Sigurdsson: "Bei Künstlern etwas abschauen"

DFB.de: Ist Fußball auch Teil Ihres Handball-Trainings?

Sigurdsson: Ja, das kann man so sagen. Zum Aufwärmen lasse ich die Jungs häufig Fußball spielen, 10 bis 15 Minuten, um reinzukommen.

DFB.de: Gibt es etwas, was Handballer von Fußballern lernen können?

Sigurdsson: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, wer ein gutes Verständnis für beides hat, der kann Vorteile daraus ziehen. Kinder, die in jungen Jahren mehrere Sportarten ausprobieren, können Bewegungsabläufe, die als spezifisch für eine Disziplin angesehen werden, in einer anderen anwenden. Das können gewinnbringende Transfers sein. Wenn man 20 bis 30 Jahre immer in seiner Sportart bleibt, immer die gleichen Bewegungen ausübt, keine anderen Einflüsse hat, wird das Ganze eintönig und berechenbar.

DFB.de: Außer Fußball: In welche Sportarten schnuppern Sie mit den Handballern noch rein?

Sigurdsson: Es ist egal, wie die Sportarten heißen. Ich habe mit meinen Jungs mehrere Sachen ausprobiert. Alles, vom Volleyball bis zum Fechten. Verschiedene Sachen, um einfach mal in eine andere Richtung zu gehen. In der Vorbereitung auf die EM waren wir zum Beispiel beim Boxen. Da wollten wir ein bisschen Aggressivität für die Abwehrarbeit angehen. Da haben wir hier in Berlin ein Box-Camp gemacht. Natürlich spielt der Spaßfaktor dabei auch eine Rolle. Und das bringt Abwechslung in den Trainingsalltag. So betritt man nicht immer die gleiche Halle. Man lernt neue Leute kennen.

DFB.de: Stichwort EM: Was sagen Sie zur isländischen Fußball-Nationalmannschaft?

Sigurdsson: Es ist sensationell, dass sie zum ersten Mal bei einer EM dabei sind. Das heißt nämlich, dass Island innerhalb eines Jahres im Fußball, Handball und Basketball bei der EM vertreten ist. Und das mit so einer kleinen Nation, wir haben etwas mehr als 300.000 Einwohner.

DFB.de: Wie lässt sich das erklären?

Sigurdsson: Das kann man eigentlich nicht erklären. Aber wichtig für die Entwicklung des Fußballs auf Island war, dass viel in die Infrastruktur und die Trainerausbildung investiert wurde. So werden seit ungefähr zehn Jahren Fußballhallen gebaut. Damit wird ermöglicht, dass auch im Winter trainiert werden kann und der Spielbetrieb nicht ruhen muss. Zudem haben immer mehr junge Spieler die Qualität und den Mut ins Ausland zu gehen.

DFB.de: Was trauen Sie dem Team von Lars Lagerbäck bei der EURO zu?

Sigurdsson: Ich bin komischerweise recht optimistisch. Ich glaube, die Isländer können in Frankreich etwas reißen. Portugal, Österreich und Ungarn sind zweifellos starke Gegner. Aber man darf auch nicht vergessen, dass Island jetzt schon seit einigen Jahren auf hohem Niveau spielt. In der WM-Qualifikation ist man erst in der Relegation an Kroatien gescheitert und in der EM-Qualifikation hat man unter anderem die Niederlande zweimal geschlagen.



Dagur Sigurdsson war Innenverteidiger oder hat auf der Sechs gespielt. Und das sogar sehr gut. Bis in die isländische U 17-Nationalmannschaft hat er es im Fußball gebracht. Dennoch entschied er sich dann für den Handball. Mit Erfolg. Die DHB-Auswahl führte er im Januar zum Gewinn der EM. Vor der EURO 2016 der Fußballer in Frankreich spricht der 42-Jährige im Im DFB.de-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer über komische Entscheidungen, Fußball im Handball, Island in Frankreich und den Fußball-Klassiker gegen England am Samstag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) im Berliner Olympiastadion.

DFB.de: Herr Sigurdsson, Sie haben gesagt, Sie könnten auch eine Fußball-Mannschaft trainieren. Was macht Sie so sicher?

Dagur Sigurdsson: Ach, die Aussage wurde so ein bisschen hochgeschraubt. Ich habe natürlich einen Fußballhintergrund, von daher hatte ich mal darüber nachgedacht. Aber aktuell habe ich keinerlei derartige Ambitionen. Ich bin derzeit glücklich, wo ich bin.

DFB.de: Dennoch: Wie sehr reizt Sie der Fußball?

Sigurdsson: In Island werden viele Spiele der Premier League live gezeigt. Daher verfolge ich den Profi-Fußball schon lange sehr intensiv. Jetzt natürlich auch die Bundesliga, da ich schon eine Weile in Deutschland lebe. Inzwischen wohne ich ja nur ein paar Meter vom Olympiastadion entfernt, deswegen gucke ich mir sehr gerne die Hertha an.

DFB.de: Warum haben Sie sich mit 17 gegen den Fußball entschieden?

Sigurdsson: Der Zeitpunkt dafür war einfach gekommen. Das kennen viele junge Sportler in Island. Denn viele Jugendliche spielen dort Fußball im Sommer und Handball im Winter. Für mich lief das auch so lange parallel ganz gut, bis ich 16, 17 Jahre alt war. Ab da wurde es schwierig, beides miteinander zu vereinbaren. Deswegen musste ich mich entscheiden. Und mein Freundeskreis war auf der Handballseite. Zudem kam dann auch die Einladung für die Erste Mannschaft beim Handball. Und so hatte sich das dann ergeben.

DFB.de: Aber es lief doch gut im Fußball. Sie waren U 17-Nationalspieler. Haben Sie keine Perspektive im Fußball gesehen?

Sigurdsson: Doch, aber ich habe das nicht als Karrieremöglichkeit angesehen. Ich war immer noch in der Schule. Fußball und Handball waren einfach zwei Hobbies. Mehr nicht. Und das war auch gut so. Außerdem ist es auch ein Stück weit typisch für meine Laufbahn, dass ich manchmal komische Entscheidungen getroffen habe (lacht). Den Fußball aufzugeben, war vielleicht eine davon. Aber ich bereue nichts. Der Handball hat mir viel gegeben. Ich durfte viele tolle Sachen mit und durch ihn erleben. Zum Beispiel war ich bei Europameisterschaften und Olympischen Spielen dabei. Wer weiß, ob ich das als Fußballer hätte erleben dürfen.

DFB.de: Welche Rolle spielt der Fußball jetzt noch in Ihrem Leben?

Sigurdsson: Immer noch eine ziemlich große. Mein Sohn, er ist 13, spielt bei Tennis Borussia. Es macht Spaß, seiner Mannschaft zuzugucken, sie hat gute Trainer und sind auch ganz erfolgreich. Meine Tochter ist 17 und hat dieses Jahr aufgehört, dafür engagiert sie sich jetzt als Co-Trainerin bei den E-Mädchen von Tennis Borussia. Dass sie im Sport bleibt, finde ich toll. Und dann besuche ich, so oft es eben geht, die Spiele der Hertha oder schaue mir Spiele der Premier League im Fernsehen an. Dazu verfolge ich natürlich auch ein bisschen, was so in Island läuft.

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DFB.de: Ist Fußball auch Teil Ihres Handball-Trainings?

Sigurdsson: Ja, das kann man so sagen. Zum Aufwärmen lasse ich die Jungs häufig Fußball spielen, 10 bis 15 Minuten, um reinzukommen.

DFB.de: Gibt es etwas, was Handballer von Fußballern lernen können?

Sigurdsson: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, wer ein gutes Verständnis für beides hat, der kann Vorteile daraus ziehen. Kinder, die in jungen Jahren mehrere Sportarten ausprobieren, können Bewegungsabläufe, die als spezifisch für eine Disziplin angesehen werden, in einer anderen anwenden. Das können gewinnbringende Transfers sein. Wenn man 20 bis 30 Jahre immer in seiner Sportart bleibt, immer die gleichen Bewegungen ausübt, keine anderen Einflüsse hat, wird das Ganze eintönig und berechenbar.

DFB.de: Außer Fußball: In welche Sportarten schnuppern Sie mit den Handballern noch rein?

Sigurdsson: Es ist egal, wie die Sportarten heißen. Ich habe mit meinen Jungs mehrere Sachen ausprobiert. Alles, vom Volleyball bis zum Fechten. Verschiedene Sachen, um einfach mal in eine andere Richtung zu gehen. In der Vorbereitung auf die EM waren wir zum Beispiel beim Boxen. Da wollten wir ein bisschen Aggressivität für die Abwehrarbeit angehen. Da haben wir hier in Berlin ein Box-Camp gemacht. Natürlich spielt der Spaßfaktor dabei auch eine Rolle. Und das bringt Abwechslung in den Trainingsalltag. So betritt man nicht immer die gleiche Halle. Man lernt neue Leute kennen.

DFB.de: Stichwort EM: Was sagen Sie zur isländischen Fußball-Nationalmannschaft?

Sigurdsson: Es ist sensationell, dass sie zum ersten Mal bei einer EM dabei sind. Das heißt nämlich, dass Island innerhalb eines Jahres im Fußball, Handball und Basketball bei der EM vertreten ist. Und das mit so einer kleinen Nation, wir haben etwas mehr als 300.000 Einwohner.

DFB.de: Wie lässt sich das erklären?

Sigurdsson: Das kann man eigentlich nicht erklären. Aber wichtig für die Entwicklung des Fußballs auf Island war, dass viel in die Infrastruktur und die Trainerausbildung investiert wurde. So werden seit ungefähr zehn Jahren Fußballhallen gebaut. Damit wird ermöglicht, dass auch im Winter trainiert werden kann und der Spielbetrieb nicht ruhen muss. Zudem haben immer mehr junge Spieler die Qualität und den Mut ins Ausland zu gehen.

DFB.de: Was trauen Sie dem Team von Lars Lagerbäck bei der EURO zu?

Sigurdsson: Ich bin komischerweise recht optimistisch. Ich glaube, die Isländer können in Frankreich etwas reißen. Portugal, Österreich und Ungarn sind zweifellos starke Gegner. Aber man darf auch nicht vergessen, dass Island jetzt schon seit einigen Jahren auf hohem Niveau spielt. In der WM-Qualifikation ist man erst in der Relegation an Kroatien gescheitert und in der EM-Qualifikation hat man unter anderem die Niederlande zweimal geschlagen.

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DFB.de: Sie sind zwar Handball-Bundestrainer aber wie stehen Sie zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft?

Sigurdsson: Wenn die Mannschaft spielt, fiebern wir natürlich mit. Wir leben seit zwölf Jahren in Deutschland, zwei unserer Kinder sind hier geboren. Wir haben natürlich eine Bindung zu Deutschland.

DFB.de: Viele Fußball-Nationalspieler und auch Bundestrainer Joachim Löw haben bei der Handball-EM mitgefiebert. Haben Sie das mitbekommen?

Sigurdsson: Ja, das habe ich mitbekommen, allerdings erst nach dem Turnier. Das war eine tolle Unterstützung, und ich glaube, für die Jungs war das auch etwas Einmaliges, sie hatten das Gefühl vermittelt bekommen, dass die ganze Nation hinter ihnen steht.

DFB.de: Würden Sie sich gerne mal mit Joachim Löw austauschen?

Sigurdsson: Ja, natürlich. Vielleicht kommt mal der Zeitpunkt, an dem man sich trifft.

DFB.de: Worüber würden Sie mit ihm sprechen?

Sigurdsson: Über das, worüber wir gerade sprechen. Erfahrungen austauschen. Schauen, was kann man voneinander lernen. Da kann man vieles mitnehmen. Ich bin auch der Meinung, dass man sich von Künstlern etwas abschauen kann. Zum Beispiel die Art und Weise, für neue Dinge offen zu sein. Das sind sehr kreative Menschen, sich mit ihnen auszutauschen, kann inspirierend sein, das kann helfen.

DFB.de: Was erwarten Sie vom Länderspiel zwischen der DFB-Auswahl und England?

Sigurdsson: Ich glaube, das wird ein gutes Spiel. Die EURO rückt in den Fokus, und langsam müssen die Spieler sich die Plätze sichern. Da darf sich jetzt keiner erlauben, ein schlechtes Spiel zu machen. Zudem müssen die Mannschaften in einen Rhythmus finden, zeigen, dass sie intakt und bereit für so ein Turnier sind. England hat momentan eine sehr spannende Mannschaft, das hört man zwar fast immer vor großen Turnieren, aber ich finde, in diesem Jahr ist es etwas anderes, weil sie sich anders aufstellen, sie sind gerade etwas weg von den großen Namen. Und sie sind meiner Meinung nach etwas schneller, flinker und spielen einen gepflegteren Fußball. Es ist mittlerweile eine neue Generation. Wenn die alle fit sind, sind sie auf jeden Fall gefährlich. Auf der anderen Seite spielen sie gegen den Weltmeister, der über eine unheimlich große Routine verfügt. Das sind alles gute Voraussetzungen für ein spannendes Spiel.