SCF-Trainer Scheuer: "Stehen vorm Umbruch"

Talentschmiede gegen sechsmaligen Meister: Wenn der SC Freiburg am Mittwoch (ab 17.30 Uhr) im Verfolgerduell der Allianz Frauen-Bundesliga auf Turbine Potsdam trifft, ist es gleichzeitig ein Duell der Gegensätze. Hier der Emporkömmling aus Freiburg, dort die etablierte Spitzenmannschaft aus Potsdam. Im DFB.de-Interview spricht der Freiburger Trainer Jens Scheuer mit Mitarbeiter Philipp Grabowski über das Duell mit Potsdam und gibt Einblicke in die Freiburger Talentförderung.

DFB.de: Am Mittwoch steht das Nachholspiel gegen Turbine Potsdam auf dem Programm. Wie sehr freuen Sie sich auf das Spiel?

Jens Scheuer: Sehr! Wir haben lange auf dieses Duell gewartet, da unser letztes Spiel noch im März war. Wir haben in der Vorbereitung auf das Spiel unsere Hausaufgaben erledigt und kennen Potsdam natürlich sehr gut. Ich erwarte eine sehr intensive, umkämpfte Partie.

DFB.de: In der Achse Ihres Teams stehen mit Laura Benkarth, Lina Magull und Lena Petermann einige Spielerinnen, die den Verein am Saisonende verlassen. Ist dies das harte Los eines Ausbildungsvereins?

Scheuer: Es stimmt - wichtige Spielerinnen verlassen uns zum Saisonende, und wir stehen vor dem Umbruch. Mit dem steigenden Erfolg steigt eben auch die Nachfrage aus dem In- und Ausland an unseren Spielerinnen. Unser Erfolg basierte jedoch nie auf einzelnen Spielerinnen, sondern ist auf mehrere Schultern verteilt. Viele wichtige Säulen des Teams wie unsere Kapitänin Clara Schöne oder Hasret Kayikci, die bereits seit sieben Jahren im Verein ist, werden bleiben. Dazu stoßen dann neue, junge Spielerinnen, die uns kurz- bis langfristig verstärken können.

DFB.de: Meinen Sie damit auch junge Eigenwächse wie die 18-jährige Giulia Gwinn oder die ein Jahr jüngere Klara Bühl?

Scheuer: Genau. Spielerinnen wie Guilia und Klara oder auch Kim Fellhauer und Janina Minge, werden einen sehr wichtigen Part in den Planungen spielen. Sie haben hier den Sprung in die Allianz Frauen-Bundesliga geschafft, und die große Chance, bei uns den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung zu gehen. Dabei werden sie lernen, wachsen und mehr Verantwortung übernehmen. Ihre Entwicklungen zu begleiten, ist sehr spannend.

DFB.de: Blickt man auf die deutsche Nationalmannschaft sieht man zahlreiche Spielerinnen mit einer Freiburger Vergangenheit, die allesamt technisch sehr versiert sind. Ist das Teil der Freiburger DNA?

Scheuer: Wir wollen für gepflegten Fußball stehen und legen auch im Junioren-Bereich einen Schwerpunkt auf die technische Ausbildung, jedoch muss man dort ein Gleichgewicht finden, um nicht in Schönheit zu sterben. Es müssen verschiedene Lösungen auf verschiedene Spielsituationen gefunden werden. Da hilft im Nachwuchsbereich auch das Messen mit Jungenteams, da man dort richtig gefordert wird und sich dadurch gut weiterentwickeln kann.

DFB.de: Kürzlich fand der "13. Mädchenfüchsletag" statt, bei dem über 120 Mädchen im Alter zwischen acht bis 13 Jahren ihr Können präsentieren konnten. Welche Ziele haben Sie dort verfolgt?

Scheuer: Das wichtigste Ziel ist die Begeisterung für den Fußball und den SC Freiburg zu wecken. Es muss auch in Zukunft ein Traum sein, für den SC Freiburg in der Bundesliga spielen zu dürfen. In diesem jungen Alter kann man selbstverständlich nicht abschätzen, ob es zu einer Karriere als Spielerin in der Allianz Frauen-Bundesliga reicht. Es wäre falsch, die Mädels dann aus ihren Heimatvereinen loszueisen, bei denen sie häufig gegen Jungsteams sogar noch intensiver gefordert werden, als bei Kantersiegen gegen Mädchenteams. Wir fördern verschiedene externe Perspektivspielerinnen mit einer wöchentlichen Technikeinheit, aber ein Wechsel zum SC Freiburg macht in unseren Augen allerdings meistens erst im B-Juniorinnen-Alter Sinn.

DFB.de: Harte Arbeit oder Talent: Was ist in Ihren Augen bei einer jungen Spielerin wichtiger?

Scheuer: Das Talent muss zunächst da sein, denn mit durchschnittlichen Anlagen ist es schwer, den absoluten Durchbruch zur Topspielerin zu schaffen. Talent allein reicht jedoch dennoch nicht aus, und harte Arbeit ist unabdingbar bei jedem Ziel. Wir wollen Spielerinnen mit tollen Anlagen in ihrem Entwicklungsprozess begleiten, gewisse Leitplanken setzen und sie fördern. Auch durch schwere Verletzungen ist der Fußball schwer planbar, sodass bei manchen Spielerinnen auch harte Arbeit und Talent nicht ausreichen können. Dann benötigt man ein weiteres Standbein neben dem Fußball.

DFB.de: Welchen Stellenwert hat die schulische Ausbildung in der Freiburger Talentförderung?

Scheuer: Die Schule muss für jede junge Spielerin die Priorität Nummer eins sein – da machen wir keine Ausnahme. Wichtige Prüfungen müssen immer höher als Länderspiele oder Ligaspiele gewichtet werden. Wer sich in der Schule nicht anstrengt, darf nicht spielen, und da unsere Mädchen den Fußball lieben, ist der Ehrgeiz für gute schulische Leistungen da. Was wären wir für eine Gesellschaft, wenn wir junge Heranwachsende nicht vor gewissen Fehlentscheidungen schützen würden?

DFB.de: Können Sie das näher erläutern?

Scheuer: Nur ein Bruchteil der Mädchen können später mit dem Frauenfußball Geld verdienen. Jede Spielerin unserer Kaders hat einen Schulabschluss und ist eine Ausbildung oder Studium angegangen. Wir haben einen Erziehungsauftrag und Verantwortung gegenüber der Zukunft der Mädchen. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, wenn eine Spielerin bei uns spielt und dann mit 30 Jahren ohne berufliche Grundlagen vor dem Nichts steht. Spielerinnen sollen nicht mit dem Gedanken "Hätte ich mal Gas gegeben" auf ihre Jugend zurückschauen müssen. Der soziale Aspekt, das Miteinander, die Ausbildung – das macht für mich eine gesunde Talentförderung aus.

[pg]

Talentschmiede gegen sechsmaligen Meister: Wenn der SC Freiburg am Mittwoch (ab 17.30 Uhr) im Verfolgerduell der Allianz Frauen-Bundesliga auf Turbine Potsdam trifft, ist es gleichzeitig ein Duell der Gegensätze. Hier der Emporkömmling aus Freiburg, dort die etablierte Spitzenmannschaft aus Potsdam. Im DFB.de-Interview spricht der Freiburger Trainer Jens Scheuer mit Mitarbeiter Philipp Grabowski über das Duell mit Potsdam und gibt Einblicke in die Freiburger Talentförderung.

DFB.de: Am Mittwoch steht das Nachholspiel gegen Turbine Potsdam auf dem Programm. Wie sehr freuen Sie sich auf das Spiel?

Jens Scheuer: Sehr! Wir haben lange auf dieses Duell gewartet, da unser letztes Spiel noch im März war. Wir haben in der Vorbereitung auf das Spiel unsere Hausaufgaben erledigt und kennen Potsdam natürlich sehr gut. Ich erwarte eine sehr intensive, umkämpfte Partie.

DFB.de: In der Achse Ihres Teams stehen mit Laura Benkarth, Lina Magull und Lena Petermann einige Spielerinnen, die den Verein am Saisonende verlassen. Ist dies das harte Los eines Ausbildungsvereins?

Scheuer: Es stimmt - wichtige Spielerinnen verlassen uns zum Saisonende, und wir stehen vor dem Umbruch. Mit dem steigenden Erfolg steigt eben auch die Nachfrage aus dem In- und Ausland an unseren Spielerinnen. Unser Erfolg basierte jedoch nie auf einzelnen Spielerinnen, sondern ist auf mehrere Schultern verteilt. Viele wichtige Säulen des Teams wie unsere Kapitänin Clara Schöne oder Hasret Kayikci, die bereits seit sieben Jahren im Verein ist, werden bleiben. Dazu stoßen dann neue, junge Spielerinnen, die uns kurz- bis langfristig verstärken können.

DFB.de: Meinen Sie damit auch junge Eigenwächse wie die 18-jährige Giulia Gwinn oder die ein Jahr jüngere Klara Bühl?

Scheuer: Genau. Spielerinnen wie Guilia und Klara oder auch Kim Fellhauer und Janina Minge, werden einen sehr wichtigen Part in den Planungen spielen. Sie haben hier den Sprung in die Allianz Frauen-Bundesliga geschafft, und die große Chance, bei uns den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung zu gehen. Dabei werden sie lernen, wachsen und mehr Verantwortung übernehmen. Ihre Entwicklungen zu begleiten, ist sehr spannend.

DFB.de: Blickt man auf die deutsche Nationalmannschaft sieht man zahlreiche Spielerinnen mit einer Freiburger Vergangenheit, die allesamt technisch sehr versiert sind. Ist das Teil der Freiburger DNA?

Scheuer: Wir wollen für gepflegten Fußball stehen und legen auch im Junioren-Bereich einen Schwerpunkt auf die technische Ausbildung, jedoch muss man dort ein Gleichgewicht finden, um nicht in Schönheit zu sterben. Es müssen verschiedene Lösungen auf verschiedene Spielsituationen gefunden werden. Da hilft im Nachwuchsbereich auch das Messen mit Jungenteams, da man dort richtig gefordert wird und sich dadurch gut weiterentwickeln kann.

DFB.de: Kürzlich fand der "13. Mädchenfüchsletag" statt, bei dem über 120 Mädchen im Alter zwischen acht bis 13 Jahren ihr Können präsentieren konnten. Welche Ziele haben Sie dort verfolgt?

Scheuer: Das wichtigste Ziel ist die Begeisterung für den Fußball und den SC Freiburg zu wecken. Es muss auch in Zukunft ein Traum sein, für den SC Freiburg in der Bundesliga spielen zu dürfen. In diesem jungen Alter kann man selbstverständlich nicht abschätzen, ob es zu einer Karriere als Spielerin in der Allianz Frauen-Bundesliga reicht. Es wäre falsch, die Mädels dann aus ihren Heimatvereinen loszueisen, bei denen sie häufig gegen Jungsteams sogar noch intensiver gefordert werden, als bei Kantersiegen gegen Mädchenteams. Wir fördern verschiedene externe Perspektivspielerinnen mit einer wöchentlichen Technikeinheit, aber ein Wechsel zum SC Freiburg macht in unseren Augen allerdings meistens erst im B-Juniorinnen-Alter Sinn.

DFB.de: Harte Arbeit oder Talent: Was ist in Ihren Augen bei einer jungen Spielerin wichtiger?

Scheuer: Das Talent muss zunächst da sein, denn mit durchschnittlichen Anlagen ist es schwer, den absoluten Durchbruch zur Topspielerin zu schaffen. Talent allein reicht jedoch dennoch nicht aus, und harte Arbeit ist unabdingbar bei jedem Ziel. Wir wollen Spielerinnen mit tollen Anlagen in ihrem Entwicklungsprozess begleiten, gewisse Leitplanken setzen und sie fördern. Auch durch schwere Verletzungen ist der Fußball schwer planbar, sodass bei manchen Spielerinnen auch harte Arbeit und Talent nicht ausreichen können. Dann benötigt man ein weiteres Standbein neben dem Fußball.

DFB.de: Welchen Stellenwert hat die schulische Ausbildung in der Freiburger Talentförderung?

Scheuer: Die Schule muss für jede junge Spielerin die Priorität Nummer eins sein – da machen wir keine Ausnahme. Wichtige Prüfungen müssen immer höher als Länderspiele oder Ligaspiele gewichtet werden. Wer sich in der Schule nicht anstrengt, darf nicht spielen, und da unsere Mädchen den Fußball lieben, ist der Ehrgeiz für gute schulische Leistungen da. Was wären wir für eine Gesellschaft, wenn wir junge Heranwachsende nicht vor gewissen Fehlentscheidungen schützen würden?

DFB.de: Können Sie das näher erläutern?

Scheuer: Nur ein Bruchteil der Mädchen können später mit dem Frauenfußball Geld verdienen. Jede Spielerin unserer Kaders hat einen Schulabschluss und ist eine Ausbildung oder Studium angegangen. Wir haben einen Erziehungsauftrag und Verantwortung gegenüber der Zukunft der Mädchen. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, wenn eine Spielerin bei uns spielt und dann mit 30 Jahren ohne berufliche Grundlagen vor dem Nichts steht. Spielerinnen sollen nicht mit dem Gedanken "Hätte ich mal Gas gegeben" auf ihre Jugend zurückschauen müssen. Der soziale Aspekt, das Miteinander, die Ausbildung – das macht für mich eine gesunde Talentförderung aus.

###more###