Frankfurts Pokalheld Rebic: "Bruder, schlag' den Ball lang!"

74.322 Zuschauer im Olympiastadion, eine Stadt im Ausnahmezustand und zig Millionen in aller Welt vor dem Fernseher - das DFB-Pokalfinale in Berlin mit seiner unvergleichlichen Atmosphäre war auch in diesem Jahr ein Fest des deutschen Fußballs. Am Ende ganz besonders für Eintracht Frankfurt, das durch seinen Erfolg gegen den FC Bayern eine der großen Überraschungen der jüngeren Pokalgeschichte schaffte. Vermutlich wird kein Frankfurter, der mit dabei war, wird das 3:1 von Berlin und die anschließenden Feierlichkeiten je vergessen. Schon gar nicht Ante Rebic.

Am Tag, an dem er unsterblich wurde, hat Ante Rebic nicht viele Worte gefunden, zumindest nicht für die Öffentlichkeit. Am Flatterband im Bauch des Berliner Olympiastadions hat er nach dem Pokaltriumph im Finale keine Interviews gegeben, "das nächste Mal", zuvor hatte er in den TV-Kamera einen knappen Dank an Niko Kovac, den damaligen Trainer von Eintracht Frankfurt, ausgesprochen, dass er es ihm ermöglicht habe, zwei Tore zum 3:1 gegen den FC Bayern München zu schießen und den Pokal zu gewinnen.

Auch anderntags, beim rauschenden Empfang in Frankfurt, nach einer Fahrt in offenen Coupés durch die von zehntausenden begeisterten Menschen gesäumten Straßen oder auf dem Balkon des altehrwürdigen Römers, war Ante Rebic etwas zurückhaltend, was öffentliche Stellungnahmen anging. Er, der doch der Held "des Wunders von Berlin" war, der die einmalige Atmosphäre von Berlin vor Zehntausenden Eintracht-Fans aufgesaugt und in eine phänomenale Leistung umgewandelt hat, er überließ anderen das Sagen: Prince Boateng etwa, der den legendären Dialog zwischen den beiden vor dem Spiel in bester Popstar-Manier via Mikrofon verriet, die Erfolgsformel von Berlin sozusagen. Rebic, rief Boateng, habe ihm vor dem Spiel nur gesagt: "Bruder, schlag' den Ball lang." Boateng antwortete: "Bruder, ich schlag den Ball lang." So funktioniert der Fußball in der Welt von Ante Rebic wahrscheinlich wirklich. Knapp, prägnant, effektiv.

Plötzlich alles anders

Es hat eine Weile gedauert, ehe Ante Rebic wirklich verinnerlicht hat, was dieser 19. Mai 2018 bedeutete - für ihn, für den Klub. Ein einziges Spiel hat sein Leben verändert, 90 Minuten vor einem Millionenpublikum, haben ihn, den Ante Rebic aus Imotski im kleinen Kroatien in den Orbit der Fußballwelt katapultiert, zwei Tore und eine Weltklasseleistung - danach war nichts mehr wie zuvor. Auf einmal war er der Star, der Spieler, der den Unterschied machte, auf einmal ging seine Karriere durch die Decke.

Und kurz darauf wurde er mit Kroatien Vizeweltmeister, er hat sechs der sieben Spiele bestritten und dabei ein Tor erzielt, gegen Argentinien. Sein Marktwert ist enorm gestiegen, Angebote flatterten nach dem "Spiel seines Lebens" (Torwart Lukáš Hrádecký) ins Haus, doch Rebic verlängerte seinen Vertrag in Frankfurt und machte einfach da weiter, wo er in Berlin aufgehört hat: Er ist von einer gnadenlosen Schonungslosigkeit, furchtlos, aggressiv und schnell. Wie ein Raubtier seine Beute, jagt er den Ball, bis er ihn hat. Er ist ein Spieler, der einem Gegner wehtun kann, der ihn piekst und sticht und beschäftigt, der ihn nie in Ruhe lässt - und einschüchtert. Er ist das, was man einen Unterschiedsspieler nennt. Und deshalb so ein wichtiger Bestandteil des stürmischen Frankfurter Triumvirats mit Sebastién Haller, Luka Jović und ihm.

Doch bis es so weit war, bis sich seine Fähigkeiten in diesem einen, ganz besonderen Spiel endlich Bann brachen, brauchte es Zeit und viel Geduld. Und einen Niko Kovač, seinen Mentor, der ihn zu zügeln wusste. "Als Trainer muss man ein Auge zudrücken, manchmal auch zwei", sagte der aktuelle Bayern-Trainer. Rebic war ja nicht immer "eine Rakete" (Boateng), er war wankelmütig, unstet, verzettelte sich im Kleinklein. "Manchmal hat er Sachen gemacht, die waren der Wahnsinn. Aber dann hat er mich in den Wahnsinn getrieben", hat Kovač einmal der "Frankfurter Rundschau" erzählt. "Manchmal hat er im Training alles überrannt, manchmal haben sich die Journalisten, die draußen standen, mehr bewegt." Aber er hat ihn hingekriegt.

Geschichte geschrieben

30 Jahre hat Eintracht Frankfurt auf diesen Tag gewartet, auf diesen 19. Mai 2018. 30 Jahre hatte der traditionsreiche Klub nichts mehr gewonnen, spielte in den entscheidenden Jahren, als die Karten neu gemischt wurden, zweitklassig. 30 dürre Jahre - kein Wunder, dass Vorstand Axel Hellmann ganz oben ins Regal griff, um den Triumph einzuordnen: "Die Jungs haben Geschichte geschrieben." Auf einmal war Eintracht Frankfurt wieder wer, hatte das Graue-Maus-Image in der öffentlichen Wahrnehmung abgestreift. Wer besiegt in einem Finale schon die überlebensgroßen Bayern?

Der Sieg von Berlin, eine der großen Überraschungen in der jüngeren Pokalgeschichte, traf die Hessen genau zum richtigen Zeitpunkt. "Wir spüren seitdem Rückenwind auch in unserer Sponsorenlandschaft. Die Nachfrage nach Beteiligungen oder Teilhaben ist deutlich gestiegen", sagt Hellmann. Wirtschaftlich ist die Eintracht so solide wie lange nicht mehr, der Klub baut im Frankfurter Stadtwald in den nächsten Jahren eine hochmoderne Geschäftsstelle, expandiert auf vielen Geschäftsfeldern.

Dazu zelebriert die ganze Stadt förmlich die Auftritte der Profis in der Europa League, die Eintracht Frankfurt erst durch seinen Pokalsieg erreicht hat. Nach vier von sechs Gruppenspielen hatten sich die Frankfurter in einer anspruchsvollen Gruppe schon für die K.o.-Runde qualifiziert. Ein Ende des Höhenflugs ist nicht abzusehen. Und das alles, weil Ante Rebic vor einem halben Jahr in Berlin das Spiel seines Lebens gemacht hat.

[tk]

74.322 Zuschauer im Olympiastadion, eine Stadt im Ausnahmezustand und zig Millionen in aller Welt vor dem Fernseher - das DFB-Pokalfinale in Berlin mit seiner unvergleichlichen Atmosphäre war auch in diesem Jahr ein Fest des deutschen Fußballs. Am Ende ganz besonders für Eintracht Frankfurt, das durch seinen Erfolg gegen den FC Bayern eine der großen Überraschungen der jüngeren Pokalgeschichte schaffte. Vermutlich wird kein Frankfurter, der mit dabei war, wird das 3:1 von Berlin und die anschließenden Feierlichkeiten je vergessen. Schon gar nicht Ante Rebic.

Am Tag, an dem er unsterblich wurde, hat Ante Rebic nicht viele Worte gefunden, zumindest nicht für die Öffentlichkeit. Am Flatterband im Bauch des Berliner Olympiastadions hat er nach dem Pokaltriumph im Finale keine Interviews gegeben, "das nächste Mal", zuvor hatte er in den TV-Kamera einen knappen Dank an Niko Kovac, den damaligen Trainer von Eintracht Frankfurt, ausgesprochen, dass er es ihm ermöglicht habe, zwei Tore zum 3:1 gegen den FC Bayern München zu schießen und den Pokal zu gewinnen.

Auch anderntags, beim rauschenden Empfang in Frankfurt, nach einer Fahrt in offenen Coupés durch die von zehntausenden begeisterten Menschen gesäumten Straßen oder auf dem Balkon des altehrwürdigen Römers, war Ante Rebic etwas zurückhaltend, was öffentliche Stellungnahmen anging. Er, der doch der Held "des Wunders von Berlin" war, der die einmalige Atmosphäre von Berlin vor Zehntausenden Eintracht-Fans aufgesaugt und in eine phänomenale Leistung umgewandelt hat, er überließ anderen das Sagen: Prince Boateng etwa, der den legendären Dialog zwischen den beiden vor dem Spiel in bester Popstar-Manier via Mikrofon verriet, die Erfolgsformel von Berlin sozusagen. Rebic, rief Boateng, habe ihm vor dem Spiel nur gesagt: "Bruder, schlag' den Ball lang." Boateng antwortete: "Bruder, ich schlag den Ball lang." So funktioniert der Fußball in der Welt von Ante Rebic wahrscheinlich wirklich. Knapp, prägnant, effektiv.

Plötzlich alles anders

Es hat eine Weile gedauert, ehe Ante Rebic wirklich verinnerlicht hat, was dieser 19. Mai 2018 bedeutete - für ihn, für den Klub. Ein einziges Spiel hat sein Leben verändert, 90 Minuten vor einem Millionenpublikum, haben ihn, den Ante Rebic aus Imotski im kleinen Kroatien in den Orbit der Fußballwelt katapultiert, zwei Tore und eine Weltklasseleistung - danach war nichts mehr wie zuvor. Auf einmal war er der Star, der Spieler, der den Unterschied machte, auf einmal ging seine Karriere durch die Decke.

Und kurz darauf wurde er mit Kroatien Vizeweltmeister, er hat sechs der sieben Spiele bestritten und dabei ein Tor erzielt, gegen Argentinien. Sein Marktwert ist enorm gestiegen, Angebote flatterten nach dem "Spiel seines Lebens" (Torwart Lukáš Hrádecký) ins Haus, doch Rebic verlängerte seinen Vertrag in Frankfurt und machte einfach da weiter, wo er in Berlin aufgehört hat: Er ist von einer gnadenlosen Schonungslosigkeit, furchtlos, aggressiv und schnell. Wie ein Raubtier seine Beute, jagt er den Ball, bis er ihn hat. Er ist ein Spieler, der einem Gegner wehtun kann, der ihn piekst und sticht und beschäftigt, der ihn nie in Ruhe lässt - und einschüchtert. Er ist das, was man einen Unterschiedsspieler nennt. Und deshalb so ein wichtiger Bestandteil des stürmischen Frankfurter Triumvirats mit Sebastién Haller, Luka Jović und ihm.

Doch bis es so weit war, bis sich seine Fähigkeiten in diesem einen, ganz besonderen Spiel endlich Bann brachen, brauchte es Zeit und viel Geduld. Und einen Niko Kovač, seinen Mentor, der ihn zu zügeln wusste. "Als Trainer muss man ein Auge zudrücken, manchmal auch zwei", sagte der aktuelle Bayern-Trainer. Rebic war ja nicht immer "eine Rakete" (Boateng), er war wankelmütig, unstet, verzettelte sich im Kleinklein. "Manchmal hat er Sachen gemacht, die waren der Wahnsinn. Aber dann hat er mich in den Wahnsinn getrieben", hat Kovač einmal der "Frankfurter Rundschau" erzählt. "Manchmal hat er im Training alles überrannt, manchmal haben sich die Journalisten, die draußen standen, mehr bewegt." Aber er hat ihn hingekriegt.

Geschichte geschrieben

30 Jahre hat Eintracht Frankfurt auf diesen Tag gewartet, auf diesen 19. Mai 2018. 30 Jahre hatte der traditionsreiche Klub nichts mehr gewonnen, spielte in den entscheidenden Jahren, als die Karten neu gemischt wurden, zweitklassig. 30 dürre Jahre - kein Wunder, dass Vorstand Axel Hellmann ganz oben ins Regal griff, um den Triumph einzuordnen: "Die Jungs haben Geschichte geschrieben." Auf einmal war Eintracht Frankfurt wieder wer, hatte das Graue-Maus-Image in der öffentlichen Wahrnehmung abgestreift. Wer besiegt in einem Finale schon die überlebensgroßen Bayern?

Der Sieg von Berlin, eine der großen Überraschungen in der jüngeren Pokalgeschichte, traf die Hessen genau zum richtigen Zeitpunkt. "Wir spüren seitdem Rückenwind auch in unserer Sponsorenlandschaft. Die Nachfrage nach Beteiligungen oder Teilhaben ist deutlich gestiegen", sagt Hellmann. Wirtschaftlich ist die Eintracht so solide wie lange nicht mehr, der Klub baut im Frankfurter Stadtwald in den nächsten Jahren eine hochmoderne Geschäftsstelle, expandiert auf vielen Geschäftsfeldern.

Dazu zelebriert die ganze Stadt förmlich die Auftritte der Profis in der Europa League, die Eintracht Frankfurt erst durch seinen Pokalsieg erreicht hat. Nach vier von sechs Gruppenspielen hatten sich die Frankfurter in einer anspruchsvollen Gruppe schon für die K.o.-Runde qualifiziert. Ein Ende des Höhenflugs ist nicht abzusehen. Und das alles, weil Ante Rebic vor einem halben Jahr in Berlin das Spiel seines Lebens gemacht hat.

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