Schiedsrichter mit Pfiff: "Carsten gehört zur Weltspitze"

Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff!

Gestorben ist niemand, auch wenn die gewählten Worte das Schlimmste befürchten lassen. "Es gab nicht viele mit dieser Qualität", sagt Herbert Fandel, der Vorsitzende der Schiedsrichter-Kommission des DFB über Carsten Kadach. Konkret lobt Fandel das "ausgezeichnete Auge", den "Verstand für die Situation" und die Fähigkeit, eine Partie "mitführen zu können".

Komplimente dieser Art finden sich sonst eher in Nachrufen, in diesem Fall aber erfreut sich der Nachgerufene bester Gesundheit. Carsten Kadach ist ja auch erst 47 Jahre alt, beinahe biblisch für einen Schiedsrichter, doch im Durchschnitt der Deutschen nur knapp über dem Strich. Ernsthafte Sorgen um seine Gesundheit muss sich also niemand machen.

Karriereende bei Bayern gegen VfB

Die Nachrufe haben dennoch ihren Grund: Kadach wird am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) beim Spiel des FC Bayern gegen den VfB Stuttgart nach 18 Jahren beim DFB seine Karriere als Schiedsrichter-Assistent beenden, notgedrungen, Kadach erreicht die Altersgrenze. Und so wird ihm vor seinem letzten Spiel nachgerufen: Danke, es war schön mit dir, du wirst uns fehlen! "Herbert ist gut darin, die richtigen Worte zu finden", sagt Kadach abwehrend angesichts der auf ihn gesungenen Hymnen. "Das will nicht viel sagen."

Will es doch. Wenn ein Assistent bei 193 Spielen in der Bundesliga an der Linie stand, wenn er zudem 29 Partien der Champions League, 27 Spiele des DFB-Pokals, neun Spiele der WM-Qualifikation und drei Spiele einer EM-Endrunde begleitet hat, dann kann er seinen Job nicht auffallend schlecht erledigt haben. "Er hat gelernt und sich ständig verbessert", sagt Fandel.

Und Fandel muss es wissen. Schließlich war er lange Jahre einer der Schiedsrichter, denen Kadach assistierte. "Es gibt wohl kaum jemanden, der ihn so gut kennt wie ich", sagt der Schiedsrichter-Chef des DFB, und schließlich: "Carsten gehört als Assistent zur Weltspitze."

Über immer engere Situationen entscheiden



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Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff!

Gestorben ist niemand, auch wenn die gewählten Worte das Schlimmste befürchten lassen. "Es gab nicht viele mit dieser Qualität", sagt Herbert Fandel, der Vorsitzende der Schiedsrichter-Kommission des DFB über Carsten Kadach. Konkret lobt Fandel das "ausgezeichnete Auge", den "Verstand für die Situation" und die Fähigkeit, eine Partie "mitführen zu können".

Komplimente dieser Art finden sich sonst eher in Nachrufen, in diesem Fall aber erfreut sich der Nachgerufene bester Gesundheit. Carsten Kadach ist ja auch erst 47 Jahre alt, beinahe biblisch für einen Schiedsrichter, doch im Durchschnitt der Deutschen nur knapp über dem Strich. Ernsthafte Sorgen um seine Gesundheit muss sich also niemand machen.

Karriereende bei Bayern gegen VfB

Die Nachrufe haben dennoch ihren Grund: Kadach wird am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) beim Spiel des FC Bayern gegen den VfB Stuttgart nach 18 Jahren beim DFB seine Karriere als Schiedsrichter-Assistent beenden, notgedrungen, Kadach erreicht die Altersgrenze. Und so wird ihm vor seinem letzten Spiel nachgerufen: Danke, es war schön mit dir, du wirst uns fehlen! "Herbert ist gut darin, die richtigen Worte zu finden", sagt Kadach abwehrend angesichts der auf ihn gesungenen Hymnen. "Das will nicht viel sagen."

Will es doch. Wenn ein Assistent bei 193 Spielen in der Bundesliga an der Linie stand, wenn er zudem 29 Partien der Champions League, 27 Spiele des DFB-Pokals, neun Spiele der WM-Qualifikation und drei Spiele einer EM-Endrunde begleitet hat, dann kann er seinen Job nicht auffallend schlecht erledigt haben. "Er hat gelernt und sich ständig verbessert", sagt Fandel.

Und Fandel muss es wissen. Schließlich war er lange Jahre einer der Schiedsrichter, denen Kadach assistierte. "Es gibt wohl kaum jemanden, der ihn so gut kennt wie ich", sagt der Schiedsrichter-Chef des DFB, und schließlich: "Carsten gehört als Assistent zur Weltspitze."

Über immer engere Situationen entscheiden

Eine Ahnung davon gibt es, wenn Kadach über die Aufgaben und Anforderungen an einen Schiedsrichter-Assistenten referiert. Dann ist ihm anzumerken, wie sehr dem früheren Zweitliga-Referee diese Rolle ans Herz gewachsen ist und wie sehr er sich mit der Aufgabe der Assistenten identifiziert.

Und es wird deutlich, wie diffizil die Herausforderungen an die Männer an der Linie geworden sind. Schließlich hat das Spiel Fahrt aufgenommen, die Assistenten müssen immer schneller, immer häufiger und über immer engere Situationen entscheiden.

Nicht nur, aber auch und neuralgisch über Abseits oder nicht. Kadach kann dabei sehr unterhaltsam über die Herausforderungen seines künftigen Ex-Jobs erzählen. Etwa davon, welchen Einfluss die Änderung der Spielsysteme auf die Rolle des Assistenten haben. "Der Libero ist heute eine Kette, deren Glieder sich auf einer Linie befinden", sagt Kadach. Und ergänzt: "Das aber auch nur im Idealfall. Je nachdem, wie sich die Abwehrspieler zum Spielgeschehen hin verschieben, wechselt mein Fixpunkt zur Beurteilung von Abseits manchmal sehr schnell."

"Ausblenden und stark bleiben"

So redet Kadach über Dreier-, Vierer, und Perlenkette, humorvoll und durchaus plastisch. So gelingt es ihm anschaulich zu vermitteln, wie es sich anfühlt, wenn ein volles Stadion und 22 Spieler lautstark, gesten- und wortreich die nächste Entscheidung zu beeinflussen suchen. Der Alltag für die Assistenten hält anspruchsvolle Aufgaben bereit. "Es kommt dann darauf an, das auszublenden und stark zu bleiben", sagt Kadach.

Und wie gewinnt man die dafür notwendige Überzeugung an die Richtigkeit der eigenen Entscheidungen? Durch Erfahrung, vor allem aber: im Gespann. In seinem Fall ist das Selbstvertrauen insbesondere aus dem Vertrauen gewachsen, das ihm von den Schiedsrichtern entgegengebracht worden ist. Von Herbert Fandel, später und aktuell von Florian Meyer, aber auch von allen anderen Schiedsrichtern, mit denen er im Laufe der Jahre zusammengearbeitet hat. "Der Schiedsrichter muss dem Assistenten auch und gerade bei Topspielen ein Sicherheitsgefühl vermitteln", sagt Kadach.

Dabei wird deutlich: Hier spricht jemand kompetent, ungeschönt, sachlich. Auch über die Enttäuschungen seiner Karriere - etwa darüber, wie sich im Jahr 2006 die Hoffnung auf einen Einsatz bei der Weltmeisterschaft im eigenen Lande zerschlug. Oder das DFB-Pokalfinale im Jahr 2005 zwischen Bayern und Schalke, nach dem das Gespann der Schiedsrichter zwar zu drastisch, aber doch zu Recht kritisiert wurde. "Das war nicht schön", sagt Kadach. "Am schlimmsten war, dass wir den eigenen Erwartungen nicht gerecht worden waren."

"Es gab ganz viele tolle Momente"

Zumeist aber hat er den eigenen, hohen Anspruch erfüllt. Etwa bei den drei Spielen bei der Endrunde der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, die er im Team mit Herbert Fandel und Volker Wezel geleitet hat.

Die kontinentalen Titelkämpfe im Jahr 2008 waren einer der vielen Höhepunkte seiner Vita, als weitere nennt er ein UEFA-Cup-Spiel im Jahre 2003 zwischen Liverpool und Celtic Glasgow sowie das Champions-League-Finale 2007 zwischen dem AC Mailand und dem FC Liverpool. Die Aufzählung ist nicht abschließend. "Es gab ganz viele tolle Momente", sagt er, "da ist es unmöglich, den schönsten zu benennen."

Schluss, aus, vorbei, am Samstag fällt der letzte Vorhang. Wird all das nicht fehlen? Im Vier-Tages-Rhythmus hat er für lange Jahre Spiele geleitet, immer auf Achse und oft vor den Augen der Welt. Geht das so einfach, von Hundert auf Null? "Das wird kein großes Problem", sagt Kadach.

Kadach kandidiert als Bürgermeister

Denn der eine Lebensabschnitt endet, ein neuer beginnt. Spieler haben nicht selten keinen Plan B für die Zeit nach dem Karriereende, Kadach hingegen hat viele. Sollen andere wehmütig sein, er freut sich auf die neuen Prioritäten: Kinder. Karriere. Kanzleramt.

Auf diese drei Schlagworte lassen sich seine neuen Prämissen reduzieren, auch wenn die Sache mit dem Kanzleramt ein wenig zu hoch gegriffen ist und lediglich für seine politischen Ambitionen steht. Er will sich für die Region engagieren und kommunalpolitisch arbeiten.

Deswegen kandidiert er für das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde Suderburg, für den Samtgemeinderat und den Kreistag. Gewählt wird am 11. September 2011, Kadach tritt an, um in der Region einiges zu bewegen.

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Abschied vor 70.000 Fans und der Familie

Doch schön der Reihe nach. Zunächst und ein letztes Mal gilt seine ganze Konzentration dem anstehenden Spiel in der höchsten deutschen Spielklasse. Das Saisonfinale in München ist für ihn der finale Akt einer langen Karriere. Nach beinahe zwei Jahrzehnten auf deutschen, europäischen und globalen Bühnen heißt es für ihn: Abschied nehmen.

"Es ist alles wie immer. Ich freue mich auf das Spiel", sagt er. Sein letzter Auftritt ist für Kadach aber nur einerseits business as usual. Denn andererseits wird er diesmal nicht nur von 70.000 Fans bei seiner Arbeit beobachtet, sondern auch von einigen ganz besonderen Menschen. Er hat die Personen eingeladen, die ihn in seiner Schiedsrichter-Karriere maßgeblich begleitet haben, darunter seine ehemaligen Zweitliga-Assistenten Stephan Wetzel und Marco Haase.

Und seine Familie wird anwesend sein, zum ersten Mal in dieser Konstellation, zum ersten Mal mit seinem vierjährigen Sohn: "Er soll wenigstens einmal gesehen haben", sagt Kadach, "was sein Papa immer gemacht hat."