Robert Enkes Tod erschüttert den deutschen Fußball

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. 2009/2010 erschüttert der Suizid von Nationaltorwart Robert Enke den deutschen Fußball.

Wenn im Fußball von Tragödien die Rede ist, dann meist in Zusammenhang mit unglücklichen Niederlagen oder schweren Verletzungen. Am 10. November 2009 zeigte sich, wie vermessen diese Bezeichnung doch eigentlich ist angesichts einer wirklichen - menschlichen - Tragödie. Robert Enke, die Nummer eins von Hannover 96 und der deutschen Nationalmannschaft, wählte an diesem Dienstag gegen 18.15 Uhr den Freitod, als er sich vor einen Regionalexpress am Bahnübergang Neustadt-Eivelse nahe seines Wohnortes Empede warf.

Es war keine Kurzschlusshandlung des 32-jährigen Familienvaters, seine Frau Teresa fand einen Abschiedsbrief vor, und selbst wenn sie ihn nicht gefunden hätte, wäre sie einer der ganz wenigen Menschen gewesen, die nicht nach dem Warum gefragt hätte. Sie wusste, dass ihr Mann krank und schon seit 2003 wegen Depressionen in Behandlung gewesen war.

Depressionen - das bestgehütete Geheimnis der Familie

Das war das bestgehütete Geheimnis der Familie Enke, denn Robert fürchtete, es könne seiner Karriere nur hinderlich sein. All das erfuhr die Fußball-Welt erst am nächsten Tag, als seine tapfere Frau auf einer Pressekonferenz in Hannover vor 150 Reportern von den inneren Kämpfen ihres Mannes berichtete und dem Schatten, der seit Jahren über ihrem Glück lag. "Wir dachten, wir schaffen alles, wir dachten, mit Liebe geht das", sagte sie. "Aber man schafft es doch nicht."

Als das Unglück geschah, bereitete sich die Nationalmannschaft gerade auf das Länderspiel gegen Chile vor, das für den folgenden Samstag angesetzt war. Enke war nicht im Kader, da er wegen einer bakteriellen Infektion zwei Monate bei Hannover 96 gefehlt hatte und nun aufgebaut werden sollte.

Adler im September 2009: "Robert steht vorne"

In der WM-Saison 2009/2010 machten sich mit René Adler, Manuel Neuer, Tim Wiese und Robert Enke vier Keeper Hoffnungen auf den Platz im Tor. Bundestrainer Joachim Löw hatte Enke noch im September zur vorläufigen Nummer eins bis Jahresende erklärt und dabei von Weltmeister Sepp Maier und Europameister Toni Schumacher Unterstützung erhalten. Maier sagte: "Meine Nummer eins ist Enke. Er ist ein solider Torwart, kein Spinner, auf ihn kann man sich absolut verlassen." Schumacher meinte: "Die Nummer eins bei der WM steht fest, es geht nur noch um die Plätze zwei und drei."

Selbst Konkurrent René Adler sagte: "Robert hat zuletzt sehr gut gespielt, und da es nach dem Leistungsprinzip geht, ist es völlig normal, dass er vorne steht." Gesagt am 3. September 2009. Zwei Monate später sah die Situation nach Enkes bakterieller Infektion schon wieder anders aus.

Der Druck, sich immer wieder beweisen und die Zweifler widerlegen zu müssen, wurde übermächtig, wie die Öffentlichkeit erst später erfuhr. Noch am Morgen des 10. November telefonierte der Torhüter mit seinem Psychiater, der ihm zu einer Zwangseinweisung in die Klinik riet, Enke aber lehnte ab. Er sah keinen Ausweg mehr und ging in den Freitod.

Länderspiel gegen Chile abgesagt - Trauerfeier im Stadion

Das Länderspiel gegen Chile wurde kurzfristig abgesetzt. Niemand, der Robert Enke je kennengelernt hatte, sah sich in der Lage, jetzt an Fußball zu denken. Ex-Klub FC Barcelona, der am Todestag Enkes ein Spiel austrug, legte spontan eine Schweigeminute ein. Von FIFA-Präsident Sepp Blatter über Franz Beckenbauer bis zu Kanzlerin Angela Merkel, die einen persönlichen Brief an die Witwe schrieb, reichte die Schar der Kondulierenden.

Am Sonntag, 15. November, fand im Stadion von Hannover eine bewegende Trauerfeier statt. Mitspieler trugen den Sarg in den Mittelkreis, und noch immer sind die Worte des damaligen DFB-Präsidenten Dr. Theo Zwanziger in Erinnerung: "Fußball ist nicht alles!"

Fußballwelt im Schockzustand

Die Fußball-Welt war geschockt. Irgendwie musste es weitergehen, auch für Hannover 96. Doch es fiel der Mannschaft schwer, ohne ihren Kapitän die Saison fortzusetzen. "Es war eine besondere Belastung in dieses Stadion einzulaufen, weil man in Gedanken auch immer auf Roberts Sarg zugelaufen ist", sagte Mitspieler Altin Lala. Aus den kommenden zwölf Spielen holte 96 nur einen Punkt, erst vier Monate nach Enkes Tod gab es wieder einen Sieg. Erst am letzten Spieltag sichert 96 den Klassenverbleib.

Was bleibt darüber hinaus? Robert Enkes Tod hat im Fußball Veränderungen angestoßen. Weitere Spieler mit Depressionen oder Burn-out-Symptomen wagten den Weg an die Öffentlichkeit, darunter mit Markus Miller ein weiterer Torwart von Hannover 96. Die vom DFB, der DFL und Hannover 96 am 15. Januar 2010 gegründete Robert-Enke-Stiftung ermutigt und unterstützt Menschen, die von dieser Krankheit betroffen sind, um weitere Tragödien zu verhindern. Sie wendet sich keineswegs nur an Fußballer, denn: Fußball ist nicht alles.

Enkes Bundesligabilanz: 196 Spiele.

Das meinen DFB.de-User:

"Für alle Fußballfans war diese Tragödie ein Schock, und natürlich ganz besonders für seine Familie! Leider muss immer erst etwas Schlimmes passieren, bis sich etwas ändert. Und im Fußball musste sich grundlegend etwas ändern! Der Leistungsdruck, der Druck, den sich die Spieler selbst aufgebaut haben und der Druck der Öffentlichkeit waren enorm. Ich hoffe inständig, dass der Wandel, der nach dem tragischen Tod von Robert begonnen hat, beständig ist und gleichzeitig diese Form der seelischen Krankheit nicht weiter unterschätzt oder verharmlost wird. Bitte denkt bei allem Ehrgeiz immer daran, dass es Menschen sind, die für euch diesen Sport leben!" (Sven Hameister)

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. 2009/2010 erschüttert der Suizid von Nationaltorwart Robert Enke den deutschen Fußball.

Wenn im Fußball von Tragödien die Rede ist, dann meist in Zusammenhang mit unglücklichen Niederlagen oder schweren Verletzungen. Am 10. November 2009 zeigte sich, wie vermessen diese Bezeichnung doch eigentlich ist angesichts einer wirklichen - menschlichen - Tragödie. Robert Enke, die Nummer eins von Hannover 96 und der deutschen Nationalmannschaft, wählte an diesem Dienstag gegen 18.15 Uhr den Freitod, als er sich vor einen Regionalexpress am Bahnübergang Neustadt-Eivelse nahe seines Wohnortes Empede warf.

Es war keine Kurzschlusshandlung des 32-jährigen Familienvaters, seine Frau Teresa fand einen Abschiedsbrief vor, und selbst wenn sie ihn nicht gefunden hätte, wäre sie einer der ganz wenigen Menschen gewesen, die nicht nach dem Warum gefragt hätte. Sie wusste, dass ihr Mann krank und schon seit 2003 wegen Depressionen in Behandlung gewesen war.

Depressionen - das bestgehütete Geheimnis der Familie

Das war das bestgehütete Geheimnis der Familie Enke, denn Robert fürchtete, es könne seiner Karriere nur hinderlich sein. All das erfuhr die Fußball-Welt erst am nächsten Tag, als seine tapfere Frau auf einer Pressekonferenz in Hannover vor 150 Reportern von den inneren Kämpfen ihres Mannes berichtete und dem Schatten, der seit Jahren über ihrem Glück lag. "Wir dachten, wir schaffen alles, wir dachten, mit Liebe geht das", sagte sie. "Aber man schafft es doch nicht."

Als das Unglück geschah, bereitete sich die Nationalmannschaft gerade auf das Länderspiel gegen Chile vor, das für den folgenden Samstag angesetzt war. Enke war nicht im Kader, da er wegen einer bakteriellen Infektion zwei Monate bei Hannover 96 gefehlt hatte und nun aufgebaut werden sollte.

Adler im September 2009: "Robert steht vorne"

In der WM-Saison 2009/2010 machten sich mit René Adler, Manuel Neuer, Tim Wiese und Robert Enke vier Keeper Hoffnungen auf den Platz im Tor. Bundestrainer Joachim Löw hatte Enke noch im September zur vorläufigen Nummer eins bis Jahresende erklärt und dabei von Weltmeister Sepp Maier und Europameister Toni Schumacher Unterstützung erhalten. Maier sagte: "Meine Nummer eins ist Enke. Er ist ein solider Torwart, kein Spinner, auf ihn kann man sich absolut verlassen." Schumacher meinte: "Die Nummer eins bei der WM steht fest, es geht nur noch um die Plätze zwei und drei."

Selbst Konkurrent René Adler sagte: "Robert hat zuletzt sehr gut gespielt, und da es nach dem Leistungsprinzip geht, ist es völlig normal, dass er vorne steht." Gesagt am 3. September 2009. Zwei Monate später sah die Situation nach Enkes bakterieller Infektion schon wieder anders aus.

Der Druck, sich immer wieder beweisen und die Zweifler widerlegen zu müssen, wurde übermächtig, wie die Öffentlichkeit erst später erfuhr. Noch am Morgen des 10. November telefonierte der Torhüter mit seinem Psychiater, der ihm zu einer Zwangseinweisung in die Klinik riet, Enke aber lehnte ab. Er sah keinen Ausweg mehr und ging in den Freitod.

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Länderspiel gegen Chile abgesagt - Trauerfeier im Stadion

Das Länderspiel gegen Chile wurde kurzfristig abgesetzt. Niemand, der Robert Enke je kennengelernt hatte, sah sich in der Lage, jetzt an Fußball zu denken. Ex-Klub FC Barcelona, der am Todestag Enkes ein Spiel austrug, legte spontan eine Schweigeminute ein. Von FIFA-Präsident Sepp Blatter über Franz Beckenbauer bis zu Kanzlerin Angela Merkel, die einen persönlichen Brief an die Witwe schrieb, reichte die Schar der Kondulierenden.

Am Sonntag, 15. November, fand im Stadion von Hannover eine bewegende Trauerfeier statt. Mitspieler trugen den Sarg in den Mittelkreis, und noch immer sind die Worte des damaligen DFB-Präsidenten Dr. Theo Zwanziger in Erinnerung: "Fußball ist nicht alles!"

Fußballwelt im Schockzustand

Die Fußball-Welt war geschockt. Irgendwie musste es weitergehen, auch für Hannover 96. Doch es fiel der Mannschaft schwer, ohne ihren Kapitän die Saison fortzusetzen. "Es war eine besondere Belastung in dieses Stadion einzulaufen, weil man in Gedanken auch immer auf Roberts Sarg zugelaufen ist", sagte Mitspieler Altin Lala. Aus den kommenden zwölf Spielen holte 96 nur einen Punkt, erst vier Monate nach Enkes Tod gab es wieder einen Sieg. Erst am letzten Spieltag sichert 96 den Klassenverbleib.

Was bleibt darüber hinaus? Robert Enkes Tod hat im Fußball Veränderungen angestoßen. Weitere Spieler mit Depressionen oder Burn-out-Symptomen wagten den Weg an die Öffentlichkeit, darunter mit Markus Miller ein weiterer Torwart von Hannover 96. Die vom DFB, der DFL und Hannover 96 am 15. Januar 2010 gegründete Robert-Enke-Stiftung ermutigt und unterstützt Menschen, die von dieser Krankheit betroffen sind, um weitere Tragödien zu verhindern. Sie wendet sich keineswegs nur an Fußballer, denn: Fußball ist nicht alles.

Enkes Bundesligabilanz: 196 Spiele.

Das meinen DFB.de-User:

"Für alle Fußballfans war diese Tragödie ein Schock, und natürlich ganz besonders für seine Familie! Leider muss immer erst etwas Schlimmes passieren, bis sich etwas ändert. Und im Fußball musste sich grundlegend etwas ändern! Der Leistungsdruck, der Druck, den sich die Spieler selbst aufgebaut haben und der Druck der Öffentlichkeit waren enorm. Ich hoffe inständig, dass der Wandel, der nach dem tragischen Tod von Robert begonnen hat, beständig ist und gleichzeitig diese Form der seelischen Krankheit nicht weiter unterschätzt oder verharmlost wird. Bitte denkt bei allem Ehrgeiz immer daran, dass es Menschen sind, die für euch diesen Sport leben!" (Sven Hameister)