Suker 1998: Der Statistiker am Ball

19 Weltmeisterschaften, 19 Stars: Vor der Jubiläumsauflage im Sommer erinnert DFB.de in einer Serie an prominente und weniger bekannte Spieler, die den bisherigen WM-Turnieren ihren Stempel aufdrückten. Heute: Davor Suker, Kroatiens Star bei der WM 1998.

Am ersten Tag des WM-Jahres 1998 wurde Davor Suker 30 Jahre alt und er wusste, dass er sich beeilen musste. Selbst wenn er die ewige Jugend hätte, so konnte ihm doch niemand garantieren, dass er noch einmal am Weltturnier des Fußballs teilnehmen würde. 1990 saß er in Italien auf der Tribüne, als Edel-Reservist im Team Jugoslawiens. Nun war er Stammspieler, aber er spielte er jetzt für einen absoluten WM-Neuling, den die revolutionären Veränderungen auf dem Balkan auf die politische Landkarte gezaubert hatte: Kroatien.

Und Kroatiens Weg nach Frankreich war beschwerlich. Auf den letzten Drücker dank dänischer Schützenhilfe noch Zweiter geworden, warfen sie dann in den Play-offs die Ukraine aus dem Rennen. Erst dann war der Weg frei für das kroatische Fußball-Märchen, das keiner so sehr verkörperte wie Davor Suker, dem Mittelstürmer von Real Madrid.

Auf ihm lasteten die größten Erwartungen. Kam er doch als frisch gekürter Champions-League-Sieger, auch wenn ihn Jupp Heynckes beim Final-Sieg gegen Juventus Turin erst in der vorletzten Minute eingewechselt hatte. Aber auf dem Weg ins Finale hatte auch er seine Tore gemacht, im Vorjahr war er gar spanischer Torschützenkönig (24 Treffer) geworden.

Ohne Frage: Im überwiegend aus Legionären bestehenden Kader von Miroslav Blazevic war Davor Suker der Superstar. Die Heimat erwartete von ihm Tore, er selbst wollte es besonders Jupp Heynckes beweisen. Gegen Jamaika schoss er das abschließende 3:1 und im zweiten Spiel gegen Japan das einzige Tor des Tages, womit Kroatien bereits im Achtelfinale stand.

Prompt schlug Suker laute Töne an: "Dieses Tor widme ich meinem letzten Trainer. Jetzt dürfte auch er kapiert haben, dass ich das Toreschießen nicht verlernt habe." Das kapierte die ganze Welt im Sommer 1998. Nur im letzten Vorrundenspiel (0:1 gegen Argentinien) traf der Stürmer mit dem starken linken Fuß nicht.

"Einen Davor Suker darf man niemals abschreiben", sagte Mitspieler Zvonimir Soldo den Reportern. Im Achtelfinale gegen Rumänien bewies er seine Nervenstärke. Sekunden vor der Pause gab es Elfmeter, Suker traf und durfte doch nicht jubeln. Wiederholung, Mitspieler waren zu früh in den Strafraum gerannt. Suker läuft wieder an, nimmt das selbe Eck, trifft wieder. 1:0, es ist wieder das einzige Tor. Ganz so cool wie es aussah, war der Schütze nicht. "Mein Herz schlug bis zum Hals, ich hatte einen Puls von 120, das habe ich nachgemessen", sagte Kroatiens neuer, alter Held. Er sagte auch: "Es ist eben so, dass ich meist treffe, wenn es notwendig ist. Wenn ich muss, dann schaffe ich das auch."

"Wenn Deutschland Boban und Suker in den Griff bekommt, dürfte nichts anbrennen", schrieb die Bild vor dem Viertelfinale in Lyon. Suker rückte ins Zentrum der Vorberichterstattung deutscher Gazetten. Die Leser erfuhren, dass Suker nichts als Fußball im Kopf habe, aber den geradezu wissenschaftlich verfolge. Suker besaß eine kolossale Videosammlung internationaler Spiele und wertete die Partien der spanischen Liga statistisch aus. So stellte er fest: Verteidiger seien kurz vor und nach der Halbzeit sowie ab der 80. Minute am unaufmerksamsten "und dann musst du als Torjäger hellwach sein".

Für die L'Equipe war er schlicht "der verrückte Torjäger". Sein Trainer Blazevic sprach angesichts einer Trefferquote von fast 85 Prozent im kroatischen Dress ehrfürchtig vom "Phänomen Suker“. Das sollten auch die Deutschen kennen lernen. Zwar war er diesmal nur einer von elf Helden und sein Tor zum 3:0 war nicht mehr zwingend notwendig, aber in den kroatischen Zeitungen bekam Suker die Höchstnote 10.

Nach Abpfiff sah man ihn entrückt mit Landesfahne über den Rasen rennen, dann sagte er: "Wir waren bis auf die ersten 20 Minuten in allen Belangen besser als die Deutschen." Und der Theoretiker in ihm hatte auch gewonnen: Das 1:0 von Jarni fiel in der 45. Minute, sowohl das 2:0 von Vlaovic (80.) als auch sein 3:0 (85.) in die letzten zehn Minuten.

Nun griff Kroatien nach den Sternen. Doch den Gastgeber warf auch diese Mannschaft nicht aus dem Turnier, obwohl Suker wieder sein Tor zum vorberechneten Moment machte: 23 Sekunden nach Wiederanpfiff des Halbfinales schockte er ganz Frankreich, das am Ende aber 2:1 gewann. So wurde es nichts mit dem WM-Titel für Kroatien, aber mit leeren Händen kehrten sie auch nicht heim. Im Spiel um Platz 3 holte es sich gegen Holland die Bronze-Medaille (2:1), und wenn das obligatorische Suker-Tor zum 2:1 (36.) nun mal nicht in einer gefährlichen Phase fiel, hatte es doch seinen speziellen Wert: Suker wurde Torschützenkönig der WM: Sechs Treffer, verteilt auf sechs Spiele, hatte zuvor nur der Franzose Just Fontaine (1958) geschafft. Und als einziger Kroate schaffte er es ins All Star Team der FIFA.

Davor Suker

Geburtsdatum: 1. Januar 1968 in Osijek
Länderspiele/Tore:69 Spiele/45 Tore für Kroatien
2 Spiele/1 Tor für Jugoslawien
WM-Spiele/Tore: 8/6
Vereine als Spieler: NK Osijek (1984 bis 1989), Dinamo Zagreb (1989 bis 1991), FC Sevilla (1991 bis 1996), Real Madrid (1996 bis 1999), FC Arsenal (1999/2000), West Ham United (2000/2001), 1860 München (2001 bis 2003)
Größte Erfolge im Verein: Champions League-Sieger 1998, Spanischer Meister 1997, Weltpokalsieger 1998, U 20-Weltmeister 1987
Auszeichnungen: WM-Torschützenkönig 1998, Jugoslawischer Torschützenkönig 1989, fünfmal kroatischer Fußballer des Jares

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19 Weltmeisterschaften, 19 Stars: Vor der Jubiläumsauflage im Sommer erinnert DFB.de in einer Serie an prominente und weniger bekannte Spieler, die den bisherigen WM-Turnieren ihren Stempel aufdrückten. Heute: Davor Suker, Kroatiens Star bei der WM 1998.

Am ersten Tag des WM-Jahres 1998 wurde Davor Suker 30 Jahre alt und er wusste, dass er sich beeilen musste. Selbst wenn er die ewige Jugend hätte, so konnte ihm doch niemand garantieren, dass er noch einmal am Weltturnier des Fußballs teilnehmen würde. 1990 saß er in Italien auf der Tribüne, als Edel-Reservist im Team Jugoslawiens. Nun war er Stammspieler, aber er spielte er jetzt für einen absoluten WM-Neuling, den die revolutionären Veränderungen auf dem Balkan auf die politische Landkarte gezaubert hatte: Kroatien.

Und Kroatiens Weg nach Frankreich war beschwerlich. Auf den letzten Drücker dank dänischer Schützenhilfe noch Zweiter geworden, warfen sie dann in den Play-offs die Ukraine aus dem Rennen. Erst dann war der Weg frei für das kroatische Fußball-Märchen, das keiner so sehr verkörperte wie Davor Suker, dem Mittelstürmer von Real Madrid.

Auf ihm lasteten die größten Erwartungen. Kam er doch als frisch gekürter Champions-League-Sieger, auch wenn ihn Jupp Heynckes beim Final-Sieg gegen Juventus Turin erst in der vorletzten Minute eingewechselt hatte. Aber auf dem Weg ins Finale hatte auch er seine Tore gemacht, im Vorjahr war er gar spanischer Torschützenkönig (24 Treffer) geworden.

Ohne Frage: Im überwiegend aus Legionären bestehenden Kader von Miroslav Blazevic war Davor Suker der Superstar. Die Heimat erwartete von ihm Tore, er selbst wollte es besonders Jupp Heynckes beweisen. Gegen Jamaika schoss er das abschließende 3:1 und im zweiten Spiel gegen Japan das einzige Tor des Tages, womit Kroatien bereits im Achtelfinale stand.

Prompt schlug Suker laute Töne an: "Dieses Tor widme ich meinem letzten Trainer. Jetzt dürfte auch er kapiert haben, dass ich das Toreschießen nicht verlernt habe." Das kapierte die ganze Welt im Sommer 1998. Nur im letzten Vorrundenspiel (0:1 gegen Argentinien) traf der Stürmer mit dem starken linken Fuß nicht.

"Einen Davor Suker darf man niemals abschreiben", sagte Mitspieler Zvonimir Soldo den Reportern. Im Achtelfinale gegen Rumänien bewies er seine Nervenstärke. Sekunden vor der Pause gab es Elfmeter, Suker traf und durfte doch nicht jubeln. Wiederholung, Mitspieler waren zu früh in den Strafraum gerannt. Suker läuft wieder an, nimmt das selbe Eck, trifft wieder. 1:0, es ist wieder das einzige Tor. Ganz so cool wie es aussah, war der Schütze nicht. "Mein Herz schlug bis zum Hals, ich hatte einen Puls von 120, das habe ich nachgemessen", sagte Kroatiens neuer, alter Held. Er sagte auch: "Es ist eben so, dass ich meist treffe, wenn es notwendig ist. Wenn ich muss, dann schaffe ich das auch."

"Wenn Deutschland Boban und Suker in den Griff bekommt, dürfte nichts anbrennen", schrieb die Bild vor dem Viertelfinale in Lyon. Suker rückte ins Zentrum der Vorberichterstattung deutscher Gazetten. Die Leser erfuhren, dass Suker nichts als Fußball im Kopf habe, aber den geradezu wissenschaftlich verfolge. Suker besaß eine kolossale Videosammlung internationaler Spiele und wertete die Partien der spanischen Liga statistisch aus. So stellte er fest: Verteidiger seien kurz vor und nach der Halbzeit sowie ab der 80. Minute am unaufmerksamsten "und dann musst du als Torjäger hellwach sein".

Für die L'Equipe war er schlicht "der verrückte Torjäger". Sein Trainer Blazevic sprach angesichts einer Trefferquote von fast 85 Prozent im kroatischen Dress ehrfürchtig vom "Phänomen Suker“. Das sollten auch die Deutschen kennen lernen. Zwar war er diesmal nur einer von elf Helden und sein Tor zum 3:0 war nicht mehr zwingend notwendig, aber in den kroatischen Zeitungen bekam Suker die Höchstnote 10.

Nach Abpfiff sah man ihn entrückt mit Landesfahne über den Rasen rennen, dann sagte er: "Wir waren bis auf die ersten 20 Minuten in allen Belangen besser als die Deutschen." Und der Theoretiker in ihm hatte auch gewonnen: Das 1:0 von Jarni fiel in der 45. Minute, sowohl das 2:0 von Vlaovic (80.) als auch sein 3:0 (85.) in die letzten zehn Minuten.

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Nun griff Kroatien nach den Sternen. Doch den Gastgeber warf auch diese Mannschaft nicht aus dem Turnier, obwohl Suker wieder sein Tor zum vorberechneten Moment machte: 23 Sekunden nach Wiederanpfiff des Halbfinales schockte er ganz Frankreich, das am Ende aber 2:1 gewann. So wurde es nichts mit dem WM-Titel für Kroatien, aber mit leeren Händen kehrten sie auch nicht heim. Im Spiel um Platz 3 holte es sich gegen Holland die Bronze-Medaille (2:1), und wenn das obligatorische Suker-Tor zum 2:1 (36.) nun mal nicht in einer gefährlichen Phase fiel, hatte es doch seinen speziellen Wert: Suker wurde Torschützenkönig der WM: Sechs Treffer, verteilt auf sechs Spiele, hatte zuvor nur der Franzose Just Fontaine (1958) geschafft. Und als einziger Kroate schaffte er es ins All Star Team der FIFA.

Davor Suker

Geburtsdatum: 1. Januar 1968 in Osijek
Länderspiele/Tore:69 Spiele/45 Tore für Kroatien
2 Spiele/1 Tor für Jugoslawien
WM-Spiele/Tore: 8/6
Vereine als Spieler: NK Osijek (1984 bis 1989), Dinamo Zagreb (1989 bis 1991), FC Sevilla (1991 bis 1996), Real Madrid (1996 bis 1999), FC Arsenal (1999/2000), West Ham United (2000/2001), 1860 München (2001 bis 2003)
Größte Erfolge im Verein: Champions League-Sieger 1998, Spanischer Meister 1997, Weltpokalsieger 1998, U 20-Weltmeister 1987
Auszeichnungen: WM-Torschützenkönig 1998, Jugoslawischer Torschützenkönig 1989, fünfmal kroatischer Fußballer des Jares