Silvia Neid: "Konkurrenz in der Spitze wird größer"

Für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft ging das WM-Jahr mit einem 2:2 gegen Spanien zu Ende. Damit bleibt die DFB-Auswahl in der EM-Qualifikation weiter ungeschlagen, liegt aber in der Tabelle der Gruppe 2 hinter den Iberern auf Platz 2, die ein Spiel mehr ausgetragen haben.

Nach der Partie in Motril, in der Deutschland nach 2:0-Führung kurz vor Schluss den Ausgleich kassierte, analysiert Bundestrainerin Silvia Neid im DFB-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer die Begegnung, blickt auf 2011 zurück und auf 2012 voraus.

DFB.de: Silvia Neid, mit ein wenig Abstand: Wie bewerten Sie die Partie gegen Spanien?

Silvia Neid: Sie ist ein Beleg dafür, wie sich der Frauenfußball entwickelt hat. Die Spanierinnen haben eine technisch versierte Mannschaft, die aber auch in der Lage ist, über 90 Minuten zu kämpfen und alles aus sich herauszuholen. Sie haben gegen uns nie nachgelassen. Sie haben das Beste aus ihren Möglichkeiten gemacht und sind dafür spät belohnt worden.

DFB.de: Stehen die Spanierinnen damit auch dafür, dass der internationale Frauenfußball weiter zusammenrückt?

Neid: Ja, das kann man so sagen. Man merkt einfach, dass der Spanische Fußball-Verband den Frauenfußball intensiv fördert. Das zahlt sich aus. Nicht von ungefähr sind Spaniens Nachwuchsmannschaften sehr erfolgreich. Ich glaube, da ist Potenzial für die Zukunft vorhanden.

DFB.de: Welche Perspektive ergibt sich dadurch für den internationalen Frauenfußball?

Neid: Eigentlich eine sehr gute. In der Spitze wird die Konkurrenz immer größer. Das macht die Wettbewerbe spannender. Das hat man ja auch bei der WM in diesem Jahr gesehen, da hatten wir ein sehr ausgeglichenes Teilnehmerfeld. Die meisten Spiele sind mit einer Differenz von einem oder zwei Toren ausgegangen. In der K.o.-Runde gab es einige Begegnungen, die in die Verlängerung oder gar ins Elfmeterschießen gegangen sind.

DFB.de: Welche Rolle wird die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in Zukunft spielen?

Neid: Unsere Ansprüche an uns selbst sind nach wie vor sehr hoch. Wir wollen weiterhin zur Weltspitze gehören. Wir haben nach der WM einen kleinen Umbruch zu bewältigen, weil mit Birgit Prinz, Ariane Hingst, Kerstin Garefrekes und Ursula Holl etablierte Kräfte aus der Nationalmannschaft zurückgetreten sind. Sie haben große Fußstapfen hinterlassen, und es wird einen Moment dauern, bis das kompensiert sein wird, sich das aktuelle Team gefunden und eingespielt haben wird.

DFB.de: Geht damit eine Ära zu Ende?

Neid: Nein, so weit würde ich nicht gehen. Wir haben immer versucht, perspektivisch zu arbeiten. Wir haben stets junge Spielerinnen sukzessive an die Anforderungen auf internationaler Ebene herangeführt. Einfach um für eine Kontinuität zu sorgen, für fließende Übergänge, damit wir nie einen großen Schnitt machen müssen. Damit sind wir in der Vergangenheit gut gefahren, und daran halten wir nun auch fest - deswegen haben wir ja jetzt schon Spielerinnen wie Dzsenifer Marozsan, Luisa Wensing oder Tabea Kemme regelmäßig dabei.

DFB.de: Das klingt nach viel Arbeit.

Neid: Das war es bisher auch schon. Aber es ist eine Herausforderung, die man gerne annimmt. Wir haben ein Team, in dem die Spielerinnen sehr gut miteinander harmonieren. Alle sind lernwillig und ambitioniert. Das sind sehr gute Voraussetzungen.

DFB.de: Schauen Sie nicht dennoch wehmütig auf die verpasste Chance bei der WM zurück?

Neid: Nein. Natürlich hatten wir alle diesen großen Traum, zum dritten Mal in Folge den WM-Titel zu holen. Aber uns war allen klar, dass dies ein verdammt schwieriges Unterfangen sein würde. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass dafür einfach alles passen muss. Dabei miteinbegriffen, das nötige Quäntchen Glück zum richtigen Zeitpunkt haben zu müssen. Das hatten diesmal andere Mannschaften, die sich das auch verdient haben. Ich finde, Japan ist ein würdiger Weltmeister. Und die USA haben großen Anteil daran, dass das WM-Endspiel so eine spannende und begeisternde Partie war.

DFB.de: Also trotz der vehementen Kritik nach dem Turnier kein Blick zurück im Groll?

Neid: Nein. Es war eine einmalige Erfahrung, diese Heim-WM spielen zu dürfen. Die vollen Stadien, die Fernsehquoten, das Medieinteresse - das war alles sagenhaft. Wir haben es geschafft, den Frauenfußball für vier Wochen in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken. Das hatte einen sehr positiven Effekt für den Frauenfußball, und zwar nicht nur in Deutschland. Insofern bleibt die WM in sehr positiver Erinnerung. Und auch dem sportlichen Abschneiden mit dem Ausscheiden im Viertelfinale können wir mittlerweile etwas Gutes abgewinnen: Das war eine lehrreiche Erfahrung. Wir haben das Turnier mittlerweile umfangreich analysiert und auch eine Broschüre darüber erstellt. Ich glaube, wir können da einiges für die Zukunft herausziehen.

DFB.de: Spanien war nicht bei der WM dabei. Was macht das Team dennoch WM-tauglich?

Neid: Die Spanierinnen glauben an sich. Sie versuchen, das Beste aus ihren Möglichkeiten zu machen. Sie gehen dabei auch an Grenzen. Sie haben ihr Zweikampfverhalten gegen uns so weit ausgereizt, wie es die Schiedsrichterin zuließ. Das hatten ja auch schon die Nigerianerinnen bei der WM gegen uns so gemacht. Unsere Spielerinnen sehen heute wieder aus: Sie sind übersät mit blauen Flecken. Außerdem waren die Spanierinnen sehr effektiv. Sie hatten wenige Chancen, haben aus zwei Standardsituationen heraus ihre Tore gemacht.

DFB.de: Sind Sie enttäuscht von Ihrer Mannschaft?

Neid: Nein, ich finde es schade, dass wir nicht die Ernte für unsere gute Arbeit eingefahren haben. Wir wussten, dass mit Spanien ein sehr starker Gegner auf uns wartet. Vor diesem Hintergrund haben wir eine sehr gute erste Halbzeit gespielt. Da hatten wir alles im Griff. Wir haben ein sehr gutes Abwehrverhalten gezeigt, die komplette Mannschaft hat sehr gut zusammengearbeitet. Und wir haben auch völlig zu Recht mit 2:0 geführt. Nach dem Wechsel hätten wir eigentlich die Entscheidung erzielen können. Aber leider haben wir unsere Chancen nicht genutzt.

DFB.de: Warum kippt das Spiel dann noch einmal?

Neid: So würde ich das nicht beschreiben. Wir haben den Faden verloren, die spielerische Linie ist uns abhanden gekommen. Ich denke, das war eine Mischung aus der Atmosphäre im Stadion, der Härte der Spanierinnen und einiger Schiedsrichterentscheidungen. Ich will darüber aber gar nicht lamentieren. Das ist nun mal so, und wir können auch damit leben. Wir haben noch alles in der eigenen Hand. Ich freue mich schon jetzt auf das Rückspiel gegen die Spanierinnen in Deutschland.

DFB.de: Das heißt, Sie gehen optimistisch gestimmt in das kommende Jahr?

Neid: Auf jeden Fall. Wir haben auch kein so schlechtes Jahr gespielt. In 13 Spielen haben wir elf Siege geholt, einmal Unentschieden gespielt und eine Niederlage kassiert - die leider im falschen Spiel. Aber insgesamt ist das eine sehr ordentliche Bilanz, gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir gegen einige namhafte Gegner gespielt haben. Ich denke, dass unsere Formkurve weiter nach oben zeigen wird. Insofern bin ich auch optimistisch, dass wir uns im kommenden Jahr für die EURO 2013 in Schweden qualifizieren werden.

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Für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft ging das WM-Jahr mit einem 2:2 gegen Spanien zu Ende. Damit bleibt die DFB-Auswahl in der EM-Qualifikation weiter ungeschlagen, liegt aber in der Tabelle der Gruppe 2 hinter den Iberern auf Platz 2, die ein Spiel mehr ausgetragen haben.

Nach der Partie in Motril, in der Deutschland nach 2:0-Führung kurz vor Schluss den Ausgleich kassierte, analysiert Bundestrainerin Silvia Neid im DFB-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer die Begegnung, blickt auf 2011 zurück und auf 2012 voraus.

DFB.de: Silvia Neid, mit ein wenig Abstand: Wie bewerten Sie die Partie gegen Spanien?

Silvia Neid: Sie ist ein Beleg dafür, wie sich der Frauenfußball entwickelt hat. Die Spanierinnen haben eine technisch versierte Mannschaft, die aber auch in der Lage ist, über 90 Minuten zu kämpfen und alles aus sich herauszuholen. Sie haben gegen uns nie nachgelassen. Sie haben das Beste aus ihren Möglichkeiten gemacht und sind dafür spät belohnt worden.

DFB.de: Stehen die Spanierinnen damit auch dafür, dass der internationale Frauenfußball weiter zusammenrückt?

Neid: Ja, das kann man so sagen. Man merkt einfach, dass der Spanische Fußball-Verband den Frauenfußball intensiv fördert. Das zahlt sich aus. Nicht von ungefähr sind Spaniens Nachwuchsmannschaften sehr erfolgreich. Ich glaube, da ist Potenzial für die Zukunft vorhanden.

DFB.de: Welche Perspektive ergibt sich dadurch für den internationalen Frauenfußball?

Neid: Eigentlich eine sehr gute. In der Spitze wird die Konkurrenz immer größer. Das macht die Wettbewerbe spannender. Das hat man ja auch bei der WM in diesem Jahr gesehen, da hatten wir ein sehr ausgeglichenes Teilnehmerfeld. Die meisten Spiele sind mit einer Differenz von einem oder zwei Toren ausgegangen. In der K.o.-Runde gab es einige Begegnungen, die in die Verlängerung oder gar ins Elfmeterschießen gegangen sind.

DFB.de: Welche Rolle wird die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in Zukunft spielen?

Neid: Unsere Ansprüche an uns selbst sind nach wie vor sehr hoch. Wir wollen weiterhin zur Weltspitze gehören. Wir haben nach der WM einen kleinen Umbruch zu bewältigen, weil mit Birgit Prinz, Ariane Hingst, Kerstin Garefrekes und Ursula Holl etablierte Kräfte aus der Nationalmannschaft zurückgetreten sind. Sie haben große Fußstapfen hinterlassen, und es wird einen Moment dauern, bis das kompensiert sein wird, sich das aktuelle Team gefunden und eingespielt haben wird.

DFB.de: Geht damit eine Ära zu Ende?

Neid: Nein, so weit würde ich nicht gehen. Wir haben immer versucht, perspektivisch zu arbeiten. Wir haben stets junge Spielerinnen sukzessive an die Anforderungen auf internationaler Ebene herangeführt. Einfach um für eine Kontinuität zu sorgen, für fließende Übergänge, damit wir nie einen großen Schnitt machen müssen. Damit sind wir in der Vergangenheit gut gefahren, und daran halten wir nun auch fest - deswegen haben wir ja jetzt schon Spielerinnen wie Dzsenifer Marozsan, Luisa Wensing oder Tabea Kemme regelmäßig dabei.

DFB.de: Das klingt nach viel Arbeit.

Neid: Das war es bisher auch schon. Aber es ist eine Herausforderung, die man gerne annimmt. Wir haben ein Team, in dem die Spielerinnen sehr gut miteinander harmonieren. Alle sind lernwillig und ambitioniert. Das sind sehr gute Voraussetzungen.

DFB.de: Schauen Sie nicht dennoch wehmütig auf die verpasste Chance bei der WM zurück?

Neid: Nein. Natürlich hatten wir alle diesen großen Traum, zum dritten Mal in Folge den WM-Titel zu holen. Aber uns war allen klar, dass dies ein verdammt schwieriges Unterfangen sein würde. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass dafür einfach alles passen muss. Dabei miteinbegriffen, das nötige Quäntchen Glück zum richtigen Zeitpunkt haben zu müssen. Das hatten diesmal andere Mannschaften, die sich das auch verdient haben. Ich finde, Japan ist ein würdiger Weltmeister. Und die USA haben großen Anteil daran, dass das WM-Endspiel so eine spannende und begeisternde Partie war.

DFB.de: Also trotz der vehementen Kritik nach dem Turnier kein Blick zurück im Groll?

Neid: Nein. Es war eine einmalige Erfahrung, diese Heim-WM spielen zu dürfen. Die vollen Stadien, die Fernsehquoten, das Medieinteresse - das war alles sagenhaft. Wir haben es geschafft, den Frauenfußball für vier Wochen in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu rücken. Das hatte einen sehr positiven Effekt für den Frauenfußball, und zwar nicht nur in Deutschland. Insofern bleibt die WM in sehr positiver Erinnerung. Und auch dem sportlichen Abschneiden mit dem Ausscheiden im Viertelfinale können wir mittlerweile etwas Gutes abgewinnen: Das war eine lehrreiche Erfahrung. Wir haben das Turnier mittlerweile umfangreich analysiert und auch eine Broschüre darüber erstellt. Ich glaube, wir können da einiges für die Zukunft herausziehen.

DFB.de: Spanien war nicht bei der WM dabei. Was macht das Team dennoch WM-tauglich?

Neid: Die Spanierinnen glauben an sich. Sie versuchen, das Beste aus ihren Möglichkeiten zu machen. Sie gehen dabei auch an Grenzen. Sie haben ihr Zweikampfverhalten gegen uns so weit ausgereizt, wie es die Schiedsrichterin zuließ. Das hatten ja auch schon die Nigerianerinnen bei der WM gegen uns so gemacht. Unsere Spielerinnen sehen heute wieder aus: Sie sind übersät mit blauen Flecken. Außerdem waren die Spanierinnen sehr effektiv. Sie hatten wenige Chancen, haben aus zwei Standardsituationen heraus ihre Tore gemacht.

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DFB.de: Sind Sie enttäuscht von Ihrer Mannschaft?

Neid: Nein, ich finde es schade, dass wir nicht die Ernte für unsere gute Arbeit eingefahren haben. Wir wussten, dass mit Spanien ein sehr starker Gegner auf uns wartet. Vor diesem Hintergrund haben wir eine sehr gute erste Halbzeit gespielt. Da hatten wir alles im Griff. Wir haben ein sehr gutes Abwehrverhalten gezeigt, die komplette Mannschaft hat sehr gut zusammengearbeitet. Und wir haben auch völlig zu Recht mit 2:0 geführt. Nach dem Wechsel hätten wir eigentlich die Entscheidung erzielen können. Aber leider haben wir unsere Chancen nicht genutzt.

DFB.de: Warum kippt das Spiel dann noch einmal?

Neid: So würde ich das nicht beschreiben. Wir haben den Faden verloren, die spielerische Linie ist uns abhanden gekommen. Ich denke, das war eine Mischung aus der Atmosphäre im Stadion, der Härte der Spanierinnen und einiger Schiedsrichterentscheidungen. Ich will darüber aber gar nicht lamentieren. Das ist nun mal so, und wir können auch damit leben. Wir haben noch alles in der eigenen Hand. Ich freue mich schon jetzt auf das Rückspiel gegen die Spanierinnen in Deutschland.

DFB.de: Das heißt, Sie gehen optimistisch gestimmt in das kommende Jahr?

Neid: Auf jeden Fall. Wir haben auch kein so schlechtes Jahr gespielt. In 13 Spielen haben wir elf Siege geholt, einmal Unentschieden gespielt und eine Niederlage kassiert - die leider im falschen Spiel. Aber insgesamt ist das eine sehr ordentliche Bilanz, gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir gegen einige namhafte Gegner gespielt haben. Ich denke, dass unsere Formkurve weiter nach oben zeigen wird. Insofern bin ich auch optimistisch, dass wir uns im kommenden Jahr für die EURO 2013 in Schweden qualifizieren werden.