Rynio: "Irgendwann hat gar keiner mehr reagiert"

DFB.de: Noch nicht.

Rynio: Ob die eigentlich zweistellige Ergebnisse zeigen können an der Anzeigetafel. Das war ja damals noch Handbetrieb im alten Grünwalder Stadion. An so was denkt man als Torwart, wenn die Dinge so laufen.

DFB.de: Konnten Sie, aber es ist nie mehr vorgekommen und bis heute Bayerns höchster Bundesligasieg.

Rynio: Ja, und ich stand im Kasten. Aber wissen Sie was? Ich betreue heute ein Heim für geistig behinderte Menschen und sehe vieles mit anderen Augen. Was ist da schon ein 1:11? Oder fünf Abstiege?

DFB.de: In der Tat. Rekord-Absteiger sind Sie ja auch, daraus soll ein Buch werden. Wie weit sind Sie?

Rynio: Der Titel steht fest: "Der Rekord-Absteiger. Ein Leben voller Emotionen". Ich habe aber keine Eile und noch einen Autor hinzugezogen. Wir wollen das zum 50. Bundesligajahr 2013 bringen, da passt es gut hin.

DFB.de: Das große Spiel steigt schon etwas früher. Was erwarten Sie am Mittwoch?

Rynio: Jedenfalls kein 11:1. Ich bin ja für den BVB, weil sie den attraktiveren Fußball spielen.

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Die Fußballnation schaut voller Spannung auf den Bundesligagipfel zwischen Borussia Dortmund und Bayern München am Mittwoch (ab 20 Uhr, live bei Sky). Es geht um die Meisterschaft, die Fans erwarten Dramatik und Tore von dieser Paarung. Tore gab es schon vor über 40 Jahren, Dramatik weniger.

Damals trennten den FC Bayern und den BVB Welten, beim 11:1 in München fielen so viele Tore wie sonst nie zwischen den Rivalen. Für DFB.de hat der Historiker Udo Muras mit Jürgen Rynio gesprochen, dem Torwart, der am 27. November 1971 elf Tore gegen Bayern kassierte. Heute tue es nicht mehr weh, sagt er.

DFB.de: Herr Rynio, wir möchten uns mit Ihnen über die Partie Dortmund gegen Bayern unterhalten. Ahnen Sie, warum?

Jürgen Rynio: Sie meinen bestimmt das 11:1. Aber das waren doch ganz andere Voraussetzungen damals als heute.

DFB.de: Sicher. Erzählen Sie bitte!

Rynio: Der FC Bayern war damals enorm stark und stellte ja auch einen Torrekord auf (101 Saisontore; die Red.). Da griff ein Rädchen ins andere, und wenn die mal anfingen, waren sie nicht mehr zu stoppen. Wir dagegen waren eine junge Mannschaft, die sich im Neuaufbau befand. Wenn Umstrukturierungen vorgenommen werden, kann nicht immer alles klappen.

DFB.de: Sie standen auf dem 15. Platz, am Ende gab es gar den Abstieg. Trainer Horst Witzler wünschte sich schon vorher eine knappe Niederlage. Waren Sie vielleicht etwas zu devot?

Rynio: Das weiß ich nicht, aber es hätte nicht passieren müssen in der Höhe. Ein 1:11 ist immer blamabel und darf in der Bundesliga eigentlich nicht vorkommen. Ein bis zwei Jahre vorher wäre das nicht passiert, da hatten wir noch einige ältere Spieler in unseren Reihen.

DFB.de: Der Münchner Merkur schrieb damals: "Es hätte noch schlimmer kommen können" - und listete eine Vielzahl Bayern-Chancen auf. Uli Hoeneß klagte, er hätte allein fünf Tore machen müssen. Hatten Sie wirklich noch Glück gehabt?

Rynio: Ja, die hatten Chancen ohne Ende. Wir haben es einfach laufen lassen. Ich habe noch versucht, das Mittelfeld zu organisieren und die Abwehr zu kommandieren, aber irgendwann hat keiner mehr reagiert. Wir hätten ein Time-out wie beim Handball gebraucht, das wäre schön gewesen.

DFB.de: Kriegen Sie die Torschützen noch zusammen?

Rynio: Gerd Müller hat bestimmt drei oder vier gemacht.

DFB.de: Vier ist richtig.

Rynio: Der Bulle Roth zwei.

DFB.de: Korrekt.

Rynio: Uli Hoeneß?

DFB.de: Ja, auch zwei.

Rynio: Paul Breitner eins und der Franz Beckenbauer auch, oder?

DFB.de: Korrekt. Fehlt noch Willi Hoffmann. Gratulation zum guten Gedächtnis. Dabei war das doch eher ein Tag zum Vergessen.

Rynio: Leicht gesagt. Ich weiß noch, dass die Bild-Zeitung am Montag eine ganze Seite gemacht und alle Tore gezeigt hat. Und dann kamen die Leute mit der Zeitung in der Hand zu mir und sagten: "Na, den hättste doch haben können." Als wenn das noch eine Rolle gespielt hätte. Eigentlich habe ich ja sogar ganz gut gespielt an dem Tag.

DFB.de: Tatsächlich waren Sie laut Presse bester Borusse. Und wie war nun die Stimmung in der Kabine, woran erinnern Sie sich noch?

Rynio: An den dummen Scherz unseres einzigen Torschützen Dieter Weinkauff. Der sagte doch glatt: "Ein Weinkauff ist halt zu wenig." Ich hätte ihn erwürgen können.

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DFB.de: In der Stimmung waren Sie gewiss. Was denkt ein Torwart, der elf Tore kassiert: Waren Sie wütend, frustriert, fatalistisch?

Rynio: Von allem etwas. Aber wissen Sie, woran ich schon während des Spiels dachte?

DFB.de: Noch nicht.

Rynio: Ob die eigentlich zweistellige Ergebnisse zeigen können an der Anzeigetafel. Das war ja damals noch Handbetrieb im alten Grünwalder Stadion. An so was denkt man als Torwart, wenn die Dinge so laufen.

DFB.de: Konnten Sie, aber es ist nie mehr vorgekommen und bis heute Bayerns höchster Bundesligasieg.

Rynio: Ja, und ich stand im Kasten. Aber wissen Sie was? Ich betreue heute ein Heim für geistig behinderte Menschen und sehe vieles mit anderen Augen. Was ist da schon ein 1:11? Oder fünf Abstiege?

DFB.de: In der Tat. Rekord-Absteiger sind Sie ja auch, daraus soll ein Buch werden. Wie weit sind Sie?

Rynio: Der Titel steht fest: "Der Rekord-Absteiger. Ein Leben voller Emotionen". Ich habe aber keine Eile und noch einen Autor hinzugezogen. Wir wollen das zum 50. Bundesligajahr 2013 bringen, da passt es gut hin.

DFB.de: Das große Spiel steigt schon etwas früher. Was erwarten Sie am Mittwoch?

Rynio: Jedenfalls kein 11:1. Ich bin ja für den BVB, weil sie den attraktiveren Fußball spielen.