Schiedsrichter mit Pfiff: Zwillingspaar mit viel Routine

Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff!

Am International Board des Fußball-Weltverbands FIFA hat sich schon so mancher vergeblich versucht. Änderungen von Fußballregeln sind ein seltener Vorgang, die Bestimmungen sind für gewöhnlich in Stein gemeißelt. Auch Peter und Paul Gingter haben die Gralshüter des Fußballs nicht zu einem Umdenken bewegt - und doch haben sie ihre ganz eigenen Regeln aufgestellt. Ohne dafür belangt zu werden.

In den 50er- und 60er-Jahren waren die Brüder ihrer Zeit ein wenig voraus. Auswechslungen sind im Fußball erst seit 1967 erlaubt, zuvor musste eine Mannschaft eine Partie mit den elf Spieler beenden, mit denen Sie 90 Minuten zuvor den Rasen betreten hatte. Eine Ausnahme gab es für die Brüder Gingter. Nicht offiziell natürlich, faktisch sehr wohl. „Ich habe häufig nach der Pause für meinen Bruder gespielt“, erinnert sich Paul Gingter. „Die Schiedsrichter haben sich daran nie gestört.“

Zweimal 45 Minuten Vollgas

Wie sollten sie auch? Sie haben es schließlich gar nicht gemerkt. Peter und Paul Gingter sind Zwillinge, sie sehen einander so ähnlich, dass sie auf Fotos selber häufig nicht wissen, wer von beiden abgebildet ist. „Wir haben das natürlich ausgenutzt“, erzählt Peter Gingter.

Und Erstaunen geerntet. Nicht selten haben sich die Gegenspieler über die konditionellen Fähigkeiten der Gingerts gewundert: Zweimal 45 Minuten Vollgas, ohne Anzeichen von Erschöpfung, nicht wenige sind daran fast verzweifelt.

Mittlerweile liegen diese Zeiten fünf Dekaden zurück. Peter und Paul Gingter haben ihre Spielerkarrieren längst beendet, die Streiche gehören der Vergangenheit an. Brüder sind sie noch immer, ganz besondere sogar: Sie sind Deutschlands älteste Schiedsrichter-Zwillinge. 1934 erblickten sie das Licht der Welt, am 14. Juni werden sie 77 Jahr alt sein. Peter fünf Minuten eher als sein Bruder.

Seit 1963 an der Pfeife

Peter war es auch, der früher als sein Bruder Schiedsrichter wurde. Diesmal war er sogar ganze 16 Jahre schneller - er hat den Schiedsrichterschein im Jahr 1963 erworben. In der Tradition seines Vaters, denn das Pfeifen wurde den Gingters in die Wiege gelegt, schon Heinrich Gingter hat auf dem Platz gestanden und Spiele geleitet. Bis in die Oberliga West hat es der Senior gebracht.

Seine Söhne waren immer dabei. Zunächst als Kinder am Rande, später auch als Spieler auf dem Platz. Nicht selten kam es vor, dass Spiele von Peter und Paul Gingter von ihrem Vater Heinrich geleitet wurden. „Bei einem Spiel in Gustorf hat er mich sogar vom Platz gestellt“, erinnert sich Peter.

Rote Karte als Zuschauer

1979 trat Filius Nummer zwei in die Fußstapfen des Herrn Papa, bis heute haben Peter und Paul Gingter in der Addition ihrer Spiele mehr als 5000 Begegnungen gepfiffen. Und können so manche Anekdote erzählen. Zum Beispiel davon, wie bei einem Spiel zwischen Gindorf und Hemmerden ein Unwetter aufzog, sich ein Gewitter zusammenbraute und schließlich ein Blitzeinschlag das Flutlicht zerstörte.

„Zack, und es war dunkel“, erzählt Paul Gingter. „Das Spiel musste abgebrochen und wiederholt werden.“ Auch sein Bruder Peter hat viel erlebt. Gerne erzählt er eine Geschichte, die er zwar nicht als Schiedsrichter, aber erlebt hat, weil er Schiedsrichter ist. „Einmal habe ich bei einem Spiel auf dem Neuenhausener Welchenberg als Zuschauer die Rote Karte gesehen, nur weil ich „Abseits“ gerufen habe“, sagt er.

Blindes Verständnis

Und ja, ganz selten haben sie ihre Ähnlichkeit auch für ihr Hobby als Schiedsrichter genutzt. Wenn einer nicht konnte, sprang der andere ein, hin und wieder haben Sie in der Halbzeit die Rollen getauscht oder bei Hallenturnieren einander abgewechselt.

Am Liebsten aber haben sie gemeinsam auf dem Platz gestanden, als zwei Drittel eines Schiedsrichter-Gespanns. „Das war immer toll“, sagt Peter Gingter. „Wir haben uns blind verstanden“, sagt sein Bruder Paul.

So ist es noch heute. Nach wie vor sind Peter und Paul Gingter als Schiedsrichter aktiv. Peter Gingter pfeift Damen- und Jugendspiele, Paul Gingter ist in der Kreisliga C aktiv. „So lange wir fit sind, werden wir weiter auf dem Platz stehen und Spiele pfeifen“, sagen beide unisono. „Es macht ja nicht weniger Spaß, nur weil man älter wird.“

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Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff!

Am International Board des Fußball-Weltverbands FIFA hat sich schon so mancher vergeblich versucht. Änderungen von Fußballregeln sind ein seltener Vorgang, die Bestimmungen sind für gewöhnlich in Stein gemeißelt. Auch Peter und Paul Gingter haben die Gralshüter des Fußballs nicht zu einem Umdenken bewegt - und doch haben sie ihre ganz eigenen Regeln aufgestellt. Ohne dafür belangt zu werden.

In den 50er- und 60er-Jahren waren die Brüder ihrer Zeit ein wenig voraus. Auswechslungen sind im Fußball erst seit 1967 erlaubt, zuvor musste eine Mannschaft eine Partie mit den elf Spieler beenden, mit denen Sie 90 Minuten zuvor den Rasen betreten hatte. Eine Ausnahme gab es für die Brüder Gingter. Nicht offiziell natürlich, faktisch sehr wohl. „Ich habe häufig nach der Pause für meinen Bruder gespielt“, erinnert sich Paul Gingter. „Die Schiedsrichter haben sich daran nie gestört.“

Zweimal 45 Minuten Vollgas

Wie sollten sie auch? Sie haben es schließlich gar nicht gemerkt. Peter und Paul Gingter sind Zwillinge, sie sehen einander so ähnlich, dass sie auf Fotos selber häufig nicht wissen, wer von beiden abgebildet ist. „Wir haben das natürlich ausgenutzt“, erzählt Peter Gingter.

Und Erstaunen geerntet. Nicht selten haben sich die Gegenspieler über die konditionellen Fähigkeiten der Gingerts gewundert: Zweimal 45 Minuten Vollgas, ohne Anzeichen von Erschöpfung, nicht wenige sind daran fast verzweifelt.

Mittlerweile liegen diese Zeiten fünf Dekaden zurück. Peter und Paul Gingter haben ihre Spielerkarrieren längst beendet, die Streiche gehören der Vergangenheit an. Brüder sind sie noch immer, ganz besondere sogar: Sie sind Deutschlands älteste Schiedsrichter-Zwillinge. 1934 erblickten sie das Licht der Welt, am 14. Juni werden sie 77 Jahr alt sein. Peter fünf Minuten eher als sein Bruder.

Seit 1963 an der Pfeife

Peter war es auch, der früher als sein Bruder Schiedsrichter wurde. Diesmal war er sogar ganze 16 Jahre schneller - er hat den Schiedsrichterschein im Jahr 1963 erworben. In der Tradition seines Vaters, denn das Pfeifen wurde den Gingters in die Wiege gelegt, schon Heinrich Gingter hat auf dem Platz gestanden und Spiele geleitet. Bis in die Oberliga West hat es der Senior gebracht.

Seine Söhne waren immer dabei. Zunächst als Kinder am Rande, später auch als Spieler auf dem Platz. Nicht selten kam es vor, dass Spiele von Peter und Paul Gingter von ihrem Vater Heinrich geleitet wurden. „Bei einem Spiel in Gustorf hat er mich sogar vom Platz gestellt“, erinnert sich Peter.

Rote Karte als Zuschauer

1979 trat Filius Nummer zwei in die Fußstapfen des Herrn Papa, bis heute haben Peter und Paul Gingter in der Addition ihrer Spiele mehr als 5000 Begegnungen gepfiffen. Und können so manche Anekdote erzählen. Zum Beispiel davon, wie bei einem Spiel zwischen Gindorf und Hemmerden ein Unwetter aufzog, sich ein Gewitter zusammenbraute und schließlich ein Blitzeinschlag das Flutlicht zerstörte.

„Zack, und es war dunkel“, erzählt Paul Gingter. „Das Spiel musste abgebrochen und wiederholt werden.“ Auch sein Bruder Peter hat viel erlebt. Gerne erzählt er eine Geschichte, die er zwar nicht als Schiedsrichter, aber erlebt hat, weil er Schiedsrichter ist. „Einmal habe ich bei einem Spiel auf dem Neuenhausener Welchenberg als Zuschauer die Rote Karte gesehen, nur weil ich „Abseits“ gerufen habe“, sagt er.

Blindes Verständnis

Und ja, ganz selten haben sie ihre Ähnlichkeit auch für ihr Hobby als Schiedsrichter genutzt. Wenn einer nicht konnte, sprang der andere ein, hin und wieder haben Sie in der Halbzeit die Rollen getauscht oder bei Hallenturnieren einander abgewechselt.

Am Liebsten aber haben sie gemeinsam auf dem Platz gestanden, als zwei Drittel eines Schiedsrichter-Gespanns. „Das war immer toll“, sagt Peter Gingter. „Wir haben uns blind verstanden“, sagt sein Bruder Paul.

So ist es noch heute. Nach wie vor sind Peter und Paul Gingter als Schiedsrichter aktiv. Peter Gingter pfeift Damen- und Jugendspiele, Paul Gingter ist in der Kreisliga C aktiv. „So lange wir fit sind, werden wir weiter auf dem Platz stehen und Spiele pfeifen“, sagen beide unisono. „Es macht ja nicht weniger Spaß, nur weil man älter wird.“