Staab: "Erstaunliche Fortschritte im Katar"

Staab: Es ist jedenfalls so, dass sich extrem viel getan hat. 2009 gab es hier fast nichts, 2013 wird zum zweiten Mal in Serie eine eigene Frauenmeisterschaft mit insgesamt sieben Mannschaft ausgetragen. Es existieren Nachwuchsnationalmannschaften, und die Frauennationalmannschaft hat ihre ersten Länderspiele absolviert. Die Strukturen sind fast als professionell zu bezeichnen, und ich war wirklich angenehm überrascht, als ich dies bei meinem Besuch im Oktober des vergangenen Jahres gesehen habe.

DFB.de: Sie haben in 63 verschiedenen Ländern für den Fußball gearbeitet. Fast immer als Entwicklungshelferin. Ist dies diesmal anders? Setzen Sie sich als Nationaltrainerin in Katar ins gemachte Nest?

Staab: Nein, so ist es auch nicht. (lacht) Ich hatte schon 2009 den Kataris empfohlen, eine ausländische Frau als Trainerin der Auswahlmannschaften zu gewinnen. Das Know-how, die Werte und die Erfahrungen einer Trainerin aus dem Ausland sind immer wertvoll, wenn es darum geht, eine Sportart neu in einem Land zu etablieren. Zu Beginn dieses Jahres war es dann so, dass das Interesse der Kataris sehr stark war und ich mir nach und nach überlegt habe, ob diese ausländische Trainerin auch ich selbst sein könnte. Irgendwann habe ich mich dann für diese Aufgabe entschieden - so wurde ich Trainerin in Katar; um die Ausgangsfrage zu beantworten. Es ist aber nicht so, dass der Frauenfußball hier nicht noch viele Schritte gehen müsste.

DFB.de: Dann sind die Strukturen doch nicht so professionell?

Staab: Professionell war das falsche Wort. Sie sind nur erheblich weiter, als dies 2009 der Fall gewesen ist. Ganz grundsätzlich ist es so, dass in Katar der Sport und insbesondere der Fußball eine große Rolle spielen. Das hat natürlich auch viel mit der WM 2022 zu tun. Katar will der Welt zeigen, dass das Land fähig ist, eine WM auszurichten. Und dass es fortschrittlich ist. Dazu gehört auch, dass sie den Frauenfußball zulassen. Anders als beispielsweise das Nachbarland Saudi Arabien, wo es Frauen bis heute verboten ist, Sport zu treiben. Doch auch in Katar gibt es gesellschaftliche Einschränkungen, der Frauenfußball muss viele Hürden überwinden.

DFB.de: In der Verfassung Katars sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Wie sieht es in der Realität aus?

Staab: Ganz anders. Es ist beispielsweise noch immer so, dass die Eltern den Mann für ihre Töchter aussuchen. Ich will mich aber mehr auf das Positive und den Fußball konzentrieren. Es ist ein großer Schritt, dass der Sport zugelassen ist. Und die Frauen hier machen sehr viel daraus. Katar ist das einzige Land im arabischen Raum, in dem es einen gut organisierten Ligabetrieb für Frauenmannschaften gibt. Das ist eine bemerkenswerte Errungenschaft. Für mich heißt das, dass ich den Frauenfußball nicht neu erfinden muss. Das heißt aber nicht, dass es nicht noch etliches zu tun gibt. Wir sind nicht mehr auf der Startlinie, aber noch immer am Anfang.

DFB.de: Was sind denn die größten Herausforderungen?



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Monika Staab hat in 63 Ländern für den Fußball gearbeitet, als Auslandsexpertin des DFB und im Auftrag der FIFA hat sie die Welt bereist und ihr Wissen weitergegeben. Seit einer Woche hat sie ein neues und spannendes Projekt. Die Deutsche hat einen Vertrag als Trainerin der Frauennationalmannschaft Katars unterschrieben. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht Staab über den Frauenfußball in muslimischen Ländern, die WM 2022 und ihre Ziele am Persischen Golf.

DFB.de: Frau Staab, wie wird man Trainerin der Frauennationalmannschaft Katars?

Monika Staab: Dafür muss ich ein wenig ausholen, in wenigen Worten lässt sich das nicht erklären.

DFB.de: Bitte schön.

Staab: Durch meine Arbeit als Botschafterin des Frauenfußballs für die FIFA hatte ich seit einigen Jahren Kontakte nach Katar. Zum ersten Mal vor Ort war ich bereits im Jahr 2009, damals hatte das Qatar Womens Sports Committee die Fifa um Unterstützung beim Aufbau des Frauenfußballs gebeten. Ich habe damals im Auftrag des Weltverbandes einige Empfehlungen ausgesprochen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit sich der Frauenfußball in Katar entwickeln kann. Drei Jahre später war ich dann erneut vor Ort.

DFB.de: Welche Verhältnisse haben sie vorgefunden?

Staab: Es wurden erstaunliche Fortschritte gemacht, in der gesamten Region. Gerade in muslimischen Ländern ist das nur möglich, wenn der Frauenfußball von einflussreichen Personen an der Spitze des Verbandes gefördert wird. Hilfreich für den Frauenfußball am persischen Golf ist zudem die spezielle Situation bei der Frauen-Weltmeisterschaft 2015 in Kanada durch die Aufstockung auf 24 Mannschaften und den Ausschluss Nordkoreas. Das führt dazu, dass sich in Asien hinter den "großen" vier China, Südkorea, Australien und Japan viele "kleine" Teams Hoffnungen auf den fünften Startplatz bei der WM machen können. Für viele Verbände ist dies ein unglaublicher Anreiz, und davon profitiert der Frauenfußball insgesamt. Konkurrenz belebt das Geschäft, das ist hier nicht anders als in Europa oder Amerika.

DFB.de: Und davon profitiert auch Katar?

Staab: Es ist jedenfalls so, dass sich extrem viel getan hat. 2009 gab es hier fast nichts, 2013 wird zum zweiten Mal in Serie eine eigene Frauenmeisterschaft mit insgesamt sieben Mannschaft ausgetragen. Es existieren Nachwuchsnationalmannschaften, und die Frauennationalmannschaft hat ihre ersten Länderspiele absolviert. Die Strukturen sind fast als professionell zu bezeichnen, und ich war wirklich angenehm überrascht, als ich dies bei meinem Besuch im Oktober des vergangenen Jahres gesehen habe.

DFB.de: Sie haben in 63 verschiedenen Ländern für den Fußball gearbeitet. Fast immer als Entwicklungshelferin. Ist dies diesmal anders? Setzen Sie sich als Nationaltrainerin in Katar ins gemachte Nest?

Staab: Nein, so ist es auch nicht. (lacht) Ich hatte schon 2009 den Kataris empfohlen, eine ausländische Frau als Trainerin der Auswahlmannschaften zu gewinnen. Das Know-how, die Werte und die Erfahrungen einer Trainerin aus dem Ausland sind immer wertvoll, wenn es darum geht, eine Sportart neu in einem Land zu etablieren. Zu Beginn dieses Jahres war es dann so, dass das Interesse der Kataris sehr stark war und ich mir nach und nach überlegt habe, ob diese ausländische Trainerin auch ich selbst sein könnte. Irgendwann habe ich mich dann für diese Aufgabe entschieden - so wurde ich Trainerin in Katar; um die Ausgangsfrage zu beantworten. Es ist aber nicht so, dass der Frauenfußball hier nicht noch viele Schritte gehen müsste.

DFB.de: Dann sind die Strukturen doch nicht so professionell?

Staab: Professionell war das falsche Wort. Sie sind nur erheblich weiter, als dies 2009 der Fall gewesen ist. Ganz grundsätzlich ist es so, dass in Katar der Sport und insbesondere der Fußball eine große Rolle spielen. Das hat natürlich auch viel mit der WM 2022 zu tun. Katar will der Welt zeigen, dass das Land fähig ist, eine WM auszurichten. Und dass es fortschrittlich ist. Dazu gehört auch, dass sie den Frauenfußball zulassen. Anders als beispielsweise das Nachbarland Saudi Arabien, wo es Frauen bis heute verboten ist, Sport zu treiben. Doch auch in Katar gibt es gesellschaftliche Einschränkungen, der Frauenfußball muss viele Hürden überwinden.

DFB.de: In der Verfassung Katars sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Wie sieht es in der Realität aus?

Staab: Ganz anders. Es ist beispielsweise noch immer so, dass die Eltern den Mann für ihre Töchter aussuchen. Ich will mich aber mehr auf das Positive und den Fußball konzentrieren. Es ist ein großer Schritt, dass der Sport zugelassen ist. Und die Frauen hier machen sehr viel daraus. Katar ist das einzige Land im arabischen Raum, in dem es einen gut organisierten Ligabetrieb für Frauenmannschaften gibt. Das ist eine bemerkenswerte Errungenschaft. Für mich heißt das, dass ich den Frauenfußball nicht neu erfinden muss. Das heißt aber nicht, dass es nicht noch etliches zu tun gibt. Wir sind nicht mehr auf der Startlinie, aber noch immer am Anfang.

DFB.de: Was sind denn die größten Herausforderungen?

Staab: Das Denken der Gesellschaft ist hier so, wie es in Deutschland vor 40 Jahren war: Fußball ist eine Männersportart, Frauen haben da nichts zu suchen. Hinzukommt, dass im Islam die Frau eine andere Rolle hat als im Christentum. Es gibt in Katar in der gesellschaftlichen Wahrnehmung noch sehr viele Vorurteile, die manchmal leider gar keine sind. Etwa, dass Frauen, die Sport treiben, keinen Mann bekommen, damit auch keine Kinder und sie somit ihre Rolle in der Gesellschaft nicht erfüllen. Das führt dazu, dass Familienväter, die Ihren Töchtern erlauben Fußball zu spielen, zu Außenseitern werden können. Es ist doch klar, dass dies alles Einfluss auf die Entwicklung des Frauenfußballs hat.

DFB.de: Dann rechen Sie es Eltern in Katar hoch an, wenn Sie ihren Töchtern erlauben, Fußball zu spielen?

Staab: Ja, absolut. Wir müssen aber noch einen weiteren Schritt gehen - den raus aus der Anonymität. Ich habe gleich in der ersten Woche hier mit einigen talentierten Spielerinnen aus der Liga gesprochen, die auch für die Auswahlmannschaften interessant wären. Und oft habe ich dann zu hören bekommen, dass sie zwar in der Liga spielen dürfen, nicht aber in der Nationalmannschaft.

DFB.de: Weil sie in der Liga unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielen?

Staab: Ja, vor allem unter Ausschluss von Männern, denn die dürfen in der Frauenliga nicht zuschauen. Deswegen ist die Angst vor gesellschaftlichen Nachteilen weniger ausgeprägt, wenn eine Spielerin „nur“ in der Liga spielt. Für mich heißt das, dass ich ganz viel Überzeugungsarbeit leisten muss, vor allen bei den Vätern. Wobei ich aber auch sagen muss, dass sich auch im gesellschaftlichen Bereich etwas tut. Bei meinem Besuch 2009 war es beispielsweise so, dass die Journalisten mit mir gesprochen haben, sie aber die katarischen Mädchen nicht anschauen durften. Geschweige denn mit ihnen reden.

DFB.de: Und das ist heute anders?

Staab: Ja. Als ich im November 2012 wieder hier war, haben wir eine Art Festival für den Mädchenfußball veranstaltet. Und die Journalisten waren ohne Scheu mittendrin. Mich hat das sehr gefreut. Sie haben sogar Fotos der Sportlerinnen gemacht, das wäre vor drei Jahren noch völlig undenkbar gewesen.

DFB.de: Reden, diskutieren, überzeugen - ein Teil ihrer Herausforderung ist damit umschrieben. Wie sieht es sportlich aus? Welche Aufgaben stehen in dieser Hinsicht für die Trainerin der Nationalmannschaft Katars auf der Agenda?

Staab: Beobachten und trainieren. Ich bin seit einer Woche vor Ort, habe mir schon einige Spiele angeschaut und werde noch etliche Spiele und Spielerinnen beobachten. Und ich werde mit den Spielerinnen des Kaders der Nationalmannschaft und der U14, die ich ebenfalls betreue, sehr häufig auf dem Platz stehen und üben. Technisch, taktisch und konditionell müssen wir richtig viel machen. Mindestens vier Mal in der Woche. Es gibt wahnsinnig viel tun, das wird richtig harte Arbeit. Wobei mir wichtig ist, zu betonen, dass ich meinen Auftrag in Katar nicht vordergründig darin verstehe, Ergebnisse zu erzielen. Auch wenn die Vorraussetzungen besser geworden sind – es geht um Entwicklungshilfe. Auch gesellschaftlich und politisch.

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DFB.de: Können Sie das näher beschreiben?

Staab: Bei der Förderung des Frauenfußballs in muslimischen Ländern geht es immer um viel mehr als Fußball. In Ländern wie dem Libanon, Palästina, Syrien, Jordanien oder Bahrain geht darum, die Frauen zu stärken. Und ihnen dadurch, dass sie spielen dürfen, mehr Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Fußball ist also letztlich und hauptsächlich ein Vehikel der Freiheit, so sehe ich das. Und wenn die Frauen freier sind, wächst ihr Einfluss in der Gesellschaft. Für Katar gilt das nur mit Abstrichen, aber in einer Region, die so viel Konfliktpotenzial hat, wie die arabische Welt, können freie und selbstbewusste Frauen ein Baustein des Friedens sein. Dieser Gedanke war mir in meiner Arbeit in den vergangenen Jahren sehr wichtig, und er ist es auch künftig.

DFB.de: Im Zusammenhang mit Katar wird oft über die WM 2022 und die Temperaturen gesprochen. Im Sommer kann es dort bis zu 50 Grad heiß werden. Wie wollen Sie in diesem Klima sinnvolle Trainingseinheiten durchführen?

Staab: Ich kenne solche Bedingungen aus meiner Zeit in Bahrain. Im Sommer ist es bei so einer Hitze unmöglich Sport zu betreiben. Besonders schlimm ist es im Fastenmonat Ramadan. In diesem Jahr haben wir diesbezüglich Glück, der Ramadan ist von Juli bis August, da ruht die Liga, da sind die meisten Spielerinnen im Urlaub. Ansonsten kann man sich gegen die Hitze insoweit schützen, als dass man die Aktivitäten in geschlossene und klimatisierte Räume verlagert. Oder der Hitze entflieht. Es ist noch nichts spruchreif, aber ich habe vor, in diesem Jahr im Sommer ein Trainingslager in Deutschland durchzuführen. Ich hoffe, dass das klappt.

DFB.de: Sie sehen sich als Entwicklungshelferin, haben Sie dennoch auch sportliche Ziele, etwa die Qualifikation für die WM 2015?

Staab: Um Gottes willen, nein. Das wäre absurd, das ist völlig unrealistisch, utopisch, außerirdisch. Katar gehört nicht zu den Nationen, die um einen der fünf Plätze spielen können. Gar nicht. Es ist wichtig, zu wissen, dass es nur 200.000 Menschen gibt, die über einen katarischen Pass verfügen. Und anders als andere Staaten im persischen Golf wird hier niemand aufgrund seiner sportlichen Fähigkeiten eingebürgert. Schon deswegen ist das zahlenmäßige Potenzial sehr begrenzt. Das spiegelt sich natürlich im sportlichen Niveau. Aber wir haben auch sportliche Ziele, wir wollen vorankommen, wir wollen besser werden. Doch zu einer WM müssen wir bestimmt nicht.