Spahn: "Die überwältigende Mehrheit der Fans ist friedlich"

Sicherheit geht vor bei Großveranstaltungen - das hat die Love-Parade gelehrt. Am Dienstag und Mittwoch haben sich die Sicherheitsbeauftragten der Bundesliga und 2. Bundesliga in Stuttgart auf Einladung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu ihrer Sommerklausur getroffen.

Im DFB.de-Exklusivinterview mit Onlineredakteur Steffen Lüdeke erzählt der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn von den Inhalten und Ergebnissen der Sommerklausur. Außerdem spricht der 49-Jährige über die Lehren der Tragödie von Duisburg, nennt Fakten, was die Sicherheit in den deutschen Stadien betrifft, und sagt, warum auch künftig niemand Angst haben muss, der in Deutschland in ein Fußballstadion geht.

DFB.de: Herr Spahn, die Tragödie bei der Love-Parade in Duisburg hat die Menschen erschüttert und beunruhigt. Können Sie ausschließen, dass es beim Fußball in Deutschland zu einem vergleichbaren Szenario kommt?

Helmut Spahn: Es wäre nicht seriös zu sagen, dass so etwas beim Fußball völlig ausgeschlossen ist. Ich behaupte aber, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht passieren wird.

DFB.de: Was macht Sie da so sicher?

Spahn: Die Veranstaltungen sind nicht zu vergleichen. Ein Fußballspiel findet in einem begrenzten und von der Infrastruktur her genau auf dieses Event angepassten Raum statt. Ganz entscheidend ist, dass beim Fußball die Zuschauerzahl begrenzt ist, weil mit Tickets gearbeitet wird. Die Gefahr der Überfüllung besteht also nicht. Wichtig ist auch, dass beim Fußball die Konzepte über Jahre erprobt sind. Unsere Stadien sind beispielsweise in der Regel innerhalb von fünf bis neun Minuten komplett leer, anderenfalls bekämen sie gar keine Betriebserlaubnis.

DFB.de: In Duisburg kam es zu einer Panik. Wie kann so etwas beim Fußball verhindert werden?

Spahn: Wir müssen die infrastrukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen, die eine Panik unwahrscheinlich machen. Aber klar ist auch, dass eine Panik der letzte Unsicherheitsfaktor ist. Wenn Menschen in Panik geraten und nicht mehr rational reagieren, sind sie kaum noch steuerbar. Diese Frage war auch bei der Sommerklausur der Sicherheitsbeauftragten ein wichtiges Thema.

DFB.de: Mit welchem Resultat?

Spahn: Alle Sicherheitsbeauftragten sind mit der Maßgabe nach Hause gefahren, die Konzepte auch in Hinblick auf eine mögliche Panik kritisch zu hinterfragen. Gerade die Problematiken der Spielfeldstürmung beim Saisonabschluss oder bei Aufstiegsfeiern wurden ausführlich diskutiert. Insgesamt sehe ich uns aber gut aufgestellt, es muss niemand Angst haben, der in Deutschland in ein Fußballstadion geht - ganz im Gegenteil.

DFB.de: Duisburg und die Lehren aus der Katastrophe waren also ein zentrales Thema der Sommerklausur. Wie fiel ansonsten das Resümee der vergangenen Saison aus: Was haben die Sicherheitsbeauftragen aus ihren Vereinen berichtet?

Spahn: Ohne dass ich den Zustand dramatisieren will, haben wir bei der Analyse der vergangenen Saison Tendenzen feststellen müssen, die bedauerlich sind. Es gibt zwar keine quantitative Zunahme der Gewalt bei und im Rahmen von Fußballspielen. Es gibt aber eine Zunahme von registrierten Vorfällen auf den Rängen, die keine Gewalttaten im eigentlichen Sinne sind.

DFB.de: Das bedeutet konkret?

Spahn: Wir erstellen seit drei Jahren eine Lagebericht Sicherheit, und der Blick auf die Zahlen zeigt, dass bei den 1973 Spielen der Saison 2009/2010 von der ersten bis zur vierten Liga in den Bereichen Pyrotechnik und Werfen von Gegenständen eine nicht unerhebliche Steigerung zu verzeichnen ist. Beim Werfen von Gegenständen gab es in der Saison 2008/2009 genau 29 Vorfälle, in der vergangenen Saison waren es 73, bei der Pyrotechnik ist die Anzahl der Vorfälle von 79 auf 118 gestiegen. Besonders eklatant war die Zunahme von sicherheitsrelevanten Vorfällen in der 2. Bundesliga: Da haben wir in eine Steigerung von 6,8 auf 16,3 Prozent. Die Folge dieser Steigerungen war auch eine Verdopplung der Spielunterbrechungen von 22 auf 44 - das ist inakzeptabel.

DFB.de: Wie wollen Sie dem in der kommenden Saison entgegenwirken?

Spahn: Es muss einen Selbstregulierungsprozess innerhalb der Kurve geben. Die überwältigende Mehrheit der Fans ist friedlich und seriös und besucht ein Fußballspiel mit der Absicht, die eigene Mannschaft zu unterstützen. Es kann nicht sein, dass sich die große Masse der Fans dieses Erlebnis von einer kleinen Gruppe von Chaoten wegnehmen lässt. Die friedlichen Fans müssen verstehen, dass sie sich selber schaden, wenn sie nicht mit uns kooperieren. Leider sehen das nicht alle so. Leider gibt es viel zu viele, die die Chaoten passiv unterstützen. Entweder durch einfaches Dasein oder auch dadurch, dass uns keine Zeugen zur Verfügung stehen, um die Täter zu überführen, weil man mit uns und mit der Polizei prinzipiell nicht zusammenarbeitet.

DFB.de: Sie haben die Pyrotechnik als Problem angesprochen. Von Seiten der Fans wurde vereinzelt gefordert, die Benutzung zu legalisieren und den kontrollierten Gebrauch von Pyrotechnik freizugeben. Was halten Sie davon?

Spahn: Das ist ein gutes Beispiel, um die grundsätzliche Problematik zu beschreiben. Wir sind immer bereit, mit den Fans zu reden und lassen uns gerne auch überzeugen. Deswegen hätten wir uns auch bei der Frage einer Legalisierung von Pyrotechnik auf einen Feldversuch eingelassen.

DFB.de: Wie sollte dieser aussehen?

Spahn: Wir haben gesagt, dass wir bereit sind, unter bestimmten Voraussetzungen das Abbrennen von Feuerwerkskörpern zu erlauben. Natürlich geordnet, natürlich auch abgestimmt mit den jeweiligen Behörden und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Aber wir haben eine Vorleistung verlangt. Meine Forderung war, dass die Fans dafür sorgen sollen, dass in ihrer Kurve bei den nächsten acht oder neun Heimspielen keine Pyrotechnik abgebrannt wird. Dann hätten wir mit dem Feldversuch begonnen. Damit waren die Fans einverstanden - und was ist passiert? Beim nächsten Spiel hat, drastisch formuliert, das halbe Stadion wieder gebrannt. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass die vernünftigen Fans zu wenig Einfluss auf die Chaoten nehmen können. Leider.

DFB.de: Die Selbstregulierung innerhalb der Kurve ist bisher also wenig vorhanden. Welche Möglichkeiten gibt es dennoch, um die Chaoten von ihrem Tun abzuhalten? Wie wollen Sie in Zukunft die Pyrotechnik aus den Stadien verbannen?

Spahn: Indem wir die Täter der Tat überführen. Das ist für mich eigentlich erst der zweite Schritt. Aber wenn alle präventiven Maßnahmen und alle Kampagnen nichts nützen, dann sind wir zum Handeln gezwungen. Die Leute müssen erkennen, dass diese Feuerwerkskörper kein Spielzeug sind. Sie müssen erkennen, dass sie eine Straftat begehen und riskieren, dass andere ihr Leben lang geschädigt sein können. Pyrotechnik ist in hohem Maße gefährlich - wer das nicht versteht, hat im Stadion nichts verloren, der muss bestraft werden. Dann kann nur der zweite Schritt greifen: dass wir die Täter vor Gericht stellen, verurteilen und als präventive Maßnahme mit Stadionverbot belegen.

DFB.de: Pyrotechnik war ein Problem der vergangenen Saison, ein anderes - so berichtet es die Polizei - war die Zunahmen von Gewalt gegen Polizeibeamte.

Spahn: Die Gewalt hat nicht unbedingt quantitativ zugenommen, sondern eher qualitativ. Es gibt offenkundig eine Absenkung der Hemmschwelle. Das ist aber kein Phänomen, das im Fußball exklusiv vorkommt. Sondern eine Tendenz, die in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen genau so vorhanden ist. Die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik weist genau dieses Problem aus, in allen Bereichen. Ob das der 1. Mai ist, ob das eine Konzertveranstaltung ist, ob es in der Kneipe oder bei einer privaten Party ist - überall hat die Gewalt gegen Polizisten zugenommen. Beim Fußball ist nur der Aufschrei der Öffentlichkeit besonders groß, weil sich das Thema hier medial am besten transportieren lässt.

DFB.de: Die Polizei hat daher gefordert, dass die Gewalt gegen Vollstreckungsbeamte Aufnahme in den Katalog der Straftaten findet, die gemäß der DFB-Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten ein Stadionverbot nach sich ziehen. Was halten Sie von diesen Forderungen?

Spahn: Ich warne jedenfalls vor zu hohen Erwartungen, sollten wir dies tun.

DFB.de: Warum?

Spahn: Eine Aufnahme in den Katalog würde nichts an der Praxis ändern. Es ist heute schon so, dass bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ein Stadionverbot ausgesprochen werden kann. Die Katalogtaten ziehen zwingend ein Stadionverbot nach sich - umgekehrt heißt das aber nicht, dass kein Stadionverbot ausgesprochen werden kann, nur weil eine Tat nicht im Katalog steht. Dies ist schon aus der Formulierung „insbesondere“ in den Richtlinien abzulesen. Die Aufnahme wäre also mehr ein Signal, als dass sie faktische Auswirkungen hätte.

DFB.de: Wie ist nun die Vorgehensweise?

Spahn: Wir werden das in unseren Gremien diskutieren, ich bin jedenfalls nicht grundsätzlich dagegen. Aber klar ist auch, dass wir registrieren, dass es außerhalb der Stadien für die Polizei zunehmend Probleme gibt, und das geht auch uns an. Für den DFB beginnt und endet Sicherheit nicht am Stadioneingang. Wir sind uns sehr wohl auch über die Probleme außerhalb der Stadien und auf den Zufahrts- und Abfahrtswegen im Klaren und versuchen alles in unserer Macht Stehende zu tun, um hier zu helfen.

DFB.de: Wie kann diese Hilfe aussehen?

Spahn: Der Dialog zwischen dem DFB, der DFL, den Vereinen, der Bahn, der Polizei, den Kommunen und den unterschiedlichsten Fangruppierungen ist ständig vorhanden. Wir haben beispielsweise eine ständige Arbeitsgruppe mit der Bundespolizei und der der Deutschen Bahn AG, in der wir bereits Konzepte und Kampagnen erarbeitet und umgesetzt haben. Unser Bestreben war es beispielsweise auch schon immer, die Belastungsspitzen der Polizei durch eine sinnvolle und flexible Spielplangestaltung zu reduzieren.

DFB.de: Die DFL hat etwa angeboten, am 1. Mai keinen Profifußball spielen zu lassen.

Spahn: Das ist richtig. Die Diskussion ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Die Problematik ist, dass die Polizei schildert, dass nicht nur am 1. Mai nicht gespielt werden dürfte, sondern auch an den Tagen darum herum nicht. Es gibt eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Fußballs, die sich mit der Politik und mit der Polizei darum kümmert, die Problematik 1. Mai im nächsten Jahr zu lösen. Es gibt aber eine klare Zusage des Fußballs, dass wir in bestimmten Teilbereichen, wenn es Belastungsspitzen der Polizei gibt, in Rahmen der Möglichkeiten flexibel reagieren, um die Belastung der Polizei zu reduzieren.

DFB.de: War das früher anders?

Spahn: Nein, das haben wir aber auch in der Vergangenheit schon gemacht. Wir hatten im Jahr 2009 den NATO-Gipfel in Baden-Baden und haben deswegen fast 30 Spiele verlegt. Das ist nur ein Beispiel. Es ist doch klar, dass wir alles, was möglich ist, tun müssen, um die Polizei nicht zu überfordern. Das haben wir bisher so gemacht, und so wird es auch in Zukunft sein.

DFB.de: Auf der Sommerklausur wurde den Sicherheitsbeauftragten auch der geplante Zertifikatsstudiengang "Management von Sicherheit und Prävention" der FH Heidelberg vorgestellt. Wie war die Resonanz?

Spahn: Sehr positiv. Alle waren interessiert, und viele haben signalisiert, den Studiengang absolvieren zu wollen. Das war ein schönes Zeichen für uns - wir werden nun alles daran setzen, dass der Studiengang so schnell wie möglich Realität wird.

DFB.de: Können Sie den Hintergrund dieses Studiengangs näher erläutern?

Spahn: Letztlich geht es darum, dass wir zum einen zur weiteren Qualifizierung der Sicherheitsbeauftragten einen Beitrag leisten und zum anderen die Professionalisierung in diesem Bereich vorantreiben wollen.

DFB.de: Und das soll mit einem Studiengang erreicht werden?

Spahn: Ja. Wichtig ist für uns, dass die Sicherheitsbeauftragten eine standardisierte Ausbildung erhalten und somit einen vergleichbaren Kenntnisstand haben. Lehrinhalte sollen praxisbezogen, aber doch wissenschaftlich fundiert vermittelt werden. Dies haben wir bisher selbst versucht, indem wir Richtlinien und Vorschriften erlassen haben und regelmäßig Tagungen und Schulungsmaßnahmen durchführen. Aber das ist immer punktuell. Das wollen wir ändern.

DFB.de: Was können Sie zu den Inhalten sagen?

Spahn: Der Studiengang, der durchgängig wissenschaftlich begleitet wird, wird alle Themenfelder zum Inhalt haben, die ein Sicherheitsbeauftragter beim Fußball braucht. Nichts abgehoben Wissenschaftliches, sondern wirklich etwas Brauchbares, etwas Handfestes - aber auf einem gewissen intellektuellen Niveau. Mit Zwischen- und Abschlussprüfungen und einer Projektarbeit versehen, die auf den jeweiligen Verein abgestimmt ist. Dadurch versprechen wir uns, dass wir alle Sicherheitsbeauftragten auf ein Niveau bringen. Sie können dann mit wissenschaftlichem Background an Risikoanalysen und entsprechende Lösungsprozesse herangehen.

DFB.de: Und was versprechen Sie sich konkret davon?

Spahn: Der Studiengang wird den Sicherheitsbeauftragten in vielen Belangen helfen: in der Zusammenarbeit mit Behörden, mit Vereinen und den verschiedenen Institutionen rund um das Thema Prävention und Sicherheit. Durch den Nachweis einer solchen Ausbildung bekommen die Sicherheitsbeauftragen im Innen- und Außenverhältnis einen ganz anderen Stellenwert.

DFB.de: Wird dieser Studiengang eines Tages verpflichtend sein?

Spahn: Ich hielte das als Vision für die Zukunft für sinnvoll. Es wurde ja oft gefordert, dass die Profivereine einen hauptamtlichen Sicherheitsbeauftragten einstellen sollen, dass das zur Lizenzvoraussetzung gemacht wird. Ich glaube nicht, dass dies in Sachen Qualität alleine zielführend ist. Den Studiengang in naher Zukunft verpflichtend zu etablieren, ist da meines Erachtens der bessere Weg. Zumal wir ihn so aufbauen werden, dass nur wenig Präsenszeiten erforderlich sind und der Studiengang mühelos neben der normalen Arbeit zu bewältigen ist.

DFB.de: Ein wichtiger Baustein zur Gewaltprävention sind die Fanprojekte. Immer wieder sagen Kritiker, dass der DFB sich in diesem Bereich nicht genug engagieren und insbesondere zu wenig an den Kosten beteiligen würde. Ist diese Kritik berechtigt?

Spahn: In Deutschland existieren inzwischen an 42 Standorten sozialpädagogisch arbeitende Fanprojekte. Dort wird herausragende Arbeit geleistet, die Fanprojekte sind ein ganz wesentlicher Beitrag zur Gewaltprävention in Deutschland. Die Diskussion über die Kostenbeteiligung des Fußballs geht aber gänzlich am Ziel vorbei.

DFB.de: Warum?

Spahn: Weil die Fanprojekte nicht bei den Vereinen oder den Verbänden angesiedelt sind, sondern bei den Städten und Kommunen. Es gibt zum Beispiel Fanprojekte in Frankfurt, Hamburg und Berlin - und zwar für alle Vereine in der jeweiligen Stadt. Dort wird klassische sozialpädagogische Jugendarbeit gemacht. Drogenprävention, Prävention im Bereich von Radikalismus und Extremismus. Es wird bei der Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzsuche geholfen.

DFB.de: Keine klassischen Themenfelder, die der Fußball besetzen muss.

Spahn: Nein, der Fußball hilft hier allerdings gerne. Man hat ja damals im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit im Zusammenschluss zwischen den Bundesländern und Kommunen die Verantwortung für diesen Bereich erkannt - aber auch gesehen, dass es schwierig ist, Jugendliche zu erreichen. Der Fußball hat dann in gewisser Weise eine Mittlerfunktion übernommen.

DFB.de: Weil viele Jugendliche im Fußball ein gemeinsames Interesse haben?

Spahn: Ja. Der gemeinsame Nenner vieler Jugendlicher ist nun mal der Fußball, deswegen ist es auch über den Fußball leichter, an die Jugendlichen heranzukommen. Daher hat der Fußball eine gewisse Verantwortung - und sich gerne an den Fanprojekten beteiligt.

DFB.de: In welchem Rahmen?

Spahn: Der Fußball investiert in diese sozialpädagogische Arbeit fast drei Millionen Euro pro Jahr. Viel Geld, das aber sinnvoll investiert ist. Wenn man nun fordert, dass der Fußball noch mehr machen müsse, dann verkennt man die Natur der Fanprojekte. Diese sind sozialpädagogisch arbeitende Einheiten. Deshalb sind sie angesiedelt bei öffentlichen Trägern wie der Arbeiterwohlfahrt, der Sportjugend, bei den Sportämtern der Stadt, den Jugendämtern. Und dort gehören sie auch hin. Eine Abkehr davon - also dass der Fußball Aufgaben des Staates, der Kommunen und der Länder übernimmt - wird es nicht geben. Wer dies fordert, hat keine Ahnung von der Aufgabe und Natur der Fanprojekte.

DFB.de: Der DFB investiert also viel in die Gewaltprävention. An welchen Stellen sehen Sie dennoch Schwachpunkte: Gibt es Ansätze, durch die der DFB seine Maßnahmen zur Gewaltprävention verbessern kann?

Spahn: Es ist doch klar, dass man sich immer verbessern kann. Stillstand bedeutet Rückschritt. Ich bin aber überzeugt, dass wir in vielen Bereichen gut aufgestellt sind. Aber natürlich wollen auch wir wissen, wo wir uns verbessern können. Deshalb werden wir dies auch von der Technischen Universität in Darmstadt untersuchen lassen.

DFB.de: Was genau ist Gegenstand dieser Studie?

Spahn: Die TU Darmstadt macht zunächst eine Bestandsaufnahme und untersucht dann in der Folge die Wirksamkeit der Sicherheits- und Präventionsmaßnahmen im Fußball. Uns war eine seriöse und unabhängige wissenschaftliche Untersuchung wichtig. Wir haben mit Dr. Rieth von der TU in Darmstadt einen Experten gewinnen können, der mit Fußball in der Vergangenheit nicht befasst war und somit völlig unvoreingenommen an die Sache herangehen kann. Er wird uns am Schluss eine Expertise geben und uns sagen, wo wir gut aufgestellt sind, wo wir in die falsche Richtung laufen oder wo wir mehr tun müssen.

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Sicherheit geht vor bei Großveranstaltungen - das hat die Love-Parade gelehrt. Am Dienstag und Mittwoch haben sich die Sicherheitsbeauftragten der Bundesliga und 2. Bundesliga in Stuttgart auf Einladung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu ihrer Sommerklausur getroffen.

Im DFB.de-Exklusivinterview mit Onlineredakteur Steffen Lüdeke erzählt der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn von den Inhalten und Ergebnissen der Sommerklausur. Außerdem spricht der 49-Jährige über die Lehren der Tragödie von Duisburg, nennt Fakten, was die Sicherheit in den deutschen Stadien betrifft, und sagt, warum auch künftig niemand Angst haben muss, der in Deutschland in ein Fußballstadion geht.

DFB.de: Herr Spahn, die Tragödie bei der Love-Parade in Duisburg hat die Menschen erschüttert und beunruhigt. Können Sie ausschließen, dass es beim Fußball in Deutschland zu einem vergleichbaren Szenario kommt?

Helmut Spahn: Es wäre nicht seriös zu sagen, dass so etwas beim Fußball völlig ausgeschlossen ist. Ich behaupte aber, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht passieren wird.

DFB.de: Was macht Sie da so sicher?

Spahn: Die Veranstaltungen sind nicht zu vergleichen. Ein Fußballspiel findet in einem begrenzten und von der Infrastruktur her genau auf dieses Event angepassten Raum statt. Ganz entscheidend ist, dass beim Fußball die Zuschauerzahl begrenzt ist, weil mit Tickets gearbeitet wird. Die Gefahr der Überfüllung besteht also nicht. Wichtig ist auch, dass beim Fußball die Konzepte über Jahre erprobt sind. Unsere Stadien sind beispielsweise in der Regel innerhalb von fünf bis neun Minuten komplett leer, anderenfalls bekämen sie gar keine Betriebserlaubnis.

DFB.de: In Duisburg kam es zu einer Panik. Wie kann so etwas beim Fußball verhindert werden?

Spahn: Wir müssen die infrastrukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen, die eine Panik unwahrscheinlich machen. Aber klar ist auch, dass eine Panik der letzte Unsicherheitsfaktor ist. Wenn Menschen in Panik geraten und nicht mehr rational reagieren, sind sie kaum noch steuerbar. Diese Frage war auch bei der Sommerklausur der Sicherheitsbeauftragten ein wichtiges Thema.

DFB.de: Mit welchem Resultat?

Spahn: Alle Sicherheitsbeauftragten sind mit der Maßgabe nach Hause gefahren, die Konzepte auch in Hinblick auf eine mögliche Panik kritisch zu hinterfragen. Gerade die Problematiken der Spielfeldstürmung beim Saisonabschluss oder bei Aufstiegsfeiern wurden ausführlich diskutiert. Insgesamt sehe ich uns aber gut aufgestellt, es muss niemand Angst haben, der in Deutschland in ein Fußballstadion geht - ganz im Gegenteil.

DFB.de: Duisburg und die Lehren aus der Katastrophe waren also ein zentrales Thema der Sommerklausur. Wie fiel ansonsten das Resümee der vergangenen Saison aus: Was haben die Sicherheitsbeauftragen aus ihren Vereinen berichtet?

Spahn: Ohne dass ich den Zustand dramatisieren will, haben wir bei der Analyse der vergangenen Saison Tendenzen feststellen müssen, die bedauerlich sind. Es gibt zwar keine quantitative Zunahme der Gewalt bei und im Rahmen von Fußballspielen. Es gibt aber eine Zunahme von registrierten Vorfällen auf den Rängen, die keine Gewalttaten im eigentlichen Sinne sind.

DFB.de: Das bedeutet konkret?

Spahn: Wir erstellen seit drei Jahren eine Lagebericht Sicherheit, und der Blick auf die Zahlen zeigt, dass bei den 1973 Spielen der Saison 2009/2010 von der ersten bis zur vierten Liga in den Bereichen Pyrotechnik und Werfen von Gegenständen eine nicht unerhebliche Steigerung zu verzeichnen ist. Beim Werfen von Gegenständen gab es in der Saison 2008/2009 genau 29 Vorfälle, in der vergangenen Saison waren es 73, bei der Pyrotechnik ist die Anzahl der Vorfälle von 79 auf 118 gestiegen. Besonders eklatant war die Zunahme von sicherheitsrelevanten Vorfällen in der 2. Bundesliga: Da haben wir in eine Steigerung von 6,8 auf 16,3 Prozent. Die Folge dieser Steigerungen war auch eine Verdopplung der Spielunterbrechungen von 22 auf 44 - das ist inakzeptabel.

DFB.de: Wie wollen Sie dem in der kommenden Saison entgegenwirken?

Spahn: Es muss einen Selbstregulierungsprozess innerhalb der Kurve geben. Die überwältigende Mehrheit der Fans ist friedlich und seriös und besucht ein Fußballspiel mit der Absicht, die eigene Mannschaft zu unterstützen. Es kann nicht sein, dass sich die große Masse der Fans dieses Erlebnis von einer kleinen Gruppe von Chaoten wegnehmen lässt. Die friedlichen Fans müssen verstehen, dass sie sich selber schaden, wenn sie nicht mit uns kooperieren. Leider sehen das nicht alle so. Leider gibt es viel zu viele, die die Chaoten passiv unterstützen. Entweder durch einfaches Dasein oder auch dadurch, dass uns keine Zeugen zur Verfügung stehen, um die Täter zu überführen, weil man mit uns und mit der Polizei prinzipiell nicht zusammenarbeitet.

DFB.de: Sie haben die Pyrotechnik als Problem angesprochen. Von Seiten der Fans wurde vereinzelt gefordert, die Benutzung zu legalisieren und den kontrollierten Gebrauch von Pyrotechnik freizugeben. Was halten Sie davon?

Spahn: Das ist ein gutes Beispiel, um die grundsätzliche Problematik zu beschreiben. Wir sind immer bereit, mit den Fans zu reden und lassen uns gerne auch überzeugen. Deswegen hätten wir uns auch bei der Frage einer Legalisierung von Pyrotechnik auf einen Feldversuch eingelassen.

DFB.de: Wie sollte dieser aussehen?

Spahn: Wir haben gesagt, dass wir bereit sind, unter bestimmten Voraussetzungen das Abbrennen von Feuerwerkskörpern zu erlauben. Natürlich geordnet, natürlich auch abgestimmt mit den jeweiligen Behörden und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Aber wir haben eine Vorleistung verlangt. Meine Forderung war, dass die Fans dafür sorgen sollen, dass in ihrer Kurve bei den nächsten acht oder neun Heimspielen keine Pyrotechnik abgebrannt wird. Dann hätten wir mit dem Feldversuch begonnen. Damit waren die Fans einverstanden - und was ist passiert? Beim nächsten Spiel hat, drastisch formuliert, das halbe Stadion wieder gebrannt. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass die vernünftigen Fans zu wenig Einfluss auf die Chaoten nehmen können. Leider.

DFB.de: Die Selbstregulierung innerhalb der Kurve ist bisher also wenig vorhanden. Welche Möglichkeiten gibt es dennoch, um die Chaoten von ihrem Tun abzuhalten? Wie wollen Sie in Zukunft die Pyrotechnik aus den Stadien verbannen?

Spahn: Indem wir die Täter der Tat überführen. Das ist für mich eigentlich erst der zweite Schritt. Aber wenn alle präventiven Maßnahmen und alle Kampagnen nichts nützen, dann sind wir zum Handeln gezwungen. Die Leute müssen erkennen, dass diese Feuerwerkskörper kein Spielzeug sind. Sie müssen erkennen, dass sie eine Straftat begehen und riskieren, dass andere ihr Leben lang geschädigt sein können. Pyrotechnik ist in hohem Maße gefährlich - wer das nicht versteht, hat im Stadion nichts verloren, der muss bestraft werden. Dann kann nur der zweite Schritt greifen: dass wir die Täter vor Gericht stellen, verurteilen und als präventive Maßnahme mit Stadionverbot belegen.

DFB.de: Pyrotechnik war ein Problem der vergangenen Saison, ein anderes - so berichtet es die Polizei - war die Zunahmen von Gewalt gegen Polizeibeamte.

Spahn: Die Gewalt hat nicht unbedingt quantitativ zugenommen, sondern eher qualitativ. Es gibt offenkundig eine Absenkung der Hemmschwelle. Das ist aber kein Phänomen, das im Fußball exklusiv vorkommt. Sondern eine Tendenz, die in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen genau so vorhanden ist. Die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik weist genau dieses Problem aus, in allen Bereichen. Ob das der 1. Mai ist, ob das eine Konzertveranstaltung ist, ob es in der Kneipe oder bei einer privaten Party ist - überall hat die Gewalt gegen Polizisten zugenommen. Beim Fußball ist nur der Aufschrei der Öffentlichkeit besonders groß, weil sich das Thema hier medial am besten transportieren lässt.

DFB.de: Die Polizei hat daher gefordert, dass die Gewalt gegen Vollstreckungsbeamte Aufnahme in den Katalog der Straftaten findet, die gemäß der DFB-Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten ein Stadionverbot nach sich ziehen. Was halten Sie von diesen Forderungen?

Spahn: Ich warne jedenfalls vor zu hohen Erwartungen, sollten wir dies tun.

DFB.de: Warum?

Spahn: Eine Aufnahme in den Katalog würde nichts an der Praxis ändern. Es ist heute schon so, dass bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ein Stadionverbot ausgesprochen werden kann. Die Katalogtaten ziehen zwingend ein Stadionverbot nach sich - umgekehrt heißt das aber nicht, dass kein Stadionverbot ausgesprochen werden kann, nur weil eine Tat nicht im Katalog steht. Dies ist schon aus der Formulierung „insbesondere“ in den Richtlinien abzulesen. Die Aufnahme wäre also mehr ein Signal, als dass sie faktische Auswirkungen hätte.

DFB.de: Wie ist nun die Vorgehensweise?

Spahn: Wir werden das in unseren Gremien diskutieren, ich bin jedenfalls nicht grundsätzlich dagegen. Aber klar ist auch, dass wir registrieren, dass es außerhalb der Stadien für die Polizei zunehmend Probleme gibt, und das geht auch uns an. Für den DFB beginnt und endet Sicherheit nicht am Stadioneingang. Wir sind uns sehr wohl auch über die Probleme außerhalb der Stadien und auf den Zufahrts- und Abfahrtswegen im Klaren und versuchen alles in unserer Macht Stehende zu tun, um hier zu helfen.

DFB.de: Wie kann diese Hilfe aussehen?

Spahn: Der Dialog zwischen dem DFB, der DFL, den Vereinen, der Bahn, der Polizei, den Kommunen und den unterschiedlichsten Fangruppierungen ist ständig vorhanden. Wir haben beispielsweise eine ständige Arbeitsgruppe mit der Bundespolizei und der der Deutschen Bahn AG, in der wir bereits Konzepte und Kampagnen erarbeitet und umgesetzt haben. Unser Bestreben war es beispielsweise auch schon immer, die Belastungsspitzen der Polizei durch eine sinnvolle und flexible Spielplangestaltung zu reduzieren.

DFB.de: Die DFL hat etwa angeboten, am 1. Mai keinen Profifußball spielen zu lassen.

Spahn: Das ist richtig. Die Diskussion ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Die Problematik ist, dass die Polizei schildert, dass nicht nur am 1. Mai nicht gespielt werden dürfte, sondern auch an den Tagen darum herum nicht. Es gibt eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Fußballs, die sich mit der Politik und mit der Polizei darum kümmert, die Problematik 1. Mai im nächsten Jahr zu lösen. Es gibt aber eine klare Zusage des Fußballs, dass wir in bestimmten Teilbereichen, wenn es Belastungsspitzen der Polizei gibt, in Rahmen der Möglichkeiten flexibel reagieren, um die Belastung der Polizei zu reduzieren.

DFB.de: War das früher anders?

Spahn: Nein, das haben wir aber auch in der Vergangenheit schon gemacht. Wir hatten im Jahr 2009 den NATO-Gipfel in Baden-Baden und haben deswegen fast 30 Spiele verlegt. Das ist nur ein Beispiel. Es ist doch klar, dass wir alles, was möglich ist, tun müssen, um die Polizei nicht zu überfordern. Das haben wir bisher so gemacht, und so wird es auch in Zukunft sein.

DFB.de: Auf der Sommerklausur wurde den Sicherheitsbeauftragten auch der geplante Zertifikatsstudiengang "Management von Sicherheit und Prävention" der FH Heidelberg vorgestellt. Wie war die Resonanz?

Spahn: Sehr positiv. Alle waren interessiert, und viele haben signalisiert, den Studiengang absolvieren zu wollen. Das war ein schönes Zeichen für uns - wir werden nun alles daran setzen, dass der Studiengang so schnell wie möglich Realität wird.

DFB.de: Können Sie den Hintergrund dieses Studiengangs näher erläutern?

Spahn: Letztlich geht es darum, dass wir zum einen zur weiteren Qualifizierung der Sicherheitsbeauftragten einen Beitrag leisten und zum anderen die Professionalisierung in diesem Bereich vorantreiben wollen.

DFB.de: Und das soll mit einem Studiengang erreicht werden?

Spahn: Ja. Wichtig ist für uns, dass die Sicherheitsbeauftragten eine standardisierte Ausbildung erhalten und somit einen vergleichbaren Kenntnisstand haben. Lehrinhalte sollen praxisbezogen, aber doch wissenschaftlich fundiert vermittelt werden. Dies haben wir bisher selbst versucht, indem wir Richtlinien und Vorschriften erlassen haben und regelmäßig Tagungen und Schulungsmaßnahmen durchführen. Aber das ist immer punktuell. Das wollen wir ändern.

DFB.de: Was können Sie zu den Inhalten sagen?

Spahn: Der Studiengang, der durchgängig wissenschaftlich begleitet wird, wird alle Themenfelder zum Inhalt haben, die ein Sicherheitsbeauftragter beim Fußball braucht. Nichts abgehoben Wissenschaftliches, sondern wirklich etwas Brauchbares, etwas Handfestes - aber auf einem gewissen intellektuellen Niveau. Mit Zwischen- und Abschlussprüfungen und einer Projektarbeit versehen, die auf den jeweiligen Verein abgestimmt ist. Dadurch versprechen wir uns, dass wir alle Sicherheitsbeauftragten auf ein Niveau bringen. Sie können dann mit wissenschaftlichem Background an Risikoanalysen und entsprechende Lösungsprozesse herangehen.

DFB.de: Und was versprechen Sie sich konkret davon?

Spahn: Der Studiengang wird den Sicherheitsbeauftragten in vielen Belangen helfen: in der Zusammenarbeit mit Behörden, mit Vereinen und den verschiedenen Institutionen rund um das Thema Prävention und Sicherheit. Durch den Nachweis einer solchen Ausbildung bekommen die Sicherheitsbeauftragen im Innen- und Außenverhältnis einen ganz anderen Stellenwert.

DFB.de: Wird dieser Studiengang eines Tages verpflichtend sein?

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Spahn: Ich hielte das als Vision für die Zukunft für sinnvoll. Es wurde ja oft gefordert, dass die Profivereine einen hauptamtlichen Sicherheitsbeauftragten einstellen sollen, dass das zur Lizenzvoraussetzung gemacht wird. Ich glaube nicht, dass dies in Sachen Qualität alleine zielführend ist. Den Studiengang in naher Zukunft verpflichtend zu etablieren, ist da meines Erachtens der bessere Weg. Zumal wir ihn so aufbauen werden, dass nur wenig Präsenszeiten erforderlich sind und der Studiengang mühelos neben der normalen Arbeit zu bewältigen ist.

DFB.de: Ein wichtiger Baustein zur Gewaltprävention sind die Fanprojekte. Immer wieder sagen Kritiker, dass der DFB sich in diesem Bereich nicht genug engagieren und insbesondere zu wenig an den Kosten beteiligen würde. Ist diese Kritik berechtigt?

Spahn: In Deutschland existieren inzwischen an 42 Standorten sozialpädagogisch arbeitende Fanprojekte. Dort wird herausragende Arbeit geleistet, die Fanprojekte sind ein ganz wesentlicher Beitrag zur Gewaltprävention in Deutschland. Die Diskussion über die Kostenbeteiligung des Fußballs geht aber gänzlich am Ziel vorbei.

DFB.de: Warum?

Spahn: Weil die Fanprojekte nicht bei den Vereinen oder den Verbänden angesiedelt sind, sondern bei den Städten und Kommunen. Es gibt zum Beispiel Fanprojekte in Frankfurt, Hamburg und Berlin - und zwar für alle Vereine in der jeweiligen Stadt. Dort wird klassische sozialpädagogische Jugendarbeit gemacht. Drogenprävention, Prävention im Bereich von Radikalismus und Extremismus. Es wird bei der Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzsuche geholfen.

DFB.de: Keine klassischen Themenfelder, die der Fußball besetzen muss.

Spahn: Nein, der Fußball hilft hier allerdings gerne. Man hat ja damals im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit im Zusammenschluss zwischen den Bundesländern und Kommunen die Verantwortung für diesen Bereich erkannt - aber auch gesehen, dass es schwierig ist, Jugendliche zu erreichen. Der Fußball hat dann in gewisser Weise eine Mittlerfunktion übernommen.

DFB.de: Weil viele Jugendliche im Fußball ein gemeinsames Interesse haben?

Spahn: Ja. Der gemeinsame Nenner vieler Jugendlicher ist nun mal der Fußball, deswegen ist es auch über den Fußball leichter, an die Jugendlichen heranzukommen. Daher hat der Fußball eine gewisse Verantwortung - und sich gerne an den Fanprojekten beteiligt.

DFB.de: In welchem Rahmen?

Spahn: Der Fußball investiert in diese sozialpädagogische Arbeit fast drei Millionen Euro pro Jahr. Viel Geld, das aber sinnvoll investiert ist. Wenn man nun fordert, dass der Fußball noch mehr machen müsse, dann verkennt man die Natur der Fanprojekte. Diese sind sozialpädagogisch arbeitende Einheiten. Deshalb sind sie angesiedelt bei öffentlichen Trägern wie der Arbeiterwohlfahrt, der Sportjugend, bei den Sportämtern der Stadt, den Jugendämtern. Und dort gehören sie auch hin. Eine Abkehr davon - also dass der Fußball Aufgaben des Staates, der Kommunen und der Länder übernimmt - wird es nicht geben. Wer dies fordert, hat keine Ahnung von der Aufgabe und Natur der Fanprojekte.

DFB.de: Der DFB investiert also viel in die Gewaltprävention. An welchen Stellen sehen Sie dennoch Schwachpunkte: Gibt es Ansätze, durch die der DFB seine Maßnahmen zur Gewaltprävention verbessern kann?

Spahn: Es ist doch klar, dass man sich immer verbessern kann. Stillstand bedeutet Rückschritt. Ich bin aber überzeugt, dass wir in vielen Bereichen gut aufgestellt sind. Aber natürlich wollen auch wir wissen, wo wir uns verbessern können. Deshalb werden wir dies auch von der Technischen Universität in Darmstadt untersuchen lassen.

DFB.de: Was genau ist Gegenstand dieser Studie?

Spahn: Die TU Darmstadt macht zunächst eine Bestandsaufnahme und untersucht dann in der Folge die Wirksamkeit der Sicherheits- und Präventionsmaßnahmen im Fußball. Uns war eine seriöse und unabhängige wissenschaftliche Untersuchung wichtig. Wir haben mit Dr. Rieth von der TU in Darmstadt einen Experten gewinnen können, der mit Fußball in der Vergangenheit nicht befasst war und somit völlig unvoreingenommen an die Sache herangehen kann. Er wird uns am Schluss eine Expertise geben und uns sagen, wo wir gut aufgestellt sind, wo wir in die falsche Richtung laufen oder wo wir mehr tun müssen.