Pilotprojekt Vereinsdialog gestartet: "Es gibt kein Oben und Unten"

Der Startschuss für den Vereinsdialog ist gefallen. Das Pilotprojekt wird bis Anfang Mai in drei DFB-Landesverbänden (Württemberg, Niederrhein, Sachsen-Anhalt) durchgeführt. Nach einer umfassenden Auswertung beschließt der DFB-Bundestag am 24. und 25. Oktober in Nürnberg, ob der Vereinsdialog bundesweit fortgesetzt werden soll.

Für DFB.de hat Reporter Sven Winterschladen eine Diskussion zwischen den Verantwortlichen des Fußball-Verbands Niederrhein (FVN) und den Vertretern des SC Leichlingen besucht. Was bewegt den Verein? Welche Probleme gibt es? Was macht das Ehrenamt? Wie steht es um die Finanzen? Wie kann der Verband helfen? Schnell hat sich eine Diskussion entwickelt, eine Diskussion auf Augenhöhe.

Glückwünsche und Blumen

Als eigentlich alles vorbei ist, ist noch lange nicht alles vorbei. Die Diskussionen gehen weiter. Auch nachdem alle Tagespunkte abgearbeitet sind, auch nach über zwei Stunden. Es ist das beste Zeichen dafür: Der Vereinsdialog ist ein voller Erfolg. In den Fußball-Verbänden Niederrhein, Sachsen-Anhalt und Württemberg laufen gerade Pilotprojekte. Die wichtigsten Ziele sind klar formuliert. Es soll ein engerer Kontakt zwischen Verband und Basis entstehen. Außerdem soll mehr Klarheit über Erwartungen, Zielstellungen und Herausforderungen der Vereine geschaffen werden.

Im Kreisjugendheim in Solingen findet die erste Veranstaltung für den Fußball-Verband Niederrhein (FVN) statt. FVN-Geschäftsführer Rainer Lehmann ist früh da, fast eine Stunde zu früh. Er nutzt die Zeit, um sich die Räumlichkeiten anzusehen. Ein Rundgang, ein paar Blicke, ein zufriedenes Nicken - hier ist alles in Ordnung. Der Ort sieht genauso aus, wie man ihn sich vorstellen würde. Alles sauber, aber auch alles nicht mehr ganz neu. An der Wand hängen ein paar alte Wimpel, auch einer vom DFB. Dazu von den vielen ausländischen Gästen, die während verschiedener Turniere schon hier waren.

An diesem Abend soll ein Dialog zwischen der Verbandsspitze um Lehmann und Präsident Walter Hützen mit der Basis stattfinden. Der 75-jährige Rechtanwalt hat erst vor wenigen Tagen das Bundesverdienstkreuz für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement im Sport verliehen bekommen - eine besondere Auszeichnung. Für den Fußballkreis Solingen ist der Vorsitzende Georg Schubert da und überreicht Glückwünsche und Blumen.

Offener Dialog erwünscht

Aber die eigentlichen Protagonisten der Veranstaltung sind andere - es sind die Vertreter des SC Leichlingen. Denn um diesen Verein soll es gehen. Welche Probleme hat der Klub? Was läuft gut? Was läuft schlecht? Wie steht es um die Finanzen? Was macht das Ehrenamt? Und vor allem: Wie kann der Verband helfen? Wie läuft überhaupt die Kommunikation mit dem FVN? Steffi Weide (Geschäftsführerin Jugendabteilung), Alfred Kramer (Geschäftsführer Senioren) und Mike Budde (Jugendleiter) sollen diese Fragen für den SC Leichlingen beantworten.

Lehmann macht schnell klar, dass ein offener Dialog gewünscht ist: "Wir sind nicht die da oben, ihr seid nicht die da unten. Das ist Quatsch, diese Sichtweise wollen wir hiermit grundsätzlich mal aus der Welt schaffen. Wir wollen einen Austausch auf Augenhöhe. Heute besonders, aber grundsätzlich auch an jedem anderen Tag."

Sorgen besprochen, diskutiert und am Ende meist gelöst

Die Diskussion beginnt allerdings etwas träge. Hat der Verein keine Probleme? Zwei Herrenmannschaften, Kreisliga A, Kreisliga B. Dazu 15 Jugendteams. Der SC Leichlingen ist ein typischer Klub, wie es ihn wahrscheinlich hundertfach, tausendfach in Deutschland gibt. Als Lehmann etwas genauer fragt, als er etwas tiefer bohrt, wird schnell das Gegenteil klar - es gibt Schwierigkeiten. Die Trainingsmöglichkeiten sind kompliziert, manchmal müssen sich vier Mannschaften den Kunstrasenplatz teilen. Auf den Rasen dürfen sie nur in Ausnahmefällen. Die Kommunikation mit der Stadt ist nicht immer einfach. Das gegenseitige Verständnis zu gering.

"Wie können wir helfen?" - das fragt Lehmann immer wieder. "Was erwarten Sie von uns? Wir wollen Sie dabei unterstützen, diesen Missstand zu lösen." Dafür ist der FVN heute hier, dafür wird hier diskutiert. Die Lösung ist schnell gefunden: Es soll einen moderierten Austausch geben. Alle sollen an einen Tisch: Stadtverantwortliche, Vereinsvertreter, Verbands- und Kreismitglieder. Einstimmiges Nicken, das ist eine gute Lösung.

So werden auch die anderen Sorgen besprochen, diskutiert, am Ende meist gelöst. Wie kann der Klub seine Finanzen besser aufstellen? Besonders die Seniorenabteilung rechnet sich nicht. Die Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge decken nicht die verursachten Kosten. Außerdem wird bemängelt, dass die Strafen für kleinere Vergehen zu hoch sind und dadurch der Etat unnötigerweise zusätzlich belastet wird. Die Leichlinger Vertreter sind sich einig. Hier muss der Verband etwas mehr Fingerspitzengefühl zeigen: "Wir machen das alles ehrenamtlich, wir sind auch mal im Urlaub. Da kann es mal passieren, dass die eine oder andere Sache etwas länger dauert." Lehmann nickt einsichtig. Soweit es die Statuten zulassen, soll mehr Nachsicht geübt werden.

Immer weniger wollen mitmachen

Auch die ehrenamtliche Situation bereitet den Leichlingern Kopfzerbrechen. Immer weniger wollen mitmachen. Wie kann man mehr helfende Hände gewinnen? Wie kann man Mitglieder gewinnen - und halten, besonders beim Übergang vom Jugend- in den Seniorenbereich? Wie kann man ein größeres Gemeinschaftsgefühl schaffen? Gibt es die Möglichkeit für flexiblere Anstoßzeiten? Am Ende prasseln die Fragen auf Geschäftsführer Lehmann ein. Er ist nicht hier, um jede zu lösen. Er ist hier, um Denkanstöße zu geben, um Idee zu entwickeln, um Angebote zu unterbreiten.

Natürlich gibt es Dinge, für die ist eine Lösung nur schwer zu finden - oder zumindest nicht auf die Schnelle. Aber es gibt auch naheliegende Möglichkeiten. "Wir haben zahlreiche Referenten bei uns in der Geschäftsstelle, die genau diese Dinge mit ihnen besprechen - das sind absolute Experten in diesem Bereich. Da finden Sie Hilfe. Nehmen Sie das in Anspruch", sagt Lehmann. "Für den Verein entstehen keinerlei Kosten." Die Leichlinger wollen das machen, es wäre eine Premiere. Die Informationsbroschüren liegen überall aus. Genutzt haben sie solche Angebote noch nie.

Raus aus der Geschäftsstelle, rein ins Vereinsheim

Überhaupt wird erstaunlich schnell klar, wie sinnvoll dieses Gespräch für beide Seiten ist. Die Verbandsvertreter bekommen einen noch detaillierten Einblick in den kleinen Kosmos eines Fußballvereins. Raus aus der Geschäftsstelle, rein ins Vereinsheim. Weg mit den Formalien, her mit dem persönlichen Gespräch. Das ist das Motto des Abends. Oft herrscht Einsicht, Verständnis. Keiner hat Probleme, Fehler zuzugeben.

Veränderungen, Verbesserungen werden besprochen, beschlossen. Und die Vereinsverantwortlichen merken, dass der Verband nicht nur dazu da ist, Strafen zu verhängen, Begegnungen zu ungünstigen Zeiten anzusetzen oder Spieler monatelang zu sperren. Manchmal gehört das auch dazu. Aber sie merken schnell, dass sie alle im Grunde ein Ziel verbindet: den Fußball schöner machen, das Miteinander besser, die Aufgaben einfacher, die Wege kürzer.

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Der Startschuss für den Vereinsdialog ist gefallen. Das Pilotprojekt wird bis Anfang Mai in drei DFB-Landesverbänden (Württemberg, Niederrhein, Sachsen-Anhalt) durchgeführt. Nach einer umfassenden Auswertung beschließt der DFB-Bundestag am 24. und 25. Oktober in Nürnberg, ob der Vereinsdialog bundesweit fortgesetzt werden soll.

Für DFB.de hat Reporter Sven Winterschladen eine Diskussion zwischen den Verantwortlichen des Fußball-Verbands Niederrhein (FVN) und den Vertretern des SC Leichlingen besucht. Was bewegt den Verein? Welche Probleme gibt es? Was macht das Ehrenamt? Wie steht es um die Finanzen? Wie kann der Verband helfen? Schnell hat sich eine Diskussion entwickelt, eine Diskussion auf Augenhöhe.

Glückwünsche und Blumen

Als eigentlich alles vorbei ist, ist noch lange nicht alles vorbei. Die Diskussionen gehen weiter. Auch nachdem alle Tagespunkte abgearbeitet sind, auch nach über zwei Stunden. Es ist das beste Zeichen dafür: Der Vereinsdialog ist ein voller Erfolg. In den Fußball-Verbänden Niederrhein, Sachsen-Anhalt und Württemberg laufen gerade Pilotprojekte. Die wichtigsten Ziele sind klar formuliert. Es soll ein engerer Kontakt zwischen Verband und Basis entstehen. Außerdem soll mehr Klarheit über Erwartungen, Zielstellungen und Herausforderungen der Vereine geschaffen werden.

Im Kreisjugendheim in Solingen findet die erste Veranstaltung für den Fußball-Verband Niederrhein (FVN) statt. FVN-Geschäftsführer Rainer Lehmann ist früh da, fast eine Stunde zu früh. Er nutzt die Zeit, um sich die Räumlichkeiten anzusehen. Ein Rundgang, ein paar Blicke, ein zufriedenes Nicken - hier ist alles in Ordnung. Der Ort sieht genauso aus, wie man ihn sich vorstellen würde. Alles sauber, aber auch alles nicht mehr ganz neu. An der Wand hängen ein paar alte Wimpel, auch einer vom DFB. Dazu von den vielen ausländischen Gästen, die während verschiedener Turniere schon hier waren.

An diesem Abend soll ein Dialog zwischen der Verbandsspitze um Lehmann und Präsident Walter Hützen mit der Basis stattfinden. Der 75-jährige Rechtanwalt hat erst vor wenigen Tagen das Bundesverdienstkreuz für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement im Sport verliehen bekommen - eine besondere Auszeichnung. Für den Fußballkreis Solingen ist der Vorsitzende Georg Schubert da und überreicht Glückwünsche und Blumen.

Offener Dialog erwünscht

Aber die eigentlichen Protagonisten der Veranstaltung sind andere - es sind die Vertreter des SC Leichlingen. Denn um diesen Verein soll es gehen. Welche Probleme hat der Klub? Was läuft gut? Was läuft schlecht? Wie steht es um die Finanzen? Was macht das Ehrenamt? Und vor allem: Wie kann der Verband helfen? Wie läuft überhaupt die Kommunikation mit dem FVN? Steffi Weide (Geschäftsführerin Jugendabteilung), Alfred Kramer (Geschäftsführer Senioren) und Mike Budde (Jugendleiter) sollen diese Fragen für den SC Leichlingen beantworten.

Lehmann macht schnell klar, dass ein offener Dialog gewünscht ist: "Wir sind nicht die da oben, ihr seid nicht die da unten. Das ist Quatsch, diese Sichtweise wollen wir hiermit grundsätzlich mal aus der Welt schaffen. Wir wollen einen Austausch auf Augenhöhe. Heute besonders, aber grundsätzlich auch an jedem anderen Tag."

Sorgen besprochen, diskutiert und am Ende meist gelöst

Die Diskussion beginnt allerdings etwas träge. Hat der Verein keine Probleme? Zwei Herrenmannschaften, Kreisliga A, Kreisliga B. Dazu 15 Jugendteams. Der SC Leichlingen ist ein typischer Klub, wie es ihn wahrscheinlich hundertfach, tausendfach in Deutschland gibt. Als Lehmann etwas genauer fragt, als er etwas tiefer bohrt, wird schnell das Gegenteil klar - es gibt Schwierigkeiten. Die Trainingsmöglichkeiten sind kompliziert, manchmal müssen sich vier Mannschaften den Kunstrasenplatz teilen. Auf den Rasen dürfen sie nur in Ausnahmefällen. Die Kommunikation mit der Stadt ist nicht immer einfach. Das gegenseitige Verständnis zu gering.

"Wie können wir helfen?" - das fragt Lehmann immer wieder. "Was erwarten Sie von uns? Wir wollen Sie dabei unterstützen, diesen Missstand zu lösen." Dafür ist der FVN heute hier, dafür wird hier diskutiert. Die Lösung ist schnell gefunden: Es soll einen moderierten Austausch geben. Alle sollen an einen Tisch: Stadtverantwortliche, Vereinsvertreter, Verbands- und Kreismitglieder. Einstimmiges Nicken, das ist eine gute Lösung.

So werden auch die anderen Sorgen besprochen, diskutiert, am Ende meist gelöst. Wie kann der Klub seine Finanzen besser aufstellen? Besonders die Seniorenabteilung rechnet sich nicht. Die Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge decken nicht die verursachten Kosten. Außerdem wird bemängelt, dass die Strafen für kleinere Vergehen zu hoch sind und dadurch der Etat unnötigerweise zusätzlich belastet wird. Die Leichlinger Vertreter sind sich einig. Hier muss der Verband etwas mehr Fingerspitzengefühl zeigen: "Wir machen das alles ehrenamtlich, wir sind auch mal im Urlaub. Da kann es mal passieren, dass die eine oder andere Sache etwas länger dauert." Lehmann nickt einsichtig. Soweit es die Statuten zulassen, soll mehr Nachsicht geübt werden.

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Immer weniger wollen mitmachen

Auch die ehrenamtliche Situation bereitet den Leichlingern Kopfzerbrechen. Immer weniger wollen mitmachen. Wie kann man mehr helfende Hände gewinnen? Wie kann man Mitglieder gewinnen - und halten, besonders beim Übergang vom Jugend- in den Seniorenbereich? Wie kann man ein größeres Gemeinschaftsgefühl schaffen? Gibt es die Möglichkeit für flexiblere Anstoßzeiten? Am Ende prasseln die Fragen auf Geschäftsführer Lehmann ein. Er ist nicht hier, um jede zu lösen. Er ist hier, um Denkanstöße zu geben, um Idee zu entwickeln, um Angebote zu unterbreiten.

Natürlich gibt es Dinge, für die ist eine Lösung nur schwer zu finden - oder zumindest nicht auf die Schnelle. Aber es gibt auch naheliegende Möglichkeiten. "Wir haben zahlreiche Referenten bei uns in der Geschäftsstelle, die genau diese Dinge mit ihnen besprechen - das sind absolute Experten in diesem Bereich. Da finden Sie Hilfe. Nehmen Sie das in Anspruch", sagt Lehmann. "Für den Verein entstehen keinerlei Kosten." Die Leichlinger wollen das machen, es wäre eine Premiere. Die Informationsbroschüren liegen überall aus. Genutzt haben sie solche Angebote noch nie.

Raus aus der Geschäftsstelle, rein ins Vereinsheim

Überhaupt wird erstaunlich schnell klar, wie sinnvoll dieses Gespräch für beide Seiten ist. Die Verbandsvertreter bekommen einen noch detaillierten Einblick in den kleinen Kosmos eines Fußballvereins. Raus aus der Geschäftsstelle, rein ins Vereinsheim. Weg mit den Formalien, her mit dem persönlichen Gespräch. Das ist das Motto des Abends. Oft herrscht Einsicht, Verständnis. Keiner hat Probleme, Fehler zuzugeben.

Veränderungen, Verbesserungen werden besprochen, beschlossen. Und die Vereinsverantwortlichen merken, dass der Verband nicht nur dazu da ist, Strafen zu verhängen, Begegnungen zu ungünstigen Zeiten anzusetzen oder Spieler monatelang zu sperren. Manchmal gehört das auch dazu. Aber sie merken schnell, dass sie alle im Grunde ein Ziel verbindet: den Fußball schöner machen, das Miteinander besser, die Aufgaben einfacher, die Wege kürzer.