Schiedsrichter mit Pfiff: Der Wolfgang Stark des Blindenfußballs

Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff! Heute: die letzte Folge vor der WM- und Sommerpause.

Was für eine Karriere! Vor zwei Jahren hat er sein erstes Spiel geleitet, in diesem Jahr schon gehört er zum erlesenen Kreis der Schiedsrichter für die Weltmeisterschaft. In 30 Monaten vom Anfänger in die Weltelite. Unmöglich? Nicht für Niels Haupt, nicht im Blindenfußball.

Im März dieses Jahres erhielt der 37-Jährige den Brief des Blindenfußball-Weltverbands (ISBA), der die Mitteilung seiner Nominierung enthielt. Seither ist er der Wolfgang Stark des Blindenfußballs, seither herrscht bei ihm Vorfreude auf das Turnier in Birmingham. "Klar wird das ein Highlight", sagt Haupt.

Es gab schon Gedanken ans Karriereende

Der Höhepunkt seiner Laufbahn also und die endgültige Bestätigung dafür, dass er im Januar 2008 die richtige Entscheidung getroffen hat. Seit 1993 ist Haupt als Schiedsrichter auf den Fußballplätzen Deutschlands aktiv, immer mit großer Begeisterung, immer mit voller Leidenschaft, immer mit großem Einsatz.

Schnell stieg er auf bis in die Oberliga, doch höher sollte es für den ambitionierten Schiedsrichter im "normalen" Fußball nicht gehen. Seine Karriere stagnierte also, damals schon 34-jährig wähnte Haupt seine Chancen auf einen Aufstieg in höhere Ligen als eher gering. Sogar der Gedanke an ein Ende der Karriere schlich sich deswegen in den trüben Januartagen des Jahres 2008 ein ums andere Mal in sein Hirn.

Bis Mitte des Monats unter den Schiedsrichtern des Niedersächsischen Fußball-Verbandes (NFV) solche gesucht wurden, die Interesse an der Leitung von Spielen der neu gegründeten Blindenfußball-Bundesliga hätten.

Spontane Entscheidung



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Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff! Heute: die letzte Folge vor der WM- und Sommerpause.

Was für eine Karriere! Vor zwei Jahren hat er sein erstes Spiel geleitet, in diesem Jahr schon gehört er zum erlesenen Kreis der Schiedsrichter für die Weltmeisterschaft. In 30 Monaten vom Anfänger in die Weltelite. Unmöglich? Nicht für Niels Haupt, nicht im Blindenfußball.

Im März dieses Jahres erhielt der 37-Jährige den Brief des Blindenfußball-Weltverbands (ISBA), der die Mitteilung seiner Nominierung enthielt. Seither ist er der Wolfgang Stark des Blindenfußballs, seither herrscht bei ihm Vorfreude auf das Turnier in Birmingham. "Klar wird das ein Highlight", sagt Haupt.

Es gab schon Gedanken ans Karriereende

Der Höhepunkt seiner Laufbahn also und die endgültige Bestätigung dafür, dass er im Januar 2008 die richtige Entscheidung getroffen hat. Seit 1993 ist Haupt als Schiedsrichter auf den Fußballplätzen Deutschlands aktiv, immer mit großer Begeisterung, immer mit voller Leidenschaft, immer mit großem Einsatz.

Schnell stieg er auf bis in die Oberliga, doch höher sollte es für den ambitionierten Schiedsrichter im "normalen" Fußball nicht gehen. Seine Karriere stagnierte also, damals schon 34-jährig wähnte Haupt seine Chancen auf einen Aufstieg in höhere Ligen als eher gering. Sogar der Gedanke an ein Ende der Karriere schlich sich deswegen in den trüben Januartagen des Jahres 2008 ein ums andere Mal in sein Hirn.

Bis Mitte des Monats unter den Schiedsrichtern des Niedersächsischen Fußball-Verbandes (NFV) solche gesucht wurden, die Interesse an der Leitung von Spielen der neu gegründeten Blindenfußball-Bundesliga hätten.

Spontane Entscheidung

Als einer der wenigen hob Haupt spontan seine Hand. Warum? "Neues interessiert mich immer", sagt er und nennt damit den am wenigsten altruistischen Grund zuerst. Denn in erster Linie hat Haupt in einem Engagement als Blinden-Schiedsrichter eine Chance erkannt, soziale Verantwortung zu übernehmen: "In der Arbeit mit Behinderten liegt immer auch ein Stück weit die Übernahme einer gesellschaftlichen Verantwortung."

Inzwischen kann er ohne Überzeichnung behaupten, dass der Blindenfußball ihm zur Herzensangelegenheit geworden ist. "Das stimmt schon", sagt Haupt. "Es ist einfach toll zu sehen, wie familiär und fair es im Blindenfußball zugeht. Das Sportliche steht zwar im Mittelpunkt, ist aber nicht das Nonplusultra."

Nach jedem Spieltag wird eine "Player's Night" veranstaltet, hier werden zwischenmenschliche Verbindungen geknüpft und ausgebaut, hier findet jeder einen Ansprechpartner für die Probleme des Alltags, hier zählt nicht mehr das Gegeneinander, sondern nur noch das Miteinander und das gemeinsame Schicksal.

"Völlig neue Regeln lernen"

Als Haupt vor zweieinhalb Jahren seine ersten Schritte in den Blindenfußball setzte, steckte diese Sportart in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Haupt wusste also nicht, was ihn erwartete, als er an seinem ersten Lehrgang teilnahm und in Deutschland die Schiedsrichter-Lizenz für Blindenfußball erwarb.

"Ich musste völlig neue Regeln lernen", sagt er im Rückblick. Zwei Schiedsrichter leiten die Partie auf dem Feld, ein Dritter überwacht außerhalb des Platzes die Rechtmäßigkeit der Rufe der sogenannten Guides, die den Spielern zur Orientierung dienen.

Auch die Rufe der Spieler selber müssen überwacht werden. Der Ausspruch "Voy" (Spanisch: "Ich komme"), um den Gegenspieler zu warnen, darf nicht zu aggressiv erfolgen.

Mimik und Gestik haben ausgedient

Lernen musste Haupt neben den blindenspezifischen Regeln vor allem aber, in seiner Spielleitung komplett auf Mimik und Gestik zu verzichten. "Das Thema Stimme erhält eine viel größere Bedeutung", sagt Haupt. Wo früher mitunter ein strenger Blick reichte, um einen Spieler zur Räson zu rufen, muss der Schiedsrichter heute allen Befindlichkeiten ausschließlich durch die verbale Kommunikation gerecht werden.

Der Unterschied zwischen dem Fußball sehender und sehbehinderter Menschen ist also gewaltig, auch für die Schiedsrichter. "Eine andere Sportart, zwei Welten", wie Haupt sagt. Und doch ist er fasziniert davon, auf welchem Niveau blinde Menschen in der Lage sind, mit dem Ball umzugehen.

Coaching vor der EM 2009

Nach und nach hat er gelernt, seine Rolle als Sehender unter Blinden einzunehmen. Nach und nach, und doch in erstaunlich kurzer Zeit. Im Vorfeld der Europameisterschaft 2009 in Nantes nahm er an einem Workshop teil, es war ein prägendes Erlebnis in seinem Leben. "Wir haben dort für drei Tage ein professionelles Coaching bekommen", erzählt er.

Auf dem Workshop wurden ihm unter anderem für mehrere Stunden die Augen verbunden, eine elementare Erfahrung sei dies gewesen, sagt Haupt. "Man registriert, wie sehr sehende Menschen ihr Gehör vernachlässigen", sagt Haupt.

Schiedsrichterei als Charakterschule

Überhaupt habe er sich durch den Blindenfußball als Mensch weiter entwickelt. Schiedsrichter beschreiben ihren Werdegang auf dem Fußballplatz häufig als Charakterschule, erst recht gilt dies für die Unparteiischen, die Fußballspiele sehbehinderter Menschen leiten.

"Ich bin jetzt in der Lage, deutlich sensibler auf die Menschen zuzugehen", nennt Haupt einen Aspekt. Auch verstünde er sich durch den Blindenfußball besser darin, die wahren Gefühlslagen seiner Mitmenschen zu erkennen.

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"Eine der besten Entscheidungen"

Deswegen nennt Haupt seine Entscheidungen für den Blindenfußball "eine der besten" seines Lebens: "Mein Leben ist dadurch reicher geworden." Reicher an Erfahrungen, reicher an Menschen, reicher an Freunden und an Wissen. "Ich habe in kurzer Zeit viele Dinge erleben dürfen, die mir sonst so nicht passiert wären", sagt Haupt.

Nach dem Lehrgang in Nantes folgte für ihn die Berufung zur Europameisterschaft 2009 in der französischen Stadt. Ein Spiel leitete er hier auf dem Platz, beim Finale fungierte er als dritter Schiedsrichter am Rande. Es war ein erstes Highlight seiner Karriere als Schiedsrichter im Blindenfußball, weitere sollten folgen. Im Oktober vergangenen Jahres wurden seine Fertigkeiten auf einem Workshop in Thessaloniki noch einmal geschult, mittlerweile ist er in Deutschland wohl unumstritten die Nummer eins unter den Blindenschiedsrichtern.

So war es nur konsequent, dass er heute beim Tag des Blindenfußballs in Berlin das Länderspiel zwischen Deutschland und der Türkei leiten wird. "Ein weiterer Höhepunkt meiner Karriere", wie Haupt sagt. Die Krönung folgt dann im August bei der Weltmeisterschaft in Birmingham.