Siewert: "Konkurrenz treibt das Team an"

DFB.de: Seit der Abmeldung der U 23 ist die U 19 das älteste Nachwuchsteam beim VfL. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Siewert: Mein Auftrag ist es, die Spieler so gut auszubilden, dass ihnen der Sprung in den Profikader gelingt. Wahrscheinlich gibt es keinen Erst- oder Zweitligisten, bei dem die Durchlässigkeit nach oben so hoch ist, zumal unsere Profis in dieser Saison mit einer unglaublichen Verletzungsmisere zu kämpfen haben. So sind Gökhan Gül und Görkem Saglam sogar schon zu Startelfeinsätzen in der 2. Bundesliga gekommen. Das ist ein weiteres Zeichen, dass beim VfL sehr gute Nachwuchsarbeit geleistet wird.

DFB.de: Mit gerade einmal 34 Jahren haben Sie die Ausbildung zum Fußball-Lehrer schon seit 2013 hinter sich, waren bereits als Nachwuchs-, Co- und Cheftrainer tätig. Wo sehen Sie die wesentlichen Unterschieden zwischen Junioren- und Profifußball?

Siewert: Im Profifußball geht es in erster Linie um Ergebnisse und kurzfristige Erfolge. Alles ist mehr oder weniger immer auf das kommende Wochenende und das nächste Spiel ausgerichtet. Beim Nachwuchs wird dagegen perspektivisch gearbeitet, es werden allenfalls mittel- und langfristige Zielstellungen verfolgt. Gerade das habe ich während meiner Zeit beim DFB gelernt und versuche, es jetzt so gut wie möglich beim VfL umzusetzen.

DFB.de: Immer mehr Trainer machen Karriere, die selbst nie Profi waren. Wie lässt sich diese mangelnde Erfahrung ausgleichen?

Siewert: Grundsätzlich ist es bestimmt kein Nachteil, selbst als Profi Erfahrungen gesammelt zu haben. Trainer ist aber immer mehr ein Ausbildungsberuf geworden, bei dem es keine unabdingbare Voraussetzung ist, ein möglichst guter Fußballer gewesen zu sein. Ich selbst habe bis zur 4. Liga gespielt. Durch mein frühes Karriere-Ende hatte ich dann mehr Zeit, mich mit den Anforderungen des Trainerberufs zu beschäftigen und in diese Rolle hineinzuwachsen.

DFB.de: Als DFB-Stützpunktkoordinator waren Sie lange Zeit für den Fußballverband Rheinland tätig, arbeiteten außerdem als Nachwuchstrainer für den DFB. Seit dem Engagement beim West-Regionalligisten Rot-Weiss Essen ab der Saison 2015/2016 sind Sie Vereinstrainer. Welcher Job liegt Ihnen mehr?

Siewert: Beides hat seinen Reiz. Die perspektivische Tätigkeit beim Verband hat mir ebenso große Freude bereitet wie die spannende Aufgabe, möglichst gute Ergebnisse mit einem Vereinsteam zu erreichen. Meine aktuelle Arbeit beim VfL ist eine Mischung aus beiden Aspekten, liegt mir vielleicht auch deshalb besonders gut.



Mit gerade einmal 34 Jahren hat Jan Siewert, seit Saisonbeginn U 19-Trainer beim VfL Bochum sowie Co-Trainer bei den Profis, schon jede Menge Erfahrungen gesammelt. Der gebürtige Rheinländer (Mayen) war schon für den damaligen Zweitligisten TuS Koblenz, den Deutschen Fußball-Bund (DFB), den Fußballverband Rheinland sowie - erstmals als Cheftrainer - für den West-Regionalligisten Rot-Weiss Essen tätig. Mit dem Bochumer Nachwuchs mischt Siewert in der der A-Junioren-Bundesliga in der Spitzengruppe mit. Das für heute zum Rückrundenstart angesetzte Duell bei seinem Ex-Klub RWE in der West-Staffel wurde wegen schlechter Platzbedingungen abgesagt.

Im aktuellen DFB.de-Interview spricht Fußball-Lehrer Jan Siewert mit Mitarbeiter Ralf Debat über die positive Entwicklung der VfL-Junioren, die Vorteile des Bochumer Nachwuchskonzepts, seine Doppelbelastung, die Zusammenarbeit mit Cheftrainer Gertjan Verbeek und das Ruhrgebiet als neue Wahlheimat.

DFB.de: Nach Abschluss der Hinserie in der West-Staffel der A-Junioren-Bundesliga mischt die U 19 des VfL Bochum in der Spitzengruppe mit. Überrascht, Herr Siewert?

Siewert: Unser positives Abschneiden war in dieser Form ganz bestimmt nicht zu erwarten, zumal wir eine ganze Reihe von verletzungsbedingten Ausfällen zu beklagen hatten. Unser Kapitän Tom Baack fehlt schon seit Monaten mit einem Knöchelbruch. Ulrich Bapoh hat eine Schulterverletzung erlitten, Görkem Saglam einen Innenbandriss im Knie. Damit stehen uns allein drei deutsche Nationalspieler nicht zur Verfügung. Dominik Steczyk, der für Polen am Ball ist, hat gerade erst einen Schlüsselbeinbruch überwunden. Hinzu kommt, dass wir durch zahlreiche Jungjahrgänge mit einem Schnitt von 17,9 Jahren eines der jüngsten Teams überhaupt stellen. Umso bemerkenswerter ist das Auftreten der Mannschaft, die trotz ständiger Umstellungen, als Einheit funktioniert und eine sehr gute Hinrunde gespielt hat.

DFB.de: Dank der Erfolge von Schalke 04 und Borussia Dortmund in den vergangenen Jahren reicht in dieser Saison im Westen bereits erstmals der zweite Platz zur Teilnahme an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Ist das für Sie ein lohnendes Ziel?

Siewert: Eines vorweg: Wir haben nicht den Auftrag, einen bestimmten Tabellenplatz zu erreichen. Im Vordergrund steht ganz klar die persönliche Entwicklung jedes einzelnen Spielers. Dazu gehört aber auch, Ehrgeiz und Siegeswillen zu entwickeln, sowie sportlich möglichst erfolgreich zu sein. Wir werden auch in der Rückrunde versuchen, möglichst viele Spiele zu gewinnen und schauen dann, was dabei herauskommt. Sollten wir die Chance bekommen, um den Titel zu spielen, werden wir uns sicher nicht dagegen wehren.

DFB.de: Die Konkurrenz sind die Branchengrößen aus Dortmund, Gelsenkirchen und Leverkusen. Wie gelingt es dem VfL, in diesem "Konzert der Großen" mitzuspielen?

Siewert: Ich denke, dass unser Ausbildungskonzept dabei eine wesentliche Rolle spielt. Die U 19 ist beim VfL Bochum der letzte Schritt vor dem Lizenzkader. Viele Talente erhalten schon jetzt die Möglichkeit, regelmäßig bei den Profis zu trainieren, lernen dadurch jeden Tag dazu und wollen sich durch gute Leistungen weiter anbieten. Die anderen Spieler sehen, welche Chancen ihnen der Verein durch die enge Verzahnung zwischen Nachwuchs- und Profiabteilung bietet, und sind heiß darauf, es ebenfalls nach oben zu schaffen. Dieser Konkurrenzkampf treibt das gesamte Team an.

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DFB.de: Spieler wie Gökhan Gül, Maxim Leitsch oder Vangelis Pavlidis gehören ebenso wie Baack und Saglam bereits zum Profikader. Ist es vor diesem Hintergrund schwieriger, eine funktionierende Mannschaft zu formen?

Siewert: Es ist auf jeden Fall eine große Herausforderung, denn jeder Trainer möchte gerne eine eingespielte Viererkette bilden oder eine stabile Achse aufbieten. Das ist nicht leicht, wenn einige Spieler maximal das Abschlusstraining mitmachen können. Umso beachtlicher ist es, wie die Mannschaft das annimmt und auf dem Platz umsetzt.

DFB.de: Welche Spieler haben sich seit Saisonbeginn besonders gut entwickelt und bringen ebenfalls das Zeug für eine Profikarriere mit?

Siewert: Da könnte ich jetzt eine ganze Reihe aufzählen. Dass sich beispielsweise Ulrich Bapoh, Torhüter Niclas Thiede und Dominik Steczyk in den vergangenen Monaten zu U 18-Nationalspielern entwickelt haben, ist eine herausragende Leistung. Das kann sich sehen lassen und macht uns schon stolz.

DFB.de: Sie gehören auch zum Trainerteam von Gertjan Verbeek beim Zweitligakader. Wie meistern Sie diese Doppelbelastung?

Siewert: Das ist schon herausfordernd, keine Frage. Nicht selten sind drei Trainingseinheiten an einem Tag. Ich hatte mich aber ganz bewusst für diese Aufgabe entschieden, da sie extrem reizvoll und spannend ist. Außerdem hatte es meiner Frau Katrin und mir im Ruhrgebiet sehr gut gefallen. Deshalb wollte ich nach der Trennung von Rot-Weiss Essen nicht gleich wieder aus der Region abhauen, sondern zeigen, dass ich gute Arbeit leisten kann. Zum Jahreswechsel verlegen wir auch den Wohnsitz nach Bochum.

DFB.de: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Gertjan Verbeek?

Siewert: Es läuft sehr gut. Der Cheftrainer war ja schon dabei, als ich die ersten Gespräche mit unserem Sportvorstand Christian Hochstätter geführt hatte. Er verkörpert aus der holländischen Schule einen offensiven Spielstil, wir haben sofort viele Gemeinsamkeiten gefunden, waren schnell auf einer Wellenlänge und tauschen uns intensiv aus. Mit gefällt auch, dass er immer klare Kante zeigt.

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DFB.de: Seit der Abmeldung der U 23 ist die U 19 das älteste Nachwuchsteam beim VfL. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Siewert: Mein Auftrag ist es, die Spieler so gut auszubilden, dass ihnen der Sprung in den Profikader gelingt. Wahrscheinlich gibt es keinen Erst- oder Zweitligisten, bei dem die Durchlässigkeit nach oben so hoch ist, zumal unsere Profis in dieser Saison mit einer unglaublichen Verletzungsmisere zu kämpfen haben. So sind Gökhan Gül und Görkem Saglam sogar schon zu Startelfeinsätzen in der 2. Bundesliga gekommen. Das ist ein weiteres Zeichen, dass beim VfL sehr gute Nachwuchsarbeit geleistet wird.

DFB.de: Mit gerade einmal 34 Jahren haben Sie die Ausbildung zum Fußball-Lehrer schon seit 2013 hinter sich, waren bereits als Nachwuchs-, Co- und Cheftrainer tätig. Wo sehen Sie die wesentlichen Unterschieden zwischen Junioren- und Profifußball?

Siewert: Im Profifußball geht es in erster Linie um Ergebnisse und kurzfristige Erfolge. Alles ist mehr oder weniger immer auf das kommende Wochenende und das nächste Spiel ausgerichtet. Beim Nachwuchs wird dagegen perspektivisch gearbeitet, es werden allenfalls mittel- und langfristige Zielstellungen verfolgt. Gerade das habe ich während meiner Zeit beim DFB gelernt und versuche, es jetzt so gut wie möglich beim VfL umzusetzen.

DFB.de: Immer mehr Trainer machen Karriere, die selbst nie Profi waren. Wie lässt sich diese mangelnde Erfahrung ausgleichen?

Siewert: Grundsätzlich ist es bestimmt kein Nachteil, selbst als Profi Erfahrungen gesammelt zu haben. Trainer ist aber immer mehr ein Ausbildungsberuf geworden, bei dem es keine unabdingbare Voraussetzung ist, ein möglichst guter Fußballer gewesen zu sein. Ich selbst habe bis zur 4. Liga gespielt. Durch mein frühes Karriere-Ende hatte ich dann mehr Zeit, mich mit den Anforderungen des Trainerberufs zu beschäftigen und in diese Rolle hineinzuwachsen.

DFB.de: Als DFB-Stützpunktkoordinator waren Sie lange Zeit für den Fußballverband Rheinland tätig, arbeiteten außerdem als Nachwuchstrainer für den DFB. Seit dem Engagement beim West-Regionalligisten Rot-Weiss Essen ab der Saison 2015/2016 sind Sie Vereinstrainer. Welcher Job liegt Ihnen mehr?

Siewert: Beides hat seinen Reiz. Die perspektivische Tätigkeit beim Verband hat mir ebenso große Freude bereitet wie die spannende Aufgabe, möglichst gute Ergebnisse mit einem Vereinsteam zu erreichen. Meine aktuelle Arbeit beim VfL ist eine Mischung aus beiden Aspekten, liegt mir vielleicht auch deshalb besonders gut.

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DFB.de: In Essen hatten Sie einen Dreijahresvertrag unterschrieben, wurden aber nach nur zehn Monaten beurlaubt. Sitzt der Stachel der Enttäuschung noch?

Siewert: Es war auf jeden Fall eine brutal lehrreiche Erfahrung. Wohl jeder junge Trainer erlebt einmal eine solche Situation. Ich hege deshalb aber keinen Groll, habe nach wie vor zu vielen Leuten aus dem Verein noch Kontakt.

DFB.de: Was haben Sie aus der Zeit an der Hafenstraße vor allem mitgenommen?

Siewert: Ich will es mal so sagen: Um dauerhaft Erfolg zu haben, müssen in einem Verein aus meiner Sicht viele Faktoren im Einklang sein. Ist das nicht der Fall, klappt es auch nicht.

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