Starke Grundsatzrede von Niersbach

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat die Plenarsitzung des 41. ordentlichen Bundestags des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) mit einer bemerkenswerten Grundsatzrede eröffnet. DFB.de gibt sie im Wortlaut wieder.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Delegierte aus den Regional- und Landesverbänden, des DFB und des Ligaverbandes.

Den heutigen parlamentarischen Teil unseres DFB-Bundestages möchte ich mit einem kurzen Rückblick auf den gestrigen Festakt beginnen. Sicher stimmen Sie mit mir überein in der Feststellung, dass die Bedeutung und die Wertschätzung, die der Fußball in unserem Land besitzt, wiederum eindrucksvoll dokumentiert wurde durch die exzellenten Beiträge ausgewählter hochrangiger Redner, durch die Anwesenheit weiterer herausragender Gäste und unserer Ehrenmitglieder, durch die Ehrungen außergewöhnlicher Persönlichkeiten und Mannschaften.

Emotional war für mich das absolute Highlight das Wiedersehen mit Lennart Johansson, der trotz seiner nicht mehr optimalen Fitness den Weg nach Nürnberg gefunden hat – auch mit der Vorfreude, nach sechs Jahren wieder seinen engen Freund Egidius Braun zu treffen. Dies war dann leider doch nicht möglich, aber wir dürfen und werden nie vergessen, dass wir Lennart Johansson und Egidius Braun im hohem Maße die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu verdanken haben.

Mit dieser Bewerbung haben wir übrigens im November 1992 begonnen. Deshalb ist es absolut nicht zu früh, sich jetzt schon Gedanken um die Ausrichtung der Europameisterschaft 2024 zu machen. Gerade weil UEFA-Präsident Michel Platini heute noch anwesend ist, möchte ich nochmals bestätigen, dass wir dieses Fernziel mit höchstem Engagement und größter Sorgfalt ins Visier nehmen. 18 Jahre nach der einmalig schönen WM 2006 sollte die Zeit reif sein für ein neues Sommermärchen in Deutschland.

Doch nun, nach dem gestrigen Festakt, zum heutigen Arbeitstag. Fußball ist Vergangenheit, Gegenwart und vor allem Zukunft. Damit sind wir beim Motto unseres 41. ordentlichen Bundestages. Fußball ist Zukunft. So unsere Dachmarke und generelle Ausrichtung für alle Aktivitäten im DFB. Dieses Mal hier in Nürnberg ganz bewusst mit drei Ergänzungen als Ausrufezeichen: Vereint. Innovativ. Leistungsstark.

Mit Vereint ist gemeint, dass ich aus voller Überzeugung für die Einheit des Fußballs stehe. Die Gemeinsamkeit von Spitze und Breite, Profis und Amateuren, Haupt- und Ehrenamt, Männern und Frauen, im Nachwuchsbereich für Jungen und Mädchen sowie für Fußballer mit und ohne Migrationshintergrund. Wir haben diesen Teamgeist in Deutschland, darum beneiden uns andere. Und wir haben die feste Absicht, auf dieser stabilen Grundlage im Teamwork weiterzumachen. Deshalb haben der DFB und der Ligaverband im Präsidium die Verlängerung des Grundlagenvertrages bis 2017 ausverhandelt. Die Versammlung der 36 Profi-Vereine hat dem Vertragswerk bereits Anfang August 2013 in Berlin in totaler Einmütigkeit zugestimmt. Um diese Zustimmung bitten wir nun auch den Bundestag zu einem späteren Zeitpunkt.

Die wichtigsten Eckpfeiler der wechselseitigen Finanzflüsse zwischen DFB und Ligaverband sind hier abgestimmt, Eckpfeiler mit direkter Wirkung von der Spitze des Profi-Fußballs an die Basis.

Aber es geht beileibe nicht nur um Geld. Es geht auch und besonders um Werte. Wirtschaftlicher Erfolg ist wichtig, er schafft Spielräume, aber gleichzeitig muss der Fußball immer am Boden bleiben, darf nie seine Wurzeln vergessen.

Wir sehen beinahe täglich im Fernsehen, was an der Spitze geleistet wird, in der Champions League, in der Europa League, in den Bundesligen und auch durch die Nationalmannschaft. Wir müssen und wollen aber auch sichtbar machen, was darunter passiert. In den Regional- und Landesverbänden, den Kreisen, Vereinen. Hier wird die Basis geschaffen und hier möchte ich auf dem nächsten noch einmal auf eindrucksvolle Zahlen hinweisen, die für unsere Bewegung stehen. Es ist eine Wertschöpfung, die eine bessere Wertschätzung verdient. Dieser Wunsch, der eigentlich ein klarer Auftrag ist, wurde artikuliert beim Amateur-Kongress im Februar 2012 in Kassel. Jetzt können wir Vollzug melden. Denn wir starten mit dem heutigen Tag als Teil eines umfangreichen Masterplans eine Imagekampagne mit dem treffenden Slogan. „Unsere Amateure – echte Profis“: Gerade die Ehrenamtlichen haben es verdient, im Mittelpunkt zu stehen.

Ehrenamt, Profis, Basis, Spitze: Gemeinsam sind wir unschlagbar. Mit dem Grundlagenvertrag schaffen wir den Rahmen, der diese Einheit zusammenhält, seit 2001 gelebt wurde und auch künftig so weiter gelebt wird.

Innovativ: Wir sind, so denke ich, uns einig in der Wertung, dass sich unsere Welt in den letzten 10 bis 20 Jahren dramatisch verändert hat. Gut erinnere ich mich, dass bei der Weltmeisterschaft 1990 in Italien, aber auch noch 1994 in den USA und 1998 in Frankreich die Berichterstattung über diese Weltereignisse praktisch exklusiv über die klassischen elektronischen Medien und die Print-Organe stattfand – Handys gab es übrigens auch noch nicht. Das Internet aber hat mit schier unendlichen technischen Möglichkeiten Grenzen gesprengt. Dem müssen wir Rechnung tragen, darauf müssen wir uns überzeugend einstellen, was gerade auch in der jüngeren Vergangenheit geschehen ist, wie Sie auf dem nächsten sehen.

Wir haben dieses Kommunikations- und Informationsnetz auf- und ausgebaut in dem Wissen, dass jeder der etwa 80 Millionen Bundesbürger in Deutschland durchschnittlich drei Stunden pro Tag online ist. Im letzten Bundestags-Wahlkampf haben 60 Prozent aller Wähler ihre Informationen aus dem Internet geholt, in der Altersgruppe der 18- bis 29-jährigen waren es sogar 80 Prozent. Ich sehe hier eine doppelte Zukunftsaufgabe. Zum einen nutzen wir das Netz zu einem zeitgemäßen und hoch attraktiven Service bis hin zu Live-Tickern für alle Ligen, natürlich und besonders auch nutzbar für die mobilen Endgeräte. Die Vereinsberatung als innovatives Instrument im Netz ist entwickelt und mit dem heutigen Tag startklar.

Jedem Vater, der von heute auf morgen eine Jugend-Mannschaft übernimmt, jedem Vereins-Mitarbeiter, letztlich jedem Spieler werden praktische Tipps gegeben – für das Spiel selbst, aber auch im administrativen Bereich. Zuverlässig nutzen schon 160.000 User monatlich unser Angebot von „Training und Wissen online“ – Tendenz steigend. Hier wollen und werden wir immer besser werden, um den Strang von der Spitze unseres Verbandes bis in alle Ecken des Landes zu stärken.

Zusätzlich werden wir ab der Saison 2014/15 im nächsten Sommer den Web-Auftritt von fussball.de, auf dem wöchentlich die kompletten Ergebnisse von 80.000 organisierten Fußballspielen erscheinen und auf dem 2012 1,5 Milliarden Seitenaufrufe zu registrieren waren, zum großen Portal für den Amateur-Fußball ausbauen – mit eigener Vermarktung und eigener Redaktion. Für die große Bewegung des Amateur-Fußballs!

Doch dies ist nur ein Teil. Der andere muss sein, gerade unsere Jugend so in der digitalen Welt anzusprechen, dass sie auch in der realen Welt Fußball spielen will. Dies ist die eindeutig schwierigere Aufgabe geworden in Zeiten des demografischen Wandels. Der DFB ist gewachsen auf über 6,8 Millionen Mitglieder, während Gewerkschaften, Parteien und auch die Kirchen erhebliche Mitgliederverluste, sehr starke Rückgänge beklagen. Wir können aber nicht die Augen davor verschließen, dass wir in der letzten Statistik in der Altersgruppe der 10- bis 14-jährigen etwa 4.000 Mannschaften verloren haben. Hier müssen wir ansetzen, nochmals: Mit innovativen Maßnahmen Begeisterung wecken, was wir schon machen im engen Zusammenspiel zwischen Schule und Verein, sich für den Fußball nicht nur als Zuschauer zu begeistern und über ständig steigende, letztlich aber passive Mitgliedschaften unserer Vorzeige-Vereine, sondern eben für das aktive Spielen.

Hinter dem dritten Begriff Leistungsstark verbirgt sich das klare Bekenntnis zur absoluten Spitzenleistung, ja zur Elite und damit natürlich zu unserer Bundesliga, die im Jahre ihres 50. Bestehens zu den stärksten Ligen der Welt zählt. Dieses Attribut darf im Übrigen auch die Frauen-Bundesliga für sich in Anspruch nehmen. Jüngster Beweis ist der Gewinn der Champions League durch den VfL Wolfsburg. Auch das Pokal-Finale der Frauen in Köln ist ein absolutes Highlight geworden. Doch im Liga-Alltag, dieser realistische Blick muss erlaubt sein, bleibt noch viel zu tun auf dem Weg zu einer größeren Akzeptanz und besseren Resonanz. Die Nationalmannschaften der Frauen und Männer gehören zur Weltspitze, nachzulesen in den FIFA-Weltranglisten, die Frauen auf Platz zwei, und die Männer auch wieder auf Rang zwei. Der Gewinn der Frauen-Europameisterschaft in Schweden mit einem jungen, völlig neu besetzten Team ist Beweis für die exzellente Arbeit unserer Bundestrainerin Silvia Neid. Ihr Ziel ist nun die Frauen-Weltmeisterschaft 2015 in Kanada.

Doch wenn wir trotzdem von der Sehnsucht nach einem Titel sprechen, machen wir uns nichts vor, geschieht dies natürlich mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2014 der Männer in Brasilien, weil eben der letzte Titelgewinn bei der Europameisterschaft 1996 in England so lange zurückliegt. Ja, auch ich sage: Wir wollen Weltmeister werden, verkenne dabei aber nicht, dass andere Nationen das mit ähnlichem Selbstbewusstsein sagen. Vor allem die Südamerikaner, die auf ihrem eigenen Kontinent noch keinem anderen Team den Weltpokal überlassen haben. Trotzdem nehmen wir natürlich das Vorhaben in Angriff, die Visitenkarte, die hier abgebildet ist, wieder anzureichern.

Was andere Verbände, die nicht sechs Titel gewannen, auch auf eine Visitenkarte drucken würden: Vier Mal Vize-Weltmeister, drei Mal Vize-Europameister, und in den letzten zehn Jahren war unser Team bei fünf Endturnieren immer unter den letzten Vier, hat von den letzten 25 Pflichtspielen 23 gewonnen, einmal remis gespielt und nur eine Begegnung verloren.

Daher streiche ich immer wieder heraus, dass ich schon die Qualifikation für eine Weltmeisterschaft als großen Erfolg werte. Nur Brasilien und Deutschland waren seit 1954 immer bei der Endrunde dabei, alle anderen großen Fußball-Nationen hat es mindestens ein Mal erwischt. Auch die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Brasilien hat unsere Nationalmannschaft wieder ohne Niederlage überstanden, nur mit einem Punkt belastet beim denkwürdigen 4:4 gegen Schweden in Berlin. In den meisten Spielen stimmt aber nicht nur das Ergebnis, sondern auch die spielerische Note, die in hohem Maße von Bundestrainer Joachim Löw geschaffen wurde, der mit voller Überzeugung für diese offensive und hoch attraktive Spielphilosophie steht, die international uns ein hohes Ansehen beschert hat.

Joachim Löw steht jetzt im November unmittelbar vor seinem 100. Länderspiel als Bundestrainer. Er ist einen großartigen Weg gegangen, der längst noch nicht zu Ende ist. Deshalb haben wir in der letzten Woche verkündet, mit Joachim Löw, aber auch mit Manager Oliver Bierhoff und Torwart-Trainer Andreas Köpke diesen Weg fortsetzen zu wollen und die Verträge bis 2016 verlängert. In Brasilien gehört zum Team natürlich auch Trainer Hansi Flick, der aber nach der Weltmeisterschaft die wichtige Rolle des DFB-Sportdirektors übernehmen wird. Kontinuität ist also angesagt bei den sportlich Verantwortlichen des DFB. Eine Kontinuität, die aber immer Spielraum für Verbesserungen lassen muss.

Dies gilt in besonderem Maße auch für die Talent- und Eliteförderung sowie für die Trainerausbildung. Und hinter diesem Gedanken von möglichen Verbesserungen steht als mögliches Zukunftsprojekt auch der Bau eines Leistungs- und Kompetenzzentrums, um dort zentral, wie in einem wissenschaftlichen Institut, die neuesten Erkenntnisse zur Leistungsdiagnostik, zum Scouting, zur Video-Analyse und modernen Trainingsmethoden unterzubringen, zu bündeln und wiederum von der Spitze an die breite Basis weiter zu geben. Aber erst im nächsten Jahr wird die Entscheidung fallen, ob wir ein solches Zentrum errichten. Wir haben jetzt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um diese Entscheidung auf einer sehr fundierten Grundlage treffen zu können.

Leistungsstark müssen aber auch unsere Schiedsrichter sein und bleiben, deren Job im Zuge der medialen Ausweitung gewiss nicht leichter geworden ist, wie gerade das letzte Wochenende mit dem „Phantom-Tor“ von Hoffenheim bewiesen hat, die aber trotzdem Weltspitze darstellen sind die Vertreter, die es bis nach ganz oben geschafft haben mit über 70 internationalen Einsätzen in jeder Saison. Bei 17 von 19 WM-Endrunden, bei 12 von 14 EM-Endrunden war immer ein deutscher Schiedsrichter eingesetzt. Zum Schiedsrichter-Wesen gehört auch die Information, dass wir es seit 2012 geschafft haben, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich zu verbessern, um den noch weiter gestiegenen Ansprüchen an das Schiedsrichterwesen Rechnung zu tragen. Auch dieser Aspekt ist dankenswerterweise im Grundlagenvertrag berücksichtigt.

Vereint. Innovativ. Leistungsstark: So wollen wir die Zukunft gestalten, dabei aber nie vergessen, dass Fußball stets eine Mischung aus Tradition und Vision ist, wie wir ab 2015 in unserem deutschen Fußball-Museum in Dortmund auch anschaulich machen werden. Ziel war, ist und bleibt, Gutes zu bewahren und Neues zu entwickeln.

Dazu gehört aber eben auch, den Fußball vor Gefahren zu schützen.

Ich nenne die Wettmanipulation: Hier verstärken wir gerade im Nachwuchsbereich die Präventionsarbeit mit der Aufklärungs-Kampagne „Gemeinsam gegen Spielmanipulation – Spiel’ kein falsches Spiel“, um den Heranwachsenden aufzuzeigen, dass sie der kleinsten Versuchung, die von Außen durch kriminelle Elemente an sie herangetragen wird, widerstehen müssen, wenn sie nicht ihre gesamte sportliche Karriere - im wahrsten Sinne des Wortes - verspielen wollen. Die Integrität des Wettbewerbs, die Glaubwürdigkeit ist ein zentrales Gut, muss über allem stehen.

Anti-Doping. Hier gilt die gleiche Aussage, dass wir die Präventionsarbeit noch weiter intensivieren, eindringlich vor den Gefahren und Risiken warnen, die mit dem Einsatz unerlaubter Mittel verbunden sind. Seit 1988 sind im deutschen Fußball über 20.000 Dopingkontrollen durchgeführt worden. Als positive Proben, und dazu zählen nach den strengen Dopingregeln eben auch Unaufmerksamkeiten im Umgang mit Medikamenten und deren Nebenwirkungen sowie das Verpassen von Terminen, sind lediglich 21 registriert. Trotzdem hat es zu Beginn dieser Saison eine Diskussion gegeben, ob die Kontrollen im Fußball ausreichend sind. Wir meinen mit voller Überzeugung „ja, absolut ja“, verschließen uns anderen Argumenten aber trotzdem nicht. So darf ich ankündigen, dass die Anti-Doping-Kommission prüft, ab der Saison 2014/2015 auch die Wettkampfkontrollen an die Nationale Anti Doping Agentur NADA zu übertragen.

Sicherheit! Auch hier geht es zunächst um Prävention. Unsere diesbezügliche Kommission trägt deshalb auch den Namen Prävention und Sicherheit. Dieses große und existenziell wichtige Themenfeld wird uns begleiten, weil eine gewaltbereite Minderheit die populäre Plattform Fußball für ihre Untaten missbraucht, meist weniger im Stadion, dafür aber im Umfeld, auf Verkehrswegen oder sogar völlig losgelöst von Spielen. Erfreulicherweise hat es viele Reaktionen der großen Mehrheit der positiven und friedfertigen Fans gegeben. Im engen Miteinander mit den Innenministern der Länder und der Polizei sind DFB, der Ligaverband und die Vereine sich absolut einig, den Dialog mit den Fan-Projekten und auch den Fan-Klubs zu intensivieren. Der DFB und der Ligaverband haben die Mittel für die Präventionsarbeit auf zehn Millionen Euro jährlich aufgestockt. Und wenn Sanktionen nötig werden, hat auch unsere Sportgerichtsbarkeit höchstes Vertrauen verdient. Sie ist unverzichtbar – und auch aktuell wieder extrem gefordert in der Abwicklung des „Falles“ Hoffenheim – Leverkusen.

Selbstverständlich nehmen wir als einer der größten gesellschaftlichen Gruppierungen im Lande auch die gesellschaftliche Verantwortung an. Der Fußball steht für Toleranz, Respekt, Fairplay, gegen Extremismus und Homophobie, für Integration, einem Dauerthema in unserer auch von Migranten geprägten Gesellschaft. Das mag leicht gesagt sein, aber ich nenne den Julius Hirsch Preis, den DFB und Mercedes-Benz Integrationspreis, den Leitfaden gegen Homophobie, die Aktion „Fair ist mehr“, das sind Initiativen mit starker nicht nachlassender Aussagekraft – Projekte, die an der Spitze ebenso aufgegriffen werden wie im kleinsten Verein.

Summa summarum steht für uns das klare Bekenntnis, dass der Fußball weiterhin einen großen Beitrag für die Gesellschaft leisten will, auch durch die vorbildliche Arbeit in unseren Stiftungen. Nachzulesen ist dies in einem Nachhaltigkeitsbericht, den der DFB erstmals erstellt hat und der diesem Bundestag bereits vorgelegt ist. Der Bericht hält nicht im Sinne eines Eigenlobs, einer Selbstbeweihräucherung, sondern objektiv und unterlegt mit Zahlen und Statistiken ausgezeichnet fest, dass unser Fußball nun wirklich mehr darstellt als ein 1:0.

Dieses gesellschaftliche Engagement darf die Politik zu Recht von uns allen im DFB erwarten. Umgekehrt aber darf die Politik unsere Arbeit, vor allem die des Ehrenamts, nicht erschweren durch immer kompliziertere Bestimmungen durch den Fiskus, der Verwaltungsberufsgenossenschaft, dem Versicherungswesen oder Kürzungen der Sportförderung in Ländern und Kommunen. Und da lassen wir auch nicht nach.

Ich sage mit aller Deutlichkeit: Die Behandlung des Glückspielstaatsvertrages oder besser die fehlende Umsetzung durch die Politik, hier vornehmlich auf Länderebene, ist eine einzige Bankrotterklärung, ein Armutszeugnis auch im Vergleich zum europäischen Ausland, obwohl doch angeblich einheitliche EU-Normen gelten sollen. Durch die Nichterteilung von Konzessionen, und dieser Prozess zieht sich mittlerweile schon über zwei Jahre hin, entgehen dem Staat Millionen Steuer-Einnahmen – Einnahmen, an denen ganz besonders auch der Fußball mit seinen vielfältigen gesellschaftlichen Aufgaben zu beteiligen wäre, weil er mit den Spielplänen überhaupt erst das Wettgeschäft ermöglicht. Und es muss doch das Ziel sein, die Sportwetten und die damit verbundene Werbung staatlich endlich zu kanalisieren und damit auch zu legalisieren.

Doch auch eine Herausforderung im internationalen Bereich, wie ich sie auf meinem Berufsweg noch nicht erlebt habe, will ich hier und heute nicht unterschlagen. Die Vergabe für die Austragung der WM 2022 in Katar vor knapp drei Jahren zieht, man kann es nicht anders ausdrücken, sehr problematische Kreise und sie ist belastend für den ganzen Fußball. Wenn ein neuer Termin im Winter gefunden werden muss, was auch nach meiner Einschätzung alternativlos ist, wären die Auswirkungen auf der ganzen Welt zu spüren. Die Zuständigkeit liegt eindeutig bei der FIFA. Sie wird bis zum Jahreswechsel 2014/2015 Antworten geben müssen auf viele brennende Fragen. Dazu gehört auch politische Einflussnahme, weil auch wir mit dem Umstand der menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen für viele Gastarbeiter in dem Emirat konfrontiert wurden. Hiervor werden wir unsere Augen nicht verschließen und haben dieses konkrete Thema deshalb in engem Schulterschluss mit dem DGB bei der FIFA platziert.

Komme ich zum Schluss meiner Rede und damit zu zwei sehr emotionalen Erlebnissen, die ich gerade erst im September erleben durfte.

Unsere Nationalmannschaft spielte auf den Färöer Inseln. Als der Bus zum Training im Stadion eintraf, unterbrachen Kinder auf dem Nebenplatz einfach ihr Training, um auf unsere Spieler zuzustürmen. Und der zunächst verärgerte Jugend-Trainer sagte mir, dass bei den Kindern auch seine zwei Söhne Mattias und Rõi Joensen waren, die tatsächlich Autogramme von Philipp Lahm und Mesut Özil ergatterten und abends zu Hause berichteten, dies sei das schönste Erlebnis in ihrem ganzen Leben gewesen. Man darf sich getrost an dieser Episode bewusst machen, welche Strahlkraft der deutsche Fußball besitzt – durch seine herausragenden Nationalspieler.

Und dann in Stuttgart das Final-Turnier im Blindenfußball. Dort spielen Menschen Fußball, die teilweise seit ihrer Geburt blind sind, also auch noch nie ein Spiel gesehen haben. Wenn sie ein Tor erzielen und dieser Erfolg ihnen von außen zugerufen wird, wissen sie nicht, ob der Ball oben links oder unten rechts ins Netz gegangen ist. Ein Spieler des FC St. Pauli hat den bemerkenswerten Satz gesagt: „Ich habe zwar noch nie ein Tor gesehen, aber ich weiß, wie man eins schießt.“ Ihre Freude aber ist unbeschreiblich groß. Es gibt für Behinderte und speziell für blinde Menschen gewiss leichtere Sportarten, aber ihre Leidenschaft ist der Fußball, und das war für mich ein neues Erlebnis, das unter die Haut geht, ein Erlebnis, das die Faszination Fußball unterstreicht.

Für mich persönlich ist diese Faszination ungebrochen. Im hohen, verantwortungsvollen Amt des Präsidenten, das Sie mir im vergangenen März anvertraut haben, verspüre ich mehr Lust als Last, sehr viel Freude. Deshalb stehe ich sehr gerne für weitere drei Jahre bereit und habe mit Dankbarkeit zur Kenntnis genommen, dass mich sowohl die Regional- und Landesverbände als auch der Ligaverband für eine Wiederwahl vorgeschlagen haben. Dieses Votum freut mich umso mehr, als es mir zeigt, dass Sie mit meinem Führungsstil als bekennender Team-Player, als Spielführer eines großen und hoch engagierten Teams, einverstanden sind.

Ich danke für das Vertrauen, das mir besonders in den letzten 18 Monaten entgegengebracht wurde, und danke auch für die gute Zusammenarbeit auf der ehrenamtlichen Ebene in allen Gremien, besonders im Präsidium, sowie mit dem Team der DFB-Zentrale, an der Spitze Generalsekretär Helmut Sandrock. Nicht zuletzt danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns einen gelungenen DFB-Bundestag 2013 in Nürnberg.

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DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat die Plenarsitzung des 41. ordentlichen Bundestags des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) mit einer bemerkenswerten Grundsatzrede eröffnet. DFB.de gibt sie im Wortlaut wieder.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Delegierte aus den Regional- und Landesverbänden, des DFB und des Ligaverbandes.

Den heutigen parlamentarischen Teil unseres DFB-Bundestages möchte ich mit einem kurzen Rückblick auf den gestrigen Festakt beginnen. Sicher stimmen Sie mit mir überein in der Feststellung, dass die Bedeutung und die Wertschätzung, die der Fußball in unserem Land besitzt, wiederum eindrucksvoll dokumentiert wurde durch die exzellenten Beiträge ausgewählter hochrangiger Redner, durch die Anwesenheit weiterer herausragender Gäste und unserer Ehrenmitglieder, durch die Ehrungen außergewöhnlicher Persönlichkeiten und Mannschaften.

Emotional war für mich das absolute Highlight das Wiedersehen mit Lennart Johansson, der trotz seiner nicht mehr optimalen Fitness den Weg nach Nürnberg gefunden hat – auch mit der Vorfreude, nach sechs Jahren wieder seinen engen Freund Egidius Braun zu treffen. Dies war dann leider doch nicht möglich, aber wir dürfen und werden nie vergessen, dass wir Lennart Johansson und Egidius Braun im hohem Maße die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu verdanken haben.

Mit dieser Bewerbung haben wir übrigens im November 1992 begonnen. Deshalb ist es absolut nicht zu früh, sich jetzt schon Gedanken um die Ausrichtung der Europameisterschaft 2024 zu machen. Gerade weil UEFA-Präsident Michel Platini heute noch anwesend ist, möchte ich nochmals bestätigen, dass wir dieses Fernziel mit höchstem Engagement und größter Sorgfalt ins Visier nehmen. 18 Jahre nach der einmalig schönen WM 2006 sollte die Zeit reif sein für ein neues Sommermärchen in Deutschland.

Doch nun, nach dem gestrigen Festakt, zum heutigen Arbeitstag. Fußball ist Vergangenheit, Gegenwart und vor allem Zukunft. Damit sind wir beim Motto unseres 41. ordentlichen Bundestages. Fußball ist Zukunft. So unsere Dachmarke und generelle Ausrichtung für alle Aktivitäten im DFB. Dieses Mal hier in Nürnberg ganz bewusst mit drei Ergänzungen als Ausrufezeichen: Vereint. Innovativ. Leistungsstark.

Mit Vereint ist gemeint, dass ich aus voller Überzeugung für die Einheit des Fußballs stehe. Die Gemeinsamkeit von Spitze und Breite, Profis und Amateuren, Haupt- und Ehrenamt, Männern und Frauen, im Nachwuchsbereich für Jungen und Mädchen sowie für Fußballer mit und ohne Migrationshintergrund. Wir haben diesen Teamgeist in Deutschland, darum beneiden uns andere. Und wir haben die feste Absicht, auf dieser stabilen Grundlage im Teamwork weiterzumachen. Deshalb haben der DFB und der Ligaverband im Präsidium die Verlängerung des Grundlagenvertrages bis 2017 ausverhandelt. Die Versammlung der 36 Profi-Vereine hat dem Vertragswerk bereits Anfang August 2013 in Berlin in totaler Einmütigkeit zugestimmt. Um diese Zustimmung bitten wir nun auch den Bundestag zu einem späteren Zeitpunkt.

Die wichtigsten Eckpfeiler der wechselseitigen Finanzflüsse zwischen DFB und Ligaverband sind hier abgestimmt, Eckpfeiler mit direkter Wirkung von der Spitze des Profi-Fußballs an die Basis.

Aber es geht beileibe nicht nur um Geld. Es geht auch und besonders um Werte. Wirtschaftlicher Erfolg ist wichtig, er schafft Spielräume, aber gleichzeitig muss der Fußball immer am Boden bleiben, darf nie seine Wurzeln vergessen.

Wir sehen beinahe täglich im Fernsehen, was an der Spitze geleistet wird, in der Champions League, in der Europa League, in den Bundesligen und auch durch die Nationalmannschaft. Wir müssen und wollen aber auch sichtbar machen, was darunter passiert. In den Regional- und Landesverbänden, den Kreisen, Vereinen. Hier wird die Basis geschaffen und hier möchte ich auf dem nächsten noch einmal auf eindrucksvolle Zahlen hinweisen, die für unsere Bewegung stehen. Es ist eine Wertschöpfung, die eine bessere Wertschätzung verdient. Dieser Wunsch, der eigentlich ein klarer Auftrag ist, wurde artikuliert beim Amateur-Kongress im Februar 2012 in Kassel. Jetzt können wir Vollzug melden. Denn wir starten mit dem heutigen Tag als Teil eines umfangreichen Masterplans eine Imagekampagne mit dem treffenden Slogan. „Unsere Amateure – echte Profis“: Gerade die Ehrenamtlichen haben es verdient, im Mittelpunkt zu stehen.

Ehrenamt, Profis, Basis, Spitze: Gemeinsam sind wir unschlagbar. Mit dem Grundlagenvertrag schaffen wir den Rahmen, der diese Einheit zusammenhält, seit 2001 gelebt wurde und auch künftig so weiter gelebt wird.

Innovativ: Wir sind, so denke ich, uns einig in der Wertung, dass sich unsere Welt in den letzten 10 bis 20 Jahren dramatisch verändert hat. Gut erinnere ich mich, dass bei der Weltmeisterschaft 1990 in Italien, aber auch noch 1994 in den USA und 1998 in Frankreich die Berichterstattung über diese Weltereignisse praktisch exklusiv über die klassischen elektronischen Medien und die Print-Organe stattfand – Handys gab es übrigens auch noch nicht. Das Internet aber hat mit schier unendlichen technischen Möglichkeiten Grenzen gesprengt. Dem müssen wir Rechnung tragen, darauf müssen wir uns überzeugend einstellen, was gerade auch in der jüngeren Vergangenheit geschehen ist, wie Sie auf dem nächsten sehen.

Wir haben dieses Kommunikations- und Informationsnetz auf- und ausgebaut in dem Wissen, dass jeder der etwa 80 Millionen Bundesbürger in Deutschland durchschnittlich drei Stunden pro Tag online ist. Im letzten Bundestags-Wahlkampf haben 60 Prozent aller Wähler ihre Informationen aus dem Internet geholt, in der Altersgruppe der 18- bis 29-jährigen waren es sogar 80 Prozent. Ich sehe hier eine doppelte Zukunftsaufgabe. Zum einen nutzen wir das Netz zu einem zeitgemäßen und hoch attraktiven Service bis hin zu Live-Tickern für alle Ligen, natürlich und besonders auch nutzbar für die mobilen Endgeräte. Die Vereinsberatung als innovatives Instrument im Netz ist entwickelt und mit dem heutigen Tag startklar.

Jedem Vater, der von heute auf morgen eine Jugend-Mannschaft übernimmt, jedem Vereins-Mitarbeiter, letztlich jedem Spieler werden praktische Tipps gegeben – für das Spiel selbst, aber auch im administrativen Bereich. Zuverlässig nutzen schon 160.000 User monatlich unser Angebot von „Training und Wissen online“ – Tendenz steigend. Hier wollen und werden wir immer besser werden, um den Strang von der Spitze unseres Verbandes bis in alle Ecken des Landes zu stärken.

Zusätzlich werden wir ab der Saison 2014/15 im nächsten Sommer den Web-Auftritt von fussball.de, auf dem wöchentlich die kompletten Ergebnisse von 80.000 organisierten Fußballspielen erscheinen und auf dem 2012 1,5 Milliarden Seitenaufrufe zu registrieren waren, zum großen Portal für den Amateur-Fußball ausbauen – mit eigener Vermarktung und eigener Redaktion. Für die große Bewegung des Amateur-Fußballs!

Doch dies ist nur ein Teil. Der andere muss sein, gerade unsere Jugend so in der digitalen Welt anzusprechen, dass sie auch in der realen Welt Fußball spielen will. Dies ist die eindeutig schwierigere Aufgabe geworden in Zeiten des demografischen Wandels. Der DFB ist gewachsen auf über 6,8 Millionen Mitglieder, während Gewerkschaften, Parteien und auch die Kirchen erhebliche Mitgliederverluste, sehr starke Rückgänge beklagen. Wir können aber nicht die Augen davor verschließen, dass wir in der letzten Statistik in der Altersgruppe der 10- bis 14-jährigen etwa 4.000 Mannschaften verloren haben. Hier müssen wir ansetzen, nochmals: Mit innovativen Maßnahmen Begeisterung wecken, was wir schon machen im engen Zusammenspiel zwischen Schule und Verein, sich für den Fußball nicht nur als Zuschauer zu begeistern und über ständig steigende, letztlich aber passive Mitgliedschaften unserer Vorzeige-Vereine, sondern eben für das aktive Spielen.

Hinter dem dritten Begriff Leistungsstark verbirgt sich das klare Bekenntnis zur absoluten Spitzenleistung, ja zur Elite und damit natürlich zu unserer Bundesliga, die im Jahre ihres 50. Bestehens zu den stärksten Ligen der Welt zählt. Dieses Attribut darf im Übrigen auch die Frauen-Bundesliga für sich in Anspruch nehmen. Jüngster Beweis ist der Gewinn der Champions League durch den VfL Wolfsburg. Auch das Pokal-Finale der Frauen in Köln ist ein absolutes Highlight geworden. Doch im Liga-Alltag, dieser realistische Blick muss erlaubt sein, bleibt noch viel zu tun auf dem Weg zu einer größeren Akzeptanz und besseren Resonanz. Die Nationalmannschaften der Frauen und Männer gehören zur Weltspitze, nachzulesen in den FIFA-Weltranglisten, die Frauen auf Platz zwei, und die Männer auch wieder auf Rang zwei. Der Gewinn der Frauen-Europameisterschaft in Schweden mit einem jungen, völlig neu besetzten Team ist Beweis für die exzellente Arbeit unserer Bundestrainerin Silvia Neid. Ihr Ziel ist nun die Frauen-Weltmeisterschaft 2015 in Kanada.

Doch wenn wir trotzdem von der Sehnsucht nach einem Titel sprechen, machen wir uns nichts vor, geschieht dies natürlich mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2014 der Männer in Brasilien, weil eben der letzte Titelgewinn bei der Europameisterschaft 1996 in England so lange zurückliegt. Ja, auch ich sage: Wir wollen Weltmeister werden, verkenne dabei aber nicht, dass andere Nationen das mit ähnlichem Selbstbewusstsein sagen. Vor allem die Südamerikaner, die auf ihrem eigenen Kontinent noch keinem anderen Team den Weltpokal überlassen haben. Trotzdem nehmen wir natürlich das Vorhaben in Angriff, die Visitenkarte, die hier abgebildet ist, wieder anzureichern.

Was andere Verbände, die nicht sechs Titel gewannen, auch auf eine Visitenkarte drucken würden: Vier Mal Vize-Weltmeister, drei Mal Vize-Europameister, und in den letzten zehn Jahren war unser Team bei fünf Endturnieren immer unter den letzten Vier, hat von den letzten 25 Pflichtspielen 23 gewonnen, einmal remis gespielt und nur eine Begegnung verloren.

Daher streiche ich immer wieder heraus, dass ich schon die Qualifikation für eine Weltmeisterschaft als großen Erfolg werte. Nur Brasilien und Deutschland waren seit 1954 immer bei der Endrunde dabei, alle anderen großen Fußball-Nationen hat es mindestens ein Mal erwischt. Auch die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Brasilien hat unsere Nationalmannschaft wieder ohne Niederlage überstanden, nur mit einem Punkt belastet beim denkwürdigen 4:4 gegen Schweden in Berlin. In den meisten Spielen stimmt aber nicht nur das Ergebnis, sondern auch die spielerische Note, die in hohem Maße von Bundestrainer Joachim Löw geschaffen wurde, der mit voller Überzeugung für diese offensive und hoch attraktive Spielphilosophie steht, die international uns ein hohes Ansehen beschert hat.

Joachim Löw steht jetzt im November unmittelbar vor seinem 100. Länderspiel als Bundestrainer. Er ist einen großartigen Weg gegangen, der längst noch nicht zu Ende ist. Deshalb haben wir in der letzten Woche verkündet, mit Joachim Löw, aber auch mit Manager Oliver Bierhoff und Torwart-Trainer Andreas Köpke diesen Weg fortsetzen zu wollen und die Verträge bis 2016 verlängert. In Brasilien gehört zum Team natürlich auch Trainer Hansi Flick, der aber nach der Weltmeisterschaft die wichtige Rolle des DFB-Sportdirektors übernehmen wird. Kontinuität ist also angesagt bei den sportlich Verantwortlichen des DFB. Eine Kontinuität, die aber immer Spielraum für Verbesserungen lassen muss.

Dies gilt in besonderem Maße auch für die Talent- und Eliteförderung sowie für die Trainerausbildung. Und hinter diesem Gedanken von möglichen Verbesserungen steht als mögliches Zukunftsprojekt auch der Bau eines Leistungs- und Kompetenzzentrums, um dort zentral, wie in einem wissenschaftlichen Institut, die neuesten Erkenntnisse zur Leistungsdiagnostik, zum Scouting, zur Video-Analyse und modernen Trainingsmethoden unterzubringen, zu bündeln und wiederum von der Spitze an die breite Basis weiter zu geben. Aber erst im nächsten Jahr wird die Entscheidung fallen, ob wir ein solches Zentrum errichten. Wir haben jetzt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um diese Entscheidung auf einer sehr fundierten Grundlage treffen zu können.

Leistungsstark müssen aber auch unsere Schiedsrichter sein und bleiben, deren Job im Zuge der medialen Ausweitung gewiss nicht leichter geworden ist, wie gerade das letzte Wochenende mit dem „Phantom-Tor“ von Hoffenheim bewiesen hat, die aber trotzdem Weltspitze darstellen sind die Vertreter, die es bis nach ganz oben geschafft haben mit über 70 internationalen Einsätzen in jeder Saison. Bei 17 von 19 WM-Endrunden, bei 12 von 14 EM-Endrunden war immer ein deutscher Schiedsrichter eingesetzt. Zum Schiedsrichter-Wesen gehört auch die Information, dass wir es seit 2012 geschafft haben, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich zu verbessern, um den noch weiter gestiegenen Ansprüchen an das Schiedsrichterwesen Rechnung zu tragen. Auch dieser Aspekt ist dankenswerterweise im Grundlagenvertrag berücksichtigt.

Vereint. Innovativ. Leistungsstark: So wollen wir die Zukunft gestalten, dabei aber nie vergessen, dass Fußball stets eine Mischung aus Tradition und Vision ist, wie wir ab 2015 in unserem deutschen Fußball-Museum in Dortmund auch anschaulich machen werden. Ziel war, ist und bleibt, Gutes zu bewahren und Neues zu entwickeln.

Dazu gehört aber eben auch, den Fußball vor Gefahren zu schützen.

Ich nenne die Wettmanipulation: Hier verstärken wir gerade im Nachwuchsbereich die Präventionsarbeit mit der Aufklärungs-Kampagne „Gemeinsam gegen Spielmanipulation – Spiel’ kein falsches Spiel“, um den Heranwachsenden aufzuzeigen, dass sie der kleinsten Versuchung, die von Außen durch kriminelle Elemente an sie herangetragen wird, widerstehen müssen, wenn sie nicht ihre gesamte sportliche Karriere - im wahrsten Sinne des Wortes - verspielen wollen. Die Integrität des Wettbewerbs, die Glaubwürdigkeit ist ein zentrales Gut, muss über allem stehen.

Anti-Doping. Hier gilt die gleiche Aussage, dass wir die Präventionsarbeit noch weiter intensivieren, eindringlich vor den Gefahren und Risiken warnen, die mit dem Einsatz unerlaubter Mittel verbunden sind. Seit 1988 sind im deutschen Fußball über 20.000 Dopingkontrollen durchgeführt worden. Als positive Proben, und dazu zählen nach den strengen Dopingregeln eben auch Unaufmerksamkeiten im Umgang mit Medikamenten und deren Nebenwirkungen sowie das Verpassen von Terminen, sind lediglich 21 registriert. Trotzdem hat es zu Beginn dieser Saison eine Diskussion gegeben, ob die Kontrollen im Fußball ausreichend sind. Wir meinen mit voller Überzeugung „ja, absolut ja“, verschließen uns anderen Argumenten aber trotzdem nicht. So darf ich ankündigen, dass die Anti-Doping-Kommission prüft, ab der Saison 2014/2015 auch die Wettkampfkontrollen an die Nationale Anti Doping Agentur NADA zu übertragen.

Sicherheit! Auch hier geht es zunächst um Prävention. Unsere diesbezügliche Kommission trägt deshalb auch den Namen Prävention und Sicherheit. Dieses große und existenziell wichtige Themenfeld wird uns begleiten, weil eine gewaltbereite Minderheit die populäre Plattform Fußball für ihre Untaten missbraucht, meist weniger im Stadion, dafür aber im Umfeld, auf Verkehrswegen oder sogar völlig losgelöst von Spielen. Erfreulicherweise hat es viele Reaktionen der großen Mehrheit der positiven und friedfertigen Fans gegeben. Im engen Miteinander mit den Innenministern der Länder und der Polizei sind DFB, der Ligaverband und die Vereine sich absolut einig, den Dialog mit den Fan-Projekten und auch den Fan-Klubs zu intensivieren. Der DFB und der Ligaverband haben die Mittel für die Präventionsarbeit auf zehn Millionen Euro jährlich aufgestockt. Und wenn Sanktionen nötig werden, hat auch unsere Sportgerichtsbarkeit höchstes Vertrauen verdient. Sie ist unverzichtbar – und auch aktuell wieder extrem gefordert in der Abwicklung des „Falles“ Hoffenheim – Leverkusen.

Selbstverständlich nehmen wir als einer der größten gesellschaftlichen Gruppierungen im Lande auch die gesellschaftliche Verantwortung an. Der Fußball steht für Toleranz, Respekt, Fairplay, gegen Extremismus und Homophobie, für Integration, einem Dauerthema in unserer auch von Migranten geprägten Gesellschaft. Das mag leicht gesagt sein, aber ich nenne den Julius Hirsch Preis, den DFB und Mercedes-Benz Integrationspreis, den Leitfaden gegen Homophobie, die Aktion „Fair ist mehr“, das sind Initiativen mit starker nicht nachlassender Aussagekraft – Projekte, die an der Spitze ebenso aufgegriffen werden wie im kleinsten Verein.

Summa summarum steht für uns das klare Bekenntnis, dass der Fußball weiterhin einen großen Beitrag für die Gesellschaft leisten will, auch durch die vorbildliche Arbeit in unseren Stiftungen. Nachzulesen ist dies in einem Nachhaltigkeitsbericht, den der DFB erstmals erstellt hat und der diesem Bundestag bereits vorgelegt ist. Der Bericht hält nicht im Sinne eines Eigenlobs, einer Selbstbeweihräucherung, sondern objektiv und unterlegt mit Zahlen und Statistiken ausgezeichnet fest, dass unser Fußball nun wirklich mehr darstellt als ein 1:0.

Dieses gesellschaftliche Engagement darf die Politik zu Recht von uns allen im DFB erwarten. Umgekehrt aber darf die Politik unsere Arbeit, vor allem die des Ehrenamts, nicht erschweren durch immer kompliziertere Bestimmungen durch den Fiskus, der Verwaltungsberufsgenossenschaft, dem Versicherungswesen oder Kürzungen der Sportförderung in Ländern und Kommunen. Und da lassen wir auch nicht nach.

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Ich sage mit aller Deutlichkeit: Die Behandlung des Glückspielstaatsvertrages oder besser die fehlende Umsetzung durch die Politik, hier vornehmlich auf Länderebene, ist eine einzige Bankrotterklärung, ein Armutszeugnis auch im Vergleich zum europäischen Ausland, obwohl doch angeblich einheitliche EU-Normen gelten sollen. Durch die Nichterteilung von Konzessionen, und dieser Prozess zieht sich mittlerweile schon über zwei Jahre hin, entgehen dem Staat Millionen Steuer-Einnahmen – Einnahmen, an denen ganz besonders auch der Fußball mit seinen vielfältigen gesellschaftlichen Aufgaben zu beteiligen wäre, weil er mit den Spielplänen überhaupt erst das Wettgeschäft ermöglicht. Und es muss doch das Ziel sein, die Sportwetten und die damit verbundene Werbung staatlich endlich zu kanalisieren und damit auch zu legalisieren.

Doch auch eine Herausforderung im internationalen Bereich, wie ich sie auf meinem Berufsweg noch nicht erlebt habe, will ich hier und heute nicht unterschlagen. Die Vergabe für die Austragung der WM 2022 in Katar vor knapp drei Jahren zieht, man kann es nicht anders ausdrücken, sehr problematische Kreise und sie ist belastend für den ganzen Fußball. Wenn ein neuer Termin im Winter gefunden werden muss, was auch nach meiner Einschätzung alternativlos ist, wären die Auswirkungen auf der ganzen Welt zu spüren. Die Zuständigkeit liegt eindeutig bei der FIFA. Sie wird bis zum Jahreswechsel 2014/2015 Antworten geben müssen auf viele brennende Fragen. Dazu gehört auch politische Einflussnahme, weil auch wir mit dem Umstand der menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen für viele Gastarbeiter in dem Emirat konfrontiert wurden. Hiervor werden wir unsere Augen nicht verschließen und haben dieses konkrete Thema deshalb in engem Schulterschluss mit dem DGB bei der FIFA platziert.

Komme ich zum Schluss meiner Rede und damit zu zwei sehr emotionalen Erlebnissen, die ich gerade erst im September erleben durfte.

Unsere Nationalmannschaft spielte auf den Färöer Inseln. Als der Bus zum Training im Stadion eintraf, unterbrachen Kinder auf dem Nebenplatz einfach ihr Training, um auf unsere Spieler zuzustürmen. Und der zunächst verärgerte Jugend-Trainer sagte mir, dass bei den Kindern auch seine zwei Söhne Mattias und Rõi Joensen waren, die tatsächlich Autogramme von Philipp Lahm und Mesut Özil ergatterten und abends zu Hause berichteten, dies sei das schönste Erlebnis in ihrem ganzen Leben gewesen. Man darf sich getrost an dieser Episode bewusst machen, welche Strahlkraft der deutsche Fußball besitzt – durch seine herausragenden Nationalspieler.

Und dann in Stuttgart das Final-Turnier im Blindenfußball. Dort spielen Menschen Fußball, die teilweise seit ihrer Geburt blind sind, also auch noch nie ein Spiel gesehen haben. Wenn sie ein Tor erzielen und dieser Erfolg ihnen von außen zugerufen wird, wissen sie nicht, ob der Ball oben links oder unten rechts ins Netz gegangen ist. Ein Spieler des FC St. Pauli hat den bemerkenswerten Satz gesagt: „Ich habe zwar noch nie ein Tor gesehen, aber ich weiß, wie man eins schießt.“ Ihre Freude aber ist unbeschreiblich groß. Es gibt für Behinderte und speziell für blinde Menschen gewiss leichtere Sportarten, aber ihre Leidenschaft ist der Fußball, und das war für mich ein neues Erlebnis, das unter die Haut geht, ein Erlebnis, das die Faszination Fußball unterstreicht.

Für mich persönlich ist diese Faszination ungebrochen. Im hohen, verantwortungsvollen Amt des Präsidenten, das Sie mir im vergangenen März anvertraut haben, verspüre ich mehr Lust als Last, sehr viel Freude. Deshalb stehe ich sehr gerne für weitere drei Jahre bereit und habe mit Dankbarkeit zur Kenntnis genommen, dass mich sowohl die Regional- und Landesverbände als auch der Ligaverband für eine Wiederwahl vorgeschlagen haben. Dieses Votum freut mich umso mehr, als es mir zeigt, dass Sie mit meinem Führungsstil als bekennender Team-Player, als Spielführer eines großen und hoch engagierten Teams, einverstanden sind.

Ich danke für das Vertrauen, das mir besonders in den letzten 18 Monaten entgegengebracht wurde, und danke auch für die gute Zusammenarbeit auf der ehrenamtlichen Ebene in allen Gremien, besonders im Präsidium, sowie mit dem Team der DFB-Zentrale, an der Spitze Generalsekretär Helmut Sandrock. Nicht zuletzt danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns einen gelungenen DFB-Bundestag 2013 in Nürnberg.