Sandrock: "Mehrheit der Fans erhebt sich gegen Chaoten"

DFB.de: Das heißt?

Sandrock: Im Kern muss herausgearbeitet werden, was genau wir mit einem Kompetenz-/Sportzentrum erreichen wollen, was genau der Mehrwert für die Fußballentwicklung in Deutschland ist. Wenn wir die Inhalte und den Nutzen klar definiert haben und es dafür in den DFB-Gremien und beim DFB-Bundestag im Oktober 2013 eine Zustimmung gibt, sind im zweiten Schritt Überlegungen anzustellen, welche infrastrukturellen Maßnahmen wir ergreifen müssen, welche flächenmäßige Anforderungen an den Standort gestellt werden und welche Kosten entstehen.

DFB.de: Stimmt die Wahrnehmung, dass sich der Generalsekretär des DFB viel mit negativ besetzten Themen befassen muss? Stichworte Wettmanipulation, Pyrotechnik, Gewalt.

Sandrock: Ich sehe diese Themen vor allem als Herausforderung. Wir können etwas Positives bewirken. Es ist eine Chance, ein Thema wie den Kampf gegen Spielmanipulation aktiv anzugehen. Wir können handeln, wir können Weichen stellen. Manchmal ist das nicht einfach, aber wichtig ist, dass wir als Verband gerade bei schwierigen Inhalten handlungsfähig sind. Das gilt für alle Maßnahmen in Bezug auf die Verbesserung der Sicherheit bei Fußballspielen ebenso wie für Wettbetrug.

DFB.de: Der Aufschrei war groß, als die Europäische Polizeibehörde Europol Anfang Februar die Zahlen zum Wettskandal veröffentlicht hat. Wie ist ihre erste Reaktion ausgefallen?

Sandrock: Der Aufschrei war groß, weil das Thema global zu sehen ist. Und um es klar zu sagen: Die Integrität des Wettbewerbes ist existenziell für den Fußball. Wenn wir da an Glaubwürdigkeit verlieren, verlieren wir die Menschen, auch in Deutschland. Nach dem Bundesligaskandal Anfang der 70er-Jahre waren die Stadien fast leer, erst die Vorfreude auf die WM 1974 sowie die konsequente Aufarbeitung und Bestrafung der Vereine, Funktionäre und Spieler hat damals das Vertrauen in den Fußball zurückgebracht. Diese und andere Vorkommnisse sind für uns Warnung genug, um in diesem Bereich alle Anstrengungen zu unternehmen und uns bestmöglich zu schützen.

DFB.de: Europol-Chef Rob Wainwright hat vom größten Wettskandal in der Geschichte des Fußballs gesprochen. Wie schätzen Sie die das Problem für Deutschland ein?

Sandrock: Ich bin kein Freund von solchen Superlativen, zumal wir genau hinschauen müssen. Die Daten, die Europol vorgelegt hat, stammen aus dem Jahr 2009. Die Zahlen waren uns, aber auch der Öffentlichkeit, über die enge Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Bochum ja längst bekannt. Wenn man Deutschland isoliert betrachtet, waren die Zahlen eigentlich eine gute Nachricht, denn sie zeigen: In Deutschland sind keine neuen Fälle bekannt, und unser Spitzenfußball ist nicht tangiert.



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Ein Jahr im Amt, am Wochenende hat Helmut Sandrock sein erstes Dienstjubiläum gefeiert: 365 Tage Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Nationalmannschaft, 3. Liga, Amateurfußball, Kompetenzzentrum - Sandrock ist für große Themen ebenso zuständig wie für schwierige Bereiche, etwa den Kampf gegen Gewalt und Pyrotechnik.

Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke blickt der 56-Jährige zurück auf ein bewegtes Jahr und voraus auf weitere Jahre, in denen er viel bewegen will.

DFB.de: Herr Sandrock, Sie sind jetzt ein Jahr im Amt als DFB-Generalsekretär. Was waren für Sie die Höhepunkte? Welche Augenblicke haben Sie besonders genossen?

Helmut Sandrock: Die schönen Momente haben schon in der Zeit vor der Übernahme des Amtes begonnen. Für mich war die Zustimmung, die ich erfahren habe, überwältigend. Einerseits durch die Gremien des DFB, anderseits durch die Mitarbeiter in der Zentralverwaltung und meine Kollegen in der Geschäftsführung. Das war ein tolles Signal. Dieses Vertrauen ist für mich sehr wichtig.

DFB.de: Inwieweit hat sich durch das neue Amt Ihre tägliche Arbeit verändert?

Sandrock: Durch die neue Aufgabe haben sich meine inhaltlichen Zuständigkeiten innerhalb der DFB-Geschäftsführung verändert, außerdem habe ich als Generalsekretär die Gesamtverantwortung für das Haus übernommen. Hinzu kommen die nationalen und internationalen sportpolitischen Aufgaben.

DFB.de: In Ihre Verantwortung fällt auch das Kompetenzzentrum, Sie sind Projektverantwortlicher. Können Sie uns auf den aktuellen Stand bringen: Welche Schritte stehen als nächstes an?

Sandrock: Wir sind jetzt dabei, die vielen Ideen zu strukturieren. Dafür haben wir ein Kernteam gebildet, das sich mit der Organisation des Projektes befasst, unterstützt werden wir dabei von einem sehr erfahrenen externen Beratungsteam. Bei einem derart komplexen Projekt geht es vor allem darum, am Anfang die richtigen Schlüsse zu ziehen, sich intensiv mit den in die Zukunft gerichteten Fragen zu beschäftigen.

DFB.de: Das heißt?

Sandrock: Im Kern muss herausgearbeitet werden, was genau wir mit einem Kompetenz-/Sportzentrum erreichen wollen, was genau der Mehrwert für die Fußballentwicklung in Deutschland ist. Wenn wir die Inhalte und den Nutzen klar definiert haben und es dafür in den DFB-Gremien und beim DFB-Bundestag im Oktober 2013 eine Zustimmung gibt, sind im zweiten Schritt Überlegungen anzustellen, welche infrastrukturellen Maßnahmen wir ergreifen müssen, welche flächenmäßige Anforderungen an den Standort gestellt werden und welche Kosten entstehen.

DFB.de: Stimmt die Wahrnehmung, dass sich der Generalsekretär des DFB viel mit negativ besetzten Themen befassen muss? Stichworte Wettmanipulation, Pyrotechnik, Gewalt.

Sandrock: Ich sehe diese Themen vor allem als Herausforderung. Wir können etwas Positives bewirken. Es ist eine Chance, ein Thema wie den Kampf gegen Spielmanipulation aktiv anzugehen. Wir können handeln, wir können Weichen stellen. Manchmal ist das nicht einfach, aber wichtig ist, dass wir als Verband gerade bei schwierigen Inhalten handlungsfähig sind. Das gilt für alle Maßnahmen in Bezug auf die Verbesserung der Sicherheit bei Fußballspielen ebenso wie für Wettbetrug.

DFB.de: Der Aufschrei war groß, als die Europäische Polizeibehörde Europol Anfang Februar die Zahlen zum Wettskandal veröffentlicht hat. Wie ist ihre erste Reaktion ausgefallen?

Sandrock: Der Aufschrei war groß, weil das Thema global zu sehen ist. Und um es klar zu sagen: Die Integrität des Wettbewerbes ist existenziell für den Fußball. Wenn wir da an Glaubwürdigkeit verlieren, verlieren wir die Menschen, auch in Deutschland. Nach dem Bundesligaskandal Anfang der 70er-Jahre waren die Stadien fast leer, erst die Vorfreude auf die WM 1974 sowie die konsequente Aufarbeitung und Bestrafung der Vereine, Funktionäre und Spieler hat damals das Vertrauen in den Fußball zurückgebracht. Diese und andere Vorkommnisse sind für uns Warnung genug, um in diesem Bereich alle Anstrengungen zu unternehmen und uns bestmöglich zu schützen.

DFB.de: Europol-Chef Rob Wainwright hat vom größten Wettskandal in der Geschichte des Fußballs gesprochen. Wie schätzen Sie die das Problem für Deutschland ein?

Sandrock: Ich bin kein Freund von solchen Superlativen, zumal wir genau hinschauen müssen. Die Daten, die Europol vorgelegt hat, stammen aus dem Jahr 2009. Die Zahlen waren uns, aber auch der Öffentlichkeit, über die enge Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Bochum ja längst bekannt. Wenn man Deutschland isoliert betrachtet, waren die Zahlen eigentlich eine gute Nachricht, denn sie zeigen: In Deutschland sind keine neuen Fälle bekannt, und unser Spitzenfußball ist nicht tangiert.

DFB.de: Gegen Wettmanipulation setzt der DFB neben der Überwachung des Marktes durch Sportradar vor allem auf Prävention. Wie sehr sind Sie von der Effizienz dieser Strategie überzeugt?

Sandrock: Prävention ist wichtig, ich will aber betonen, dass unser Kampf gegen den Betrug auch ein stark repressives Element hat. Wir gehen jedem Fall konsequent nach. Im Zuge der Aufklärung des Skandals von 2009 sind von der DFB Sportgerichtsbarkeit 14 Spieler bestraft worden, mit Sperren von bis zu drei Jahren. Und die Bestrafung durch die Sportgerichte ist nur die eine Seite. Zusätzlich leiten wir die Fälle ausnahmslos an die Staatsanwaltschaft weiter. Wer sich in Deutschland mit betrügerischen Machenschaften am Fußball bereichern will, muss wissen, dass die Gefahr, erwischt zu werden, groß und die Strafe hart ist.

DFB.de: Mehr noch als der Wettbetrug haben in der öffentlichen Diskussion die zunehmende Gewalt in und um deutsche Stadien sowie das Problem Pyrotechnik eine größere Rolle eingenommen. Die Verabschiedung des Konzepts "Sicheres Stadionerlebnis" war ein Kraftakt.

Sandrock: Dieses Konzept steht am Ende einer langen Entwicklung. Schon vor seiner Verabschiedung haben wir die "Task Force Sicherheit" gegründet. Die Vereine waren mit am Tisch, die Verbände, die Polizei und erstmals die Justiz. Und ganz wichtig: Auch die Fans waren dabei. Sie waren nicht ausgegrenzt, wie dies heute oft suggeriert wird. Klar war immer, dass jede Form von Gewalt, jede Form von Diskriminierung und jede Form von Pyrotechnik nicht hinnehmbar sind. Wir reden hier meines Erachtens über Selbstverständlichkeiten.

DFB.de: Wie optimistisch sind Sie, dass in der Saison 2013/2014 weniger über Gewalt und Pyrotechnik gesprochen werden muss?

Sandrock: Ich finde vor allem positiv, dass sich die Mehrheit der Fans zunehmend gegen die Störer und Chaoten erhebt. Sie sind nicht länger bereit, sich ihr Spiel von denjenigen kaputt machen zu lassen, die gar keine Fußballfans sind. Wir erleben es immer häufiger, dass die Masse diese Minderheit auspfeift, wenn wieder irgendwo gezündelt wird. Oder dass deutlich Stellung bezogen wird, wenn jemand mit rechtsradikalen Parolen versucht, die Bühne Fußball zu instrumentalisieren. Deswegen bin ich mit der Gesamtentwicklung zufrieden.

DFB.de: Gilt dies auch für die 3. Liga? Im Jahr 2008 haben Sie als Direktor Spielbetrieb des DFB prognostiziert, dass sich die 3. Liga zu einem Premiumprodukt entwickeln würde. Kann der Generalsekretär feststellen, dass der Direktor damals Recht hatte?

Sandrock: Ja. Es ist die höchste Spielklasse des DFB, eine professionell aufgestellte und entwickelte Liga. Durchschnittlich kommen aktuell 6500 Zuschauer zu den Spielen der 3. Liga, so viele wie noch nie. Damit sind wir deutlich besser als eine Vielzahl von ersten Ligen anderer Nationalverbänden in Europa. Wir erzielen inzwischen Gesamtumsätze in Höhe von über 140 Millionen Euro. Die 3. Liga ist damit sportartenübergreifend die drittumsatzstärkste Liga in Deutschland. Vor Basketball, vor Handball, vor Eishockey.

DFB.de: Und doch gibt es Schwierigkeiten. Einige Vereine haben wirtschaftliche Probleme, Alemannia Aachen musste den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen.

Sandrock: Und davor verschließen wir nicht die Augen. Zwar ist im Laufe der ersten Jahre die angestrebte Annäherung der 3. Liga an die 2. Bundesliga eingetreten, sportlich, wirtschaftlich und infrastrukturell. Durch den neuen Fernsehvertrag der Liga wird die wirtschaftliche Statik zu Gunsten der 2. Bundesliga erheblich beeinflusst. Wir machen uns also intensiv Gedanken darüber, welche Möglichkeiten wir haben, um da gegenzusteuern.

DFB.de:Es gibt immer wieder Forderungen nach größeren finanziellen Hilfen für Liga drei.

Sandrock: Ja, und möglicherweise gelingt es uns, einen Generalsponsor für die 3. Liga zu finden. Das ist aber nicht einfach, weil viele Exklusivitäten berücksichtigt werden müssen. Unabhängig davon denken wir darüber nach, die Arbeit im Jugendbereich stärker zu unterstützen, speziell bei Vereinen, die ein Nachwuchsleistungszentrum unterhalten. Eines kann und darf der DFB nicht, nämlich Vereine direkt im Sinne von Subventionen zu fördern.

DFB.de: Der DFB hat sich die Stärkung der Basis auf die Fahnen geschrieben. Sehen Sie darin die größte Herausforderung in den kommenden Jahren?

Sandrock: Das gehört sicherlich dazu. Wie andere in dieser Gesellschaft haben wir die demografische Entwicklung zu beachten. Es ist kein Geheimnis, dass wir damit zu kämpfen haben, weiter auf hohem Niveau ehrenamtliche Funktionäre, Trainer, Betreuer und Schiedsrichter für uns zu gewinnen und an uns zu binden. Der Fußball-Amateurkongress 2012 hat uns viele gute Ansatzpunkte geliefert, an deren Umsetzung arbeiten wir jetzt.

DFB.de: Gegen den demografischen Wandel ist auch der DFB machtlos. Also muss es gelingen, künftig prozentual noch mehr Kinder für den Fußball zu begeistern und in einen Verein zu bringen. Wie soll das passieren?

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Sandrock: Es gibt außerhalb des DFB in Deutschland viele Menschen, die Fußball spielen. Am Sonntag auf der Wiese, auf dem Bolzplatz an der Ecke, auf den vielen Mini-Spielfeldern. Das sind Millionen Menschen, die wir noch für den Weg in einen Verein begeistern können. Das Thema Schule und Fußball spielt eine zentrale Rolle in unseren Konzepten. Die Entwicklung zur Ganztagsschule in Deutschland ist unumkehrbar, wir müssen daher insbesondere die Netzwerke zwischen Grundschule und Amateurvereinen mit Leben füllen.

DFB.de: Immer wieder fällt das Stichwort moderne Verbandsstruktur. In welchen Bereichen muss der DFB aus Ihrer Sicht modernisiert werden?

Sandrock: Wir wollen und müssen beispielsweise unser Kundenbeziehungssystem verbessern und damit unseren Service modernisieren. Derzeit müssen sich unsere Besucher auf verschiedenen Internetseiten zurechtfinden. Dort gibt es den Fanshop, da das Ticketing, an anderer Stelle das Reisebüro und den Fan Club Nationalmannschaft. Diesen Service wollen wir mit einem IT-basierten Kundenbeziehungssystem bündeln. Derzeit haben wir mehr als 30 Webpräsenzen, die wir in diesem Kontext auf einige große Themenwelten zusammenführen werden.