Schatzschneider: "Damals wollten alle zum HSV"

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) empfängt Hannover 96 den Hamburger SV. Das Nordderby ist aufgrund der Abstiegsnöte beider Vereine von besonderer Brisanz. Dieter Schatzschneider hat für beide Bundesligisten gespielt. 1978 begann die Profikarriere des einstigen Stürmers bei Hannover 96 in der 2. Bundesliga. 1983/1984 spielte er für den Meister und Europapokalsieger Hamburger SV. Nach den Zwischenstationen Schalke 04 und Fortuna Köln ließ er seine Karriere 1988/1989 wieder in Hannover ausklingen - mit dem Abstieg. Im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Oliver Jensen spricht er über seine Zeiten im Trikot vom HSV und Hannover 96.

DFB.de: Herr Schatzschneider, als Sie im Jahre 1978 zu Hannover 96 kamen, durchlebte der Verein eine schwere Zeit. Die Lizenz gab's erst nach einem Gnadengang, zudem wurden viele Leistungsträger abgegeben. War das für einen jungen Stürmer der ideale Zeitpunkt, um beim damaligen Zweitligisten eine Chance zu erhalten?

Dieter Schatzschneider: Natürlich. Der Verein war pleite. Deshalb versuchte man es mit Talenten aus der Region. Es gab damals bei 96 nicht viel Geld zu verdienen. Aber jeder wollte dorthin. Schließlich waren wir in Hannover alle Fans dieses Vereins.

DFB.de: Bevor Sie 1983 zum Hamburger SV wechselten, gingen Sie noch einmal ein halbes Jahr per Ausleihe zu Ligakonkurrent Fortuna Köln. Warum diese Zwischenstation?

Schatzschneider: Hannover 96 war zu diesem Zeitpunkt schon wieder pleite. Der Schatzmeister konnte kaum noch die Gehälter bezahlen. Also hat er mich darum gebeten, per Ausleihe nach Köln zu gehen. Das brachte dem Verein rund 300.000 Mark ein. Zuerst wollte ich nicht. Aber aus Liebe zu 96 habe ich es gemacht.

DFB.de: In der Saison 1983/1984 spielten Sie für den HSV, der kurz zuvor den Europapokal der Landesmeister und die Deutsche Meisterschaft gewonnen hatte. Ein großer Schritt für einen Spieler aus der 2. Bundesliga, oder?

Schatzschneider: Viele Spieler wollten damals zum großen HSV. Bei so einem Angebot überlegt niemand lange. Aber um dort richtig erfolgreich zu sein, hätte man ein anderer Typ sein müssen.

DFB.de: Inwiefern?

Schatzschneider: Plötzlich hatte ich Mitspieler wie Felix Magath und Uli Stein. Die waren unglaublich professionell und positiv versessen auf Erfolg. Ich hingegen war eher ein Einzelkämpfer.

DFB.de: Sicherlich war es auch nicht ganz einfach, in die Fußstapfen von Horst Hrubesch treten zu müssen.

Schatzschneider: Ich war damals der Meinung, ihn auf dem Feld ersetzen zu können - auch wenn ich nicht so kopfballstark war wie er. Das Problem war vielmehr, dass er ein ganz anderer Typ gewesen ist als ich. Wenn es Schwierigkeiten in der Mannschaft gab, hat er sich darum gekümmert. Nicht der Trainer, sondern Hrubesch hat sich in schlechten Phasen die Mannschaft vorgeknöpft, ist mit den Kollegen angeln oder ein Bier trinken gegangen und hat Klartext gesprochen. Das konnte ich nicht.

DFB.de: Auch Ihre Defensivqualitäten wurden damals kritisiert.

Schatzschneider: Niemand wollte, dass ich im eigenen Strafraum herumrenne. Aber unser Trainer Ernst Happel legte großen Wert auf Pressing. Diese Laufbereitschaft, um alles für die Mannschaft zu tun, hatte ich nicht. Laufbereitschaft war bei mir nur vorhanden, wenn ich Tore schießen konnte.

DFB.de: Letztlich landete der Hamburger SV auf dem zweiten Tabellenplatz. Der VfB Stuttgart war zwar punktgleich, hatte aber das bessere Torverhältnis. Warum hat es damals nicht mit der dritten Meisterschaft in Folge geklappt?

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Schatzschneider: Ich hätte weitaus mehr Tore schießen müssen. 15 Treffer waren zwar in Ordnung. Es hätten aber auch 25 sein können. Zudem glaube ich, dass viele Spieler aufgrund der vorherigen Erfolge mit dem HSV unbewusst einen Schritt weniger gemacht haben. Wenn diese beiden Dinge zusammenkommen, die Etablierten also einen Schritt weniger machen und der neue Torjäger nicht häufig genug trifft, wirst du ebenhalt nur Vizemeister.

DFB.de: Ihr Vertrag lief eigentlich über drei Jahre. Warum haben Sie Hamburg bereits nach dieser einen Spielzeit Richtung Schalke 04 verlassen?

Schatzschneider: Das Verhältnis zu den Kameraden war zerrüttet, das Verhältnis zu den Medien war sogar noch weitaus schlimmer. Vor diesen Problemen bin ich geflohen. Das werfe ich mir heute vor. Aber damals dachte ich: Es gibt genug andere Angebote, also ziehe ich Leine. Letztendlich bekam der HSV die gleiche Ablösesumme zurück, die er ein Jahr zuvor für mich gezahlt hatte. Zudem habe ich immerhin 15 Tore erzielt. Grund zum Meckern hatte dort also niemand.

DFB.de: Nach den Zwischenstationen Schalke, Fortuna Köln und Grazer AK ging es zur Saison 1988/1989 zurück zu Hannover 96, das dann als Tabellenletzter aus der Bundesliga abstieg. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Spielzeit?

Schatzschneider: Die Einkaufspolitik war nicht gut. Wenn ich mich richtig erinnere, wurden fünf Spieler von Leverkusen verpflichtet. Man hat praktisch deren Bank weggekauft. Es gab überhaupt keinen Zusammenhalt bei uns. Die Hannoveraner schimpften auf die Leverkusener und andersherum. Mir war schnell klar, dass diese Mannschaft nicht zu retten ist.

DFB.de: Sie haben nach dem Abstieg Ihre Karriere beendet - mit gerade einmal 31 Jahren. Warum so früh?

Schatzschneider: Wenn ich von etwas die Schnauze voll habe, kann mich niemand davon abbringen. Allzu viel nachdenken tue ich dann nicht.

DFB.de: Von der Leistung her hätten Sie sicher noch einige Jahre spielen können.

Schatzschneider: Natürlich. Aber mir fehlte der Biss. Und wenn ich keinen Biss habe, kann ich nicht erfolgreich sein. Zumal damals in der puren Manndeckung gespielt wurde. Um sich gegen harte Verteidiger wie Karlheinz Förster oder Roland Dickgießer durchzusetzen, war ein unglaublicher Biss erforderlich.

DFB.de: Waren die körperlichen Eigenschaften eines Stürmers damals wichtiger als heute?

Schatzschneider: Natürlich. Das war damals der totale Körpereinsatz, es ging richtig rund. Da flogen auch manchmal die Ellenbogen oder sonst was. Das gibt es heute gar nicht mehr, weil von den 1000 Kameras im Stadion alles aufgezeichnet wird.

DFB.de: Nach einigen Trainerstationen wurden Sie Scout bei Hannover 96 und sichten nun Nachwuchsspieler. Blicken Sie mit Sorgen auf das Nordderby zwischen Ihren Ex-Klubs, die sich beide im Abstiegskampf befinden?

Schatzschneider: Die größte Enttäuschung hat Hannover mit der Niederlage bei Eintracht Braunschweig bereits hinter sich. Das tat richtig weh! Die Angst, dass wir nun durchgereicht werden, ist groß. Möglicherweise haben auch manche Spieler Ängste. Das führt dazu, dass niemand mehr den Ball haben möchte. Wir sind keine schlechte Mannschaft und können den HSV schlagen - aber nur, wenn die Einstellung stimmt und man als Team funktioniert.

DFB.de: Und wie sehen Sie den Hamburger SV?

Schatzschneider: Ich denke, dass Mirko Slomka der Mannschaft gut tut. Bevor er verpflichtet wurde, bekam ich einige Anrufe aus hamburg, ob sie ihn verpflichten sollten. Ich habe sofort gesagt: "Ihr müsst ihn nehmen!" Er gibt etwas vor und hält seine Linie strikt ein. Nackenschläge beirren ihn nicht.

DFB.de: Wird eine der beiden Mannschaften absteigen?

Schatzschneider: Ich hoffe nicht. Ich liebe die Derbys und möchte auch künftig einige in der Bundesliga sehen.

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) empfängt Hannover 96 den Hamburger SV. Das Nordderby ist aufgrund der Abstiegsnöte beider Vereine von besonderer Brisanz. Dieter Schatzschneider hat für beide Bundesligisten gespielt. 1978 begann die Profikarriere des einstigen Stürmers bei Hannover 96 in der 2. Bundesliga. 1983/1984 spielte er für den Meister und Europapokalsieger Hamburger SV. Nach den Zwischenstationen Schalke 04 und Fortuna Köln ließ er seine Karriere 1988/1989 wieder in Hannover ausklingen - mit dem Abstieg. Im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Oliver Jensen spricht er über seine Zeiten im Trikot vom HSV und Hannover 96.

DFB.de: Herr Schatzschneider, als Sie im Jahre 1978 zu Hannover 96 kamen, durchlebte der Verein eine schwere Zeit. Die Lizenz gab's erst nach einem Gnadengang, zudem wurden viele Leistungsträger abgegeben. War das für einen jungen Stürmer der ideale Zeitpunkt, um beim damaligen Zweitligisten eine Chance zu erhalten?

Dieter Schatzschneider: Natürlich. Der Verein war pleite. Deshalb versuchte man es mit Talenten aus der Region. Es gab damals bei 96 nicht viel Geld zu verdienen. Aber jeder wollte dorthin. Schließlich waren wir in Hannover alle Fans dieses Vereins.

DFB.de: Bevor Sie 1983 zum Hamburger SV wechselten, gingen Sie noch einmal ein halbes Jahr per Ausleihe zu Ligakonkurrent Fortuna Köln. Warum diese Zwischenstation?

Schatzschneider: Hannover 96 war zu diesem Zeitpunkt schon wieder pleite. Der Schatzmeister konnte kaum noch die Gehälter bezahlen. Also hat er mich darum gebeten, per Ausleihe nach Köln zu gehen. Das brachte dem Verein rund 300.000 Mark ein. Zuerst wollte ich nicht. Aber aus Liebe zu 96 habe ich es gemacht.

DFB.de: In der Saison 1983/1984 spielten Sie für den HSV, der kurz zuvor den Europapokal der Landesmeister und die Deutsche Meisterschaft gewonnen hatte. Ein großer Schritt für einen Spieler aus der 2. Bundesliga, oder?

Schatzschneider: Viele Spieler wollten damals zum großen HSV. Bei so einem Angebot überlegt niemand lange. Aber um dort richtig erfolgreich zu sein, hätte man ein anderer Typ sein müssen.

DFB.de: Inwiefern?

Schatzschneider: Plötzlich hatte ich Mitspieler wie Felix Magath und Uli Stein. Die waren unglaublich professionell und positiv versessen auf Erfolg. Ich hingegen war eher ein Einzelkämpfer.

DFB.de: Sicherlich war es auch nicht ganz einfach, in die Fußstapfen von Horst Hrubesch treten zu müssen.

Schatzschneider: Ich war damals der Meinung, ihn auf dem Feld ersetzen zu können - auch wenn ich nicht so kopfballstark war wie er. Das Problem war vielmehr, dass er ein ganz anderer Typ gewesen ist als ich. Wenn es Schwierigkeiten in der Mannschaft gab, hat er sich darum gekümmert. Nicht der Trainer, sondern Hrubesch hat sich in schlechten Phasen die Mannschaft vorgeknöpft, ist mit den Kollegen angeln oder ein Bier trinken gegangen und hat Klartext gesprochen. Das konnte ich nicht.

DFB.de: Auch Ihre Defensivqualitäten wurden damals kritisiert.

Schatzschneider: Niemand wollte, dass ich im eigenen Strafraum herumrenne. Aber unser Trainer Ernst Happel legte großen Wert auf Pressing. Diese Laufbereitschaft, um alles für die Mannschaft zu tun, hatte ich nicht. Laufbereitschaft war bei mir nur vorhanden, wenn ich Tore schießen konnte.

DFB.de: Letztlich landete der Hamburger SV auf dem zweiten Tabellenplatz. Der VfB Stuttgart war zwar punktgleich, hatte aber das bessere Torverhältnis. Warum hat es damals nicht mit der dritten Meisterschaft in Folge geklappt?

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Schatzschneider: Ich hätte weitaus mehr Tore schießen müssen. 15 Treffer waren zwar in Ordnung. Es hätten aber auch 25 sein können. Zudem glaube ich, dass viele Spieler aufgrund der vorherigen Erfolge mit dem HSV unbewusst einen Schritt weniger gemacht haben. Wenn diese beiden Dinge zusammenkommen, die Etablierten also einen Schritt weniger machen und der neue Torjäger nicht häufig genug trifft, wirst du ebenhalt nur Vizemeister.

DFB.de: Ihr Vertrag lief eigentlich über drei Jahre. Warum haben Sie Hamburg bereits nach dieser einen Spielzeit Richtung Schalke 04 verlassen?

Schatzschneider: Das Verhältnis zu den Kameraden war zerrüttet, das Verhältnis zu den Medien war sogar noch weitaus schlimmer. Vor diesen Problemen bin ich geflohen. Das werfe ich mir heute vor. Aber damals dachte ich: Es gibt genug andere Angebote, also ziehe ich Leine. Letztendlich bekam der HSV die gleiche Ablösesumme zurück, die er ein Jahr zuvor für mich gezahlt hatte. Zudem habe ich immerhin 15 Tore erzielt. Grund zum Meckern hatte dort also niemand.

DFB.de: Nach den Zwischenstationen Schalke, Fortuna Köln und Grazer AK ging es zur Saison 1988/1989 zurück zu Hannover 96, das dann als Tabellenletzter aus der Bundesliga abstieg. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Spielzeit?

Schatzschneider: Die Einkaufspolitik war nicht gut. Wenn ich mich richtig erinnere, wurden fünf Spieler von Leverkusen verpflichtet. Man hat praktisch deren Bank weggekauft. Es gab überhaupt keinen Zusammenhalt bei uns. Die Hannoveraner schimpften auf die Leverkusener und andersherum. Mir war schnell klar, dass diese Mannschaft nicht zu retten ist.

DFB.de: Sie haben nach dem Abstieg Ihre Karriere beendet - mit gerade einmal 31 Jahren. Warum so früh?

Schatzschneider: Wenn ich von etwas die Schnauze voll habe, kann mich niemand davon abbringen. Allzu viel nachdenken tue ich dann nicht.

DFB.de: Von der Leistung her hätten Sie sicher noch einige Jahre spielen können.

Schatzschneider: Natürlich. Aber mir fehlte der Biss. Und wenn ich keinen Biss habe, kann ich nicht erfolgreich sein. Zumal damals in der puren Manndeckung gespielt wurde. Um sich gegen harte Verteidiger wie Karlheinz Förster oder Roland Dickgießer durchzusetzen, war ein unglaublicher Biss erforderlich.

DFB.de: Waren die körperlichen Eigenschaften eines Stürmers damals wichtiger als heute?

Schatzschneider: Natürlich. Das war damals der totale Körpereinsatz, es ging richtig rund. Da flogen auch manchmal die Ellenbogen oder sonst was. Das gibt es heute gar nicht mehr, weil von den 1000 Kameras im Stadion alles aufgezeichnet wird.

DFB.de: Nach einigen Trainerstationen wurden Sie Scout bei Hannover 96 und sichten nun Nachwuchsspieler. Blicken Sie mit Sorgen auf das Nordderby zwischen Ihren Ex-Klubs, die sich beide im Abstiegskampf befinden?

Schatzschneider: Die größte Enttäuschung hat Hannover mit der Niederlage bei Eintracht Braunschweig bereits hinter sich. Das tat richtig weh! Die Angst, dass wir nun durchgereicht werden, ist groß. Möglicherweise haben auch manche Spieler Ängste. Das führt dazu, dass niemand mehr den Ball haben möchte. Wir sind keine schlechte Mannschaft und können den HSV schlagen - aber nur, wenn die Einstellung stimmt und man als Team funktioniert.

DFB.de: Und wie sehen Sie den Hamburger SV?

Schatzschneider: Ich denke, dass Mirko Slomka der Mannschaft gut tut. Bevor er verpflichtet wurde, bekam ich einige Anrufe aus hamburg, ob sie ihn verpflichten sollten. Ich habe sofort gesagt: "Ihr müsst ihn nehmen!" Er gibt etwas vor und hält seine Linie strikt ein. Nackenschläge beirren ihn nicht.

DFB.de: Wird eine der beiden Mannschaften absteigen?

Schatzschneider: Ich hoffe nicht. Ich liebe die Derbys und möchte auch künftig einige in der Bundesliga sehen.