die Koordinatoren der deutschlandweit 366 DFB-Stützpunkte auf ihrer Tagung in Frankfurt deshalb mögliche Maßnahmen gegen den relativen Alterseffekt.

Geleitet wurde die Tagung von Jörg Daniel, Sportlicher Leiter des Talentförderprogramms. Zu den Teilnehmern gehörten unter anderem U 18-Trainer Guido Streichsbier und Prof. Dr. Oliver Höner von der Eberhard Karls Universität Tübingen. "Am Ende geht es darum, den Trainern unserer Talente eine Orientierung zu geben, dass sie die talentiertesten Spieler eines Jahrgangs unabhängig vom Geburtsdatum fördern können", sagt Daniel: "Einzelfallentscheidungen, die von dieser Orientierung abweichen, sind möglich. Aber idealerweise streben wir eine gleichmäßige Verteilung der Stützpunktspieler auf alle vier Quartale an."

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Etwa zwei Drittel der Stützpunktspieler im ersten Halbjahr geboren

Die Förderung an den Stützpunkten ist die erste Stufe der DFB-Talentförderung. Ergänzend zum Training im Heimatverein erhalten Talente im Alter zwischen elf und 15 Jahren hier einmal wöchentlich individuelles Zusatztraining. Nach einer Untersuchung von Prof. Dr. Höner wurden etwa zwei Drittel der Stützpunktspieler in den Monaten Januar bis Juni geboren. Betrachtet man die Quartale, ist der Unterschied noch auffälliger: Ist man im ersten Quartal geboren, ist die Wahrscheinlichkeit in einen Stützpunkt berufen zu werden in etwa doppelt so hoch, als wenn man im letzten Quartal geboren wurde.

Die Schieflage entsteht aber interessanterweise schon eine Stufe früher. "Wir stellen den relativen Alterseffekt schon bei der Meldung von Talenten für die Eingangssichtung fest", berichtet Damir Dugandzic, Stützpunktkoordinator des Badischen Fußballverbandes. Vereine können den Stützpunkttrainern bis zu drei talentierte Spieler melden. Bisher waren dies überdurchschnittlich viele Spieler, die im ersten Halbjahr geboren wurden. Um dem entgegenzuwirken, muss zukünftig mindestens einer der drei Spieler in den Monaten Juli bis Dezember geboren worden sein.

Stellschrauben bei der Eingangssichtung

In anderen Landesverbänden läuft die Eingangssichtung anders. "Bei uns sind jetzt schon die Stützpunkttrainer unterwegs und sichten U 11-Spieler, die nächstes Jahr für ein Stützpunkttraining in Frage kommen", sagt Koordinator Jürgen Betzold vom Niedersächsischen Fußballverband. Damit hier nicht die körperlich überlegenen, weil früher geborenen Spieler bevorteilt werden, sollten die Trainer explizit auf das Geburtsdatum und Spieler, die in der zweiten Jahreshälfte geboren wurden, achten.

Die Stützpunktkoordinatoren einigten sich auf das Ziel, eine möglichst gleichmäßige Verteilung von Spielern aus der ersten und zweiten Jahreshälfte an ihren Stützpunkten zu haben. Stellschrauben, um das zu schaffen, sind das Einladungsmanagement zur Eingangssichtung und die Durchführung des Talentsichtungstages. Wie genau das in den unterschiedlichen Regionen umgesetzt wird – in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet sind die Voraussetzung anders als im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern –, wird sich jeder Koordinator bis zum nächsten Treffen im Jahr 2016 überlegen.

"Spätgeborene" in Landesauswahlen und Leistungszentren berücksichtigen

Mit Maßnahmen an den DFB-Stützpunkten allein wird man den relativen Alterseffekt wahrscheinlich nicht ausgleichen können. Aus diesem Grund nannte Streichsbier Ideen und Ansätze für die weiteren Stufen der Talentförderung. Regelmäßig treffen sich Auswahlmannschaften aller 21 Landesverbände in Duisburg-Wedau zum Sichtungsturnier. Damit dort aus Leistungsdruck nicht nur die älteren und weiter entwickelten Spieler zum Einsatz kommen, nahm beim letzten Turnier erstmals eine 22. Mannschaft teil, die sich aus "spätgeborenen" Spielern des U 19-Jahrgangs zusammensetzte.

Auch für einige Leistungszentren könnte es interessant sein, sich auf Spieler zu konzentrieren, die in der zweiten Jahreshälfte geboren wurden. "Ich habe schon mit einigen Vereinen gesprochen, die in ihrer Region im Schatten eines großen Profiklubs stehen", sagt Streichsbier: "Für diese Vereine ist es eine interessante Alternative, ganz bewusst Spieler aus dem zweiten Halbjahr zu entwickeln. Damit bilden sie einerseits eigene Spieler aus und erhöhen die Identifikation und bleiben gleichzeitig dauerhaft konkurrenzfähig."

Warum es überhaupt wichtig ist, in der Talentförderung Maßnahmen gegen den RAE umzusetzen, brachte zum Abschluss Jörg Daniel noch einmal auf den Punkt: "Wir wollen Gerechtigkeit für unsere Jugendlichen haben – egal, wann sie geboren wurden, sollen sie die Chance haben an unserer Talentförderung teilzunehmen."