Schwerhörig erfolgreich: Ollerts andere Fußballwelt

DFB.de: Ist der frühere Mainzer Profi Stefan Markolf ein Vorbild für Sie?

Ollert: Auf jeden Fall. Stefan Markolf hat mir die wichtige Bestätigung gegeben, dass ich es auch trotz meines Handicaps schaffen kann. Ich hatte ihm sogar 2009 persönlich geschrieben, dass ich auch Profi werden will. Natürlich habe ich aber noch immer Vorbilder, deren Leistungen ich nun als Nächstes anstreben werde.

DFB.de: Aktuell besuchen Sie die 11. Klasse des Gisela-Gymnasiums in Schwabing. Wie wichtig ist das Abitur für Sie?

Ollert: Sehr wichtig, ich will mein Abitur schaffen und bin daher auch für die Kooperationsbereitschaft und das Verständnis der Schule sowie meiner Mitschüler sehr dankbar.

DFB.de: Sie haben bereits eine eigene Wohnung in München bezogen. Wie kommt es, dass Sie in einem so jungen Alter schon so selbstständig sind?

Ollert: Ich habe immer meine Ziele vor Augen, möchte sie auch erreichen und hart dafür arbeiten. Dazu gehören auch Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein.

DFB.de: Glauben Sie, dass Sie für andere Vereine wegen Ihrer Gehörlosigkeit nicht interessant waren?

Ollert: Das kann ich nicht einschätzen. Ich kann mir schon vorstellen, dass es vielleicht Berührungsängste gab. Aber ich bin froh, dass sich auf jeden Fall ein Verein getraut hat.

DFB.de: Wann und wie sind Sie zur SpVgg Unterhaching gekommen?

Ollert: Der Verein hatte mich bei einem Regionalvergleich des Bayerischen Fußballverbandes BFV in Oberhaching beobachtet. Dort wurde auch mein Vater angesprochen.

DFB.de: Gibt es noch einen anderen Verein, dem Sie die Daumen drücken?

Ollert: Den Jungs und Mädels der JFG Ammertal, die ich noch gerne und oft besuche, sowie dem FC Bad Kohlgrub-Ammertal, dessen Spiele ich mir in meiner Freizeit anschaue. Natürlich aber auch den deutschen Champions-League-Teams, die sich hoffentlich weiterhin gut schlagen.

DFB.de: Wie lauten Ihre Ziele für die nächsten Jahre?

Ollert: Neben meinem Abitur möchte ich sportlich in der laufenden Saison mit den A-Junioren in die Bundesliga Süd/Südwest aufsteigen und darüber hinaus in den nächsten Jahren an meinen fußballerischen Fähigkeiten arbeiten, indem ich mir möglichst viele Trainingseinheiten und Spielzeiten in der ersten Mannschaft sichern kann.

[mspw]


Stellen Sie sich vor: In einem Fußballspiel fällt kurz vor dem Ende der entscheidende Treffer. Grenzenloser Jubel auf dem Platz, die Emotionen auf den Tribünen sind fast greifbar. Und derjenige, der davon am wenigsten mitbekommt, ist der Torschütze selbst. In eine solche Situation könnte Simon Ollert geraten, der vor wenigen Tagen beim Drittligisten SpVgg Unterhaching einen Profivertrag unterschrieb.

Was bei seinem Drittliga-Debüt gegen Arminia Bielefeld (1:3) am 16. September noch die wenigsten wussten: Der 17 Jahre alte Stürmer, der eigentlich noch zum Kader der A-Junioren gehört, ist von Geburt an auf beiden Ohren taub. "Es war für mich ein sehr bewegender Moment, das erste Mal im Profifußball aufzulaufen und es hat mir Appetit auf mehr gemacht", beschreibt der Angreifer, der nach Stefan Markolf (früher FSV Mainz 05) erst der zweite gehörlose Fußballprofi in Deutschland ist und so bundesweit in die Schlagzeilen kam.

So schwer ihn das Schicksal traf, so bemerkenswert offen geht Simon Ollert, den Hachings Präsident und Ex-Nationalspieler Manfred Schwabl nicht von ungefähr als "Willensspieler" bezeichnet, mit seinem Handicap in der Öffentlichkeit um. Wie er ein Fußballspiel wahrnimmt, wie wichtig Mimik und Gestik für ihn sind, wie er vor Jahren selbst Kontakt zu Stefan Markolf aufgenommen hat und in welchen Momenten er seine Hörgeräte abschaltet, erzählt der Stürmer dem Journalisten Dominik Sander im aktuellen DFB.de-Interview.

DFB.de: Sie stehen als gehörloser Fußballer nach Ihrem Sprung in den Profibereich aktuell besonders im Fokus. Ist das für Sie eine kleine Last, Herr Ollert?

Simon Ollert: Nein, bislang komme ich ganz gut damit klar. Ich gebe zu: Als Motivation habe ich mich im Vorfeld mit der Situation das eine oder andere Mal gedanklich schon auseinandergesetzt. Nun muss ich sagen, dass es mir überraschend viel gebracht hat, so damit lockerer umzugehen.

DFB.de: Sind Sie von Geburt an auf beiden Ohren taub?

Ollert: Ja, mit etwa eineinhalb Jahren wurde es erkannt.

DFB.de: Wie viel Prozent hören Sie jetzt?

Ollert: Bei Tests hatte ich unterschiedliche Ergebnisse in der Ermittlung des prozentualen Hörverlustes, die sich zwischen 96 und 99 Prozent befanden. Mit der Hilfe von Hörgeräten komme ich zurecht, kann es aber nicht exakt in Prozent ausdrücken. Wie gut ich verstehe, hängt immer von meinem Umfeld ab. Ich lese - vor allem wenn es um mich herum ziemlich laut zugeht - auch viel von den Lippen ab.

DFB.de: Wann haben Sie Ihr erstes Hörgerät bekommen?

Ollert: Schon mit 20 Monaten habe ich analoge Hörhilfen getragen, mittlerweile besitze ich sehr gute volldigitale Geräte, mit denen ich sehr zufrieden bin.

DFB.de: Wie haben Sie Sprechen, Lesen und Schreiben gelernt?

Ollert: Sprechen wurde mir durch meine Mutter beigebracht, die mit mir in Hingabe und Geduld geübt hat. Das war die Voraussetzung, um in die örtlichen Kindergärten und Schulen zu kommen. Dort habe ich im Regelunterricht das Lesen und Schreiben gelernt. Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Dort war vieles kleiner und einfacher, aber ich war natürlich auch ein Exot.

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DFB.de: Beschreiben Sie doch mal ein Fußballspiel aus Ihrer Sicht?

Ollert: Dadurch, dass mich meine Gehörlosigkeit beeinträchtigt, beobachte ich das Spiel viel genauer. Ich lebe sozusagen in meiner eigenen Welt und nehme das Fußballspiel manchmal auch anders wahr.

DFB.de: Achten Sie beispielsweise mehr auf Mimik und Gestik?

Ollert: Ja, ich kann definitiv sagen, dass ich davon abhängig bin.

DFB.de: Hören Sie, wenn Sie im Spiel ein Tor erzielen?

Ollert: Ja. Je lauter die Zuschauer sind, umso besser. Aber ich nehme nur die Geräusche wahr und nicht das, was sie rufen. Allerdings gab es schon mal ein Spiel, bei dem ich wegen starken Regens keine Hörgeräte tragen konnte. Als ich ein Tor geschossen habe, war es komplett still um mich herum, was mich im ersten Moment schon sehr verwirrt hat.

DFB.de: Wie sehr wird Rücksicht auf Ihre Gehörlosigkeit genommen?

Ollert: In meinem Verein nimmt jeder Rücksicht auf mich. Auch die Schiedsrichter sind sehr verständnisvoll, wenn sie vor dem Spiel beziehungsweise bei meiner Einwechslung von meiner Gehörlosigkeit erfahren. In der Jugend habe ich die Unparteiischen bei der Passkontrolle oder vor Spielbeginn selbst darauf hingewiesen. Schließlich kann es passieren, dass ich einen Pfiff nicht höre. Jetzt in Unterhaching übernehmen es in der Regel die Trainer und Betreuer.

DFB.de: Sind Sie in der Schule oder auf dem Fußballplatz wegen Ihres Handicaps häufig aufgezogen worden?

Ollert: Mit dieser Situation musste ich von klein auf lernen umzugehen. In der Schule, aber auch auf dem Fußballplatz. Bisweilen gibt es eine emotionale Situation im Vorfeld, bei der mein Handicap als Zielscheibe funktioniert. Diese Menschen werden natürlich nicht mehr mein bester Freund, aber ich habe mir angewöhnt, darauf auf keinen Fall mit Aggressionen zu reagieren. Ich habe vielmehr Mitleid mit ihrer unfähigen Art, mit Problemen umzugehen. Diese Betrachtung der Situation hilft mir immer wieder.

DFB.de: Gibt es im Spiel auch Situationen, in der Ihr Handicap vielleicht ein Vorteil sein kann?

Ollert: Natürlich, zum Beispiel beim Elfmeterschießen oder in Situationen, in denen ich volle Konzentration benötige. Dann schalte ich gern mal meine Hörgeräte ab. Ich bin aber auch der Überzeugung, dass ich in der visuellen Wahrnehmung Vorteile besitze und dadurch sensibler bin, Räume und Situationen früher zu erkennen.

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DFB.de: Ist der frühere Mainzer Profi Stefan Markolf ein Vorbild für Sie?

Ollert: Auf jeden Fall. Stefan Markolf hat mir die wichtige Bestätigung gegeben, dass ich es auch trotz meines Handicaps schaffen kann. Ich hatte ihm sogar 2009 persönlich geschrieben, dass ich auch Profi werden will. Natürlich habe ich aber noch immer Vorbilder, deren Leistungen ich nun als Nächstes anstreben werde.

DFB.de: Aktuell besuchen Sie die 11. Klasse des Gisela-Gymnasiums in Schwabing. Wie wichtig ist das Abitur für Sie?

Ollert: Sehr wichtig, ich will mein Abitur schaffen und bin daher auch für die Kooperationsbereitschaft und das Verständnis der Schule sowie meiner Mitschüler sehr dankbar.

DFB.de: Sie haben bereits eine eigene Wohnung in München bezogen. Wie kommt es, dass Sie in einem so jungen Alter schon so selbstständig sind?

Ollert: Ich habe immer meine Ziele vor Augen, möchte sie auch erreichen und hart dafür arbeiten. Dazu gehören auch Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein.

DFB.de: Glauben Sie, dass Sie für andere Vereine wegen Ihrer Gehörlosigkeit nicht interessant waren?

Ollert: Das kann ich nicht einschätzen. Ich kann mir schon vorstellen, dass es vielleicht Berührungsängste gab. Aber ich bin froh, dass sich auf jeden Fall ein Verein getraut hat.

DFB.de: Wann und wie sind Sie zur SpVgg Unterhaching gekommen?

Ollert: Der Verein hatte mich bei einem Regionalvergleich des Bayerischen Fußballverbandes BFV in Oberhaching beobachtet. Dort wurde auch mein Vater angesprochen.

DFB.de: Gibt es noch einen anderen Verein, dem Sie die Daumen drücken?

Ollert: Den Jungs und Mädels der JFG Ammertal, die ich noch gerne und oft besuche, sowie dem FC Bad Kohlgrub-Ammertal, dessen Spiele ich mir in meiner Freizeit anschaue. Natürlich aber auch den deutschen Champions-League-Teams, die sich hoffentlich weiterhin gut schlagen.

DFB.de: Wie lauten Ihre Ziele für die nächsten Jahre?

Ollert: Neben meinem Abitur möchte ich sportlich in der laufenden Saison mit den A-Junioren in die Bundesliga Süd/Südwest aufsteigen und darüber hinaus in den nächsten Jahren an meinen fußballerischen Fähigkeiten arbeiten, indem ich mir möglichst viele Trainingseinheiten und Spielzeiten in der ersten Mannschaft sichern kann.