Schiedsrichter mit Pfiff: Referee-Chor von der Alb

Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff.

Der Umgang mit einer Pfeife gehört zum Handwerk jedes Schiedsrichters. Pfeifen können sie also, so viel steht fest. Aber singen? Herbert Fandel, als Vorsitzender der Schiedsrichter-Kommission so etwas wie Deutschlands oberster Schiedsrichter, ist hauptberuflich Pianist und Leiter der Kreismusikschule Bitburg-Prüm - ansonsten ist nicht bekannt, dass Schiedsrichter zwingend über eine größere musikalische Begabung verfügen müssen als der Durchschnittsbürger.

Auch wenn der Schiedsrichterchor Zollernalb mit seinen Sangesdarbietungen anderes vermuten lässt. Richtig gelesen: der Schiedsrichterchor. Seit 1969 wird in der Schiedsrichtergruppe Hechingen am Westrand der Schwäbischen Alb musiziert. Und mehr als 600 Veranstaltungen hat der Chor seither besungen.

Mehr als 40.000 Euro aus Benefizkonzerten

Große Konzerte mit 1100 Besuchern in der Balinger Stadthalle, Festkonzerte in Gemeindehallen, Klöstern, Kirchen und Kapellen, musikalisch gestaltete Festgottesdienste und Feierstunden. Dazu zählen auch Benefiz-Konzerte für soziale und kirchliche Zwecke, für krebskranke Kinder und Lebenshilfe-Einrichtungen.

Mehr als 40.000 Euro konnte der Chor diesen Einrichtungen aus Benefizkonzerten zur Verfügung stellen. Der Gründer und Ehrenvorsitzende des Chores Josef Pfister, sowie Chorleiter Karlheinz Leis, sind auch deshalb mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Bis heute ein Unikat

Bis heute ist der Chor in seiner Entstehung und Zusammensetzung einmalig in Europa, ein Unikat, das in seinen Ursprüngen für die Schiedsrichter nicht mehr als gesellige Abwechslung und Unterhaltung bei Festivitäten innerhalb des Schiedsrichterwesens war.

„Es gab in der Schiedsrichter-Gruppe Hechingen 100 aktive Schiedsrichter. Viele von ihnen hatten einen Bezug zur Musik“, erinnert sich Hans Schwenk, der einer von fünf Gründungsmitgliedern ist, die heute noch im Chor aktiv sind. Die Idee, sich als Sangesgruppe zusammenzuschließen, kam vom heutigen Ehrenvorsitzenden Josef Pfister. „Er hat uns überredet, dass wir bei internen Feiern auftreten, an Weihnachten und so“, erzählt Schwenk.

"Vom Gesang begeistert"

Damals war noch nicht zu ahnen, welche Dimensionen und welche Qualität der Chor schnell annehmen sollte. Auftritte im Familien und Freundeskreis, darin sollte sich der Zweck des Chors erschöpfen. Weit gefehlt. „Unsere Frauen waren vom Gesang begeistert“, erzählt Schwenk, „sie wollten, dass wir weitermachen.“

Der Wunsch war Befehl. Und der Chor wuchs. Nummerisch und in seiner Bedeutung. Der Gesang gefiel nicht nur den Gattinnen, zunächst regional und später überregional sprach sich schnell herum, dass das Sammelsurium aus singenden Schiedsrichtern viel und mehr drauf hat, als Liedgut rund ums runde Leder.

Zu Gast beim Holländischen Verband

„Es haben sich dann auch Sänger gemeldet, die bei uns mitsingen wollten und keine Schiedsrichter waren“, erzählt Schwenk. Sie wurden dankbar aufgenommen. So wuchsen Qualität und Repertoire, so stiegen die musikalische Anerkennung und die Zahl der Auftritte. Zunächst blieben die Schiedsrichter bei ihrem Leisten, Auftritte ohne Bezug zum Fußball gab es anfangs nicht.

„Wir haben beim holländischen Verband gesungen“, nennt Schwenk als ein Beispiel. Jubiläen von Verbänden, Gastauftritte in Sportsendungen, Gastrollen in Imagefilmen für die Zunft der Schiedsrichter, so sah der Alltag des Schiedsrichterchors Zollernalb, der damals noch Schiedsrichterchor Hechingen hieß, Mitte und Ende der 70er-Jahre aus.

Auch international auf Tour

Immer mehr begabte Sänger traten dem Chor bei, nach und nach gewannen die Sänger aus Hechingen internationale Bedeutung. Unter der Leitung von Karlheinz Leis hat sich der Schiedsrichterchor im Laufe von drei Jahrzehnten zu einem geachteten Gesangsensemble entwickelt.

Auf Konzertreisen, mehrmals nach Frankreich und Italien, Holland, Schweiz, Österreich, Tschechien, Russland und Kanada haben sich die Sänger des Schiedsrichterchores als internationale Botschafter des Chorgesangs präsentiert. „Es waren viele beeindruckende Erlebnisse und Begegnungen dabei“, sagt Schwenk.

Besonders prägend war das Benefizkonzert für die Opfer des Amoklaufs von Winnenden am 14. Juni des vergangenen Jahres. „Keiner von uns wird dies jemals vergessen“, sagt Schwenk, „es war sehr emotional.“

Kein Etikettenschwindel

Der Schiedsrichterchor will die Leute unterhalten, er will den Menschen schöne Stunden bereiten, will sie den Alltag vergessen lassen, will mitunter Trost spenden und gemeinsam die Freude an der Musik genießen. Daran hat sich in den 41 Jahren seines Bestehens nicht geändert - geändert hat sich nur die Zusammensetzung. Mittlerweile hat das Gros der Sänger mit dem Schiedsrichterwesen nicht mehr viel zu tun, die meisten kennen die Uniform der Unparteiischen nur aus dem Fernsehen.

Etikettenschwindel ist der Schiedsrichterchor dennoch nicht. Mit Markus Kiekbusch, dem Schiedsrichter-Obmann des Kreises Tuttlingen, Robert Sauter, seinem Vorgänger in dieser Funktion, Erich Wellenzohn, Hans Schwenk, Sportrichter Hermann Streib und Gründungsmitglied Josef Pfister sind noch heute sechs Sänger im Chor aktiv, die aktuell oder durch ihre Vergangenheit unmittelbaren Bezug zum Schiedsrichterwesen haben.

Deswegen ist ein unerfüllter Traum des Chores, sein Können eines Tages bei einem Länderspiel oder einen anderen Veranstaltung des DFB beweisen zu dürfen. „Wir würden das wirklich sehr gerne machen“, sagt Kiebusch. „Wer weiß, vielleicht ergibt sich da ja mal was.“

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Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff.

Der Umgang mit einer Pfeife gehört zum Handwerk jedes Schiedsrichters. Pfeifen können sie also, so viel steht fest. Aber singen? Herbert Fandel, als Vorsitzender der Schiedsrichter-Kommission so etwas wie Deutschlands oberster Schiedsrichter, ist hauptberuflich Pianist und Leiter der Kreismusikschule Bitburg-Prüm - ansonsten ist nicht bekannt, dass Schiedsrichter zwingend über eine größere musikalische Begabung verfügen müssen als der Durchschnittsbürger.

Auch wenn der Schiedsrichterchor Zollernalb mit seinen Sangesdarbietungen anderes vermuten lässt. Richtig gelesen: der Schiedsrichterchor. Seit 1969 wird in der Schiedsrichtergruppe Hechingen am Westrand der Schwäbischen Alb musiziert. Und mehr als 600 Veranstaltungen hat der Chor seither besungen.

Mehr als 40.000 Euro aus Benefizkonzerten

Große Konzerte mit 1100 Besuchern in der Balinger Stadthalle, Festkonzerte in Gemeindehallen, Klöstern, Kirchen und Kapellen, musikalisch gestaltete Festgottesdienste und Feierstunden. Dazu zählen auch Benefiz-Konzerte für soziale und kirchliche Zwecke, für krebskranke Kinder und Lebenshilfe-Einrichtungen.

Mehr als 40.000 Euro konnte der Chor diesen Einrichtungen aus Benefizkonzerten zur Verfügung stellen. Der Gründer und Ehrenvorsitzende des Chores Josef Pfister, sowie Chorleiter Karlheinz Leis, sind auch deshalb mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Bis heute ein Unikat

Bis heute ist der Chor in seiner Entstehung und Zusammensetzung einmalig in Europa, ein Unikat, das in seinen Ursprüngen für die Schiedsrichter nicht mehr als gesellige Abwechslung und Unterhaltung bei Festivitäten innerhalb des Schiedsrichterwesens war.

„Es gab in der Schiedsrichter-Gruppe Hechingen 100 aktive Schiedsrichter. Viele von ihnen hatten einen Bezug zur Musik“, erinnert sich Hans Schwenk, der einer von fünf Gründungsmitgliedern ist, die heute noch im Chor aktiv sind. Die Idee, sich als Sangesgruppe zusammenzuschließen, kam vom heutigen Ehrenvorsitzenden Josef Pfister. „Er hat uns überredet, dass wir bei internen Feiern auftreten, an Weihnachten und so“, erzählt Schwenk.

"Vom Gesang begeistert"

Damals war noch nicht zu ahnen, welche Dimensionen und welche Qualität der Chor schnell annehmen sollte. Auftritte im Familien und Freundeskreis, darin sollte sich der Zweck des Chors erschöpfen. Weit gefehlt. „Unsere Frauen waren vom Gesang begeistert“, erzählt Schwenk, „sie wollten, dass wir weitermachen.“

Der Wunsch war Befehl. Und der Chor wuchs. Nummerisch und in seiner Bedeutung. Der Gesang gefiel nicht nur den Gattinnen, zunächst regional und später überregional sprach sich schnell herum, dass das Sammelsurium aus singenden Schiedsrichtern viel und mehr drauf hat, als Liedgut rund ums runde Leder.

Zu Gast beim Holländischen Verband

„Es haben sich dann auch Sänger gemeldet, die bei uns mitsingen wollten und keine Schiedsrichter waren“, erzählt Schwenk. Sie wurden dankbar aufgenommen. So wuchsen Qualität und Repertoire, so stiegen die musikalische Anerkennung und die Zahl der Auftritte. Zunächst blieben die Schiedsrichter bei ihrem Leisten, Auftritte ohne Bezug zum Fußball gab es anfangs nicht.

„Wir haben beim holländischen Verband gesungen“, nennt Schwenk als ein Beispiel. Jubiläen von Verbänden, Gastauftritte in Sportsendungen, Gastrollen in Imagefilmen für die Zunft der Schiedsrichter, so sah der Alltag des Schiedsrichterchors Zollernalb, der damals noch Schiedsrichterchor Hechingen hieß, Mitte und Ende der 70er-Jahre aus.

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Auch international auf Tour

Immer mehr begabte Sänger traten dem Chor bei, nach und nach gewannen die Sänger aus Hechingen internationale Bedeutung. Unter der Leitung von Karlheinz Leis hat sich der Schiedsrichterchor im Laufe von drei Jahrzehnten zu einem geachteten Gesangsensemble entwickelt.

Auf Konzertreisen, mehrmals nach Frankreich und Italien, Holland, Schweiz, Österreich, Tschechien, Russland und Kanada haben sich die Sänger des Schiedsrichterchores als internationale Botschafter des Chorgesangs präsentiert. „Es waren viele beeindruckende Erlebnisse und Begegnungen dabei“, sagt Schwenk.

Besonders prägend war das Benefizkonzert für die Opfer des Amoklaufs von Winnenden am 14. Juni des vergangenen Jahres. „Keiner von uns wird dies jemals vergessen“, sagt Schwenk, „es war sehr emotional.“

Kein Etikettenschwindel

Der Schiedsrichterchor will die Leute unterhalten, er will den Menschen schöne Stunden bereiten, will sie den Alltag vergessen lassen, will mitunter Trost spenden und gemeinsam die Freude an der Musik genießen. Daran hat sich in den 41 Jahren seines Bestehens nicht geändert - geändert hat sich nur die Zusammensetzung. Mittlerweile hat das Gros der Sänger mit dem Schiedsrichterwesen nicht mehr viel zu tun, die meisten kennen die Uniform der Unparteiischen nur aus dem Fernsehen.

Etikettenschwindel ist der Schiedsrichterchor dennoch nicht. Mit Markus Kiekbusch, dem Schiedsrichter-Obmann des Kreises Tuttlingen, Robert Sauter, seinem Vorgänger in dieser Funktion, Erich Wellenzohn, Hans Schwenk, Sportrichter Hermann Streib und Gründungsmitglied Josef Pfister sind noch heute sechs Sänger im Chor aktiv, die aktuell oder durch ihre Vergangenheit unmittelbaren Bezug zum Schiedsrichterwesen haben.

Deswegen ist ein unerfüllter Traum des Chores, sein Können eines Tages bei einem Länderspiel oder einen anderen Veranstaltung des DFB beweisen zu dürfen. „Wir würden das wirklich sehr gerne machen“, sagt Kiebusch. „Wer weiß, vielleicht ergibt sich da ja mal was.“