Ramos: Doppelte Rückkehr nach Berlin?

Es war wie immer. Adrian Ramos sprach nicht. Dabei war vorher doch alles anders als so oft: Adrian Ramos hatte gespielt. 90 Minuten. Und dabei gleich zweimal ins gegnerische Tor getroffen. Der schweigsame Stürmer hatte Taten sprechen lassen am vergangenen Sonntag im Heimspiel gegen den Hamburger SV. Im Halbfinale des DFB-Pokals heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) kehrt der Kolumbianer mit Borussia Dortmund zurück an seine alte Wirkungsstätte. Zurück nach Berlin. Es soll ein Zurück in die Zukunft werden. Schließlich wollen die Schwarzgelben am 21. Mai noch einmal dienstlich in die Hauptstadt. An diesem Tag wird der neue DFB-Pokalsieger gesucht, erster Finalist ist der FC Bayern München.

Gesucht hat auch Adrian Ramos. Gesucht und gefunden. Seine Chance. Seine Form. Das Tor. Endlich. Sechsmal hat der Kolumbianer mittlerweile in der Rückrunde getroffen, im Vergleich zur Hinrunde ist das eine Steigerungsrate von 300 Prozent. Und er hat nicht irgendwelche Tore geschossen, sondern zumeist die entscheidenden: das 2:1 gegen Hoffenheim (Endstand 3:1), das 1:0 gegen Darmstadt (2:0), das 3:1 gegen Augsburg (3:1), das 3:2 gegen Bremen (3:2) sowie das 2:0 und 3:0 gegen Hamburg (3:0). Der Zeitpunkt ist günstig. Für Adrian Ramos. Aber auch für seine Mannschaft. Denn Toptorjäger Pierre-Emerick Aubameyang fällt heute in Berlin aus, Knochenabsplitterung am schon länger lädierten Zeh. Ausgerechnet.

Es könnte eine dieser Geschichten werden, die so nur der Fußball schreibt. War Ramos doch lange in dieser Saison Stürmer Nummer zwei hinter dem Gabuner, der sich aktuell Afrikas Fußballer des Jahres nennen darf und von den Topklubs aus ganz Europa gejagt wird. Dass nur fünf der 23 Bundesligaeinsätze von Ramos benotet sind, spricht für sich - bei allen anderen stand er nicht einmal die in der regel zur Note berechtigenden 30 Minuten auf dem Platz. Im Viertelfinale des DFB-Pokals beim VfB Stuttgart fehlte er gar komplett im Kader, obwohl Dortmunds Spielerdecke schon vor diesem bemerkenswerten Pokalfight so dünn war, dass man beinahe hätte durchschauen können.

Tuchel: "Sehr zufrieden mit Ramos"

Schon im Wintertrainingslager in Dubai aber hatte Trainer Thomas Tuchel bemerkt: "Adrians beste Position ist die Neun. Unsere Neun (Aubameyang; Anm. d. Red.) hat 18 Tore geschossen. So ist es. Soll ich jetzt sagen, es ist hart für Adrian? Es ist nicht hart, er ist ein ganz enger Teil dieser Mannschaft. Deshalb gilt es, positiv zu bleiben und das Beste aus sich rauszuholen."

Dazu ist der 30-jährige Südamerikaner seitdem offenbar bereit. "Seit der zweiten Hälfte des Trainingslagers zeigt er eine veränderte Haltung, der Rückhalt in der Mannschaft ist mittlerweile wieder vorbehaltlos", hat ihm Tuchel Anfang Februar attestiert. Und hinzugefügt, "dass ich mit Adrian sehr zufrieden bin."

Ramos hatte offenbar verstanden, dass seine Position im Sturmzentrum fest vergeben ist, an jemand anderen. Er selbst sagte damals: "Natürlich will ich spielen, aber Auba macht das sehr, sehr gut. Er ist ein guter Konkurrent. Ich muss Geduld haben und hart weiterarbeiten." Beharrlich blieb der Kolumbianer am Ball. Im Spiel der Nuancen geht es auch um Balance. Und dann schob Ramos einen Satz hinterher, der so banal klingt - und doch so wahr ist: "So ist Fußball."

"Als Spieler muss es dir egal sein, ob es 90 oder zehn Minuten sind"

Denn kicken, davon ist auszugehen, können sie in der Bundesliga alle. Nur eben nicht alle zugleich. Am Anfang liegen zwischen zwei Spielern vielleicht nur Bruchteile. Der eine kann aber nur beginnen. Er trifft sofort, gewinnt, tankt Selbstvertrauen, trifft wieder, gewinnt wieder, traut sich noch mehr zu, es gelingt, er trifft schon wieder, gewinnt schon wieder. Pierre-Emerick Aubameyang ist es so ergangen. Dem anderen, Ramos, blieben in der Regel zehn Minuten. Zehn Minuten am Ende eines Spiels. Am Ende eines Spiels, das in der Regel schon entschieden war. In diese zehn Minuten musste alles rein: Wille, Ehrgeiz, auch Stolz - und Frust, Wut. Der Reiz, die Versuchung, es besonders gut machen zu wollen. Schließlich kann man ja kicken - doch es wurde nicht so besonders. Es blieb beim Versuch. Plötzlich war aus dem Bruchteil ein Steinbruch geworden.

Es gibt sicher Schlimmeres, als Stürmer Nummer zwei bei Borussia Dortmund zu sein. Es gibt aber auch Einfacheres. Umso bemerkenswerter, dass sich der Knoten bei Adrian Ramos im Laufe der Rückrunde doch noch gelöst hat. Bis zum 22. Spieltag hatten noch skurrile 13,4 Minuten Einsatzzeit im Schnitt zu Buche gestanden - in Summe 201 Minuten verteilt auf 15 Einsätze. Dann, zum Heimspiel am 23. Spieltag gegen Hoffenheim, erschien im Stadionmagazin des BVB eine Geschichte, deren Hauptdarsteller endlich einmal Ramos war. Titel des Textes: "Der Mann hinter Aubameyang." Glücklich war der damit nicht. Getroffen aber hat er; an dem Tag zunächst zum wegweisenden 2:1-Zwischenstand gegen die TSG - und in der Folge wieder und immer wieder.

Vorher hatte Ramos gesagt: "Als Spieler muss es dir egal sein, ob es 90 oder zehn Minuten sind. Du musst alles versuchen, um deiner Mannschaft zu helfen." Jeder, der mal gespielt hat, weiß aber: Natürlich ist es ein Unterschied. Während der andere bei Anpfiff nichts zu verlieren hat, kann ich in zehn Minuten kaum etwas gewinnen. Doch wer genau jetzt zu grübeln beginnt, ist verloren. Adrian Ramos war immer klar: "Als Fußballer musst du wissen, dass dir das passieren kann. Mal spielst du immer, und dein Kollege muss warten - und mal bist du derjenige, der warten muss. Für den Kopf ist das schwierig." Denn manchmal wartet man auf eine Chance, die nie kommt.

"Es ist gut, wenn du einen starken Konkurrenten hast"

Adrian Ramos aber hat, und das zeichnet ihn aus, das Positive in seiner Situation gesehen. "Es ist gut, wenn du einen starken Konkurrenten hast. Denn dann musst du in jedem Training dein Bestes geben. Und nur das bringt dich weiter", sagte der 30-Jährige - und fügte an: "Ich muss mich jeden Tag verbessern. Und ich muss warten." Das Warten hat sich gelohnt, in diesen Tagen zahlt es sich aus.

Heute Abend geht es für Adrian Ramos und Borussia Dortmund um die letzte verbliebene Titelchance in dieser eigentlich doch so unerwartet erfolgreichen Saison. In Berlin. Wieder nicht in Dortmund. Wieder kein Heimspiel im DFB-Pokal. Der Kolumbianer aber sagt: "Für mich ist es egal, wo dieses Spiel stattfindet. Wichtig ist nur: Wir können dieses Spiel gewinnen und wieder im Finale stehen."

Er denkt wieder einfach, pragmatisch. Wie zu seiner Zeit bei der "Alten Dame". Damals spielte Adrian Ramos immer die Hauptrolle. Er war Toptorjäger, traf 16-mal in einer Saison. Damals war alles leicht. Zumindest für ihn. Damals hatte ein anderer auf seine Chance warten müssen. So ist Fußball.

[nh]

Es war wie immer. Adrian Ramos sprach nicht. Dabei war vorher doch alles anders als so oft: Adrian Ramos hatte gespielt. 90 Minuten. Und dabei gleich zweimal ins gegnerische Tor getroffen. Der schweigsame Stürmer hatte Taten sprechen lassen am vergangenen Sonntag im Heimspiel gegen den Hamburger SV. Im Halbfinale des DFB-Pokals heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) kehrt der Kolumbianer mit Borussia Dortmund zurück an seine alte Wirkungsstätte. Zurück nach Berlin. Es soll ein Zurück in die Zukunft werden. Schließlich wollen die Schwarzgelben am 21. Mai noch einmal dienstlich in die Hauptstadt. An diesem Tag wird der neue DFB-Pokalsieger gesucht, erster Finalist ist der FC Bayern München.

Gesucht hat auch Adrian Ramos. Gesucht und gefunden. Seine Chance. Seine Form. Das Tor. Endlich. Sechsmal hat der Kolumbianer mittlerweile in der Rückrunde getroffen, im Vergleich zur Hinrunde ist das eine Steigerungsrate von 300 Prozent. Und er hat nicht irgendwelche Tore geschossen, sondern zumeist die entscheidenden: das 2:1 gegen Hoffenheim (Endstand 3:1), das 1:0 gegen Darmstadt (2:0), das 3:1 gegen Augsburg (3:1), das 3:2 gegen Bremen (3:2) sowie das 2:0 und 3:0 gegen Hamburg (3:0). Der Zeitpunkt ist günstig. Für Adrian Ramos. Aber auch für seine Mannschaft. Denn Toptorjäger Pierre-Emerick Aubameyang fällt heute in Berlin aus, Knochenabsplitterung am schon länger lädierten Zeh. Ausgerechnet.

Es könnte eine dieser Geschichten werden, die so nur der Fußball schreibt. War Ramos doch lange in dieser Saison Stürmer Nummer zwei hinter dem Gabuner, der sich aktuell Afrikas Fußballer des Jahres nennen darf und von den Topklubs aus ganz Europa gejagt wird. Dass nur fünf der 23 Bundesligaeinsätze von Ramos benotet sind, spricht für sich - bei allen anderen stand er nicht einmal die in der regel zur Note berechtigenden 30 Minuten auf dem Platz. Im Viertelfinale des DFB-Pokals beim VfB Stuttgart fehlte er gar komplett im Kader, obwohl Dortmunds Spielerdecke schon vor diesem bemerkenswerten Pokalfight so dünn war, dass man beinahe hätte durchschauen können.

Tuchel: "Sehr zufrieden mit Ramos"

Schon im Wintertrainingslager in Dubai aber hatte Trainer Thomas Tuchel bemerkt: "Adrians beste Position ist die Neun. Unsere Neun (Aubameyang; Anm. d. Red.) hat 18 Tore geschossen. So ist es. Soll ich jetzt sagen, es ist hart für Adrian? Es ist nicht hart, er ist ein ganz enger Teil dieser Mannschaft. Deshalb gilt es, positiv zu bleiben und das Beste aus sich rauszuholen."

Dazu ist der 30-jährige Südamerikaner seitdem offenbar bereit. "Seit der zweiten Hälfte des Trainingslagers zeigt er eine veränderte Haltung, der Rückhalt in der Mannschaft ist mittlerweile wieder vorbehaltlos", hat ihm Tuchel Anfang Februar attestiert. Und hinzugefügt, "dass ich mit Adrian sehr zufrieden bin."

Ramos hatte offenbar verstanden, dass seine Position im Sturmzentrum fest vergeben ist, an jemand anderen. Er selbst sagte damals: "Natürlich will ich spielen, aber Auba macht das sehr, sehr gut. Er ist ein guter Konkurrent. Ich muss Geduld haben und hart weiterarbeiten." Beharrlich blieb der Kolumbianer am Ball. Im Spiel der Nuancen geht es auch um Balance. Und dann schob Ramos einen Satz hinterher, der so banal klingt - und doch so wahr ist: "So ist Fußball."

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"Als Spieler muss es dir egal sein, ob es 90 oder zehn Minuten sind"

Denn kicken, davon ist auszugehen, können sie in der Bundesliga alle. Nur eben nicht alle zugleich. Am Anfang liegen zwischen zwei Spielern vielleicht nur Bruchteile. Der eine kann aber nur beginnen. Er trifft sofort, gewinnt, tankt Selbstvertrauen, trifft wieder, gewinnt wieder, traut sich noch mehr zu, es gelingt, er trifft schon wieder, gewinnt schon wieder. Pierre-Emerick Aubameyang ist es so ergangen. Dem anderen, Ramos, blieben in der Regel zehn Minuten. Zehn Minuten am Ende eines Spiels. Am Ende eines Spiels, das in der Regel schon entschieden war. In diese zehn Minuten musste alles rein: Wille, Ehrgeiz, auch Stolz - und Frust, Wut. Der Reiz, die Versuchung, es besonders gut machen zu wollen. Schließlich kann man ja kicken - doch es wurde nicht so besonders. Es blieb beim Versuch. Plötzlich war aus dem Bruchteil ein Steinbruch geworden.

Es gibt sicher Schlimmeres, als Stürmer Nummer zwei bei Borussia Dortmund zu sein. Es gibt aber auch Einfacheres. Umso bemerkenswerter, dass sich der Knoten bei Adrian Ramos im Laufe der Rückrunde doch noch gelöst hat. Bis zum 22. Spieltag hatten noch skurrile 13,4 Minuten Einsatzzeit im Schnitt zu Buche gestanden - in Summe 201 Minuten verteilt auf 15 Einsätze. Dann, zum Heimspiel am 23. Spieltag gegen Hoffenheim, erschien im Stadionmagazin des BVB eine Geschichte, deren Hauptdarsteller endlich einmal Ramos war. Titel des Textes: "Der Mann hinter Aubameyang." Glücklich war der damit nicht. Getroffen aber hat er; an dem Tag zunächst zum wegweisenden 2:1-Zwischenstand gegen die TSG - und in der Folge wieder und immer wieder.

Vorher hatte Ramos gesagt: "Als Spieler muss es dir egal sein, ob es 90 oder zehn Minuten sind. Du musst alles versuchen, um deiner Mannschaft zu helfen." Jeder, der mal gespielt hat, weiß aber: Natürlich ist es ein Unterschied. Während der andere bei Anpfiff nichts zu verlieren hat, kann ich in zehn Minuten kaum etwas gewinnen. Doch wer genau jetzt zu grübeln beginnt, ist verloren. Adrian Ramos war immer klar: "Als Fußballer musst du wissen, dass dir das passieren kann. Mal spielst du immer, und dein Kollege muss warten - und mal bist du derjenige, der warten muss. Für den Kopf ist das schwierig." Denn manchmal wartet man auf eine Chance, die nie kommt.

"Es ist gut, wenn du einen starken Konkurrenten hast"

Adrian Ramos aber hat, und das zeichnet ihn aus, das Positive in seiner Situation gesehen. "Es ist gut, wenn du einen starken Konkurrenten hast. Denn dann musst du in jedem Training dein Bestes geben. Und nur das bringt dich weiter", sagte der 30-Jährige - und fügte an: "Ich muss mich jeden Tag verbessern. Und ich muss warten." Das Warten hat sich gelohnt, in diesen Tagen zahlt es sich aus.

Heute Abend geht es für Adrian Ramos und Borussia Dortmund um die letzte verbliebene Titelchance in dieser eigentlich doch so unerwartet erfolgreichen Saison. In Berlin. Wieder nicht in Dortmund. Wieder kein Heimspiel im DFB-Pokal. Der Kolumbianer aber sagt: "Für mich ist es egal, wo dieses Spiel stattfindet. Wichtig ist nur: Wir können dieses Spiel gewinnen und wieder im Finale stehen."

Er denkt wieder einfach, pragmatisch. Wie zu seiner Zeit bei der "Alten Dame". Damals spielte Adrian Ramos immer die Hauptrolle. Er war Toptorjäger, traf 16-mal in einer Saison. Damals war alles leicht. Zumindest für ihn. Damals hatte ein anderer auf seine Chance warten müssen. So ist Fußball.