Schweden will Olympia-Gold: "Wir sind bereit fürs Finale"

Triumph vor Augen des schwedischen Königspaars

Im Halbfinale musste Gastgeber Brasilien vor über 70.000 Fans im Maracana-Stadion dran glauben. Trotz eines Sturmlaufes mit 33:3 Schüssen. Endstation blieb immer wieder die 33-jährige Lindahl, die seit 2015 in London beim englischen Meister FC Chelsea zwischen den Pfosten steht. "Ich habe meine Hausaufgaben gemacht", meinte sie später cool zu den zwei gehaltenen Elfern. "Die Fans waren gegen uns. Ich habe mich aber nicht unter Druck gesetzt gefühlt, sondern besonders motiviert in diesem unglaublichen Umfeld. Letztendlich ist es ein Zweikampf zwischen mir und der Schützin. Wenn man die Geräuschkulisse ignoriert oder sich zumindest nicht davon aus dem Konzept bringen lässt, ist ein Elfmeterschießen eine tolle Sache."

Nach der Partie hatte Lindahl voller Stolz dem schwedischen Königspaar zugewunken. König Carl Gustav nämlich war mit Königin Silvia aus Stockholm nach Rio gereist, um einige Wettkämpfe zu sehen. Da kam der Auftritt der Tre Kronor im Maracana gerade recht. "Der König darf nach dem Finale gerne auch in die Kabine kommen", meinte Lindahl jovial. Der royale Besuch war übrigens nicht angekündigt, wie Sundhage selbst völlig überrascht bestätigte.

Dahlkvist entscheidet beide Elfmeterschießen

Die entscheidende Elfmeterschützin war, wie schon gegen die USA, Lisa Dahlkvist. Sie verwandelte eiskalt, besiegelte so den Endstand von 4:3, der das Maracana zum Schweigen brachte. Ein ganz persönlicher Triumph im 115. Länderspiel, den Dahlquist sofort mit dem Team teilte. "Wir wussten, dass unser Team sehr weit kommen kann", sagt sie. "Wir arbeiten so lange zusammen, verbreiten positive Energie und haben das jetzt in dieser Art von Spiel mit viel Willen und Herz bewiesen. Deshalb hat mir auch das Elfmeterschießen keinen Druck verursacht, sondern einfach nur viel Spaß. Ich fühlte mich ziemlich sicher, zumal Hedvig im Tor eine sehr kompetente Leistung abgeliefert hat."

Kapitänin der Tre Kronor ist Caroline Seger (31). Die Mittelfeldspielerin mit 156 Länderspielen steht bei Paris Saint-Germain unter Vertrag, ist damit eine Teamgefährtin von Anja Mittag. Nilla Fischer erwartet ebenfalls ein Vereinsduell. Die Abwehrchefin, deren Kopfballstärke bei Standards auch DFB-Keeperin Almuth Schult bekannt ist, hält alltags auch beim VfL Wolfsburg hinten den Laden zusammen. Ein direktes Duell also mit VfL-Teamkollegin Alexandra Popp ist wahrscheinlich. Für die Schwedin wird das Finale zu einem Jubiläumsspiel: Fischer streift zum 150. Mal das Trikot der Tre Kronor über. Nach Wolfsburg wechselte Fischer, lange Jahre Kapitänin im Nationalteam, zur Saison 2013/2014.

Deutschland-Erfahrung hat auch die quirlige Sofia Jakobsson. Die 26 Jahre alte Mittelfeldakteurin (75 Länderspiele) wechselte 2011 von Umea IK nach Russland zu WFC Rossiyanka in die Nähe von Moskau. Sie spielte 2013/2014 beim BV Cloppenburg. Nach dem Abstieg aus der Bundesliga ging sie 2014 zu HSC Montpellier Herault nach Frankreich. Für alle gilt: Sie kennen die Deutschen gut, sie kennen auch die Negativserie gegen die DFB-Frauen nur zu gut - und wollen sie heute im Maracana ausgerechnet im Olympia-Finale beenden.

[rh]


Schweden musste eine Extrarunde drehen, um sich überhaupt für Rio 2016 zu qualifizieren - das Achtelfinal-Aus bei der WM 2015 in Kanada nach dem 1:4 gegen Deutschland reichte dafür nicht. Beim Qualifikationsturnier im März dieses Jahres in den Niederlanden gegen die Gastgeberinnen, die Schweiz und Norwegen wurde das Ticket auf den letzten Drücker gelöst. Es hat sich gelohnt: Heute (ab 22.30 Uhr, live im ZDF) spielt Schweden im Finale des Olympischen Frauenfußballturniers im Klassiker gegen den Dauerrivalen aus Deutschland. Einer, bei dem Schweden im Regelfall und immer bei Olympia den Kürzeren zieht, wie die Geschichte der deutsch-schwedischen Duelle zeigt. DFB.de stellt den deutschen Endfspielgegner vor.

2003 im WM-Finale von Carson nahe Los Angeles machte Nia Künzers Kopfballtreffer in der Verlängerung (98.) den Unterschied. 2001 beim EM-Finale in Ulm netzte Claudia Müller ebenfalls in der 98. Minute zum 1:0 ein. 1995 beim EM-Finale in Kaiserslautern gab es ein knappes deutsches 3:2. 2013 musste sich Schweden im EM-Halbfinale im eigenen Land mit 0:1 geschlagen geben. Dzsenifer Maroszans traf für den Angstgegner, der auch 2015 im WM-Achtelfinale mit 4:1 die Oberhand behielt. Einen großen schwedischen Erfolg gab es, er fiel mit 4:0 deutlich aus - 1991 bei der ersten WM in China im Spiel um Platz drei im Tianhe-Stadion von Guangzhou.

Schelin: "Es wird Zeit, die Regel zu durchbrechen"

Daran erinnert sich aber kaum mehr jemand. "Es wird Zeit, dass wir diese Regel - "Deutschland gewinnt immer" - jetzt durchbrechen", kündigt denn auch Lotta Schelin. Um deutlich zu sagen: "Diese verdammte Scheißregel." Schwedens Starstürmerin, gerade erst im Winter von Olympique Lyon zum FC Rosengard nach Malmö gewechselt, will jetzt endlich Gold. Schelin ist das Maß aller Dinge, wenngleich die schnelle Stürmerin möglicherweise ihren Zenit bereits überschritten hat. Gleichwohl ist sie mit 85 Toren aus 170 Länderspielen Schwedens Rekordschützin und Superstar und löste damit die heutige Trainerin Pia Sundhage (71 Treffer) ab.

Fünfmal gewann Schelin den Diamantbollen als Schwedens Fußballerin des Jahres, so oft wie keine andere Spielerin. Mit Lyon holte sie drei Champions-League-Titel, sieben Meisterschaften und vier Pokalsiege. Insgesamt traf sie in Lyon öfter, als sie spielte: 225 Tore in 223 Partien sind eine sensationelle Ausbeute für die inzwischen 32 Jahre alte Stürmerin.

Man könnte das jetzige Olympiafinale zwischen Schweden und Deutschland aber auch auf ein Duell der Trainerinnen reduzieren: Pia Sundhage gegen Silvia Neid. Beide waren jahrelang die dominierenden Spielerinnen ihres Landes, beendeten ihre aktiven Karrieren 1996 bei Olympia in Atlanta, um danach als Trainerinnen zu arbeiten. Sundhage zunächst in Vereinen. 2007 ging sie als Co-Trainerin von Marika Domanski-Lyfors nach China und wurde 2008 Cheftrainerin der USA, ehe sie Ende 2012 Schweden übernahm. Ihr Vertrag läuft bis Ende des Jahres.

###more###

Sundhage: Matchwinnerin bei Schwedens einzigem Titel

Als Spielerin feierte die 56-Jährige 1984 mit dem EM-Titel ihren größten Erfolg und war maßgeblich am Triumph gegen England, damals noch in Hin- und Rückspiel, beteiligt. Sie erzielte das 1:0 im ersten Duell in Göteborg und verwandelte nach dem 0:1 im Rückspiel in Luton im entscheidenden Elfmeterschießen den letzten Strafstoß zum Sieg.

Vier Jahre später ehrte die schwedische Post die Spielerin mit einer Briefmarke. 1975 hatte Sundhage mit gerade einmal 15 Jahren ihr Debüt in der Nationalelf gegeben, bestritt insgesamt 146 Länderspiele, was lange die Rekordmarke blieb. Mit dem Kicken begonnen hatte die in Ulricehamn geborene Sundhage im Kindesalter. Weil damals Fußball für Mädchen noch nicht wirklich angesagt war, begann sie mit einem Jungennamen: Pelle.

Nun, nach dem Halbfinaltriumph im legendären Maracana gegen Brasilien, trug Sundhage ein Sweatshirt: "Olympischer Medaillengewinner" stand darauf in großen Lettern geschrieben. Nur die Farbe des Edelmetalls ist noch offen. Aber es ist in jedem Fall ein historischer Triumph für den schwedischen Frauenfußball, der auf der Weltbühne noch auf Gold wartet. So stellte das Sundhage auch völlig unaufgeregt im schwedischen Fernsehen fest.

Rio 2016: USA und Brasilien ausgeschaltet

Mit ihrer extremen Defensivtaktik und einzelnen Nadelstichen hatte sie vor Brasilien schon die USA zur Verzweiflung gebracht. "Es ist ein spannender Weg, den ich so vorher nicht gedacht habe, aber es wird die gleiche Taktik auch im Finale geben", kündigte die Trainerin ihr Rezept auch fürs Finale an. Zwei kompakte Defensivketten, die sehr gut verschieben, und vorne als Spitze die junge Stina Blackstenius, unterstützt von der nachrückenden Schelin. "Unsere Taktik macht vielleicht nicht nur Spaß, aber sie ist gut", so Sundhage. "Jeder hilft jedem im Team. Ich bin beeindruckt von meinen Mädels. Wir haben geschafft, was niemand zuvor geglückt ist, nämlich die USA nach Hause zu schicken und selbst ins Finale einzuziehen. Ich finde kaum passende Worte dafür. Es ist Chaos, Friede und Glück, alles zusammen. Wir sind bereit fürs Finale."

Schon 2008 in Peking - damals als US-Coach - hatte Sundhage eine defensive Kontertaktik beim 1:0 gegen Brasilien im olympischen Finale erfolgreich angewandt. Ende 2012 nach dem zweiten Olympiagold aus den USA in ihr Heimatland zurückgekehrt, folgte sie mit ihrem Charisma auf den eher soliden Thomas Dennerby und feiert nun ihren ersten Riesenerfolg. "You Make My Dreams" von dem amerikanischen Duo Daryl Hall und John Oates aus den 80er-Jahren erklang jetzt aus der schwedischen Kabine im Maracana - typisch für Pia Sundhage mit ihrem Faible für Musik. Das US-Nationalteam, bei dem sie sich einst mit Bob Dylans "The times they are a changing" gesanglich und auf der Gitarre eingeführt hatte, schenkte ihr damals zum Abschied natürlich eine Gitarre.

###more###

"Musik ist Leben": Sundhages zweite große Leidenschaft

Sundhages musikalische Ausbrüche sind längst Kult. Auch daheim in Schweden musiziert sie gerne, sogar in einer Band. 1989, als Gastgeber Deutschland erstmals Europameister wurde und alle vier Teams (Deutschland, Norwegen, Schweden und Italien) noch gemeinsam feierten, holte sie am offiziellen Bankett auf Schloss Hohensyburg ihre Gitarre hervor und löste mit ihren Mitspielerinnen mal eben die angeheuerte Profiband ab, die zum Dinner gespielt hatte. "Musik ist Leben", erklärte Sundhage einmal in einer schwedischen Radiostation. "Ich kann mich in verschiedenen Bedingungen setzen und wähle die passende Musik dazu aus. Musik bedeutet verschiedene Dinge für mich, abhängig von der Zeit, der Umwelt und den Umständen. Ich habe nicht nur Musik im Hintergrund, sondern setze Kopfhörer auf, schließe die Augen und höre auf die Nuancen."

Als Fußballtrainerin arbeite sie ein wenig wie ein Dirigent in einem Orchester. "Wir spielen das gleiche Spiel mit der gleichen Idee und dem gleichen Rahmen", sagt sie. Sundhage hält gerne lange an Bewährtem fest, erneuert ihren Kader nur zögerlich mit Talenten. Was in den vergangenen Jahren für allerhand Kritik sorgte, zumal die großen Erfolge erst mal auf sich warten ließen. Jetzt sind aus einer neuen Generation neben der 20-jährigen Stina Blackstenius vor allem Fridolina Rolfö, Jonna Andersson, Magdalena Eriksson, Elin Rubinsson und Jessica Samuelsson zu nennen.

Vom 1:5 gegen Brasilien gut erholt

Als die Schwedinnen sich nach dem 1:0-Auftaktsieg über Südafrika am zweiten Spieltag der Gruppe E von der energiegeladenen Seleção vorgeführt wurden und 1:5 untergingen, machten sie im Anschluss ihre Abwehr mithilfe ihrer Torfrau dicht. Gegen China spielte Schweden 0:0. In der K.o.-Runde setzte das Team sich zweimal im Elfmeterschießen durch. Vor Brasilien elimierten die Skandinavierinnen die USA, schickten also den Weltranglistenersten, Weltmeister und viermaligen Olympiasieger nach Hause.

Mit diesem historischen Sieg im Viertelfinale war Sundhage mehr als zufrieden. Besonders mit dem Auftritt ihrer Hedvig Lindahl als ruhendem Pol mit der Erfahrung von mittlerweile 127 Länderspielen, die sie in 14 Jahren angesammelt hat. "Ich freue mich über das Vertrauen, das Pia in mich setzt", sagt die Torhüterin, die im Halbfinale erneut eine Matchwinnerin wurde. "Dieses Vertrauen ist bei unserer Taktik, den Gegner kommen zu lassen und auf Konterchancen zu lauern, besonders wichtig. Der Erfolg ist Verdienst der gesamten Mannschaft. Um so spielen zu können, müssen wir genau wissen, was wir wollen."

###more###

Triumph vor Augen des schwedischen Königspaars

Im Halbfinale musste Gastgeber Brasilien vor über 70.000 Fans im Maracana-Stadion dran glauben. Trotz eines Sturmlaufes mit 33:3 Schüssen. Endstation blieb immer wieder die 33-jährige Lindahl, die seit 2015 in London beim englischen Meister FC Chelsea zwischen den Pfosten steht. "Ich habe meine Hausaufgaben gemacht", meinte sie später cool zu den zwei gehaltenen Elfern. "Die Fans waren gegen uns. Ich habe mich aber nicht unter Druck gesetzt gefühlt, sondern besonders motiviert in diesem unglaublichen Umfeld. Letztendlich ist es ein Zweikampf zwischen mir und der Schützin. Wenn man die Geräuschkulisse ignoriert oder sich zumindest nicht davon aus dem Konzept bringen lässt, ist ein Elfmeterschießen eine tolle Sache."

Nach der Partie hatte Lindahl voller Stolz dem schwedischen Königspaar zugewunken. König Carl Gustav nämlich war mit Königin Silvia aus Stockholm nach Rio gereist, um einige Wettkämpfe zu sehen. Da kam der Auftritt der Tre Kronor im Maracana gerade recht. "Der König darf nach dem Finale gerne auch in die Kabine kommen", meinte Lindahl jovial. Der royale Besuch war übrigens nicht angekündigt, wie Sundhage selbst völlig überrascht bestätigte.

Dahlkvist entscheidet beide Elfmeterschießen

Die entscheidende Elfmeterschützin war, wie schon gegen die USA, Lisa Dahlkvist. Sie verwandelte eiskalt, besiegelte so den Endstand von 4:3, der das Maracana zum Schweigen brachte. Ein ganz persönlicher Triumph im 115. Länderspiel, den Dahlquist sofort mit dem Team teilte. "Wir wussten, dass unser Team sehr weit kommen kann", sagt sie. "Wir arbeiten so lange zusammen, verbreiten positive Energie und haben das jetzt in dieser Art von Spiel mit viel Willen und Herz bewiesen. Deshalb hat mir auch das Elfmeterschießen keinen Druck verursacht, sondern einfach nur viel Spaß. Ich fühlte mich ziemlich sicher, zumal Hedvig im Tor eine sehr kompetente Leistung abgeliefert hat."

Kapitänin der Tre Kronor ist Caroline Seger (31). Die Mittelfeldspielerin mit 156 Länderspielen steht bei Paris Saint-Germain unter Vertrag, ist damit eine Teamgefährtin von Anja Mittag. Nilla Fischer erwartet ebenfalls ein Vereinsduell. Die Abwehrchefin, deren Kopfballstärke bei Standards auch DFB-Keeperin Almuth Schult bekannt ist, hält alltags auch beim VfL Wolfsburg hinten den Laden zusammen. Ein direktes Duell also mit VfL-Teamkollegin Alexandra Popp ist wahrscheinlich. Für die Schwedin wird das Finale zu einem Jubiläumsspiel: Fischer streift zum 150. Mal das Trikot der Tre Kronor über. Nach Wolfsburg wechselte Fischer, lange Jahre Kapitänin im Nationalteam, zur Saison 2013/2014.

Deutschland-Erfahrung hat auch die quirlige Sofia Jakobsson. Die 26 Jahre alte Mittelfeldakteurin (75 Länderspiele) wechselte 2011 von Umea IK nach Russland zu WFC Rossiyanka in die Nähe von Moskau. Sie spielte 2013/2014 beim BV Cloppenburg. Nach dem Abstieg aus der Bundesliga ging sie 2014 zu HSC Montpellier Herault nach Frankreich. Für alle gilt: Sie kennen die Deutschen gut, sie kennen auch die Negativserie gegen die DFB-Frauen nur zu gut - und wollen sie heute im Maracana ausgerechnet im Olympia-Finale beenden.

###more###