Schiedsrichter: Erster Einsatz als Praktikant

Nach wirksamen Methoden für die Schiedsrichter-Werbung suchen viele. Drei selbst noch aktive ­Unparteiische aus Schleswig-Holstein haben einen neuen Weg gefunden, der zumindest viel Potenzial zu haben scheint: das Schiedsrichter-Praktikum.

"Die Ursache für unsere Idee war etwas, das es im Schiedsrichterwesen überall in Deutschland gibt: Nachwuchsmangel", sagt Dajinder Pabla, genannt "Daji", gemeinsam mit seinen Schiedsrichter-Kollegen Vincent Manthey und Christian Meyer. Sie kommen aus Jevenstedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde) und pfeifen bis zur Landesliga im Schleswig-Holsteinischen Fußballverband. "Wir haben uns als Erstes einfach gefragt: Was ist der Grund dafür, dass es zu wenige Schiedsrichter gibt? Alle sagen ja, man muss mehr machen. Aber es kommt natürlich drauf an, das Richtige zu tun. Etwas, das wirklich produktiv ist."

Drei Kernpunkte als Ansatz

Die Referees kamen auf "drei Kernpunkte", die sie gerne verbessern wollten. Das erste Problem: Wenn über Schiedsrichter berichtet wird, dann oft negativ. "Wir wollten die guten Seiten hervorheben. Wir wollten also etwas machen, das öffentliches Interesse erzeugt und positiv gesehen wird", sagt Pabla.

Zweitens: Die Hürde, Schiri zu werden, ist relativ hoch. "Es gibt fast überall in Deutschland lange Lehrgänge mit einer Prüfung am Ende. Im schlimmsten Fall hat man erst nach einem sehr langen Prozess und langem Warten sein erstes Spiel." Pabla glaubt: "Das schreckt vielleicht viele ab, die dadurch nie Schiedsrichter werden. Anwärter sind ja meistens Menschen, die noch nicht genau wissen, ob sie überhaupt Schiedsrichter werden oder bleiben wollen. Weil sie noch gar nicht wissen, ob’s ihnen gefällt. Aber bevor sie das überhaupt praktisch testen können, müssen sie schon viel Theorie leisten. Wir wollten diese Hürde kleiner werden lassen."

Drittens: Die Schiedsrichtergewinnung läuft oft nur mit den Vereinen. "Die sind an der Basis und kennen die Leute. Wir brauchen sie an Bord. Wir wollten die Vereine unterstützen bei der strategischen Schiedsrichterarbeit. Auch um Schiedsrichter zu erhalten. Die machen dann ja in den Vereinen auch die Werbung."

Dreistufiges Modell

Nach vielen Diskussionen entstand mit dem Schiedsrichter-Praktikum schließlich die Idee, die alle drei Kernpunkte vereinen sollte. Der Plan: ein dreistufiges Modell. "Der oder die Teilnehmer können als erste Stufe ein reines Informationsgespräch in Anspruch nehmen, um alle Fragen zu klären. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich direkt für die zweite Ebene zu entscheiden. Das bedeutet, dass Interessenten einen Schiedsrichter oder ein ganzes Gespann zu einem Spiel begleiten", erklärt Pabla. Dieses könnte – je nach Spielklasse – in ganz Schleswig-Holstein stattfinden.

Im letzten Abschnitt kehren sich die Seiten um. "Der Praktikant pfeift selbst eine Partie und wird von einem erfahrenen Unparteiischen unterstützt. Das machen wir bei Junioren-Spielen, die vom Verband nicht offiziell angesetzt werden."

Obwohl die Reihenfolge aufeinander aufbaut, können Stufen übersprungen oder komplett ausgelassen werden. "Jeder erhält das, was er gerne möchte", sagt Vincent Manthey. Eine genaue Zielgruppe für das Schiedsrichter-Praktikum gebe es nicht. "Uns ist jeder herzlich willkommen, der einen Blick hinter die Kulissen werfen möchte. Zum Beispiel auch Trainer oder Spieler, die sich fortbilden oder einfach mal eine neue Erfahrung im Fußball sammeln möchten. Ob als einmaliges Erlebnis oder wiederkehrende Abwechslung. Eingeladen sind auch Journalisten, die das Schiedsrichterwesen von innen heraus betrachten wollen."

Restzweifel durch Praktikum abbauen

Eine Hauptzielgruppe gibt es aber dennoch. "Wer Schiedsrichter werden möchte, aber noch Restzweifel hat, kann diese durch das Praktikum abbauen. Und sollte es doch nicht das Richtige sein, dann wurde zumindest kein kompletter Lehrgang umsonst besucht. Das spart Zeit und Geld."

Zum "Team Schiedsrichter-Praktikum" gehören neben Manthey, Pabla und Meyer auch noch die aktiven Kollegen Paul Sommer (TuS Jevenstedt) und Lea Wolter (TuS Rotenhof). Unterstützung kommt zudem von ihren und weiteren Vereinen aus dem Kreisfußballverband Rendsburg-Eckernförde.

Pabla betont: "Keiner von uns ist älter als 25 Jahre. Und trotzdem pfeifen wir zusammen schon mehr als 35 Jahre Fußballspiele. Das funktioniert, weil der Fußball für uns einen Lebensmittelpunkt darstellt, Schiedsrichter sein ein besonderes Gefühl in uns auslöst und wir es mit unseren besten Freunden gemeinsam tun." Sein Credo – persönlich wie für das Projekt – ist: "Schiedsrichter sind zu beneiden. Sei dabei und erfahre, warum."

Heißt: Auch sie persönlich nehmen Interessenten zu ihren Spielen mit, von der Platzkontrolle bis zur Nachbesprechung. Während des Spiels lassen sie sie per Headset an den Entscheidungsprozessen teilhaben. Und wenn der Praktikant selbst sein Junioren-Spiel pfeift, bekommt er ebenfalls per Headset vom Fachmann auf der Tribüne sofort Tipps.

Googlesuche führt zu erstem Teilnehmer

"Der erste Teilnehmer hat so ein ganzes Wochenende mit uns verbracht – und danach ist er selbst Schiedsrichter geworden. Das ist natürlich ideal gelaufen." Es war Mirko Kämpfer aus Bienenbüttel, 16 Jahre jung, der im Februar seinen Anwärterlehrgang bestand, wenige Wochen nach dem Praktikum. Er pfeift heute noch begeistert in Niedersachsen Junioren-Spiele. "Dabei wusste ich vorher gar nicht, ob ich überhaupt Schiedsrichter werden kann und will", sagt Mirko. "Aber ich habe mich dafür interessiert und nach 'Schiedsrichter' und 'Praktikum' gegoogelt. So bin ich auf die Jungs gestoßen." Da war der Online-Auftritt zum Projekt gerade erst wenige Wochen online.

"Seitdem hatten wir mehr als 100 Praktikanten", freut sich Pabla. "Darunter aber auch Trainer und Spieler, die oft Probleme machen – und denen wir so die andere Perspektive auf die Schiedsrichterei geben wollten." Von denen wurden zwar nur wenige selbst Referee – aber sie könnten jetzt immerhin besser nachvollziehen, wie Schiedsrichter ticken. Die Hoffnung: "Die meckern jetzt vielleicht weniger, weil sie Entscheidungen besser nachvollziehen können."

Die Schiedsrichter-Gewinnung in Schleswig-Holstein brachte das Projekt dennoch voran: Zehn neue Schiedsrichter konnten begrüßt werden. Auch vier Workshops gemeinsam mit der Egidius-Braun-Stiftung im Fußballpark Malente, zum Teil gemeinsam mit dem Berliner Fußball-Verband, trugen Früchte. Auch in der Bundeshauptstadt wurden neue Unparteiische gewonnen und der Berliner Öffentlichkeitsmitarbeiter Johann Schwarz übernahm die Projektidee auch für seinen Landesverband. "Eine Teilnehmerin, Nathalie Buse, ist jetzt schon bei uns im Perspektivkader", freut er sich. Und sogar in Dänemark ist man auf das Schiedsrichter-Praktikum aufmerksam geworden und will es übernehmen.

Kopieren ausdrücklich erwünscht

Dass ihr Projekt von anderen Verbänden "kopiert" wird, begrüßen die Initiatoren ausdrücklich. "Je mehr mitmachen, umso besser für das Schiedsrichterwesen."

Das Schiedsrichter-Praktikum ist übrigens schon preisgekrönt. Es wurde im September mit dem "Sparda-Bank Hamburg Award" ausgezeichnet, der gemeinnützige Projekte in der Region fördert. In der Kategorie Sport belegte das Schiedsrichter-Praktikum den (geteilten) zweiten Platz und erhielt damit ein Preisgeld in Höhe von 4.500 Euro, das die Jungs wieder in das Projekt steckten, um weitere Strukturen zu schaffen.

Der bisher jüngste Praktikant des Projekts, Eric Hebinck, ist elf Jahre alt – also jünger, als Anwärter normalerweise sein dürfen. Aber im Praktikum erwies er sich als "reif" genug. Im Januar macht er den Lehrgang.

Und noch einmal zurück zu Mirko Kämpfer, dem ersten Praktikanten, mit dem alles begann. Er wurde inzwischen vom NDR porträtiert, in einem sehenswerten TV-Beitrag. Stichwort positive Berichterstattung. Es sieht so aus, als könnten alle drei Kernpunkte der "Praktikumsleiter" erfüllt werden.

[dfb]

Nach wirksamen Methoden für die Schiedsrichter-Werbung suchen viele. Drei selbst noch aktive ­Unparteiische aus Schleswig-Holstein haben einen neuen Weg gefunden, der zumindest viel Potenzial zu haben scheint: das Schiedsrichter-Praktikum.

"Die Ursache für unsere Idee war etwas, das es im Schiedsrichterwesen überall in Deutschland gibt: Nachwuchsmangel", sagt Dajinder Pabla, genannt "Daji", gemeinsam mit seinen Schiedsrichter-Kollegen Vincent Manthey und Christian Meyer. Sie kommen aus Jevenstedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde) und pfeifen bis zur Landesliga im Schleswig-Holsteinischen Fußballverband. "Wir haben uns als Erstes einfach gefragt: Was ist der Grund dafür, dass es zu wenige Schiedsrichter gibt? Alle sagen ja, man muss mehr machen. Aber es kommt natürlich drauf an, das Richtige zu tun. Etwas, das wirklich produktiv ist."

Drei Kernpunkte als Ansatz

Die Referees kamen auf "drei Kernpunkte", die sie gerne verbessern wollten. Das erste Problem: Wenn über Schiedsrichter berichtet wird, dann oft negativ. "Wir wollten die guten Seiten hervorheben. Wir wollten also etwas machen, das öffentliches Interesse erzeugt und positiv gesehen wird", sagt Pabla.

Zweitens: Die Hürde, Schiri zu werden, ist relativ hoch. "Es gibt fast überall in Deutschland lange Lehrgänge mit einer Prüfung am Ende. Im schlimmsten Fall hat man erst nach einem sehr langen Prozess und langem Warten sein erstes Spiel." Pabla glaubt: "Das schreckt vielleicht viele ab, die dadurch nie Schiedsrichter werden. Anwärter sind ja meistens Menschen, die noch nicht genau wissen, ob sie überhaupt Schiedsrichter werden oder bleiben wollen. Weil sie noch gar nicht wissen, ob’s ihnen gefällt. Aber bevor sie das überhaupt praktisch testen können, müssen sie schon viel Theorie leisten. Wir wollten diese Hürde kleiner werden lassen."

Drittens: Die Schiedsrichtergewinnung läuft oft nur mit den Vereinen. "Die sind an der Basis und kennen die Leute. Wir brauchen sie an Bord. Wir wollten die Vereine unterstützen bei der strategischen Schiedsrichterarbeit. Auch um Schiedsrichter zu erhalten. Die machen dann ja in den Vereinen auch die Werbung."

Dreistufiges Modell

Nach vielen Diskussionen entstand mit dem Schiedsrichter-Praktikum schließlich die Idee, die alle drei Kernpunkte vereinen sollte. Der Plan: ein dreistufiges Modell. "Der oder die Teilnehmer können als erste Stufe ein reines Informationsgespräch in Anspruch nehmen, um alle Fragen zu klären. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich direkt für die zweite Ebene zu entscheiden. Das bedeutet, dass Interessenten einen Schiedsrichter oder ein ganzes Gespann zu einem Spiel begleiten", erklärt Pabla. Dieses könnte – je nach Spielklasse – in ganz Schleswig-Holstein stattfinden.

Im letzten Abschnitt kehren sich die Seiten um. "Der Praktikant pfeift selbst eine Partie und wird von einem erfahrenen Unparteiischen unterstützt. Das machen wir bei Junioren-Spielen, die vom Verband nicht offiziell angesetzt werden."

Obwohl die Reihenfolge aufeinander aufbaut, können Stufen übersprungen oder komplett ausgelassen werden. "Jeder erhält das, was er gerne möchte", sagt Vincent Manthey. Eine genaue Zielgruppe für das Schiedsrichter-Praktikum gebe es nicht. "Uns ist jeder herzlich willkommen, der einen Blick hinter die Kulissen werfen möchte. Zum Beispiel auch Trainer oder Spieler, die sich fortbilden oder einfach mal eine neue Erfahrung im Fußball sammeln möchten. Ob als einmaliges Erlebnis oder wiederkehrende Abwechslung. Eingeladen sind auch Journalisten, die das Schiedsrichterwesen von innen heraus betrachten wollen."

Restzweifel durch Praktikum abbauen

Eine Hauptzielgruppe gibt es aber dennoch. "Wer Schiedsrichter werden möchte, aber noch Restzweifel hat, kann diese durch das Praktikum abbauen. Und sollte es doch nicht das Richtige sein, dann wurde zumindest kein kompletter Lehrgang umsonst besucht. Das spart Zeit und Geld."

Zum "Team Schiedsrichter-Praktikum" gehören neben Manthey, Pabla und Meyer auch noch die aktiven Kollegen Paul Sommer (TuS Jevenstedt) und Lea Wolter (TuS Rotenhof). Unterstützung kommt zudem von ihren und weiteren Vereinen aus dem Kreisfußballverband Rendsburg-Eckernförde.

Pabla betont: "Keiner von uns ist älter als 25 Jahre. Und trotzdem pfeifen wir zusammen schon mehr als 35 Jahre Fußballspiele. Das funktioniert, weil der Fußball für uns einen Lebensmittelpunkt darstellt, Schiedsrichter sein ein besonderes Gefühl in uns auslöst und wir es mit unseren besten Freunden gemeinsam tun." Sein Credo – persönlich wie für das Projekt – ist: "Schiedsrichter sind zu beneiden. Sei dabei und erfahre, warum."

Heißt: Auch sie persönlich nehmen Interessenten zu ihren Spielen mit, von der Platzkontrolle bis zur Nachbesprechung. Während des Spiels lassen sie sie per Headset an den Entscheidungsprozessen teilhaben. Und wenn der Praktikant selbst sein Junioren-Spiel pfeift, bekommt er ebenfalls per Headset vom Fachmann auf der Tribüne sofort Tipps.

Googlesuche führt zu erstem Teilnehmer

"Der erste Teilnehmer hat so ein ganzes Wochenende mit uns verbracht – und danach ist er selbst Schiedsrichter geworden. Das ist natürlich ideal gelaufen." Es war Mirko Kämpfer aus Bienenbüttel, 16 Jahre jung, der im Februar seinen Anwärterlehrgang bestand, wenige Wochen nach dem Praktikum. Er pfeift heute noch begeistert in Niedersachsen Junioren-Spiele. "Dabei wusste ich vorher gar nicht, ob ich überhaupt Schiedsrichter werden kann und will", sagt Mirko. "Aber ich habe mich dafür interessiert und nach 'Schiedsrichter' und 'Praktikum' gegoogelt. So bin ich auf die Jungs gestoßen." Da war der Online-Auftritt zum Projekt gerade erst wenige Wochen online.

"Seitdem hatten wir mehr als 100 Praktikanten", freut sich Pabla. "Darunter aber auch Trainer und Spieler, die oft Probleme machen – und denen wir so die andere Perspektive auf die Schiedsrichterei geben wollten." Von denen wurden zwar nur wenige selbst Referee – aber sie könnten jetzt immerhin besser nachvollziehen, wie Schiedsrichter ticken. Die Hoffnung: "Die meckern jetzt vielleicht weniger, weil sie Entscheidungen besser nachvollziehen können."

Die Schiedsrichter-Gewinnung in Schleswig-Holstein brachte das Projekt dennoch voran: Zehn neue Schiedsrichter konnten begrüßt werden. Auch vier Workshops gemeinsam mit der Egidius-Braun-Stiftung im Fußballpark Malente, zum Teil gemeinsam mit dem Berliner Fußball-Verband, trugen Früchte. Auch in der Bundeshauptstadt wurden neue Unparteiische gewonnen und der Berliner Öffentlichkeitsmitarbeiter Johann Schwarz übernahm die Projektidee auch für seinen Landesverband. "Eine Teilnehmerin, Nathalie Buse, ist jetzt schon bei uns im Perspektivkader", freut er sich. Und sogar in Dänemark ist man auf das Schiedsrichter-Praktikum aufmerksam geworden und will es übernehmen.

Kopieren ausdrücklich erwünscht

Dass ihr Projekt von anderen Verbänden "kopiert" wird, begrüßen die Initiatoren ausdrücklich. "Je mehr mitmachen, umso besser für das Schiedsrichterwesen."

Das Schiedsrichter-Praktikum ist übrigens schon preisgekrönt. Es wurde im September mit dem "Sparda-Bank Hamburg Award" ausgezeichnet, der gemeinnützige Projekte in der Region fördert. In der Kategorie Sport belegte das Schiedsrichter-Praktikum den (geteilten) zweiten Platz und erhielt damit ein Preisgeld in Höhe von 4.500 Euro, das die Jungs wieder in das Projekt steckten, um weitere Strukturen zu schaffen.

Der bisher jüngste Praktikant des Projekts, Eric Hebinck, ist elf Jahre alt – also jünger, als Anwärter normalerweise sein dürfen. Aber im Praktikum erwies er sich als "reif" genug. Im Januar macht er den Lehrgang.

Und noch einmal zurück zu Mirko Kämpfer, dem ersten Praktikanten, mit dem alles begann. Er wurde inzwischen vom NDR porträtiert, in einem sehenswerten TV-Beitrag. Stichwort positive Berichterstattung. Es sieht so aus, als könnten alle drei Kernpunkte der "Praktikumsleiter" erfüllt werden.

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