Steffi Jones: Kick im Knast

Dicke Bretter bohren, das kann sie. Und wenn ihre Chancen auf Erfolg miserabel standen, hat sie sich einen Kehricht geschert, die Ärmel hochgekrempelt und gearbeitet. Als junge Spielerin organisierte Stephanie Ann Jones die deutsche Abwehr. Das machte sie so gut, dass die DFB-Auswahl 1997 in Oslo den EM-Titel holte. Noch zweimal wurde sie Europameisterin, einmal Weltmeisterin.

Sie spielte kraftvoll, verlor selten ein Kopfballduell, sie konnte was am Ball. 16 Jahre Bundesliga, 14 Jahre in der Nationalmannschaft, 111 Länderspiele – geht doch für die Tochter eines US-Soldaten, die sich als Zehnjährige am berüchtigten Ben-Gurion-Ring rumtrieb und die ein wenig durch den Fußball gerettet wurde. Die nach der Spielerinnenkarriere 2008 als Präsidentin antrat. Und schnell das Gesicht, die Stimme wurde, auch das Herz der ersten Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland. Präsidentin des Organisationskomitees der Frauen-WM in Deutschland.

Mit kaum fassbarem Erfolg. Für einen zu kurzen Sommer war Deutschland tatsächlich Frauenfußball-Land. Berlin, Frankfurt, Mönchengladbach – wenn die deutschen Frauen spielten, meldeten auch die größten Arenen ausverkauft. In der Spitze schauten 20 Millionen Menschen in Deutschland am Fernseher zu.

Unterwegs für die Sepp-Herberger-Stiftung

Heute also soll Steffi Jones dicke Mauern…na ja, nicht zum einstürzen bringen, aber doch überwinden. Die heute 40 Jahre alte Frankfurterin besucht die Justizvollzugsanstalt in Frankfurt-Preungesheim, nur fünf Kilometer entfernt von Bonames, wo sie aufwuchs, um hier mit inhaftierten Frauen im Alter von Anfang 20 bis Mitte 30 Fußball zu spielen. Sie tut dies im Namen der ältesten Fußballstiftung in Deutschland, der DFB-Stiftung Sepp Herberger.

280 Frauen sitzen hier ein, 17 dürfen heute mitkicken. Morgens noch traf sich Steffi Jones mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, ein Termin zur Olympiavorbereitung. Nach der WM übernahm sie eine von heute sechs Direktionen des DFB. Die ehemalige Präsidentin wurde Direktorin und hat heute noch mehr zu tun. "Mein Terminkalender ist übervoll, aber ich mache das natürlich sehr gerne für die Stiftung. Früher musste ich viele repräsentative Termine wahrnehmen, dazu kommt heute das strategische, administrative und teils auch operative Geschäft. Ich bin dankbar für die Chance, diese Entwicklung war nie eine Selbstverständlichkeit", so Jones und dann stellt sich die Weltmeisterin und fünffache Deutsche Meisterin vor die Frauen und sagt: "Ich bin die Steffi und wir werden heute Spaß haben."

Zehn Minuten später ist es kreischend laut in der Sporthalle. Stefan Schwab, der früher Schullehrer war und vor fünf Jahren als "Sportkoordinator" in der JVA Frankfurt III anfing, sagt: "Jetzt klingt es wieder wie früher beim Sportunterricht in der Schule." Sie kann das, sie kann Distanzen überwinden, sie hat keine Angst vor Nähe. Jones erobert nicht Menschen, sie dominiert nicht. Als sie von der Deutschen PR-Gesellschaft den Preis als Kommunikatorin des Jahres 2011 verliehen bekam, sagte der Laudator: "Sie ist keine Menschenfischerin. Die Fische kommen zu ihr."

"Für die Steffi würden meine Mädels alles machen"

Die erste halbe Stunde lässt sie die Frauen in Staffelwettbewerben antreten, dabei verfolgt sie jeden Sprint. Sie ist immer ganz präsent, auch später bei den Trainingsspielen. Einige der Spielerinnen haben nicht zehn Kilo zuviel. Sondern zwanzig und mehr. Viele treffen den Ball nicht. Die meisten würden bei jedem Kreisligateam auf der Bank sitzen. Trotz der mangelnden Klasse, wendet Steffi Jones nie ihren Blick ab. Blinzelt sie überhaupt? Sie ist immer voll konzentriert bei der Sache. Obwohl sie die Übungsstunde leitet, ist die Körperspannung sichtbar. Hier könnte auch ein Länderspiel laufen, Jones würde kaum aufmerksamer zuschauen.

2011 kannten Sie 85 Prozent aller Deutschen und ihre Beliebtheitswerte lagen genauso hoch. Das liegt nicht alleine an ihrer unbestrittenen Herzlichkeit und Natürlichkeit. Es geht auch um den unbedingten Willen zur Leistung. Keine Frau hier muss gut sein, aber Besser werden wollen, das muss sie. Elu Wagner, die sonst die Fußballstunde leitet, sagt später: "Für die Steffi würden meine Mädels alles machen."

Für Steffi Jones ist es nicht der erste Kick im Knast, und sie ist auch nicht die einzige, die für die Herberger-Stiftung ins Gefängnis geht. Vorreiter war Alt-Bundestrainer Sepp Herberger, der 1970 privat damit anfing, Haftanstalten zu besuchen. Begleitet wurde er oft von seinem Kapitän Fritz Walter, der nach Herbergers Tod dessen Erbe antrat. Bis heute sind prominente Botschafter für die Stiftung unterwegs: Horst Eckel, Uwe Seeler, Wolfgang Dremmler, Tina Theune, Oliver Kahn und eben Steffi Jones zählen dazu. Stefan Schwab sagt: "Die Anerkennung ist entscheidend. Man kann sich als weggesperrter Straftäter nutzlos vorkommen. Wenn ein berühmter, erfolgreicher Mensch vorbeischaut und an eine Gefangene glaubt, ist das ein wichtiger Moment."

Anstoß für ein neues Leben: Mit Fußball zurück in die Gesellschaft

"Anstoß für ein neues Leben" heißt das Projekt der Stiftung, an dem deutschlandweit 14 Vollzugseinrichtungen teilnehmen. Einerseits werden die Strafgefangenen gefördert, können neben dem Fußballspielen an Trainer- und Schiedsrichterschulungen teilnehmen. Andererseits helfen Vereinskooperationen den Jugendlichen nach ihrer Haft einen Weg zurück in die Gesellschaft und in ein stabiles Umfeld zu finden.

Im besten Fall jedenfalls, auch wenn die Rückfallquote gerade im Jugendstrafvollzug ernüchternd ausfällt. Thomas Kutschaty, Justizminister in Nordrhein-Westfalen, betont: "Alle Bemühungen können nur dann erfolgreich sein, wenn die jungen Gefangenen bereit sind, ihre Chance zu nutzen und sich aktiv in das Projekt einzubringen." Steffi Jones kann dicke Bretter bohren und binnen einer Viertelstunde die größten Distanzen überbrücken. Den Weg zurück in ein bürgerliches Leben aber müssen die inhaftierten Straftäterinnen aus Preungesheim ohne sie schaffen. Es ist ein weiter.

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Dicke Bretter bohren, das kann sie. Und wenn ihre Chancen auf Erfolg miserabel standen, hat sie sich einen Kehricht geschert, die Ärmel hochgekrempelt und gearbeitet. Als junge Spielerin organisierte Stephanie Ann Jones die deutsche Abwehr. Das machte sie so gut, dass die DFB-Auswahl 1997 in Oslo den EM-Titel holte. Noch zweimal wurde sie Europameisterin, einmal Weltmeisterin.

Sie spielte kraftvoll, verlor selten ein Kopfballduell, sie konnte was am Ball. 16 Jahre Bundesliga, 14 Jahre in der Nationalmannschaft, 111 Länderspiele – geht doch für die Tochter eines US-Soldaten, die sich als Zehnjährige am berüchtigten Ben-Gurion-Ring rumtrieb und die ein wenig durch den Fußball gerettet wurde. Die nach der Spielerinnenkarriere 2008 als Präsidentin antrat. Und schnell das Gesicht, die Stimme wurde, auch das Herz der ersten Frauen-Weltmeisterschaft in Deutschland. Präsidentin des Organisationskomitees der Frauen-WM in Deutschland.

Mit kaum fassbarem Erfolg. Für einen zu kurzen Sommer war Deutschland tatsächlich Frauenfußball-Land. Berlin, Frankfurt, Mönchengladbach – wenn die deutschen Frauen spielten, meldeten auch die größten Arenen ausverkauft. In der Spitze schauten 20 Millionen Menschen in Deutschland am Fernseher zu.

Unterwegs für die Sepp-Herberger-Stiftung

Heute also soll Steffi Jones dicke Mauern…na ja, nicht zum einstürzen bringen, aber doch überwinden. Die heute 40 Jahre alte Frankfurterin besucht die Justizvollzugsanstalt in Frankfurt-Preungesheim, nur fünf Kilometer entfernt von Bonames, wo sie aufwuchs, um hier mit inhaftierten Frauen im Alter von Anfang 20 bis Mitte 30 Fußball zu spielen. Sie tut dies im Namen der ältesten Fußballstiftung in Deutschland, der DFB-Stiftung Sepp Herberger.

280 Frauen sitzen hier ein, 17 dürfen heute mitkicken. Morgens noch traf sich Steffi Jones mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, ein Termin zur Olympiavorbereitung. Nach der WM übernahm sie eine von heute sechs Direktionen des DFB. Die ehemalige Präsidentin wurde Direktorin und hat heute noch mehr zu tun. "Mein Terminkalender ist übervoll, aber ich mache das natürlich sehr gerne für die Stiftung. Früher musste ich viele repräsentative Termine wahrnehmen, dazu kommt heute das strategische, administrative und teils auch operative Geschäft. Ich bin dankbar für die Chance, diese Entwicklung war nie eine Selbstverständlichkeit", so Jones und dann stellt sich die Weltmeisterin und fünffache Deutsche Meisterin vor die Frauen und sagt: "Ich bin die Steffi und wir werden heute Spaß haben."

Zehn Minuten später ist es kreischend laut in der Sporthalle. Stefan Schwab, der früher Schullehrer war und vor fünf Jahren als "Sportkoordinator" in der JVA Frankfurt III anfing, sagt: "Jetzt klingt es wieder wie früher beim Sportunterricht in der Schule." Sie kann das, sie kann Distanzen überwinden, sie hat keine Angst vor Nähe. Jones erobert nicht Menschen, sie dominiert nicht. Als sie von der Deutschen PR-Gesellschaft den Preis als Kommunikatorin des Jahres 2011 verliehen bekam, sagte der Laudator: "Sie ist keine Menschenfischerin. Die Fische kommen zu ihr."

"Für die Steffi würden meine Mädels alles machen"

Die erste halbe Stunde lässt sie die Frauen in Staffelwettbewerben antreten, dabei verfolgt sie jeden Sprint. Sie ist immer ganz präsent, auch später bei den Trainingsspielen. Einige der Spielerinnen haben nicht zehn Kilo zuviel. Sondern zwanzig und mehr. Viele treffen den Ball nicht. Die meisten würden bei jedem Kreisligateam auf der Bank sitzen. Trotz der mangelnden Klasse, wendet Steffi Jones nie ihren Blick ab. Blinzelt sie überhaupt? Sie ist immer voll konzentriert bei der Sache. Obwohl sie die Übungsstunde leitet, ist die Körperspannung sichtbar. Hier könnte auch ein Länderspiel laufen, Jones würde kaum aufmerksamer zuschauen.

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2011 kannten Sie 85 Prozent aller Deutschen und ihre Beliebtheitswerte lagen genauso hoch. Das liegt nicht alleine an ihrer unbestrittenen Herzlichkeit und Natürlichkeit. Es geht auch um den unbedingten Willen zur Leistung. Keine Frau hier muss gut sein, aber Besser werden wollen, das muss sie. Elu Wagner, die sonst die Fußballstunde leitet, sagt später: "Für die Steffi würden meine Mädels alles machen."

Für Steffi Jones ist es nicht der erste Kick im Knast, und sie ist auch nicht die einzige, die für die Herberger-Stiftung ins Gefängnis geht. Vorreiter war Alt-Bundestrainer Sepp Herberger, der 1970 privat damit anfing, Haftanstalten zu besuchen. Begleitet wurde er oft von seinem Kapitän Fritz Walter, der nach Herbergers Tod dessen Erbe antrat. Bis heute sind prominente Botschafter für die Stiftung unterwegs: Horst Eckel, Uwe Seeler, Wolfgang Dremmler, Tina Theune, Oliver Kahn und eben Steffi Jones zählen dazu. Stefan Schwab sagt: "Die Anerkennung ist entscheidend. Man kann sich als weggesperrter Straftäter nutzlos vorkommen. Wenn ein berühmter, erfolgreicher Mensch vorbeischaut und an eine Gefangene glaubt, ist das ein wichtiger Moment."

Anstoß für ein neues Leben: Mit Fußball zurück in die Gesellschaft

"Anstoß für ein neues Leben" heißt das Projekt der Stiftung, an dem deutschlandweit 14 Vollzugseinrichtungen teilnehmen. Einerseits werden die Strafgefangenen gefördert, können neben dem Fußballspielen an Trainer- und Schiedsrichterschulungen teilnehmen. Andererseits helfen Vereinskooperationen den Jugendlichen nach ihrer Haft einen Weg zurück in die Gesellschaft und in ein stabiles Umfeld zu finden.

Im besten Fall jedenfalls, auch wenn die Rückfallquote gerade im Jugendstrafvollzug ernüchternd ausfällt. Thomas Kutschaty, Justizminister in Nordrhein-Westfalen, betont: "Alle Bemühungen können nur dann erfolgreich sein, wenn die jungen Gefangenen bereit sind, ihre Chance zu nutzen und sich aktiv in das Projekt einzubringen." Steffi Jones kann dicke Bretter bohren und binnen einer Viertelstunde die größten Distanzen überbrücken. Den Weg zurück in ein bürgerliches Leben aber müssen die inhaftierten Straftäterinnen aus Preungesheim ohne sie schaffen. Es ist ein weiter.