Pfostenbruch, Büchsenwurf und ein kaputter
Mannschaftsbus: Rainer Bonhof kam vor mehr als
40 Jahren zu Borussia Mönchengladbach, wurde als Spieler Meister und
UEFA-Pokalsieger. Nach seiner Zeit als Co-Trainer der
Nationalmannschaft kehrte er zurück, als Aufsichtsrat, als
Trainer, seit zwei Jahren ist er Vizepräsident. Kaum einer
kennt den Verein so gut wie der Weltmeister von
1974, der am Dienstag 59 Jahre alt wird. DFB.de-
Redakteur Gereon Tönnihsen hat sich
mit ihm unterhalten. Bonhofs Wunsch
zum Geburtstag: mit Gladbach in
der Bundesliga bleiben.
DFB.de: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag in Mönchengladbach?
Rainer Bonhof: Ich bin im Winter von Emmerich nach Mönchengladbach gekommen, es war im Januar 1970, und bin bei einer Frau Bückmann eingezogen. Das war eine Witwe, die ein großes Haus hatte. Sie hat viele Spieler bei sich aufgenommen. Und sportlich: Als ich zum ersten Mal kam, wusste ich nicht, wie ich mich verhalten sollte, also ob ich einen Günter Netzer einfach duzen konnte. Aber in der Kabine merkte ich schnell, dass das „Sie“ unter Mitspielern ziemlich albern gewesen wäre.
DFB.de: Wie wird man aufgenommen, wenn man als Junge aus der Provinz in eine Mannschaft voller Stars kommt?
Bonhof: Entscheidend ist, wie man sich auf dem Platz behauptet.
Ich habe zuerst ordentlich auf die Socken bekommen, das
gehörte dazu, aber ich habe mich gewehrt. Und genau
das wollten die Kollegen und auch die Trainer sehen. Mich
hatte Berti Vogts zum Gegenspieler auserkoren, und er
hat die Aufgabe sehr ernst genommen (lacht). Irgendwann
sagte Hartwig Bleidick zu ihm: „Komm’, Berti, lass’ gut
sein. Der Kerl ist in Ordnung.“
DFB.de: Sie waren noch nicht ganz volljährig, als Sie an den Bökelberg
kamen, wo die Borussia sich gerade anschickte,
zum ersten Mal Deutscher Meister zu werden. Ist es da
für einen jungen Spieler besonders schwierig?
Bonhof: Das habe ich nicht so empfunden. Ich habe das erste
halbe Jahr noch in der A-Jugend gespielt, aber
immer bei den Lizenzspielern mittrainiert – eine
optimale Lehre. So konnte ich mich langsam
an das Niveau herantasten und mitbekommen,
wie viel man investieren musste, um Deutscher
Meister zu werden. Außerdem war Gladbach
zwar Deutscher Meister, aber noch kein wirklich
großer Verein, alles ging sehr familiär zu.
Nebenbei bin ich in den ersten sechs Monaten
noch arbeiten gegangen und habe in einer Kfz-
Werkstatt Autos repariert. Wenn Training oder Spiele
waren, hatte ich frei.
DFB.de: Aber wenn eine Mannschaft Meister wird, ist es für
Neue doch schwierig, einen Platz in der ersten Elf zu
ergattern.
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Pfostenbruch, Büchsenwurf und ein kaputter
Mannschaftsbus: Rainer Bonhof kam vor mehr als
40 Jahren zu Borussia Mönchengladbach, wurde als Spieler Meister und
UEFA-Pokalsieger. Nach seiner Zeit als Co-Trainer der
Nationalmannschaft kehrte er zurück, als Aufsichtsrat, als
Trainer, seit zwei Jahren ist er Vizepräsident. Kaum einer
kennt den Verein so gut wie der Weltmeister von
1974, der am Dienstag 59 Jahre alt wird. DFB.de-
Redakteur Gereon Tönnihsen hat sich
mit ihm unterhalten. Bonhofs Wunsch
zum Geburtstag: mit Gladbach in
der Bundesliga bleiben.
DFB.de: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag in Mönchengladbach?
Rainer Bonhof: Ich bin im Winter von Emmerich nach Mönchengladbach gekommen, es war im Januar 1970, und bin bei einer Frau Bückmann eingezogen. Das war eine Witwe, die ein großes Haus hatte. Sie hat viele Spieler bei sich aufgenommen. Und sportlich: Als ich zum ersten Mal kam, wusste ich nicht, wie ich mich verhalten sollte, also ob ich einen Günter Netzer einfach duzen konnte. Aber in der Kabine merkte ich schnell, dass das „Sie“ unter Mitspielern ziemlich albern gewesen wäre.
DFB.de: Wie wird man aufgenommen, wenn man als Junge aus der Provinz in eine Mannschaft voller Stars kommt?
Bonhof: Entscheidend ist, wie man sich auf dem Platz behauptet.
Ich habe zuerst ordentlich auf die Socken bekommen, das
gehörte dazu, aber ich habe mich gewehrt. Und genau
das wollten die Kollegen und auch die Trainer sehen. Mich
hatte Berti Vogts zum Gegenspieler auserkoren, und er
hat die Aufgabe sehr ernst genommen (lacht). Irgendwann
sagte Hartwig Bleidick zu ihm: „Komm’, Berti, lass’ gut
sein. Der Kerl ist in Ordnung.“
DFB.de: Sie waren noch nicht ganz volljährig, als Sie an den Bökelberg
kamen, wo die Borussia sich gerade anschickte,
zum ersten Mal Deutscher Meister zu werden. Ist es da
für einen jungen Spieler besonders schwierig?
Bonhof: Das habe ich nicht so empfunden. Ich habe das erste
halbe Jahr noch in der A-Jugend gespielt, aber
immer bei den Lizenzspielern mittrainiert – eine
optimale Lehre. So konnte ich mich langsam
an das Niveau herantasten und mitbekommen,
wie viel man investieren musste, um Deutscher
Meister zu werden. Außerdem war Gladbach
zwar Deutscher Meister, aber noch kein wirklich
großer Verein, alles ging sehr familiär zu.
Nebenbei bin ich in den ersten sechs Monaten
noch arbeiten gegangen und habe in einer Kfz-
Werkstatt Autos repariert. Wenn Training oder Spiele
waren, hatte ich frei.
DFB.de: Aber wenn eine Mannschaft Meister wird, ist es für
Neue doch schwierig, einen Platz in der ersten Elf zu
ergattern.
Bonhof: Natürlich, aber ich habe das als Herausforderung angesehen.
Ich wollte nicht einfach nur in Gladbach sein, sondern
in dieser Mannschaft einen Platz bekommen und auch mal
eine Meisterschaft gewinnen. Schnell habe ich gemerkt,
dass einen das Kämpfen allein nicht zum Bundesliga-Spieler
macht. Hennes Weisweiler hat darum unendlich viel Einzeltraining mit mir gemacht. Und wenn man ihm bei einer
Kopfballübung den Ball nicht genau in die Hände spielte,
musste man hinterherlaufen und den Ball selber holen.
So war das. Geschadet hat’s mir nicht: In meinem ersten
Bundesliga-Spiel habe ich ein Kopfballtor erzielt.
DFB.de: Gleich in Ihrer ersten Saison waren Sie beim Spiel gegen
Werder Bremen dabei, als es den legendären Pfostenbruch
gab.
Bonhof: Das war kurios. Herbert Laumen ist damals ins Tornetz
geflogen und hatte so viel Schwung und war offenbar so
schwer, dass er dabei gleich das ganze Tor umgeschmissen
hat (lacht). Es stand damals 1:1, und es gab Bemühungen,
das Tor wieder aufzubauen, aber die waren, um ehrlich
zu sein, nicht so wahnsinnig groß. Wir haben dann gar
nicht gewusst, wie es weitergeht. Erst haben wir gedacht,
das Spiel wird wiederholt. Später kam Manager Helmut
Grashoff und sagte, die Partie wird gegen uns gewertet.
Wir sind trotzdem Meister geworden.
DFB.de: In der Saison danach standen Sie auf dem Platz, als die
Borussia im Europapokal gegen Inter Mailand mit 7:1
gewann. Viele, die da waren, sagen, dass es das beste
Spiel war, das sie je gesehen haben. Und dann ging
Boninsegna zu Boden.
Bonhof: Wir haben viele gute Spiele gemacht, aber das gegen Inter
liegt an der Spitze. Der WDR wollte das Spiel zeigen, aber
nicht so viel bezahlen, wie Herr Grashoff haben wollte.
Also waren die nur mit einer Kamera im Stadion, um Ausschnitte für eine Zusammenfassung zu haben. Im Nachhinein war das bitter, zum einen, weil viele so dieses fantastische
Spiel nicht sehen konnten. Zum anderen, weil uns
dadurch Beweise fehlten, was diesen vermeintlichen Büchsenwurf anging. Ich habe nicht mitbekommen, ob Boninsegna
getroffen wurde oder nicht. Ich weiß nur noch, dass er
plötzlich zusammensackte, aus welchen Gründen auch
immer. Tragisch wurde es erst später, als wir das Wiederholungsspiel in Berlin nicht gewannen und ausschieden.
DFB.de: Sie haben acht Jahre als Profi für die Borussia gespielt,
sind in dieser Zeit allein viermal Meister geworden. Was
hat den Klub so stark gemacht?
Bonhof: Es gab diesen unbedingten Willen, in jedem Spiel gewinnen
zu wollen, erst Hennes Weisweiler und dann Udo Lattek
haben das auch befeuert. Beide waren verrückt nach Titeln.
Dieser Geist hat sich auf die Mannschaft übertragen. Jedes
Training war schon ein Wettkampf. Und dazu kam natürlich,
dass wir richtig viele gute Fußballer hatten. Nicht
umsonst galten wir damals auch als die spielstärkste
Mannschaft.
DFB.de: Mit der Nationalmannschaft wurden Sie 1974 Weltmeister,
später als Assistent von Berti Vogts 1996 Europameister.
Was ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Bonhof: Ach, das ist so viel. Das Endspiel von München läuft ja alle
vier Jahre wieder im Fernsehen, deshalb ist das irgendwie
immer präsent. Was mich aber noch mehr beeindruckt
hat, war die Regenschlacht von Frankfurt gegen Polen in
der Finalrunde, als wir mit 1:0 gewonnen haben. Vorher hatten wir
schon im strömenden Regen gegen Schweden gewonnen,
und ich habe meinen ersten Länderspieltreffer erzielt.
Als Trainer war für mich die EM in England überragend,
aber auch Schweden vier Jahre vorher hat mir sehr gefallen.
Auch wenn wir im Finale gegen Dänemark verloren
haben.
DFB.de: Sie waren ursprünglich Niederländer, mussten vor Ihrem
Debüt erst eingebürgert werden. Wäre es für Sie denn
auch in Frage gekommen, für „Oranje“ zu spielen, wie
zum Beispiel „Ente“ Lippens, der ja wie Sie aus dem
Raum Kleve kommt?
Bonhof: Für mich war immer klar, dass ich für Deutschland spielen
wollte. Ich habe schon in den DFB-Jugendnationalmannschaften gespielt, dabei einmal sogar gegen die
Holländer, obwohl ich noch deren Staatsbürgerschaft hatte.
Das ging nur, weil die Trainer sich vorher geeinigt hatten.
Ausgerechnet bei dem Spiel hat Hennes Weisweiler mich
gesehen und dann entschieden, mich zur Borussia zu holen.
DFB.de: Sie haben die Borussia im November 1998 als Trainer
übernommen, in einer Phase, als es schlecht stand um
den Klub. Wie haben Sie diese Phase erlebt?
Bonhof: Trainer Friedel Rausch ging, Manager Rolf Rüssmann auch.
Es lief nicht, es war kein Geld da. Wir waren zu siebt im
Aufsichtsrat, und auf einmal haben mich sechs Leute angeguckt
und gesagt: „Du hast doch die Trainer-Lizenz.“ Dann
habe ich das mit dem Herzen des Borussen gemacht. Aber
ich wusste nicht, worauf ich mich eingelassen hatte. Ich
hatte kein Geld, um Verbandszeug zu bestellen, die Heizung
im Bus war kaputt und wir konnten sie nicht reparieren.
Das war dramatisch. Wir stiegen ab. Nach der Saison mussten
wir 16 Spieler abgeben, um die Lizenz für die 2. Bundesliga
zu bekommen. Wenn man als Spieler so erfolgsverwöhnt
war, wie ich, hat man daran ziemlich lange zu knabbern.
DFB.de: Wie kam es 2009 zu Ihrer erneuten Rückkehr, diesmal
als Vizepräsident?
Bonhof: Das war recht unspektakulär. Ich war Scout
beim FC Chelsea gewesen, dort ging es
aufgrund von Einsparungen nicht weiter.
Dann habe ich Rolf Königs getroffen
und mich mit ihm unterhalten. Er
hat mich gefragt, ob ich ins Präsidium einsteigen
wollte. Ich konnte mich mehr und
mehr mit dem Gedanken anfreunden.
Im Februar 2009 ist das dann
entschieden worden.
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DFB.de: Wie hat sich die Borussia seit den 70ern verändert?
Bonhof: Der größte Schritt war der Umzug in das neue Stadion im
Jahr 2004, das hat uns neue Möglichkeiten eröffnet.
Die Außendarstellung ist sicher eine andere als noch vor
35 Jahren, weil wir nicht mehr da oben mitspielen, wo wir
uns natürlich alle gerne sehen würden. Aber ich glaube,
dass die Borussia im Jahr 2011 insgesamt gut dasteht.
Auch unsere Fans sind weltklasse. Sie stehen bedingungslos
hinter uns, davor kann man nicht oft genug den Hut
ziehen. Das einzig Kritische ist, dass wir im sportlichen
Bereich im Moment noch nicht so eine Konstanz hineinbekommen
wie in der vorigen Saison.
DFB.de: Was macht Sie optimistisch, dass es mit dem Klassenverbleib klappt?
Bonhof: Wir kennen die Gründe, warum die Hinrunde so schlecht
lief. Wir hatten sechs bis acht Leistungsträger über einen
langen Zeitraum nicht zur Verfügung, das konnten wir nicht
kompensieren. Wie soll so die Mannschaft wachsen und
stärker werden? Wenn ich allein an Dante und Roel Brouwers
denke, die lange ausfielen, ist das natürlich ein Grund,
warum uns die Souveränität in der Abwehr abging. Die
Leistungen der Rückrunde geben Anlass zur Hoffnung.
Jetzt müssen wir dranbleiben.
DFB.de: Sie werden am Dienstag 59 Jahre alt. Was steht auf Ihrem
Wunschzettel?
Bonhof: Persönlich natürlich Gesundheit. Und ich hoffe sehr,
dass wir den Abstieg in die 2. Bundesliga vermeiden
können. Langfristig wollen wir daran arbeiten,
dass sich die Situation des Klubs stetig verbessert
und dass wir irgendwann wieder sagen
können: Wir haben eine gefestigte Position, aus
der wir weiter oben angreifen können.
Doch das ist im Moment noch ein
gutes Stück entfernt.