Premiere mit Pokalsieg

Schon 48-mal standen sich Borussia Mönchengladbach und der VfL Wolfsburg in Pflichtspielen gegenüber, doch im DFB-Pokalachtelfinale kommt es heute (ab 20.45 Uhr, live bei Sky und in der ARD) erst zum zweiten Aufeinandertreffen. Die Pokalhistorie dieses Duells ist also überschaubar, aber nicht nur deshalb unvergesslich. Denn die Premiere 1995 brachte der Borussia ihren bis dato letzten Titel - und für die Wölfe war es damals in Berlin der bis dahin größte Tag der Vereinsgeschichte.

Am 24. Juni 1995 kam es zum vierten Mal in Folge zu einem Finale eines Bundesligisten gegen einen unterklassigen Klub. Zweitligist VfL Wolfsburg hatte kurz zuvor in Berlin den Aufstieg verspielt, nun wollten sie es besser machen und sich an selber Stelle den Traum vom Pokalsieg, verbunden mit dem Einzug in den Europapokal, erfüllen. Hatten sie nicht auch im Halbfinale bei Borussias Nachbar 1. FC Köln gewonnen? Die Gladbacher waren bereits sicher im internationalen Geschäft und hatten einen UEFA-Cup-Platz erreicht. Ihre größten Fans waren plötzlich die Bayern, die nur dann nach Europa kommen würden, wenn die Borussia den Pokal gewänne. Das war natürlich noch die geringste Motivation für die von Bernd Krauss trainierten "Fohlen", die seit dem UEFA-Pokalsieg 1979 keinen Titel mehr gewonnen hatten.

Die von Stars wie Stefan Effenberg und Martin Dahlin geprägte Mannschaft nahm die Favoritenrolle an. Nur Krauss erinnerte an das Trauma von 1992, als erstmals ein Zweitligist Pokalsieger wurde - Hannover 96. Gegner war die Borussia und Krauss damals ihr Co-Trainer. Auf der Pressekonferenz vor dem Finale 1995 erzählte er von "elf Bleichgesichtern", die aus Angst vor der Blamage genau deshalb eine erlebt hätten. Torwart Uwe Kamps beschwichtigte: "Wir sind eine ganz andere Mannschaft als damals."

Einseitiges Finale

Der Verein lobte eine Prämie von 700.000 Mark für den ganzen Kader aus. Die "Wölfe" hätten pro Kopf 30.000 Mark verdienen können und glaubten auch dran. Torwart Uwe Zimmermann: "Die Angst spielt bei Borussia mit, die haben mehr Bammel gegen uns als gegen Bayern." Wenn dem so war, dann konnten die Borussen es gut verstecken. Am Tag, als der Künstler Christo mit Genehmigung des Bundestags den Reichstag für zwei Wochen verhüllte und Tausende Schaulustige anzog, lüftete sich der Schleier der Ungewissheit über den Ausgang des Pokalfinals schneller.

Die Wolfsburger, die in der Endphase der Saison von Trainer Eckhard Krautzun auf Gerd Roggensack gewechselt hatten, standen von Beginn an auf verlorenem Posten. Das hatte weniger damit zu tun, dass Roggensack noch sechs Stunden vor dem Anpfiff zwei Spieler suspendierte, die den Zapfenstreich überzogen hatten - allerdings in der Vorwoche. Das kam heraus, weil sich der VfL wie vor dem Gastspiel bei Hertha BSC erneut im "Hotel Hamburg" aufhielt. Aber auch mit den beiden Nachtschwärmern hätte die Qualität nicht ausgereicht, um die Borussia zu schlagen.

Die 75.717 Zuschauer sahen eines der einseitigsten Finals von Berlin, obgleich sich der Favorit mit der Entscheidung Zeit ließ. Auch die Borussia startete nervös, woran selbst das frühe 1:0 von Martin Dahlin (13.) wenig änderte. Aber es machte nichts, für den VfL war die Aufgabe am größten Tag der Vereinsgeschichte, zwei Jahre vor dem Beginn seiner Bundesligaära, eine Nummer zu groß. "Das bedingungslose Aufbegehren ging den Wolfsburgern ab, damit zeichnete sich ihre Niederlage bald ab", schrieb der Kicker.

Herrlich trifft zum Abschied

Borussia-Keeper Uwe Kamps verlebte einen ruhigen Nachmittag, musste nur ein paar Flanken abfangen. Der VfL Wolfsburg mit dem Ex-Gladbacher Siggi Reich im Sturm war buchstäblich chancenlos und nach Stefan Effenbergs 2:0 (61.) geschlagen. Den Schlusspunkt setzte Heiko Herrlich in seinem letzten Spiel für Borussia (86.). Um ihn gab es viel Wirbel, er hatte seinen Wechsel zu Borussia Dortmund schon verkündet und bestand auf einer Ausstiegsklausel, die Gladbachs Manager Rolf Rüssmann bestritt. Der über die Medien ausgetragene Streit, der noch Wochen weiterging, ehe sich Herrlich durchsetzte, hatte auf die Leistung des Nationalstürmers keinen Einfluss.

Wobei eine durchschnittliche Leistung der ganzen Borussia an diesem Tag, als der Pokal seinen eigenen Gesetzen nicht folgte, genügte. Der Kicker bilanzierte: "Das 52. deutsche Endspiel wird nicht als ein glorreiches in die Annalen der Pokalgeschichte eingehen. Dazu fehlte es an knisternder Spannung."

Effenberg: "Das war die Krönung einer Supersaison"

Den Borussen war es egal, sie feierten erst ausgelassen vor ihrer Kurve und dann auf dem Bankett. Und Trainer Krauss flog ins Entmüdungsbecken. Effenberg sagte stolz: "Das war die Krönung einer Supersaison." Die Trikots der Sieger bekamen übrigens die Frauen des FSV Frankfurt, die kurz zuvor ihr Finale gewonnen hatten.

Der Verlierer nahm es sportlich, Roggensack betonte das "großartige Erlebnis für uns alle" und bemühte die alte Floskel: "Berlin ist immer eine Reise wert." Es war auch die letzte Dienstreise für Eugen Strigel, dessen Schiedsrichterkarriere mit einem Höhepunkt endete.

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Schon 48-mal standen sich Borussia Mönchengladbach und der VfL Wolfsburg in Pflichtspielen gegenüber, doch im DFB-Pokalachtelfinale kommt es heute (ab 20.45 Uhr, live bei Sky und in der ARD) erst zum zweiten Aufeinandertreffen. Die Pokalhistorie dieses Duells ist also überschaubar, aber nicht nur deshalb unvergesslich. Denn die Premiere 1995 brachte der Borussia ihren bis dato letzten Titel - und für die Wölfe war es damals in Berlin der bis dahin größte Tag der Vereinsgeschichte.

Am 24. Juni 1995 kam es zum vierten Mal in Folge zu einem Finale eines Bundesligisten gegen einen unterklassigen Klub. Zweitligist VfL Wolfsburg hatte kurz zuvor in Berlin den Aufstieg verspielt, nun wollten sie es besser machen und sich an selber Stelle den Traum vom Pokalsieg, verbunden mit dem Einzug in den Europapokal, erfüllen. Hatten sie nicht auch im Halbfinale bei Borussias Nachbar 1. FC Köln gewonnen? Die Gladbacher waren bereits sicher im internationalen Geschäft und hatten einen UEFA-Cup-Platz erreicht. Ihre größten Fans waren plötzlich die Bayern, die nur dann nach Europa kommen würden, wenn die Borussia den Pokal gewänne. Das war natürlich noch die geringste Motivation für die von Bernd Krauss trainierten "Fohlen", die seit dem UEFA-Pokalsieg 1979 keinen Titel mehr gewonnen hatten.

Die von Stars wie Stefan Effenberg und Martin Dahlin geprägte Mannschaft nahm die Favoritenrolle an. Nur Krauss erinnerte an das Trauma von 1992, als erstmals ein Zweitligist Pokalsieger wurde - Hannover 96. Gegner war die Borussia und Krauss damals ihr Co-Trainer. Auf der Pressekonferenz vor dem Finale 1995 erzählte er von "elf Bleichgesichtern", die aus Angst vor der Blamage genau deshalb eine erlebt hätten. Torwart Uwe Kamps beschwichtigte: "Wir sind eine ganz andere Mannschaft als damals."

Einseitiges Finale

Der Verein lobte eine Prämie von 700.000 Mark für den ganzen Kader aus. Die "Wölfe" hätten pro Kopf 30.000 Mark verdienen können und glaubten auch dran. Torwart Uwe Zimmermann: "Die Angst spielt bei Borussia mit, die haben mehr Bammel gegen uns als gegen Bayern." Wenn dem so war, dann konnten die Borussen es gut verstecken. Am Tag, als der Künstler Christo mit Genehmigung des Bundestags den Reichstag für zwei Wochen verhüllte und Tausende Schaulustige anzog, lüftete sich der Schleier der Ungewissheit über den Ausgang des Pokalfinals schneller.

Die Wolfsburger, die in der Endphase der Saison von Trainer Eckhard Krautzun auf Gerd Roggensack gewechselt hatten, standen von Beginn an auf verlorenem Posten. Das hatte weniger damit zu tun, dass Roggensack noch sechs Stunden vor dem Anpfiff zwei Spieler suspendierte, die den Zapfenstreich überzogen hatten - allerdings in der Vorwoche. Das kam heraus, weil sich der VfL wie vor dem Gastspiel bei Hertha BSC erneut im "Hotel Hamburg" aufhielt. Aber auch mit den beiden Nachtschwärmern hätte die Qualität nicht ausgereicht, um die Borussia zu schlagen.

Die 75.717 Zuschauer sahen eines der einseitigsten Finals von Berlin, obgleich sich der Favorit mit der Entscheidung Zeit ließ. Auch die Borussia startete nervös, woran selbst das frühe 1:0 von Martin Dahlin (13.) wenig änderte. Aber es machte nichts, für den VfL war die Aufgabe am größten Tag der Vereinsgeschichte, zwei Jahre vor dem Beginn seiner Bundesligaära, eine Nummer zu groß. "Das bedingungslose Aufbegehren ging den Wolfsburgern ab, damit zeichnete sich ihre Niederlage bald ab", schrieb der Kicker.

Herrlich trifft zum Abschied

Borussia-Keeper Uwe Kamps verlebte einen ruhigen Nachmittag, musste nur ein paar Flanken abfangen. Der VfL Wolfsburg mit dem Ex-Gladbacher Siggi Reich im Sturm war buchstäblich chancenlos und nach Stefan Effenbergs 2:0 (61.) geschlagen. Den Schlusspunkt setzte Heiko Herrlich in seinem letzten Spiel für Borussia (86.). Um ihn gab es viel Wirbel, er hatte seinen Wechsel zu Borussia Dortmund schon verkündet und bestand auf einer Ausstiegsklausel, die Gladbachs Manager Rolf Rüssmann bestritt. Der über die Medien ausgetragene Streit, der noch Wochen weiterging, ehe sich Herrlich durchsetzte, hatte auf die Leistung des Nationalstürmers keinen Einfluss.

Wobei eine durchschnittliche Leistung der ganzen Borussia an diesem Tag, als der Pokal seinen eigenen Gesetzen nicht folgte, genügte. Der Kicker bilanzierte: "Das 52. deutsche Endspiel wird nicht als ein glorreiches in die Annalen der Pokalgeschichte eingehen. Dazu fehlte es an knisternder Spannung."

Effenberg: "Das war die Krönung einer Supersaison"

Den Borussen war es egal, sie feierten erst ausgelassen vor ihrer Kurve und dann auf dem Bankett. Und Trainer Krauss flog ins Entmüdungsbecken. Effenberg sagte stolz: "Das war die Krönung einer Supersaison." Die Trikots der Sieger bekamen übrigens die Frauen des FSV Frankfurt, die kurz zuvor ihr Finale gewonnen hatten.

Der Verlierer nahm es sportlich, Roggensack betonte das "großartige Erlebnis für uns alle" und bemühte die alte Floskel: "Berlin ist immer eine Reise wert." Es war auch die letzte Dienstreise für Eugen Strigel, dessen Schiedsrichterkarriere mit einem Höhepunkt endete.

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