Stefan Krämer: "Ich mag den Ritt auf der Rasierklinge"

Auf der großen Fußballbühne war Trainer Stefan Krämer vom Drittligisten Arminia Bielefeld bis vor etwas mehr als einem Jahr noch relativ unbekannt. Doch der Mann, der bis 2011 neun Jahre den rheinland-pfälzischen Oberligisten SV Roßbach/Verscheid betreute und gleichzeitig für eine Versicherung arbeitete, klopft mit den Bielefeldern nun fest an die Tür zur 2. Bundesliga.

Anfang November 2011 übernahm der 45-jährige Hobby-DJ das Amt von seinem vorherigen "Chef" Markus von Ahlen - und brachte den Traditionsverein aus Ostwestfalen nach einem der Tiefpunkte der Vereinsgeschichte mit dem Abstieg in die 3. Liga und einigen finanziellen Problemen wieder auf Kurs.

Vor dem richtungsweisenden Derby gegen den SC Preußen Münster am Samstag (ab 14 Uhr, live im WDR-Fernsehen) spricht Krämer im DFB.de-Interview mit dem Journalisten Dominik Sander über seine Endspielmentalität, die besonderen Rahmenbedingungen gegen Münster und sein sportliches Vorbild Valeriy Lobanovskyi.

DFB.de: Dritter gegen Vierter, ausverkauftes Haus, über 26.000 Zuschauer, TV-Livespiel. Wie sehr fiebern Sie dem Derby gegen Preußen Münster entgegen, Herr Krämer?

Stefan Krämer: Grundsätzlich ist einiges, was sonst normal ist, gegen Preußen Münster anders. Beispielsweise werden die Tageskassen am Stadion am Samstag nicht mehr öffnen. So etwas gab es hier in einem Ligaspiel zuletzt zu Bundesligazeiten, und das zeigt, wie das Derby die Menschen in der Stadt elektrisiert. Bei unserem 2:3 nach Verlängerung im DFB-Pokal gegen Bayer 04 Leverkusen haben die Zuschauer das Stadion sprichwörtlich abgerissen. Diese Stimmung wollen wir auch am Samstag wieder erzeugen.

DFB.de: Aus dem Hinspiel dürfte Ihre Mannschaft noch eine Rechnung offen haben. Hatte dieser Tiefpunkt in der aktuellen Saison vielleicht sogar noch positive Seiten?

Krämer: Ich kenne keine Leute, die ein Derby gerne 0:4 verlieren. Wir waren damals als Tabellenführer in einer starken Phase und sind dann hart auf den Boden aufgeschlagen. Doch meine Mannschaft ist sofort wieder aufgestanden, gestärkt daraus hervorgegangen und hat schnell wieder die Kurve bekommen. Das zeigt, dass wir in dieser Saison vor allem von unserem Charakter leben.

DFB.de: Arminia nach vier Siegen in Folge und Münster nach dem 3:1 gegen Osnabrück präsentieren sich vor dem Derby in bestechender Form. Was wird den Ausschlag geben?

Krämer: Generell sind die Leistungsunterschiede in der 3. Liga nicht ganz so groß. Das macht den enormen Reiz dieser Spielklasse aus. Wir haben im Jahr 2013 noch kein Spiel verloren, können aber eine stabile Mannschaft wie Preußen Münster nur besiegen, wenn wir an unser Limit kommen. Es wird auf mehrere Dinge ankommen: welche Mannschaft ihre Nerven besser im Griff, welche die bessere Idee und auch welche in den entscheidenden Situationen das nötige Quäntchen Glück hat. Klar ist: Wer solche Partien gewinnt, bleibt bis zum Ende oben.

DFB.de: Wie groß ist der Heimvorteil?

Krämer: Es ist doch oft so, dass Mannschaften, die vor eigenem Publikum eine Macht sind, am Ende auch aufsteigen. Wir sind auf jeden Fall fähig, in unserer Arena jeden Gegner zu besiegen. Die große Kulisse dürfen meine Spieler im Kopf nicht als Druck oder Belastung ansehen, sondern sollen sie auch genießen. Sie müssen es trotzdem schaffen, in eine Art Tunnel zu kommen.

DFB.de: Wie sieht es personell aus? Ihr Torjäger Fabian Klos war beim 2:0 in Babelsberg verletzungsbedingt nicht dabei.

Krämer: Bis Dienstag konnte Fabian Klos noch nicht trainieren. Bei muskulären Problemen muss man von Tag zu Tag sehen. Die Aussagen der Ärzte machen uns aber Hoffnungen auf einen Einsatz.

DFB.de: Die Plätze eins bis fünf trennen gerade einmal fünf Punkte. Wie beurteilen Sie die Situation an der Tabellenspitze und im Kampf um den Aufstieg?

Krämer: Die Saison befindet sich jetzt in einer ganz entscheidenden Phase. Keiner darf sich eine Schwächephase oder Auszeit erlauben. Dafür sind die Mannschaften im oberen Drittel zu stabil.

DFB.de: Mit welchen Zielen gehen Sie in den Endspurt?

Krämer: Es bringt nichts, wenn wir auf der Zielgerade damit anfangen zu rechnen, wie viele Punkte wir noch benötigen. Wir bleiben unser Linie treu, müssen es auch weiterhin schaffen, die jeweils nächste Partie wie ein Endspiel anzugehen und alles herauszuhauen, was uns zur Verfügung steht. Jede Aktion, jeder kleine Fehler, sogar ein gewonnener Zweikampf kann im Saisonendspurt den Unterschied ausmachen.

DFB.de: Worauf kommt es an, um das Optimum zu erreichen?

Krämer: Das ist einfach: Meistens spielst du am Wochenende so, wie du zuvor trainiert hast. Wir dürfen uns nie zurücklehnen. Ich verlange meinen Spielern bei den täglichen Einheiten sehr viel ab und haue bei Unkonzentriertheiten auch mal dazwischen.

DFB.de: Das Fachmagazin Kicker titelte jüngst "Geheimnis Krämer". Wie groß ist Ihr Anteil am Aufschwung des Traditionsvereins?

Krämer: Für die jetzige Situation in Bielefeld hat niemand allein gesorgt. Ich habe mit Marco Kostmann und Michael Bauer zwei Topassistenten an meiner Seite. Neben dem Platz leisten unser Sportlicher Leiter Samir Arabi und unser Geschäftsführer Marcus Uhlig großartige Arbeit. Wir haben vergleichsweise zwar ein etwas kleineres Team. Doch jeder ist bereit, mehr zu arbeiten als üblich. Wenn es ein Geheimnis gibt, dann ist es das.

DFB.de: Sie haben von Oktober 2011 bis Januar 2012 während einer Positivserie als Glücksbringer - unabhängig von den Wetterverhältnissen - ein kurzärmeliges Trainershirt getragen. Waren Sie froh, als die Serie dann im tiefsten Winter zu Ende ging?

Krämer: Im Gegenteil. Ich bin ein extrem schlechter Verlierer, verabscheue es sogar. Der Drang nach Erfolg treibt mich an. In der damaligen Situation hätte ich lieber eine Lungenentzündung oder eine andere Krankheit in Kauf genommen und dafür das Spiel gewonnen.

DFB.de: Gibt es aktuell einen Glücksbringer?

Krämer: Ich habe ein paar Marotten, die bei mir immer mit dabei sind. Grundsätzlich bin ich abergläubisch und möchte diese Dinge ungern verraten.

DFB.de: Als sportliches Vorbild nennen Sie das ukrainische Trainerdenkmal Valeriy Lobanovskyi. Was fasziniert Sie an ihm und an der von Lobanovskyi eingeführten Spielphilosophie?

Krämer: Wenn überhaupt irgendjemand von sich behaupten kann, zu den Erfindern des modernen Fußballs zu gehören, dann hat Valeriy Lobanovskyi darauf einen Anspruch. Ohne ihn würde es den Fußball in seiner heutigen Art vielleicht gar nicht geben. Ich habe mir viele alte Spiele von Dynamo Kiew unter der Regie von Lobanovskyi auf Video besorgt und bin noch heute fasziniert. Manchmal drücke ich dabei auf Stopp und zähle nach, ob Kiew nicht mit zwölf Spielern auf dem Platz war, weil die Raumdeckung für diese Zeit so perfekt umgesetzt wurde.

DFB.de: Zumindest optisch unterscheiden Sie sich deutlich von Lobanovskyi. Während der Ukrainer fast immer mit Krawatte und Anzug an der Seitenlinie zu sehen war, tragen Sie in der Regel einen Trainingsanzug. Gibt es dafür einen Grund?

Krämer: Nein, allerdings sitze ich auch nicht so still auf Bank wie Valeriy Lobanovskyi. (grinst) Ich trage gerne T-Shirt und Turnschuhe. Meiner Meinung nach passt das klamottentechnisch zur 3. Liga.

DFB.de: Könnte sich das irgendwann einmal ändern?

Krämer: Ganz ehrlich: Ich besitze beispielsweise noch nicht mal eine einzige Krawatte. Vielleicht frage ich mich in fünf Jahren aber auch, was ich jetzt für einen Schwachsinn erzähle. Da ich immer nur von Samstag zu Samstag denke, kann ich diese Frage zum aktuellen Zeitpunkt schwer beantworten.

DFB.de: Sie haben neun Jahre für eine Versicherung Leistungssportler betreut. Augenzwinkernd gefragt: Würden Sie den Aufstieg der Arminia versichern?

Krämer: Im Prinzip kannst du im Fußball keine Erfolge, noch nicht mal ein Ergebnis vorher versichern. Die Spannung tut aber gut. Ich mag diesen Ritt auf der Rasierklinge und bin dankbar, dass ich meine Lust am Fußball jeden Tag ausleben kann.

DFB.de: Sollte der Aufstieg gelingen: Könnte man Stefan Krämer bei der Aufstiegsfeier als DJ erleben?

Krämer: Wenn wir aufsteigen sollten, gehen mit Sicherheit viele Dinge. Es ist zwar schon 20 Jahre her, aber meine Plattensammlung, zwei alte Player sowie ein Mischpult stehen noch immer in meinem Keller. Ich habe früher im Raum Bonn hobbymäßig aufgelegt, stehe eher auf Vinylscheiben als auf normale CDs, und ich mag das Kratzen.

DFB.de: Welche persönlichen Ziele haben Sie sich für Ihre Laufbahn im Profifußball gesetzt?

Krämer: Jeder Trainer hat doch das Ziel, so hoch wie möglich zu kommen. Dabei habe ich aber keinen Zeitplan. Je öfter du gewinnst, desto größer ist die Chance. Aktuell konzentriere ich mich auf die Arminia, bei der nun zeitnah eine Entscheidung über meine Vertragsverlängerung fallen wird.

Das meinen DFB.de-User

"Nicht nur Herr Krämer, auch alle anderen Beteiligten vom Vorstand bis zum Ergänzungsspieler haben dafür gesorgt, dass Ruhe und Teamgeist in den Verein zurückgekehrt sind. Man kann nicht immer gewinnen, aber man kann es zumindest versuchen, und diesen Willen kann Herr Krämer nachhaltig auf das Team übertragen. Man kann wieder mit einem gewissen Stolz über diese Mannschaft sprechen und die Daumen drücken, dass sie in dieser Besetzung in der nächsten Saison in der 2. Liga spielen kann. Damit meine ich auch Spieler wie Klos, Platins, Schütz, Appiah u.a. Der Verein weiß, was er an ihnen hat, aber ich denke, dass auch die Spieler merken, welche Bedeutung sie hier haben und was dieser Verein und dieses Publikum ihnen geben kann. Traurig stimmt mich eigentlich immer nur die Zuschauerzahl bei "gewöhnlichen" Spielen. Die Mannschaft hat alles getan, was sie kann, aber der Großteil ist wohl nur durch Event-Spiele zum Besuch zu bewegen. Sie haben schon einige Höhepunkte verpasst. Drücken wir den Jungs für Samstag die Daumen, die dei Punkte sind wichtig, ein Derbysieg wäre es nebenbei." (Axel Jungkunst)

"Stefan Krämer ist ein fantastischer Trainer und genau der richtige Mann für den DSC. Er steht mit Leib und Seele hinter dem Klub und hat sowohl Fachwissen als auch eine gute Art, seine Jungs zu motivieren. So ein Trainer hat dem DSC in den letzten Jahren wirklich gefehlt." (Tobias Schwab)

"Als Herr Krämer die Mannschaft übernommen hat, habe ich die Hoffnung auf eine positive Wendung bereits aufgegeben und mich innerlich darauf eingestellt, dass der DSC noch tiefer abrutscht und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Herr Krämer sagt zwar, der Erfolg kommt nicht durch einzelne Personen, damit mag er vielleicht Recht haben, aber hier in Bielefeld war ER es, der diese Mannschaft zu einem Team geformt hat, der den DSC vom letzten Platz in der 3. Liga nun in dieser Saison auf Aufstiegskurs gebracht hat. Herr Krämer wird - egal ob der DSC nun aufsteigt oder nicht - ewige Dankbarkeit bei allen Arminen erfahren, er hat damals das Unmögliche geschafft und als 'Notlösung' die Mannschaft wieder konkurrenzfähig gemacht. DANKE :)" (Roman Hoff, Bielefeld)

[mspw]

[bild1]

Auf der großen Fußballbühne war Trainer Stefan Krämer vom Drittligisten Arminia Bielefeld bis vor etwas mehr als einem Jahr noch relativ unbekannt. Doch der Mann, der bis 2011 neun Jahre den rheinland-pfälzischen Oberligisten SV Roßbach/Verscheid betreute und gleichzeitig für eine Versicherung arbeitete, klopft mit den Bielefeldern nun fest an die Tür zur 2. Bundesliga.

Anfang November 2011 übernahm der 45-jährige Hobby-DJ das Amt von seinem vorherigen "Chef" Markus von Ahlen - und brachte den Traditionsverein aus Ostwestfalen nach einem der Tiefpunkte der Vereinsgeschichte mit dem Abstieg in die 3. Liga und einigen finanziellen Problemen wieder auf Kurs.

Vor dem richtungsweisenden Derby gegen den SC Preußen Münster am Samstag (ab 14 Uhr, live im WDR-Fernsehen) spricht Krämer im DFB.de-Interview mit dem Journalisten Dominik Sander über seine Endspielmentalität, die besonderen Rahmenbedingungen gegen Münster und sein sportliches Vorbild Valeriy Lobanovskyi.

DFB.de: Dritter gegen Vierter, ausverkauftes Haus, über 26.000 Zuschauer, TV-Livespiel. Wie sehr fiebern Sie dem Derby gegen Preußen Münster entgegen, Herr Krämer?

Stefan Krämer: Grundsätzlich ist einiges, was sonst normal ist, gegen Preußen Münster anders. Beispielsweise werden die Tageskassen am Stadion am Samstag nicht mehr öffnen. So etwas gab es hier in einem Ligaspiel zuletzt zu Bundesligazeiten, und das zeigt, wie das Derby die Menschen in der Stadt elektrisiert. Bei unserem 2:3 nach Verlängerung im DFB-Pokal gegen Bayer 04 Leverkusen haben die Zuschauer das Stadion sprichwörtlich abgerissen. Diese Stimmung wollen wir auch am Samstag wieder erzeugen.

DFB.de: Aus dem Hinspiel dürfte Ihre Mannschaft noch eine Rechnung offen haben. Hatte dieser Tiefpunkt in der aktuellen Saison vielleicht sogar noch positive Seiten?

Krämer: Ich kenne keine Leute, die ein Derby gerne 0:4 verlieren. Wir waren damals als Tabellenführer in einer starken Phase und sind dann hart auf den Boden aufgeschlagen. Doch meine Mannschaft ist sofort wieder aufgestanden, gestärkt daraus hervorgegangen und hat schnell wieder die Kurve bekommen. Das zeigt, dass wir in dieser Saison vor allem von unserem Charakter leben.

DFB.de: Arminia nach vier Siegen in Folge und Münster nach dem 3:1 gegen Osnabrück präsentieren sich vor dem Derby in bestechender Form. Was wird den Ausschlag geben?

Krämer: Generell sind die Leistungsunterschiede in der 3. Liga nicht ganz so groß. Das macht den enormen Reiz dieser Spielklasse aus. Wir haben im Jahr 2013 noch kein Spiel verloren, können aber eine stabile Mannschaft wie Preußen Münster nur besiegen, wenn wir an unser Limit kommen. Es wird auf mehrere Dinge ankommen: welche Mannschaft ihre Nerven besser im Griff, welche die bessere Idee und auch welche in den entscheidenden Situationen das nötige Quäntchen Glück hat. Klar ist: Wer solche Partien gewinnt, bleibt bis zum Ende oben.

DFB.de: Wie groß ist der Heimvorteil?

Krämer: Es ist doch oft so, dass Mannschaften, die vor eigenem Publikum eine Macht sind, am Ende auch aufsteigen. Wir sind auf jeden Fall fähig, in unserer Arena jeden Gegner zu besiegen. Die große Kulisse dürfen meine Spieler im Kopf nicht als Druck oder Belastung ansehen, sondern sollen sie auch genießen. Sie müssen es trotzdem schaffen, in eine Art Tunnel zu kommen.

DFB.de: Wie sieht es personell aus? Ihr Torjäger Fabian Klos war beim 2:0 in Babelsberg verletzungsbedingt nicht dabei.

[bild2]

Krämer: Bis Dienstag konnte Fabian Klos noch nicht trainieren. Bei muskulären Problemen muss man von Tag zu Tag sehen. Die Aussagen der Ärzte machen uns aber Hoffnungen auf einen Einsatz.

DFB.de: Die Plätze eins bis fünf trennen gerade einmal fünf Punkte. Wie beurteilen Sie die Situation an der Tabellenspitze und im Kampf um den Aufstieg?

Krämer: Die Saison befindet sich jetzt in einer ganz entscheidenden Phase. Keiner darf sich eine Schwächephase oder Auszeit erlauben. Dafür sind die Mannschaften im oberen Drittel zu stabil.

DFB.de: Mit welchen Zielen gehen Sie in den Endspurt?

Krämer: Es bringt nichts, wenn wir auf der Zielgerade damit anfangen zu rechnen, wie viele Punkte wir noch benötigen. Wir bleiben unser Linie treu, müssen es auch weiterhin schaffen, die jeweils nächste Partie wie ein Endspiel anzugehen und alles herauszuhauen, was uns zur Verfügung steht. Jede Aktion, jeder kleine Fehler, sogar ein gewonnener Zweikampf kann im Saisonendspurt den Unterschied ausmachen.

DFB.de: Worauf kommt es an, um das Optimum zu erreichen?

Krämer: Das ist einfach: Meistens spielst du am Wochenende so, wie du zuvor trainiert hast. Wir dürfen uns nie zurücklehnen. Ich verlange meinen Spielern bei den täglichen Einheiten sehr viel ab und haue bei Unkonzentriertheiten auch mal dazwischen.

DFB.de: Das Fachmagazin Kicker titelte jüngst "Geheimnis Krämer". Wie groß ist Ihr Anteil am Aufschwung des Traditionsvereins?

Krämer: Für die jetzige Situation in Bielefeld hat niemand allein gesorgt. Ich habe mit Marco Kostmann und Michael Bauer zwei Topassistenten an meiner Seite. Neben dem Platz leisten unser Sportlicher Leiter Samir Arabi und unser Geschäftsführer Marcus Uhlig großartige Arbeit. Wir haben vergleichsweise zwar ein etwas kleineres Team. Doch jeder ist bereit, mehr zu arbeiten als üblich. Wenn es ein Geheimnis gibt, dann ist es das.

DFB.de: Sie haben von Oktober 2011 bis Januar 2012 während einer Positivserie als Glücksbringer - unabhängig von den Wetterverhältnissen - ein kurzärmeliges Trainershirt getragen. Waren Sie froh, als die Serie dann im tiefsten Winter zu Ende ging?

Krämer: Im Gegenteil. Ich bin ein extrem schlechter Verlierer, verabscheue es sogar. Der Drang nach Erfolg treibt mich an. In der damaligen Situation hätte ich lieber eine Lungenentzündung oder eine andere Krankheit in Kauf genommen und dafür das Spiel gewonnen.

DFB.de: Gibt es aktuell einen Glücksbringer?

Krämer: Ich habe ein paar Marotten, die bei mir immer mit dabei sind. Grundsätzlich bin ich abergläubisch und möchte diese Dinge ungern verraten.

DFB.de: Als sportliches Vorbild nennen Sie das ukrainische Trainerdenkmal Valeriy Lobanovskyi. Was fasziniert Sie an ihm und an der von Lobanovskyi eingeführten Spielphilosophie?

Krämer: Wenn überhaupt irgendjemand von sich behaupten kann, zu den Erfindern des modernen Fußballs zu gehören, dann hat Valeriy Lobanovskyi darauf einen Anspruch. Ohne ihn würde es den Fußball in seiner heutigen Art vielleicht gar nicht geben. Ich habe mir viele alte Spiele von Dynamo Kiew unter der Regie von Lobanovskyi auf Video besorgt und bin noch heute fasziniert. Manchmal drücke ich dabei auf Stopp und zähle nach, ob Kiew nicht mit zwölf Spielern auf dem Platz war, weil die Raumdeckung für diese Zeit so perfekt umgesetzt wurde.

DFB.de: Zumindest optisch unterscheiden Sie sich deutlich von Lobanovskyi. Während der Ukrainer fast immer mit Krawatte und Anzug an der Seitenlinie zu sehen war, tragen Sie in der Regel einen Trainingsanzug. Gibt es dafür einen Grund?

Krämer: Nein, allerdings sitze ich auch nicht so still auf Bank wie Valeriy Lobanovskyi. (grinst) Ich trage gerne T-Shirt und Turnschuhe. Meiner Meinung nach passt das klamottentechnisch zur 3. Liga.

DFB.de: Könnte sich das irgendwann einmal ändern?

Krämer: Ganz ehrlich: Ich besitze beispielsweise noch nicht mal eine einzige Krawatte. Vielleicht frage ich mich in fünf Jahren aber auch, was ich jetzt für einen Schwachsinn erzähle. Da ich immer nur von Samstag zu Samstag denke, kann ich diese Frage zum aktuellen Zeitpunkt schwer beantworten.

DFB.de: Sie haben neun Jahre für eine Versicherung Leistungssportler betreut. Augenzwinkernd gefragt: Würden Sie den Aufstieg der Arminia versichern?

Krämer: Im Prinzip kannst du im Fußball keine Erfolge, noch nicht mal ein Ergebnis vorher versichern. Die Spannung tut aber gut. Ich mag diesen Ritt auf der Rasierklinge und bin dankbar, dass ich meine Lust am Fußball jeden Tag ausleben kann.

DFB.de: Sollte der Aufstieg gelingen: Könnte man Stefan Krämer bei der Aufstiegsfeier als DJ erleben?

Krämer: Wenn wir aufsteigen sollten, gehen mit Sicherheit viele Dinge. Es ist zwar schon 20 Jahre her, aber meine Plattensammlung, zwei alte Player sowie ein Mischpult stehen noch immer in meinem Keller. Ich habe früher im Raum Bonn hobbymäßig aufgelegt, stehe eher auf Vinylscheiben als auf normale CDs, und ich mag das Kratzen.

DFB.de: Welche persönlichen Ziele haben Sie sich für Ihre Laufbahn im Profifußball gesetzt?

Krämer: Jeder Trainer hat doch das Ziel, so hoch wie möglich zu kommen. Dabei habe ich aber keinen Zeitplan. Je öfter du gewinnst, desto größer ist die Chance. Aktuell konzentriere ich mich auf die Arminia, bei der nun zeitnah eine Entscheidung über meine Vertragsverlängerung fallen wird.

Das meinen DFB.de-User

"Nicht nur Herr Krämer, auch alle anderen Beteiligten vom Vorstand bis zum Ergänzungsspieler haben dafür gesorgt, dass Ruhe und Teamgeist in den Verein zurückgekehrt sind. Man kann nicht immer gewinnen, aber man kann es zumindest versuchen, und diesen Willen kann Herr Krämer nachhaltig auf das Team übertragen. Man kann wieder mit einem gewissen Stolz über diese Mannschaft sprechen und die Daumen drücken, dass sie in dieser Besetzung in der nächsten Saison in der 2. Liga spielen kann. Damit meine ich auch Spieler wie Klos, Platins, Schütz, Appiah u.a. Der Verein weiß, was er an ihnen hat, aber ich denke, dass auch die Spieler merken, welche Bedeutung sie hier haben und was dieser Verein und dieses Publikum ihnen geben kann. Traurig stimmt mich eigentlich immer nur die Zuschauerzahl bei "gewöhnlichen" Spielen. Die Mannschaft hat alles getan, was sie kann, aber der Großteil ist wohl nur durch Event-Spiele zum Besuch zu bewegen. Sie haben schon einige Höhepunkte verpasst. Drücken wir den Jungs für Samstag die Daumen, die dei Punkte sind wichtig, ein Derbysieg wäre es nebenbei." (Axel Jungkunst)

"Stefan Krämer ist ein fantastischer Trainer und genau der richtige Mann für den DSC. Er steht mit Leib und Seele hinter dem Klub und hat sowohl Fachwissen als auch eine gute Art, seine Jungs zu motivieren. So ein Trainer hat dem DSC in den letzten Jahren wirklich gefehlt." (Tobias Schwab)

"Als Herr Krämer die Mannschaft übernommen hat, habe ich die Hoffnung auf eine positive Wendung bereits aufgegeben und mich innerlich darauf eingestellt, dass der DSC noch tiefer abrutscht und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Herr Krämer sagt zwar, der Erfolg kommt nicht durch einzelne Personen, damit mag er vielleicht Recht haben, aber hier in Bielefeld war ER es, der diese Mannschaft zu einem Team geformt hat, der den DSC vom letzten Platz in der 3. Liga nun in dieser Saison auf Aufstiegskurs gebracht hat. Herr Krämer wird - egal ob der DSC nun aufsteigt oder nicht - ewige Dankbarkeit bei allen Arminen erfahren, er hat damals das Unmögliche geschafft und als 'Notlösung' die Mannschaft wieder konkurrenzfähig gemacht. DANKE :)" (Roman Hoff, Bielefeld)