Pokal: Historische Überraschungen im Achtelfinale

Auf geht's zum Achtelfinale des DFB-Pokals. Die Historie berechtigt zu der Frage: Gibt es die große Sensation schon heute oder erst am Mittwoch? Ein Achtelfinale ohne Außenseitersiege ist jedenfalls ausgesprochen selten, in den letzten elf Jahren waren sie die Regel. Seit 2007/2008 hat immer mindestens eine klassentiefere Mannschaft eine höhere, meist also einen Bundesligisten eliminiert.

2006/2007 sorgte auch ein Bundesligaduell für eine Sensation: Aufsteiger Alemannia Aachen warf den Deutschen Meister Bayern München aus dem Wettbewerb (4:2). DFB.de erinnert an drei besondere Favoritenstürze im Achtelfinale:

27. Oktober 2009: VfL Osnabrück – Borussia Dortmund 3:2

Jürgen Klopp ist schon BVB-Trainer, Titel hat er noch keine gewonnen. Und der Traum vom Pokalsieg platzt schon früh. An der ausverkauften Bremer Brücke überrollt der Drittligist die Borussen regelrecht: Angelo Barletta trifft per Rechtsschuss und Kopfball schon vor der Pause (37., 42.). In der Videoanalyse wird Klopp seinen Spielern später allein 13 Fehler im Aufbauspiel nachweisen. Die Meister von morgen sind noch Lehrlinge, aus 69 Prozent Ballbesitz machen Nuri Sahin, Jakub Błaszczykowski und Lucas Barrios viel zu wenig. Die Innenverteidigung ist schon die von heute, aber auch Mats Hummels und Neven Subotic trifft die Kritik von Manager Michael Zorc: "Wir haben verteidigt wie im Kindergarten! Wenn man das als amateurhaft bezeichnet, beleidigt man die Amateure." Nach Sahins Anschlusstreffer (55.) drückt Borussia, aber aus einem eigenen Freistoß entsteht das 3:1 für den VfL durch Benjamin Siegert (69.). Das 2:3 durch Lucas Barrios fällt, als in Osnabrück längst gefeiert wird – in der sechsten Minute der Nachspielzeit! Die Osnabrücker Spieler kassieren für ihren Husarenstreich 100.000 Euro Prämie. Sie scheitern in der nächsten Runde ausgerechnet am BVB-Rivalen Schalke 04 (0:1).

21. Dezember 2005: FC St. Pauli – Hertha BSC 4:3 n.V.

Die Hamburger sind drei Jahre nach ihrem letzten Bundesliga-Intermezzo in die Regionalliga abgestürzt, Hertha BSC hat sich mit einem denkwürdigen Torverhältnis von 1:0 in vier Gruppenspielen für die Zwischenrunde des UEFA-Pokals qualifiziert und ist nach der Bundesliga-Vorrunde Fünfter. Die größte Titelchance verspricht aber der Pokal. Und dieses Jahr will auch Hertha mal nach Berlin fahren, Trainer Falko Götz stellt die bestmögliche Elf auf. Wer fehlt, ist auch wirklich verletzt (Josip Simunic und Dick van Burik) Manager Dieter Hoeneß spricht vom "fast wichtigsten Spiel des Jahres" und verlangt "dass der Unterschied zwischen Regionalliga und Bundesliga deutlich wird". 19.800 Zuschauer am ausverkauften Millerntor sehen das etwas anders; aber zunächst werden sie enttäuscht: Marco Pantelic (8.) und Gilberto (40.) sorgen für ein ernüchterndes 0:2 aus Sicht der Pauli-Fans. Da trifft ausgerechnet Ex-Herthaner Michel Mazingu-Dinzey noch mit dem Pausenpfiff und leitet die Aufholjagd ein. Vier Minuten vor Abpfiff egalisiert Felix Luz und erzwingt eine Verlängerung. Und da hat der Regionalligist auch noch mehr zuzusetzen, holt selbst das 2:3 durch Marcelinho (100.) noch auf. Florian Lechner (105.) und Robert Palikuca (109.) wenden das Blatt endgültig. Auch der eingewechselte Kevin-Prince Boateng kann Hertha nicht mehr retten. Und wieder fahren sie nicht zum Finale nach Berlin. St. Pauli wirft im Viertelfinale sogar noch Champions League-Teilnehmer Werder Bremen raus, erst Bayern kann sie stoppen.

28. Oktober 1997: Eintracht Trier – Borussia Dortmund 2:1

Der Champions-League-Sieger im Moselstadion; auch wer nicht an eine Sensation glaubt, will dieses Spiel sehen. Wann kommt schon mal Borussia Dortmund nach Trier? Die Eintracht lässt Zusatztribünen für 5000 Sitzplätze aufbauen und so säumen 17.900 Menschen an diesem Dienstagnachmittag (Anpfiff: 14 Uhr!) im Herbst 1997 das Spielfeld - Vereinsrekord. Zudem wird erstmals in der 92-jährigen Klub-Historie ein Trierer Spiel live im Fernsehen übertragen, auf Südwest 3. Euphorie hier, Tristesse da. Der BVB steckt in einer veritablen Krise und hat erst am Wochenende die Abstiegsplätze verlassen. Unter dem neuen Trainer Nevio Scala läuft es noch nicht so richtig, aber das enthebt Borussia nicht von der Favoritenrolle. Der Tabellenführer der Regionalliga Südwest hat keinen Steffen Freund, Jürgen Kohler, Jörg Heinrich oder Heiko Herrlich. Weil der Ex-Frankfurter Ralf Falkenmayer ausfällt ist der Ex-Nürnberger Dirk Fengler der Einzige mit Bundesliga-Erfahrung: abgesehen noch von Trainer Karl-Heinz Emig (64 Spiele für den FCK und Hertha BSC). Kollege Scala beugt jeder Überheblichkeit vor und attestiert der Eintracht zumindest Zweitliga-Niveau und auch sonst hätten alle gewarnt sein müssen.

Eine Runde zuvor hatte die Eintracht bereits UEFA-Cup-Sieger Schalke 04 rausgeworfen, in der Gäste-Kabine ist das Loch noch zu sehen, dass aus der Wut über die Blamage entstanden ist. Auch bei Borussia Dortmund reißt die Eintracht aus Trier an diesem Nachmittag tiefe Wunden. Pokal-Schreck Rudi Thömmes, der schon das entscheidende 1:0 gegen Schalke erzielt hat, schlägt wieder zu. Nach 37 Minuten führen die Trierer schon wieder gegen einen Europacup-Sieger und wieder brechen sie nicht ein. Im Gegenteil: Als Rene Schneider Thömmes (wen sonst?) im Strafraum legt, erhöht Czakon per Elfmeter auf 2:0 (50.). Scalas zweiter Anzug ist dünn: Lars Ricken, Stefan Reuter, Stephane Chapuisat und allen voran Matthias Sammer fehlen. Er kann nur Talente einwechseln: Wladimir But, Jovan Kirovski, Bashiru Gambo. Ins Tor aber trifft nur das alte Schlachtross Kohler.

Sein 2:1 in der 53. Minute wird den Endstand markieren. "Verdient gewann der Regionalliga-Tabellenführer, der in der zweiten Hälfte keine BVB-Chancen zuließ", schreibt der kicker. Der Rest ist Jubel und Freude, gemixt mit einem Schuss Überheblichkeit, den den Trierern keiner übel nehmen kann an diesem Tag. Warum lässt Emig die Journalisten warten? "Unser Trainer ist anscheinend schon nach Berlin vorgefahren", witzelt Präsident Hans-Joachim Doerfert. Der Spaß wäre beinahe wahr geworden. Eintracht wirft auch Waldhof Mannheim raus und scheitert im Halbfinale am Bundesligisten MSV Duisburg erst im Elfmeterschießen. Rudi Thömmes hat natürlich getroffen. Und der BVB? Jürgen Kohler sagt dicht neben der Stelle, wo die Schalker ihr Loch getreten haben: "Für uns hat der Abstiegskampf begonnen. Wer das nicht sieht, sollte den Verein wechseln."

Weitere Achtelfinal-Überraschungen:

1935/1936: VfL Benrath – Hertha BSC 8:2
1941/1942: Hamburger SV – Dessau 05 3:4
1954/1955: Tus Bremerhaven – Hamburger SV 3:1
1981/1982: SSV Ulm – Eintracht Frankfurt 1:0
1984/1985: 1. FC Saarbrücken – VfB Stuttgart 3:0 i. E.
1995/1996: 1. FC Nürnberg (Zweitligist) – Werder Bremen
1998/1999: Rot-Weiß Oberhausen – Hamburger SV 4:3 n.E.
1999/2000: FSV Mainz 05 (Zweitligist) – Hertha BSC 2:1
2003/2004: 1899 Hoffenheim (Drittligist) – Bayer Leverkusen 3:2
2008/2009: Karlsruher SC – SV Wehen Wiesbaden 0:1
2010/2011: VfL Wolfsburg – Energie Cottbus 1:3
2011/2012: Holstein Kiel (Viertligist) – 1. FSV Mainz 05 2:0

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Auf geht's zum Achtelfinale des DFB-Pokals. Die Historie berechtigt zu der Frage: Gibt es die große Sensation schon heute oder erst am Mittwoch? Ein Achtelfinale ohne Außenseitersiege ist jedenfalls ausgesprochen selten, in den letzten elf Jahren waren sie die Regel. Seit 2007/2008 hat immer mindestens eine klassentiefere Mannschaft eine höhere, meist also einen Bundesligisten eliminiert.

2006/2007 sorgte auch ein Bundesligaduell für eine Sensation: Aufsteiger Alemannia Aachen warf den Deutschen Meister Bayern München aus dem Wettbewerb (4:2). DFB.de erinnert an drei besondere Favoritenstürze im Achtelfinale:

27. Oktober 2009: VfL Osnabrück – Borussia Dortmund 3:2

Jürgen Klopp ist schon BVB-Trainer, Titel hat er noch keine gewonnen. Und der Traum vom Pokalsieg platzt schon früh. An der ausverkauften Bremer Brücke überrollt der Drittligist die Borussen regelrecht: Angelo Barletta trifft per Rechtsschuss und Kopfball schon vor der Pause (37., 42.). In der Videoanalyse wird Klopp seinen Spielern später allein 13 Fehler im Aufbauspiel nachweisen. Die Meister von morgen sind noch Lehrlinge, aus 69 Prozent Ballbesitz machen Nuri Sahin, Jakub Błaszczykowski und Lucas Barrios viel zu wenig. Die Innenverteidigung ist schon die von heute, aber auch Mats Hummels und Neven Subotic trifft die Kritik von Manager Michael Zorc: "Wir haben verteidigt wie im Kindergarten! Wenn man das als amateurhaft bezeichnet, beleidigt man die Amateure." Nach Sahins Anschlusstreffer (55.) drückt Borussia, aber aus einem eigenen Freistoß entsteht das 3:1 für den VfL durch Benjamin Siegert (69.). Das 2:3 durch Lucas Barrios fällt, als in Osnabrück längst gefeiert wird – in der sechsten Minute der Nachspielzeit! Die Osnabrücker Spieler kassieren für ihren Husarenstreich 100.000 Euro Prämie. Sie scheitern in der nächsten Runde ausgerechnet am BVB-Rivalen Schalke 04 (0:1).

21. Dezember 2005: FC St. Pauli – Hertha BSC 4:3 n.V.

Die Hamburger sind drei Jahre nach ihrem letzten Bundesliga-Intermezzo in die Regionalliga abgestürzt, Hertha BSC hat sich mit einem denkwürdigen Torverhältnis von 1:0 in vier Gruppenspielen für die Zwischenrunde des UEFA-Pokals qualifiziert und ist nach der Bundesliga-Vorrunde Fünfter. Die größte Titelchance verspricht aber der Pokal. Und dieses Jahr will auch Hertha mal nach Berlin fahren, Trainer Falko Götz stellt die bestmögliche Elf auf. Wer fehlt, ist auch wirklich verletzt (Josip Simunic und Dick van Burik) Manager Dieter Hoeneß spricht vom "fast wichtigsten Spiel des Jahres" und verlangt "dass der Unterschied zwischen Regionalliga und Bundesliga deutlich wird". 19.800 Zuschauer am ausverkauften Millerntor sehen das etwas anders; aber zunächst werden sie enttäuscht: Marco Pantelic (8.) und Gilberto (40.) sorgen für ein ernüchterndes 0:2 aus Sicht der Pauli-Fans. Da trifft ausgerechnet Ex-Herthaner Michel Mazingu-Dinzey noch mit dem Pausenpfiff und leitet die Aufholjagd ein. Vier Minuten vor Abpfiff egalisiert Felix Luz und erzwingt eine Verlängerung. Und da hat der Regionalligist auch noch mehr zuzusetzen, holt selbst das 2:3 durch Marcelinho (100.) noch auf. Florian Lechner (105.) und Robert Palikuca (109.) wenden das Blatt endgültig. Auch der eingewechselte Kevin-Prince Boateng kann Hertha nicht mehr retten. Und wieder fahren sie nicht zum Finale nach Berlin. St. Pauli wirft im Viertelfinale sogar noch Champions League-Teilnehmer Werder Bremen raus, erst Bayern kann sie stoppen.

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28. Oktober 1997: Eintracht Trier – Borussia Dortmund 2:1

Der Champions-League-Sieger im Moselstadion; auch wer nicht an eine Sensation glaubt, will dieses Spiel sehen. Wann kommt schon mal Borussia Dortmund nach Trier? Die Eintracht lässt Zusatztribünen für 5000 Sitzplätze aufbauen und so säumen 17.900 Menschen an diesem Dienstagnachmittag (Anpfiff: 14 Uhr!) im Herbst 1997 das Spielfeld - Vereinsrekord. Zudem wird erstmals in der 92-jährigen Klub-Historie ein Trierer Spiel live im Fernsehen übertragen, auf Südwest 3. Euphorie hier, Tristesse da. Der BVB steckt in einer veritablen Krise und hat erst am Wochenende die Abstiegsplätze verlassen. Unter dem neuen Trainer Nevio Scala läuft es noch nicht so richtig, aber das enthebt Borussia nicht von der Favoritenrolle. Der Tabellenführer der Regionalliga Südwest hat keinen Steffen Freund, Jürgen Kohler, Jörg Heinrich oder Heiko Herrlich. Weil der Ex-Frankfurter Ralf Falkenmayer ausfällt ist der Ex-Nürnberger Dirk Fengler der Einzige mit Bundesliga-Erfahrung: abgesehen noch von Trainer Karl-Heinz Emig (64 Spiele für den FCK und Hertha BSC). Kollege Scala beugt jeder Überheblichkeit vor und attestiert der Eintracht zumindest Zweitliga-Niveau und auch sonst hätten alle gewarnt sein müssen.

Eine Runde zuvor hatte die Eintracht bereits UEFA-Cup-Sieger Schalke 04 rausgeworfen, in der Gäste-Kabine ist das Loch noch zu sehen, dass aus der Wut über die Blamage entstanden ist. Auch bei Borussia Dortmund reißt die Eintracht aus Trier an diesem Nachmittag tiefe Wunden. Pokal-Schreck Rudi Thömmes, der schon das entscheidende 1:0 gegen Schalke erzielt hat, schlägt wieder zu. Nach 37 Minuten führen die Trierer schon wieder gegen einen Europacup-Sieger und wieder brechen sie nicht ein. Im Gegenteil: Als Rene Schneider Thömmes (wen sonst?) im Strafraum legt, erhöht Czakon per Elfmeter auf 2:0 (50.). Scalas zweiter Anzug ist dünn: Lars Ricken, Stefan Reuter, Stephane Chapuisat und allen voran Matthias Sammer fehlen. Er kann nur Talente einwechseln: Wladimir But, Jovan Kirovski, Bashiru Gambo. Ins Tor aber trifft nur das alte Schlachtross Kohler.

Sein 2:1 in der 53. Minute wird den Endstand markieren. "Verdient gewann der Regionalliga-Tabellenführer, der in der zweiten Hälfte keine BVB-Chancen zuließ", schreibt der kicker. Der Rest ist Jubel und Freude, gemixt mit einem Schuss Überheblichkeit, den den Trierern keiner übel nehmen kann an diesem Tag. Warum lässt Emig die Journalisten warten? "Unser Trainer ist anscheinend schon nach Berlin vorgefahren", witzelt Präsident Hans-Joachim Doerfert. Der Spaß wäre beinahe wahr geworden. Eintracht wirft auch Waldhof Mannheim raus und scheitert im Halbfinale am Bundesligisten MSV Duisburg erst im Elfmeterschießen. Rudi Thömmes hat natürlich getroffen. Und der BVB? Jürgen Kohler sagt dicht neben der Stelle, wo die Schalker ihr Loch getreten haben: "Für uns hat der Abstiegskampf begonnen. Wer das nicht sieht, sollte den Verein wechseln."

Weitere Achtelfinal-Überraschungen:

1935/1936: VfL Benrath – Hertha BSC 8:2
1941/1942: Hamburger SV – Dessau 05 3:4
1954/1955: Tus Bremerhaven – Hamburger SV 3:1
1981/1982: SSV Ulm – Eintracht Frankfurt 1:0
1984/1985: 1. FC Saarbrücken – VfB Stuttgart 3:0 i. E.
1995/1996: 1. FC Nürnberg (Zweitligist) – Werder Bremen
1998/1999: Rot-Weiß Oberhausen – Hamburger SV 4:3 n.E.
1999/2000: FSV Mainz 05 (Zweitligist) – Hertha BSC 2:1
2003/2004: 1899 Hoffenheim (Drittligist) – Bayer Leverkusen 3:2
2008/2009: Karlsruher SC – SV Wehen Wiesbaden 0:1
2010/2011: VfL Wolfsburg – Energie Cottbus 1:3
2011/2012: Holstein Kiel (Viertligist) – 1. FSV Mainz 05 2:0