Rolfes: "Pokalspiele sind immer tückisch"

Der edle Holzschreibtisch im 280 Quadratmeter großen Büro in Eschweiler ist sein neuer Stammplatz. Wenn Bayer Leverkusen am Samstag (ab 15.30 Uhr, live auf Sky) mit dem Pokalspiel gegen die Sportfreunde Lotte in die Saison startet, wird Simon Rolfes fehlen. Zum ersten Mal seit dem Sommer 2005.

Der 33-Jährige ist nach 288 Bundesligaspielen vorbereitet auf die neue Lebensphase. Analyse, Zieldefinition, entschlossenes Handeln - so kannte man ihn in der Liga und bei der Nationalmannschaft. Auch jetzt sind Aufgaben definiert und Ziele gesteckt. Gerade seine neugegründete Spielerberaterfirma "Rolfes & Elsässer - The Career Company" sorgt in der Branche für reichlich Neugier. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth spricht der 26-malige Nationalspieler über seine Zukunft nach der Profikarriere, die erste Runde des DFB-Pokals mit Bayer Leverkusen und die generellen Aussichten für die Werkself in der neuen Saison.

DFB.de: Leverkusen trifft am Samstag in der ersten Pokalrunde auf den Regionalligisten Sportfreunde Lotte. Wie schwierig wird das ohne Sie, Herr Rolfes?

Simon Rolfes: Lotte liegt im Münsterland, also in meiner alten Heimat, und wir Westfalen sind zähe Burschen. (lacht) Pokalspiele sind immer tückisch, aber wenn Bayer das konzentriert angeht, werden sie keine Probleme bekommen.

DFB.de: Haben Sie mit Abwehrchef Ömer Toprak nach seiner schweren Verletzung gesprochen?

Rolfes: Wir haben uns kurz geschrieben. Er ist ein wichtiger Eckpfeiler der Mannschaft, er hat sich sehr gut entwickelt. Für die Mannschaft ist sein Ausfall ein herber Schlag. Er ist der Turm in der Abwehr - dass er solange ausfällt, tut Bayer 04 weh. Selbst wenn er es schafft, dieses Jahr wieder zu spielen, wird er die hundertprozentige Fitness und Topform doch erst in der Rückrunde erreichen.

DFB.de: Lars Bender hat die Kapitänsbinde übernommen - was zeichnet ihn außer der sportlichen Qualität dafür aus?

Rolfes: Er ist lange im Verein, er kennt viele Strukturen. Lars ist definitiv eine Respektsperson in der Mannschaft. Jetzt muss er in diese Rolle reinwachsen.

DFB.de: Welches Ziel ist diese Saison realistisch für Bayer Leverkusen?

Rolfes: Es wird ein schwieriger Kampf um Platz vier werden. Mit der ersten Elf ist Bayer 04 gut aufgestellt, aber in der Tiefe wird ihnen noch die eine oder andere Neuverpflichtung gut tun. Dortmund wird nicht noch mal so eine Saison spielen. Die Wolfsburger sind mit Bayern oben eine absolute Topmannschaft. Gladbach ist stabil, dann mal schauen, was die Schalker machen. Mein Tipp: Gladbach, Dortmund, Leverkusen kämpfen um die Plätze hinter Bayern und Wolfsburg.

DFB.de: Weg von Bayer, hin zu Ihrer Zukunft: Sie verfolgen mit Ihrer neugegründeten Firma einen bislang so nicht gekannten Ansatz für das Aufgabenprofil des Spielerberaters. Wie ist der Stand der Dinge?

Rolfes: Das Büro in Eschweiler ist eingerichtet. Im Sommer habe ich nach 16 Jahren im Leistungsfußball erst mal den großen Break gemacht. Ich habe mir viel Zeit für die Familie genommen, und die aktive Profikarriere bewusst ausklingen lassen. Jetzt widme ich mich meinen beiden neuen Tätigkeiten. Die Firma heißt bekanntlich "Rolfes & Elsässer – The Career Company", und damit wird schon deutlich, dass wir mehr bieten wollen als der klassische Berater. Wir werden unsere Spieler länger betreuen, auch über das Karriereende hinaus. Wir wollen uns nicht nur auf die Glanzzeiten konzentrieren. Ausgerechnet wenn die zweite Karriere beginnt, sollte die Beratung eben nicht aufhören. Mein Partner Dr. Markus Elsässer ist ein erfahrener Manager, er wird vorrangig den wirtschaftlichen Bereich abdecken. Ich stehe für den sportlichen Bereich. Hier wird viel Potenzial bei der Entwicklung junger Spieler liegengelassen. Häufig stagniert irgendwann die individuelle Weiterentwicklung. Da möchte ich ansetzen.

DFB.de: Wie haben Sie das selbst als junger Spieler erlebt?

Rolfes: Bei Werder Bremen galt ich als großes Talent, aber bald ging es nicht weiter. Irgendwann habe ich dann mein Fitnesstraining intensiviert und nach den Einheiten an technischen Elementen meines Spiels gearbeitet. Dadurch entstand auf meinem Karriereweg wieder eine Dynamik. Mir hätte es geholfen, wenn ich früher schon auf den Trichter gekommen wäre. Manch einer erkennt die Situation zu spät - dann ist es gelaufen. Selbst wirklich hoffnungsvolle Talente können in eine Sackgasse geraten, da geht Potenzial verloren. Es herrscht also Bedarf.

DFB.de: Haben Sie sich selbst als Spieler gut beraten gefühlt?

Rolfes: Ich hätte mir schon jemanden gewünscht, der mir als 17- oder 18 Jahre alten Spieler sportlich zur Seite gestanden hätte. Die sportliche Kompetenz fehlt vielen Beratern. Häufig wird eher die Karriere gesteuert, wenn sie schon läuft.

DFB.de: Ihnen standen viele Türen offen. Warum entscheiden Sie sich für eine Zukunft als Spielerberater?

Rolfes: So möchte ich mich gar nicht bezeichnen. Was wir anbieten, ist umfassender. Karrieremanager ist eine sinnigere Bezeichnung. Für mich ging es um die Entscheidung: Steige ich woanders ein oder mache ich etwas selbstständig? Dieses Projekt hatte ich aber schon lange im Hinterkopf, der Reiz, das selbst zu machen, war einfach zu groß.

DFB.de: Haben Spielerberater einen schlechten Ruf?

Rolfes: Tendenziell ja. In jeder Branche gibt es schwarze Schafe. Der Ruf wird meistens durch negative Beispiele geprägt und dennoch ist nicht alles unbegründet. Daneben ist aber auch völlig klar, dass die Professionalisierung des Fußballs weiter voranschreitet – auch in dieser Branche. Dieser Trend ist nicht aufzuhalten. Nostalgiker, die sich einen Fußball ohne Spielerberater zurückwünschen, muss man wohl enttäuschen. Die Zeit wird keiner zurückdrehen und das wäre auch nicht sinnvoll.

DFB.de: Sie sagen, die Zeit nach der Karriere werde oft vernachlässigt und besonders wichtig sei der Übergang. Sie befinden sich selbst gerade mitten im Übergang – wie lebt es sich?

Rolfes: Gut, gerade weil ich diese Phase vorbereitet habe. Mir war klar, was ich künftig machen will. Meine Aufgaben und Ziele stehen fest. Natürlich ist das ein Neuanfang. Aus der körperlichen Belastung begibt man sich in eine größere geistige Belastung. Diesen Traum des Fußballs hat man so lange mit großer Leidenschaft gelebt. Aber ich fühle mich sehr gut vorbereitet, ich weiß, wo es hingeht.

DFB.de: Was wird Ihnen morgen oder in fünf Jahren besonders fehlen?

Rolfes: Auf dem perfekten Rasen Fußball zu zocken. Es gibt natürlich auch tolle Spiele, die Flutlichtspiele, in Dortmund, in der Champions League, das sind tolle Momente, die mir sicherlich fehlen werden. Ich bin dankbar und glücklich, dass ich diese Zeit erleben konnte. Jetzt beginnt eine andere Zeit.

DFB.de: Sie haben ihre Finanzen als Profi immer selbst verwaltet und etwa mit Aktien einer Sanitärfirma gute Gewinne eingefahren. Sehr vernünftig, aber ist das auch vermittelbar? Will ein junger Profi sich nicht viel lieber einen möglichst flachen Sportwagen kaufen?

Rolfes: Das ist die Frage. Vom Grundsatz her ist unser Ansatz der finanziellen Betreuung sehr individuell. Das kann man sicher nicht über einen Kamm scheren. Man muss für jeden die richtige Lösung finden, das liegt gerade auch in der Verantwortung des Beraters. Manchmal muss man bestimmt beim Spieler ein Bewusstsein schaffen, dass es für die Zeit nach der aktiven Karriere gilt, eine gewisse Vorsorge zu treffen. Spieler kapieren das.

DFB.de: Bleiben wir beim Geld: Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft, sagt, 25 Prozent der Spieler seien ein paar Jahre nach dem Karriereende pleite oder überschuldet. Hat er Recht?

Rolfes: Es geht gar nicht um seine Einschätzung, die 25 Prozent waren das Ergebnis einer Studie. Es fehlt einfach das Bewusstsein für ein angemessenes Ausgabeverhalten. Wieviel Kapital braucht es, um von den Erträgen zu leben? Darüber machen sich nur wenige Profis Gedanken. Nach dem Karriereende kann das sehr schnell in eine Abwärtsspirale übergehen.

DFB.de: Haben Sie selbst Spieler erlebt, die finanziell Probleme bekamen?

Rolfes: Auf jeden Fall. Bei manchen wurde es schon während der Karriere schwierig. Bei anderen konnte man die Entwicklung vorhersehen. Das ist tragisch. Denn wir Bundesligaprofis sind eigentlich in einer Situation, zumindest eine stabile finanzielle Basis zu schaffen. Die Einnahmesituation wird sich mit Mitte 30 drastisch ändern. Dann ist nicht nur diese tolle Erlebniswelt beendet, bei manchen ist dann bald auch das Geld weg. Viele sind zu optimistisch über ihren Neustart im Berufsleben. Man konkurriert mit Leuten, die schon 15 Jahre Berufserfahrungen gesammelt haben.

DFB.de: Dafür bringen Fußballer ein anderes Können mit in die zweite Karriere: Wettkampfhärte, Druckresistenz und auch die Kontakte.

Rolfes: Auf jeden Fall ist das auch eine Art Startkapital. Aber man muss das pflegen. Wie schnell verliert man etwa die Disziplin, die ein Profi leben muss? Wir als Firma sind zutiefst davon überzeugt, dass es Eigenschaften gibt, die erklären, warum jemand ein erfolgreicher Sportler wurde. Aber das reicht nicht. Man muss diese Eigenschaften nutzen, weiterentwickeln und analysieren, wie man sie am besten einsetzt.

DFB.de: Jupp Heynckes attestiert ihnen "eine besondere Stärke, mit anderen Spielern umzugehen". Eine ideale Qualität für die jetzige Aufgabe, aber auch um in fünf Jahren Völlers Nachfolger als Sportdirektor in Leverkusen zu werden.

Rolfes: (lacht) Ich weiß gar nicht, ob Rudi nicht noch länger weitermachen will. Darüber habe ich mir sicher noch keine Gedanken gemacht. Nein, ich konzentriere mich ganz auf unsere neue Firma. Und der Rudi wird noch viele Jahre Manager bei Bayer 04 bleiben.

DFB.de: Aber Sie haben ein Jahrzehnt in Leverkusen geprägt, sind gerade zu einem von nur vier Ehrenspielführern ernannt worden. Grundsätzlich sagen Sie doch nicht "Nein" dazu, irgendwann mal eine Führungsposition im Verein zu übernehmen?

Rolfes: Das weiß man doch nie im Fußball. Aktuell fühle ich mich jedenfalls nicht dort hingezogen.

DFB.de: Hat Sie Rudi Völlers sehr klare Kritik an Marcell Jansen nach dessen recht frühem, für viele überraschenden Karriereende im Aktuellen Sportstudio überrascht?

Rolfes: Ja, das hat mich definitiv überrascht. Ich weiß natürlich, wie Rudi darüber denkt, er ist einfach davon überzeugt, dass man möglichst lange spielen sollte. Aber es gibt ganz unterschiedliche Modelle. Jeder muss für sich entscheiden, wann Schluss ist.

DFB.de: Im ZDF starten Sie selbst bald auch eine weitere neue Aufgabe, nämlich als TV-Experte. Haben Sie sich schon entschieden: Friedensstifter oder schonungsloser Kritiker?

Rolfes: Das kommt auf die Situation an. Ich werde sicher meine Meinung äußern. Wichtig ist es doch auch, dem Zuschauer einen Einblick zu geben. Wenn Kritik begründet, sachlich und fair ist, bin ich immer dafür. Mein Anspruch ist es jedenfalls, in der Sache ganz klar zu sein. Ich freue mich sehr auf diese Aufgabe. Neben den Livespielen werde ich einmal im Monat bei der Sportreportage am Sonntag zu Gast sein.

DFB.de: Der prominenteste Ligazugang ist ein Sechser, Bayerns Arturo Vidal. Wird er durchstarten?

Rolfes: Gut, das ist ein Riesentransfer der Bayern. In der Bundesliga wird er ihnen helfen. Aber gerade bei den großen Spielen, etwa in einem Halbfinale der Champions League, wird er eine neue Qualität reinbringen. Dann wird der Wert von Arturo so richtig rauskommen.

[th]

Der edle Holzschreibtisch im 280 Quadratmeter großen Büro in Eschweiler ist sein neuer Stammplatz. Wenn Bayer Leverkusen am Samstag (ab 15.30 Uhr, live auf Sky) mit dem Pokalspiel gegen die Sportfreunde Lotte in die Saison startet, wird Simon Rolfes fehlen. Zum ersten Mal seit dem Sommer 2005.

Der 33-Jährige ist nach 288 Bundesligaspielen vorbereitet auf die neue Lebensphase. Analyse, Zieldefinition, entschlossenes Handeln - so kannte man ihn in der Liga und bei der Nationalmannschaft. Auch jetzt sind Aufgaben definiert und Ziele gesteckt. Gerade seine neugegründete Spielerberaterfirma "Rolfes & Elsässer - The Career Company" sorgt in der Branche für reichlich Neugier. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth spricht der 26-malige Nationalspieler über seine Zukunft nach der Profikarriere, die erste Runde des DFB-Pokals mit Bayer Leverkusen und die generellen Aussichten für die Werkself in der neuen Saison.

DFB.de: Leverkusen trifft am Samstag in der ersten Pokalrunde auf den Regionalligisten Sportfreunde Lotte. Wie schwierig wird das ohne Sie, Herr Rolfes?

Simon Rolfes: Lotte liegt im Münsterland, also in meiner alten Heimat, und wir Westfalen sind zähe Burschen. (lacht) Pokalspiele sind immer tückisch, aber wenn Bayer das konzentriert angeht, werden sie keine Probleme bekommen.

DFB.de: Haben Sie mit Abwehrchef Ömer Toprak nach seiner schweren Verletzung gesprochen?

Rolfes: Wir haben uns kurz geschrieben. Er ist ein wichtiger Eckpfeiler der Mannschaft, er hat sich sehr gut entwickelt. Für die Mannschaft ist sein Ausfall ein herber Schlag. Er ist der Turm in der Abwehr - dass er solange ausfällt, tut Bayer 04 weh. Selbst wenn er es schafft, dieses Jahr wieder zu spielen, wird er die hundertprozentige Fitness und Topform doch erst in der Rückrunde erreichen.

DFB.de: Lars Bender hat die Kapitänsbinde übernommen - was zeichnet ihn außer der sportlichen Qualität dafür aus?

Rolfes: Er ist lange im Verein, er kennt viele Strukturen. Lars ist definitiv eine Respektsperson in der Mannschaft. Jetzt muss er in diese Rolle reinwachsen.

DFB.de: Welches Ziel ist diese Saison realistisch für Bayer Leverkusen?

Rolfes: Es wird ein schwieriger Kampf um Platz vier werden. Mit der ersten Elf ist Bayer 04 gut aufgestellt, aber in der Tiefe wird ihnen noch die eine oder andere Neuverpflichtung gut tun. Dortmund wird nicht noch mal so eine Saison spielen. Die Wolfsburger sind mit Bayern oben eine absolute Topmannschaft. Gladbach ist stabil, dann mal schauen, was die Schalker machen. Mein Tipp: Gladbach, Dortmund, Leverkusen kämpfen um die Plätze hinter Bayern und Wolfsburg.

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DFB.de: Weg von Bayer, hin zu Ihrer Zukunft: Sie verfolgen mit Ihrer neugegründeten Firma einen bislang so nicht gekannten Ansatz für das Aufgabenprofil des Spielerberaters. Wie ist der Stand der Dinge?

Rolfes: Das Büro in Eschweiler ist eingerichtet. Im Sommer habe ich nach 16 Jahren im Leistungsfußball erst mal den großen Break gemacht. Ich habe mir viel Zeit für die Familie genommen, und die aktive Profikarriere bewusst ausklingen lassen. Jetzt widme ich mich meinen beiden neuen Tätigkeiten. Die Firma heißt bekanntlich "Rolfes & Elsässer – The Career Company", und damit wird schon deutlich, dass wir mehr bieten wollen als der klassische Berater. Wir werden unsere Spieler länger betreuen, auch über das Karriereende hinaus. Wir wollen uns nicht nur auf die Glanzzeiten konzentrieren. Ausgerechnet wenn die zweite Karriere beginnt, sollte die Beratung eben nicht aufhören. Mein Partner Dr. Markus Elsässer ist ein erfahrener Manager, er wird vorrangig den wirtschaftlichen Bereich abdecken. Ich stehe für den sportlichen Bereich. Hier wird viel Potenzial bei der Entwicklung junger Spieler liegengelassen. Häufig stagniert irgendwann die individuelle Weiterentwicklung. Da möchte ich ansetzen.

DFB.de: Wie haben Sie das selbst als junger Spieler erlebt?

Rolfes: Bei Werder Bremen galt ich als großes Talent, aber bald ging es nicht weiter. Irgendwann habe ich dann mein Fitnesstraining intensiviert und nach den Einheiten an technischen Elementen meines Spiels gearbeitet. Dadurch entstand auf meinem Karriereweg wieder eine Dynamik. Mir hätte es geholfen, wenn ich früher schon auf den Trichter gekommen wäre. Manch einer erkennt die Situation zu spät - dann ist es gelaufen. Selbst wirklich hoffnungsvolle Talente können in eine Sackgasse geraten, da geht Potenzial verloren. Es herrscht also Bedarf.

DFB.de: Haben Sie sich selbst als Spieler gut beraten gefühlt?

Rolfes: Ich hätte mir schon jemanden gewünscht, der mir als 17- oder 18 Jahre alten Spieler sportlich zur Seite gestanden hätte. Die sportliche Kompetenz fehlt vielen Beratern. Häufig wird eher die Karriere gesteuert, wenn sie schon läuft.

DFB.de: Ihnen standen viele Türen offen. Warum entscheiden Sie sich für eine Zukunft als Spielerberater?

Rolfes: So möchte ich mich gar nicht bezeichnen. Was wir anbieten, ist umfassender. Karrieremanager ist eine sinnigere Bezeichnung. Für mich ging es um die Entscheidung: Steige ich woanders ein oder mache ich etwas selbstständig? Dieses Projekt hatte ich aber schon lange im Hinterkopf, der Reiz, das selbst zu machen, war einfach zu groß.

DFB.de: Haben Spielerberater einen schlechten Ruf?

Rolfes: Tendenziell ja. In jeder Branche gibt es schwarze Schafe. Der Ruf wird meistens durch negative Beispiele geprägt und dennoch ist nicht alles unbegründet. Daneben ist aber auch völlig klar, dass die Professionalisierung des Fußballs weiter voranschreitet – auch in dieser Branche. Dieser Trend ist nicht aufzuhalten. Nostalgiker, die sich einen Fußball ohne Spielerberater zurückwünschen, muss man wohl enttäuschen. Die Zeit wird keiner zurückdrehen und das wäre auch nicht sinnvoll.

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DFB.de: Sie sagen, die Zeit nach der Karriere werde oft vernachlässigt und besonders wichtig sei der Übergang. Sie befinden sich selbst gerade mitten im Übergang – wie lebt es sich?

Rolfes: Gut, gerade weil ich diese Phase vorbereitet habe. Mir war klar, was ich künftig machen will. Meine Aufgaben und Ziele stehen fest. Natürlich ist das ein Neuanfang. Aus der körperlichen Belastung begibt man sich in eine größere geistige Belastung. Diesen Traum des Fußballs hat man so lange mit großer Leidenschaft gelebt. Aber ich fühle mich sehr gut vorbereitet, ich weiß, wo es hingeht.

DFB.de: Was wird Ihnen morgen oder in fünf Jahren besonders fehlen?

Rolfes: Auf dem perfekten Rasen Fußball zu zocken. Es gibt natürlich auch tolle Spiele, die Flutlichtspiele, in Dortmund, in der Champions League, das sind tolle Momente, die mir sicherlich fehlen werden. Ich bin dankbar und glücklich, dass ich diese Zeit erleben konnte. Jetzt beginnt eine andere Zeit.

DFB.de: Sie haben ihre Finanzen als Profi immer selbst verwaltet und etwa mit Aktien einer Sanitärfirma gute Gewinne eingefahren. Sehr vernünftig, aber ist das auch vermittelbar? Will ein junger Profi sich nicht viel lieber einen möglichst flachen Sportwagen kaufen?

Rolfes: Das ist die Frage. Vom Grundsatz her ist unser Ansatz der finanziellen Betreuung sehr individuell. Das kann man sicher nicht über einen Kamm scheren. Man muss für jeden die richtige Lösung finden, das liegt gerade auch in der Verantwortung des Beraters. Manchmal muss man bestimmt beim Spieler ein Bewusstsein schaffen, dass es für die Zeit nach der aktiven Karriere gilt, eine gewisse Vorsorge zu treffen. Spieler kapieren das.

DFB.de: Bleiben wir beim Geld: Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft, sagt, 25 Prozent der Spieler seien ein paar Jahre nach dem Karriereende pleite oder überschuldet. Hat er Recht?

Rolfes: Es geht gar nicht um seine Einschätzung, die 25 Prozent waren das Ergebnis einer Studie. Es fehlt einfach das Bewusstsein für ein angemessenes Ausgabeverhalten. Wieviel Kapital braucht es, um von den Erträgen zu leben? Darüber machen sich nur wenige Profis Gedanken. Nach dem Karriereende kann das sehr schnell in eine Abwärtsspirale übergehen.

DFB.de: Haben Sie selbst Spieler erlebt, die finanziell Probleme bekamen?

Rolfes: Auf jeden Fall. Bei manchen wurde es schon während der Karriere schwierig. Bei anderen konnte man die Entwicklung vorhersehen. Das ist tragisch. Denn wir Bundesligaprofis sind eigentlich in einer Situation, zumindest eine stabile finanzielle Basis zu schaffen. Die Einnahmesituation wird sich mit Mitte 30 drastisch ändern. Dann ist nicht nur diese tolle Erlebniswelt beendet, bei manchen ist dann bald auch das Geld weg. Viele sind zu optimistisch über ihren Neustart im Berufsleben. Man konkurriert mit Leuten, die schon 15 Jahre Berufserfahrungen gesammelt haben.

DFB.de: Dafür bringen Fußballer ein anderes Können mit in die zweite Karriere: Wettkampfhärte, Druckresistenz und auch die Kontakte.

Rolfes: Auf jeden Fall ist das auch eine Art Startkapital. Aber man muss das pflegen. Wie schnell verliert man etwa die Disziplin, die ein Profi leben muss? Wir als Firma sind zutiefst davon überzeugt, dass es Eigenschaften gibt, die erklären, warum jemand ein erfolgreicher Sportler wurde. Aber das reicht nicht. Man muss diese Eigenschaften nutzen, weiterentwickeln und analysieren, wie man sie am besten einsetzt.

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DFB.de: Jupp Heynckes attestiert ihnen "eine besondere Stärke, mit anderen Spielern umzugehen". Eine ideale Qualität für die jetzige Aufgabe, aber auch um in fünf Jahren Völlers Nachfolger als Sportdirektor in Leverkusen zu werden.

Rolfes: (lacht) Ich weiß gar nicht, ob Rudi nicht noch länger weitermachen will. Darüber habe ich mir sicher noch keine Gedanken gemacht. Nein, ich konzentriere mich ganz auf unsere neue Firma. Und der Rudi wird noch viele Jahre Manager bei Bayer 04 bleiben.

DFB.de: Aber Sie haben ein Jahrzehnt in Leverkusen geprägt, sind gerade zu einem von nur vier Ehrenspielführern ernannt worden. Grundsätzlich sagen Sie doch nicht "Nein" dazu, irgendwann mal eine Führungsposition im Verein zu übernehmen?

Rolfes: Das weiß man doch nie im Fußball. Aktuell fühle ich mich jedenfalls nicht dort hingezogen.

DFB.de: Hat Sie Rudi Völlers sehr klare Kritik an Marcell Jansen nach dessen recht frühem, für viele überraschenden Karriereende im Aktuellen Sportstudio überrascht?

Rolfes: Ja, das hat mich definitiv überrascht. Ich weiß natürlich, wie Rudi darüber denkt, er ist einfach davon überzeugt, dass man möglichst lange spielen sollte. Aber es gibt ganz unterschiedliche Modelle. Jeder muss für sich entscheiden, wann Schluss ist.

DFB.de: Im ZDF starten Sie selbst bald auch eine weitere neue Aufgabe, nämlich als TV-Experte. Haben Sie sich schon entschieden: Friedensstifter oder schonungsloser Kritiker?

Rolfes: Das kommt auf die Situation an. Ich werde sicher meine Meinung äußern. Wichtig ist es doch auch, dem Zuschauer einen Einblick zu geben. Wenn Kritik begründet, sachlich und fair ist, bin ich immer dafür. Mein Anspruch ist es jedenfalls, in der Sache ganz klar zu sein. Ich freue mich sehr auf diese Aufgabe. Neben den Livespielen werde ich einmal im Monat bei der Sportreportage am Sonntag zu Gast sein.

DFB.de: Der prominenteste Ligazugang ist ein Sechser, Bayerns Arturo Vidal. Wird er durchstarten?

Rolfes: Gut, das ist ein Riesentransfer der Bayern. In der Bundesliga wird er ihnen helfen. Aber gerade bei den großen Spielen, etwa in einem Halbfinale der Champions League, wird er eine neue Qualität reinbringen. Dann wird der Wert von Arturo so richtig rauskommen.