Sebescen: "Es waren sehr lehrreiche Tage für mich"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 14. Spieltag der Bundesliga erinnert sich der frühere Wolfsburger Zoltan Sebescen an die bewegendsten zwei Wochen seiner Karriere, die mit einem verkorksten Länderspiel begannen und drei Toren beim 4:4 gegen den HSV endeten. An das nächste Spiel gegen den HSV, auch ein 4:4, mussten wir den heute 39-Jährigen im historischen Interview erinnern…

DFB.de: Hallo, Herr Sebescen. Sie haben vor zehn Jahren ihre Karriere beenden müssen. Erhalten Sie trotzdem noch Anrufe von Reportern zum Thema Fußball?

Zoltan Sebescen: Sicherlich. Alle Jahre wieder, wenn wir gegen die Holländer spielen - und auch vor dem Spiel Wolfsburg gegen HSV.

DFB.de: Diese beiden Spiele im Winter 2000 lagen nur zwei Wochen auseinander und sind in ihrer Biographie untrennbar miteinander verwoben. Erklären Sie uns doch bitte noch mal den Zusammenhang!

Sebescen: Ich wurde im Februar 2000 nach nur acht Bundesligaspielen ja bekanntlich für das Länderspiel gegen die Holländer eingeladen. Es gab sicher nicht viele Nationalspieler, die mit noch weniger Einsätzen berufen wurden. Im Nachhinein kann man sagen: Da hätte der Bundestrainer besser noch ein paar Monate warten sollen. Aber als junger Spieler sagt man das ja nicht und sucht seine Chance.

DFB.de: Es wurde ein Reinfall für Sie…

Sebescen: Ich sollte ja eigentlich gar nicht spielen, wie ich später erfuhr. Mit dem VfL war abgesprochen, dass ich auf die Bank sollte. Aber dann habe ich wohl so gut trainiert, dass Erich Ribbeck mich doch aufstellte. Als rechter Verteidiger allerdings - und das hatte ich noch nie gespielt. Aber auch da muckt man als junger Spieler ja nicht auf.

DFB.de: Zur Pause war ihre Länderspielkarriere schon beendet, Sie waren überfordert mit der Aufgabe. Es begannen schwere Tage für Sie.

Sebescen: Zwei Wochen lang ist einiges auf mich eingeprasselt. Die Kritik war - sagen wir mal so - nicht nur positiv. Es waren sehr lehrreiche Tage für mich. Aber dann kam das HSV-Spiel, und alles beruhigte sich wieder. Der Tenor ging nun in die Richtung: "Na, so schlecht kann er ja doch nicht sein."

DFB.de: Sie haben an jenem 3. März 2000 drei Tore geschossen. Zum einzigen Mal in ihrer Karriere. Wie viel Wut war bei den Toren dabei?

Sebescen: Wut will ich nicht sagen. Aber ich wollte es mir und vielen anderen zeigen, dass die Leistung in Amsterdam nicht stellvertretend für mein Können ist. VfL-Trainer Wolfgang Wolf hatte mich aufgebaut und gab mir mein Selbstvertrauen zurück, auch die Mitspieler und die Familie haben mir geholfen.

DFB.de: Es war unabhängig von Ihrer besonderen Geschichte ein verrücktes Spiel. Kriegen Sie die Tore noch zusammen?

Sebescen: Der HSV ging 3:0 in Führung, Cardoso hat ein Tor gemacht, die anderen…

DFB.de: Mehdi Mahdavikia traf doppelt. Nach 40 Minuten stand es 0:3.

Sebescen: Und dann kam eine Flanke von rechts von Munteanu, die habe ich eingeköpft. Dann war Halbzeit.

DFB.de: Richtig. Nach Cardosos zweitem Tor schien die Sache gelaufen, zumal der VfL in bis dahin drei Bundesligajahren einen solchen Rückstand noch nie aufgeholt hatte. Aber es hatte ja auch noch kein VfLer drei Tore geschossen…

Sebescen: Richtig, ich war der Erste, das weiß ich noch. Also mein zweites war ein Schuss rechts oben ins Eck, und das dritte per Kopf hat mir wieder der Munti aufgelegt. Dann haben wir sogar noch das 4:4 gemacht, durch wen eigentlich?

DFB.de: Jürgen Rische. Aber der Held des Tages waren Sie. Wie fühlten Sie sich?

Sebescen: In erster Linie erleichtert. Es war ja wie gesagt so viel auf mich eingeprasselt, dass ich froh war, allen gezeigt zu haben, dass ich es doch besser kann.

DFB.de: Sie spielten zwar nie mehr für Deutschland, sind aber ein Jahr später nach Leverkusen gewechselt und standen 2002 im Champions-League-Finale. Wegen Ihrer Knieverletzung kamen Sie nur auf 74 Bundesligaspiele. Das 4:4 war vermutlich Ihr bestes, oder?

Sebescen: Schwer zu sagen, rein faktenmäßig sicherlich. Drei Tore habe ich ja nie mehr gemacht. Das Spiel habe ich mir jedenfalls noch öfters angesehen.

DFB.de: Dann ist Ihnen sicher auch aufgefallen, dass Sie zwei Gegentore mitverschuldet haben, wie der Kicker schrieb?

Sebescen: (lacht) Was? Das kann nicht sein. Daran kann ich mich nicht erinnern.

DFB.de: Über Ihre rechte Seite sind von Ingo Hertzsch zwei Tore vorbereitet worden.

Sebescen: Jetzt, wo Sie es sagen… Stimmt.

DFB.de: Und was wissen Sie noch über das nächste Spiel gegen den HSV? Schon sieben Monate später gab es in Wolfsburg wieder ein 4:4!

Sebescen: Habe ich da auch mitgespielt? Ehrlich, das habe ich jetzt nicht mehr parat.

DFB.de: Ja, wieder 90 Minuten im rechten Mittelfeld. Auch damals traf ein Wolfsburger dreimal. Wissen Sie das auch nicht mehr?

Sebescen: War es der Tomi Maric?

DFB.de: Nein, Johnny Akpoborie. Das erste 4:4 hatte offensichtlich etwas mehr Bedeutung für Sie…

Sebescen: Klar - und ich habe es ja auch erklärt. Manchmal denke ich, die Karriere hätte sich sonst auch in die andere Richtung entwickeln können.

DFB.de: Nun wird das Spiel wieder aufgelegt. Wem trauen Sie den Sieg zu - oder wird es gar wieder ein 4:4?

Sebescen: Das wohl nicht. Solche Ergebnisse sind sehr selten und werden immer die Ausnahme bleiben. Und das Spiel hat sich seitdem verändert, die Spieler auch. Sie sind vor allem taktisch besser geschult. Ich traue dem VfL den Sieg zu, Trainer Dieter Hecking hat meines Erachtens den richtigen Weg gefunden. Der VfL setzt auf junge Spieler und spielt richtig attraktiv.

Zoltan Sebescen war Profi bei Zweitligist Stuttgarter Kickers und spielte von 1999 bis 2003 in der Bundesliga. Verletzungsbedingt musste er seine Karriere im Alter von 29 Jahren beenden. Heute arbeitet er selbständig als Spielerberater in Stuttgart.

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 14. Spieltag der Bundesliga erinnert sich der frühere Wolfsburger Zoltan Sebescen an die bewegendsten zwei Wochen seiner Karriere, die mit einem verkorksten Länderspiel begannen und drei Toren beim 4:4 gegen den HSV endeten. An das nächste Spiel gegen den HSV, auch ein 4:4, mussten wir den heute 39-Jährigen im historischen Interview erinnern…

DFB.de: Hallo, Herr Sebescen. Sie haben vor zehn Jahren ihre Karriere beenden müssen. Erhalten Sie trotzdem noch Anrufe von Reportern zum Thema Fußball?

Zoltan Sebescen: Sicherlich. Alle Jahre wieder, wenn wir gegen die Holländer spielen - und auch vor dem Spiel Wolfsburg gegen HSV.

DFB.de: Diese beiden Spiele im Winter 2000 lagen nur zwei Wochen auseinander und sind in ihrer Biographie untrennbar miteinander verwoben. Erklären Sie uns doch bitte noch mal den Zusammenhang!

Sebescen: Ich wurde im Februar 2000 nach nur acht Bundesligaspielen ja bekanntlich für das Länderspiel gegen die Holländer eingeladen. Es gab sicher nicht viele Nationalspieler, die mit noch weniger Einsätzen berufen wurden. Im Nachhinein kann man sagen: Da hätte der Bundestrainer besser noch ein paar Monate warten sollen. Aber als junger Spieler sagt man das ja nicht und sucht seine Chance.

DFB.de: Es wurde ein Reinfall für Sie…

Sebescen: Ich sollte ja eigentlich gar nicht spielen, wie ich später erfuhr. Mit dem VfL war abgesprochen, dass ich auf die Bank sollte. Aber dann habe ich wohl so gut trainiert, dass Erich Ribbeck mich doch aufstellte. Als rechter Verteidiger allerdings - und das hatte ich noch nie gespielt. Aber auch da muckt man als junger Spieler ja nicht auf.

DFB.de: Zur Pause war ihre Länderspielkarriere schon beendet, Sie waren überfordert mit der Aufgabe. Es begannen schwere Tage für Sie.

Sebescen: Zwei Wochen lang ist einiges auf mich eingeprasselt. Die Kritik war - sagen wir mal so - nicht nur positiv. Es waren sehr lehrreiche Tage für mich. Aber dann kam das HSV-Spiel, und alles beruhigte sich wieder. Der Tenor ging nun in die Richtung: "Na, so schlecht kann er ja doch nicht sein."

DFB.de: Sie haben an jenem 3. März 2000 drei Tore geschossen. Zum einzigen Mal in ihrer Karriere. Wie viel Wut war bei den Toren dabei?

Sebescen: Wut will ich nicht sagen. Aber ich wollte es mir und vielen anderen zeigen, dass die Leistung in Amsterdam nicht stellvertretend für mein Können ist. VfL-Trainer Wolfgang Wolf hatte mich aufgebaut und gab mir mein Selbstvertrauen zurück, auch die Mitspieler und die Familie haben mir geholfen.

DFB.de: Es war unabhängig von Ihrer besonderen Geschichte ein verrücktes Spiel. Kriegen Sie die Tore noch zusammen?

Sebescen: Der HSV ging 3:0 in Führung, Cardoso hat ein Tor gemacht, die anderen…

DFB.de: Mehdi Mahdavikia traf doppelt. Nach 40 Minuten stand es 0:3.

Sebescen: Und dann kam eine Flanke von rechts von Munteanu, die habe ich eingeköpft. Dann war Halbzeit.

DFB.de: Richtig. Nach Cardosos zweitem Tor schien die Sache gelaufen, zumal der VfL in bis dahin drei Bundesligajahren einen solchen Rückstand noch nie aufgeholt hatte. Aber es hatte ja auch noch kein VfLer drei Tore geschossen…

Sebescen: Richtig, ich war der Erste, das weiß ich noch. Also mein zweites war ein Schuss rechts oben ins Eck, und das dritte per Kopf hat mir wieder der Munti aufgelegt. Dann haben wir sogar noch das 4:4 gemacht, durch wen eigentlich?

DFB.de: Jürgen Rische. Aber der Held des Tages waren Sie. Wie fühlten Sie sich?

Sebescen: In erster Linie erleichtert. Es war ja wie gesagt so viel auf mich eingeprasselt, dass ich froh war, allen gezeigt zu haben, dass ich es doch besser kann.

DFB.de: Sie spielten zwar nie mehr für Deutschland, sind aber ein Jahr später nach Leverkusen gewechselt und standen 2002 im Champions-League-Finale. Wegen Ihrer Knieverletzung kamen Sie nur auf 74 Bundesligaspiele. Das 4:4 war vermutlich Ihr bestes, oder?

Sebescen: Schwer zu sagen, rein faktenmäßig sicherlich. Drei Tore habe ich ja nie mehr gemacht. Das Spiel habe ich mir jedenfalls noch öfters angesehen.

DFB.de: Dann ist Ihnen sicher auch aufgefallen, dass Sie zwei Gegentore mitverschuldet haben, wie der Kicker schrieb?

Sebescen: (lacht) Was? Das kann nicht sein. Daran kann ich mich nicht erinnern.

DFB.de: Über Ihre rechte Seite sind von Ingo Hertzsch zwei Tore vorbereitet worden.

Sebescen: Jetzt, wo Sie es sagen… Stimmt.

DFB.de: Und was wissen Sie noch über das nächste Spiel gegen den HSV? Schon sieben Monate später gab es in Wolfsburg wieder ein 4:4!

Sebescen: Habe ich da auch mitgespielt? Ehrlich, das habe ich jetzt nicht mehr parat.

DFB.de: Ja, wieder 90 Minuten im rechten Mittelfeld. Auch damals traf ein Wolfsburger dreimal. Wissen Sie das auch nicht mehr?

Sebescen: War es der Tomi Maric?

DFB.de: Nein, Johnny Akpoborie. Das erste 4:4 hatte offensichtlich etwas mehr Bedeutung für Sie…

Sebescen: Klar - und ich habe es ja auch erklärt. Manchmal denke ich, die Karriere hätte sich sonst auch in die andere Richtung entwickeln können.

DFB.de: Nun wird das Spiel wieder aufgelegt. Wem trauen Sie den Sieg zu - oder wird es gar wieder ein 4:4?

Sebescen: Das wohl nicht. Solche Ergebnisse sind sehr selten und werden immer die Ausnahme bleiben. Und das Spiel hat sich seitdem verändert, die Spieler auch. Sie sind vor allem taktisch besser geschult. Ich traue dem VfL den Sieg zu, Trainer Dieter Hecking hat meines Erachtens den richtigen Weg gefunden. Der VfL setzt auf junge Spieler und spielt richtig attraktiv.

Zoltan Sebescen war Profi bei Zweitligist Stuttgarter Kickers und spielte von 1999 bis 2003 in der Bundesliga. Verletzungsbedingt musste er seine Karriere im Alter von 29 Jahren beenden. Heute arbeitet er selbständig als Spielerberater in Stuttgart.