Rynio: "Rekordabsteiger? Völlig wurscht!"

DFB.de: Allein durch diesen Einsatz stellten Sie zwei Bundesligarekorde auf. Sie waren der erste Profi mit sechs verschiedenen Bundesligaklubs und am Saisonende auch Rekordabsteiger - es war schon ihr fünfter Abstieg. Den Rekord halten Sie bis heute. Haben Sie Ihr Comeback nicht schon deshalb bereut?

Rynio: Ach, das mit dem Rekordabsteiger ist doch völlig wurscht.

DFB.de: Vor zwei Jahren wollten sie noch ein Buch über Ihre Bundesligakarriere schreiben und es über Ihren Rekord verkaufen. Oder irren wir uns?

Rynio: Das stimmt schon. Aber dann ist leider mein Autor verstorben, seitdem liegt das Buch auf Eis.

DFB.de: Ihr letztes Bundesligaspiel eine Woche nach dem Duell mit Bayern ging auch in die Annalen ein. In Stuttgart kassierte 96 seine höchste Bundesliganiederlage überhaupt, ein 0:7), außerdem verwandelte Michael Nushöhr als erster Spieler ausgerechnet gegen Sie drei Elfmeter. Erlauben Sie die platte Frage: Warum war Hannover 96 damals so schlecht?

Rynio: Ich antwortete Ihnen mit einer Floskel: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Unser Kader war völlig falsch zusammen gestellt, wir hatten beispielsweise vier linke Verteidiger. Es konnten also drei Spieler von vorneherein nicht auf ihrer besten Position spielen. Ich habe das damals auch öffentlich kritisiert, dieser Abstieg hätte nicht sein müssen.

DFB.de: Kommen wir zu Gegenwart. Auch jetzt spukt das Abstiegsgespenst an der Leine. Kann es 96 wieder erwischen?

Rynio: Ich finde, dafür ist der Kader zu gut. Aber das Spiel nach vorne ist nicht effektiv genug, da müssen sie sich verbessern.

DFB.de: Und wie bewerten Sie Ihren Nachfolger Ron-Robert Zieler, der sich seit Sommer Weltmeister nennen darf?

Rynio: Er ist sehr ruhig und ausgeglichen. Für mich ist er eine Bank.

DFB.de: Kann ihm erspart bleiben, was Ihnen passierte - oder halten Sie ein 0:5 gegen Bayern auch am Samstag für möglich?

Rynio: Theoretisch ja. Wenn die Bayern einen Lauf haben, kann es wieder passieren. Aber ich hoffe es nicht.

Jürgen Rynio spielte zwischen 1967 und 1986 für sechs verschiedene Bundesligisten (Karlsruhe, Nürnberg, Dortmund, Essen, St. Pauli und Hannover) und kam auf 184 Einsätze. Heute leitet Rynio bei Celle ein Heim für geistig Behinderte.

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Besondere Begegnungen, besondere Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesliga an ganz spezielle Duelle, passend zu dem jeweils aktuellen Spieltag. Heute: Jürgen Rynio vor dem Duell Hannover 96 gegen den Deutschen Meister Bayern München am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky).

Im historischen DFB.de-Interview mit dem Historiker Udo Muras erinnert sich der heute 66 Jahre alte frühere Torwart von Hannover an sein Bundesligacomeback mit 37 Jahren, das 1986 mit 0:5 gegen die Bayern daneben ging - bis heute die höchste Heimniederlage der 96er -, und an seine in vielerlei Hinsicht turbulente letzte Bundesligasaison 1985/1986.

DFB.de: Die Bayern kommen nach Hannover. Wie am 1. Februar 1986, als Sie plötzlich wieder im Tor standen, Herr Rynio. Sie hatten acht Jahre kein Bundesligaspiel bestritten und in der Aufstiegssaison 1984/1985 bereits parallel als Manager gearbeitet. Wie kam das?

Jürgen Rynio: Ich war ja trotzdem immer noch zweiter Torwart. Nach dem Aufstieg hatte ich das Gefühl, dass mich der Vorstand nicht mehr voll akzeptierte, und so kündigte ich beide Verträge, auch den als Lizenzspieler. Aber sie baten mich, wenigstens den weiter zu führen. Ich sagte zu unter der Bedingung, nebenbei in Köln die Trainerlizenz erwerben zu können. Denn als Profis hatten wir zu der Zeit nicht so viel verdient, um ausgesorgt zu haben.

DFB.de: Ein Jahr waren Sie die Nummer zwei hinter Ralf Raps gewesen, ohne einen Einsatz.

Rynio: Richtig. Ich habe damals auch nicht mehr ganz so gut trainiert, wie es sein sollte, weil ich ja von Montag bis Freitag zur Ausbildung in Köln war. Aber das hat keinen gestört, weil ich ja nur der zweite Torwart war. Ausgerechnet vor dem Bayern-Spiel handelte sich Raps dann eine Gehirnerschütterung ein. Ich hab noch auf ihn eingeredet: "Mensch, mach keinen Quatsch! Du musst spielen." Aber er konnte nicht, und so hat mich Jörg Berger, damals schon der dritte Trainer der Saison, aufgestellt.

DFB.de: Wobei Sie sein Vorgänger waren. Im Winter coachten Sie Hannover für 55 Tage und fünf Spiele...

Rynio: Ich habe ja damals alles gemacht, ich war Torwarttrainer, Co-Trainer, davor wie erwähnt Manager. Ich war der Hans-Dampf in allen Gassen! Dann haben Sie mich im Herbst 1985 nach der Entlassung von Werner Biskup gefragt, ob ich das nicht machen will als Trainer. Ich war schon immer ein Taktikfuchs, habe mich für Systeme interessiert und von hinten genau beobachtet, wie sich Mannschaften so verhalten. Und nun war ich ja sowieso schon in der Ausbildung. Sie mussten mich also nicht lange überreden. Wenn ich auch noch keine Lizenz hatte...

DFB.de: Und wie war der Umgang mit den Kollegen, als der Ersatztorwart plötzlich der Trainer war?

Rynio: Ich war mit allen per Du, das ist klar. Alle zogen mit, es gab keine Probleme.

DFB.de: Bis auf die Resultate. Im Januar wurde mit Jörg Berger ein Retter verpflichtet.

Rynio: Das war in Ordnung für mich, wirklich. Nun war ich eben wieder nur zweiter Torwart.

DFB.de: Ihr Comeback stand unter keinem guten Stern. Die Bayern gewannen mit 5:0, Lothar Matthäus war unter den Torschützen. Es war Hannovers höchste Heimniederlage in der Bundesliga.

Rynio: Schon, aber ich habe damals ein gutes Spiel gemacht und mir nichts vorzuwerfen. Die Bayern waren auch damals eine Übermacht und wir im freien Fall in die 2. Bundesliga.

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DFB.de: Allein durch diesen Einsatz stellten Sie zwei Bundesligarekorde auf. Sie waren der erste Profi mit sechs verschiedenen Bundesligaklubs und am Saisonende auch Rekordabsteiger - es war schon ihr fünfter Abstieg. Den Rekord halten Sie bis heute. Haben Sie Ihr Comeback nicht schon deshalb bereut?

Rynio: Ach, das mit dem Rekordabsteiger ist doch völlig wurscht.

DFB.de: Vor zwei Jahren wollten sie noch ein Buch über Ihre Bundesligakarriere schreiben und es über Ihren Rekord verkaufen. Oder irren wir uns?

Rynio: Das stimmt schon. Aber dann ist leider mein Autor verstorben, seitdem liegt das Buch auf Eis.

DFB.de: Ihr letztes Bundesligaspiel eine Woche nach dem Duell mit Bayern ging auch in die Annalen ein. In Stuttgart kassierte 96 seine höchste Bundesliganiederlage überhaupt, ein 0:7), außerdem verwandelte Michael Nushöhr als erster Spieler ausgerechnet gegen Sie drei Elfmeter. Erlauben Sie die platte Frage: Warum war Hannover 96 damals so schlecht?

Rynio: Ich antwortete Ihnen mit einer Floskel: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Unser Kader war völlig falsch zusammen gestellt, wir hatten beispielsweise vier linke Verteidiger. Es konnten also drei Spieler von vorneherein nicht auf ihrer besten Position spielen. Ich habe das damals auch öffentlich kritisiert, dieser Abstieg hätte nicht sein müssen.

DFB.de: Kommen wir zu Gegenwart. Auch jetzt spukt das Abstiegsgespenst an der Leine. Kann es 96 wieder erwischen?

Rynio: Ich finde, dafür ist der Kader zu gut. Aber das Spiel nach vorne ist nicht effektiv genug, da müssen sie sich verbessern.

DFB.de: Und wie bewerten Sie Ihren Nachfolger Ron-Robert Zieler, der sich seit Sommer Weltmeister nennen darf?

Rynio: Er ist sehr ruhig und ausgeglichen. Für mich ist er eine Bank.

DFB.de: Kann ihm erspart bleiben, was Ihnen passierte - oder halten Sie ein 0:5 gegen Bayern auch am Samstag für möglich?

Rynio: Theoretisch ja. Wenn die Bayern einen Lauf haben, kann es wieder passieren. Aber ich hoffe es nicht.

Jürgen Rynio spielte zwischen 1967 und 1986 für sechs verschiedene Bundesligisten (Karlsruhe, Nürnberg, Dortmund, Essen, St. Pauli und Hannover) und kam auf 184 Einsätze. Heute leitet Rynio bei Celle ein Heim für geistig Behinderte.