Petra Landers übers erste Länderspiel: "Irgendwie unwirklich"

Der 10. November 1982, heute vor 35 Jahren, ist ein historisches Datum für den Frauenfußball in Deutschland: Es war das erste Länderspiel in der Geschichte des heutigen Rekordeuropameisters, zweimaligen Weltmeisters und Olympiasiegers 2016 - und ein erfolgreiches: ein 5:1 über die Schweiz vor gut 5000 Zuschauern im Koblenzer Stadion Oberwerth.

Petra Landers gehörte damals mit 20 Jahren zum Team. Sie begann in Bochum beim TuS Harpen. Später gewann sie als Abwehrspielerin für die SSG Bergisch Gladbach vier deutsche Meistertitel und einmal den DFB-Pokal. Bis Mai 1991 bestritt Landers 15 Länderspiele, wurde unter anderem 1989 in Osnabrück Europameisterin. Im Juni dieses Jahres warb die 55-Jährige mit der internationalen Initiative "Equal Playing Field" für mehr Gleichstellung von Mädchen und Frauen im Sport durch ein Fußballspiel im Krater des Kilimandscharo und trug als älteste Spielerin zu diesem neuen Höhen-Weltrekord auf 5729 Metern bei. Im DFB.de-Interview spricht Petra Landers mit Mitarbeiter Rainer Hennies über die historische Partie am 10. November 1982, den ersten EM-Titel 1989 und das Kilimandscharo-Projekt.

DFB.de: Frau Landers, was sagt Ihnen der 10. November 1982?

Petra Landers: Erstes Länderspiel überhaupt einer Frauen-Nationalmannschaft des DFB. Für mich war es insofern ein völlig unerwartetes Gefühl, denn ich war ja erst ein Jahr zuvor aus Bochum vom Verbandsligisten TuS Harpen zum damaligen Megateam der SSG Bergisch Gladbach gewechselt, um mal anzutesten, ob ich das wohl schaffe. Zur Vorbereitung des Debütspiels hatte Gero Bisanz als zuständiger Trainer im Sommer zwei Sichtungen in Duisburg durchgeführt. Bei Lehrgang zwei war ich dabei, habe überzeugt und so den Sprung geschafft.

DFB.de: Wie war das damals?

Landers: Unwirklich, wie in einem Traum. Im Mannschaftsbus von der Polizei eskortiert zu werden, war nicht nur neu, sondern irgendwie surreal. Allein mein Weg in so kurzer Zeit vom TuS Harpen ins Nationalteam war schon kaum zu glauben und überhaupt nicht geplant. Ich hatte damals ja nicht im Traum überhaupt daran gedacht, dass es jemals ein Nationalteam geben würde - geschweige denn, beim Start dabei zu sein.

DFB.de: Mit welchem Gefühl sind Sie aufgelaufen?

Landers: Es gab viele ungewöhnliche Situationen. Ein gut gefülltes Stadion in freudiger Erwartung. Beim Aufwärmen kamen Reporter auf den Platz. Einer lief neben mir her und wollte wissen, wie ich mich fühle. Es war im Nachhinein betrachtet einfach alles unglaublich. Man konnte aufgrund der gesamten Situation spüren, dass da etwas Besonderes geschieht. Aber richtig klar wurde mir dieser historische Moment erst sehr viel später. Ich bin stolz, ein Teil davon gewesen zu sein.

DFB.de: Wann wähnten Sie sich im Spiel auf der Siegerstraße?

Landers: Mit dem Schlusspfiff. Aber natürlich haben die Führung durch Doris Kresimon und die weiteren Tore danach spürbar den Druck von der Erwartungshaltung genommen.

DFB.de: Der damalige DFB-Präsident Hermann Neuberger, Bundestrainer Jupp Derwall, Max Merkel und Erich Ribbeck saßen unter anderem auf der Tribüne. Merkel sprach von technischen Kabinettstückchen, Ribbeck von Ästhetik und Neuberger hatte laut Medienberichten sogar tolle 90 Minuten gesehen.

Landers: Das war dem Präsidenten sicherlich eher floskelhaft herausgerutscht und kennzeichnet die zeitgenössische Besonderheit des Frauenfußballes als damals noch ungewöhnlich. Wir haben aber in der Tat viele lobende Worte bekommen und konnten eine sehr positive Berichterstattung in den Medien als großes Echo zum Spiel erleben.

DFB.de: Die Altersspanne reichte damals von der 17 Jahre alten Flügelflitzerin Birgit Bormann bis zur 34-jährigen Gaby Dlugi-Winterberg. Wie war das Klima damals im Team?

Landers: Ganz normal. Denn auch in den Vereinen war die Altersspanne vergleichbar hoch. Der Grund ist schnell erklärt: Damals gab es noch keine Mädchenteams. Ich selbst habe in Bochum deshalb bereits mit 14 Jahren bei den Frauen mitgespielt.

DFB.de: Trainer Bisanz setzte auf einen großen Block der SSG Bergisch Gladbach. Mit Anne Trabant als Spielertrainerin, was sie ja auch bei der SSG war.

Landers: Die SSG war damals das Nonplusultra. Diese Blockbildung hat natürlich eine große Sicherheit ausgestrahlt, speziell in der Abwehr. Darauf konnte man im Spiel nach vorne aufbauen. Man kannte sich, wusste um die Laufwege. Für Gero Bisanz war Anne Trabant zudem die rechte Hand auf dem Spielfeld.

DFB.de: Ein Turnier auf Taiwan 1981 spielte eine bedeutsame Rolle für die Gründung des Nationalteams.

Landers:  Stimmt. Als der DFB eine Einladung für diese inoffizielle WM erhielt, nahm der für den Spielbetrieb zuständige Horst Schmidt die Offerte an und gab sie an uns von der SSG als amtierenden Meister weiter, weil es ja keine Frauen-Nationalmannschaft gab. Wir gewannen das Turnier, unsere Leistungen sprachen sich herum. Es entstand Handlungsbedarf, und so gründete der DFB 1982 die Nationalmannschaft.

DFB.de: Das 5:1 gegen die Schweiz war ein Aufgalopp für die Qualifikationsrunden zur ersten EM 1984, bei der sich Schweden den Titel sicherte.

Landers: Unser gutes Spiel hat sicherlich auch Skeptiker überzeugt, dass die Gründung des Nationalteams richtig war und genau passend kam, um an den Spielen zur EM teilzunehmen. Ein gelungener Türöffner. Die Entwicklung nahm dann in den folgenden Jahren bekanntlich einen rasanten Verlauf.

DFB.de: Bereits sieben Jahre nach dem Start gab es 1989 den ersten EM-Titel mit dem grandiosen 4:1 Finalerfolg über Norwegen in Osnabrück vor mehr als 20.000 Zuschauern, nach einem Elfmeterkrimi gegen Italien im Halbfinale. Was war prägend für Sie?

Landers: Der große Stolz auf den Titel, aber auch die Erinnerung, wegen einer Kreuzbandverletzung nicht eingesetzt werden zu können. Ich durfte dennoch beim Turnier dabei sein, weil ich in den Spielen auf dem Weg gespielt und so zum Erfolg beigetragen hatte.

DFB.de: 1991 endete Ihre DFB-Karriere aufgrund anhaltender Knieprobleme. Es war lange ruhig um Sie, bis zum Höhenweltrekordspiel auf dem Kilimandscharo in diesem Sommer.

Landers: Ich habe beruflich eine Druckerei geleitet. Das war extrem zeitaufwendig. Bei einer Filmdoku zum Frauenfußball mit mir kehrten alte Erinnerungen zurück. So kam ich vor ein paar Jahren mit der NGO "Discover Football" in Verbindung. Das Statement für mehr Respekt und eine größere Gleichstellung von Frauen im Fußball hat mich am Kilimandscharo-Projekt sofort fasziniert. Ich habe 35 Minuten mitgespielt und so gezeigt, dass Frauen alles können, wenn sie es wirklich wollen.

DFB.de: Was beschäftigt Sie thematisch weiterhin im Fußball?

Landers: Ich unterstütze gerne benachteiligte Mädchen und Frauen, reiche ihnen da eine Hand, wo sie erwünscht ist, wenn ich es möglich machen kann, um etwas aus meiner aktiven Zeit weiterzugeben. Etwa im Mädchenprojekt in Sambia, wo ich noch einiges vorhabe.

[rh]

Der 10. November 1982, heute vor 35 Jahren, ist ein historisches Datum für den Frauenfußball in Deutschland: Es war das erste Länderspiel in der Geschichte des heutigen Rekordeuropameisters, zweimaligen Weltmeisters und Olympiasiegers 2016 - und ein erfolgreiches: ein 5:1 über die Schweiz vor gut 5000 Zuschauern im Koblenzer Stadion Oberwerth.

Petra Landers gehörte damals mit 20 Jahren zum Team. Sie begann in Bochum beim TuS Harpen. Später gewann sie als Abwehrspielerin für die SSG Bergisch Gladbach vier deutsche Meistertitel und einmal den DFB-Pokal. Bis Mai 1991 bestritt Landers 15 Länderspiele, wurde unter anderem 1989 in Osnabrück Europameisterin. Im Juni dieses Jahres warb die 55-Jährige mit der internationalen Initiative "Equal Playing Field" für mehr Gleichstellung von Mädchen und Frauen im Sport durch ein Fußballspiel im Krater des Kilimandscharo und trug als älteste Spielerin zu diesem neuen Höhen-Weltrekord auf 5729 Metern bei. Im DFB.de-Interview spricht Petra Landers mit Mitarbeiter Rainer Hennies über die historische Partie am 10. November 1982, den ersten EM-Titel 1989 und das Kilimandscharo-Projekt.

DFB.de: Frau Landers, was sagt Ihnen der 10. November 1982?

Petra Landers: Erstes Länderspiel überhaupt einer Frauen-Nationalmannschaft des DFB. Für mich war es insofern ein völlig unerwartetes Gefühl, denn ich war ja erst ein Jahr zuvor aus Bochum vom Verbandsligisten TuS Harpen zum damaligen Megateam der SSG Bergisch Gladbach gewechselt, um mal anzutesten, ob ich das wohl schaffe. Zur Vorbereitung des Debütspiels hatte Gero Bisanz als zuständiger Trainer im Sommer zwei Sichtungen in Duisburg durchgeführt. Bei Lehrgang zwei war ich dabei, habe überzeugt und so den Sprung geschafft.

DFB.de: Wie war das damals?

Landers: Unwirklich, wie in einem Traum. Im Mannschaftsbus von der Polizei eskortiert zu werden, war nicht nur neu, sondern irgendwie surreal. Allein mein Weg in so kurzer Zeit vom TuS Harpen ins Nationalteam war schon kaum zu glauben und überhaupt nicht geplant. Ich hatte damals ja nicht im Traum überhaupt daran gedacht, dass es jemals ein Nationalteam geben würde - geschweige denn, beim Start dabei zu sein.

DFB.de: Mit welchem Gefühl sind Sie aufgelaufen?

Landers: Es gab viele ungewöhnliche Situationen. Ein gut gefülltes Stadion in freudiger Erwartung. Beim Aufwärmen kamen Reporter auf den Platz. Einer lief neben mir her und wollte wissen, wie ich mich fühle. Es war im Nachhinein betrachtet einfach alles unglaublich. Man konnte aufgrund der gesamten Situation spüren, dass da etwas Besonderes geschieht. Aber richtig klar wurde mir dieser historische Moment erst sehr viel später. Ich bin stolz, ein Teil davon gewesen zu sein.

DFB.de: Wann wähnten Sie sich im Spiel auf der Siegerstraße?

Landers: Mit dem Schlusspfiff. Aber natürlich haben die Führung durch Doris Kresimon und die weiteren Tore danach spürbar den Druck von der Erwartungshaltung genommen.

DFB.de: Der damalige DFB-Präsident Hermann Neuberger, Bundestrainer Jupp Derwall, Max Merkel und Erich Ribbeck saßen unter anderem auf der Tribüne. Merkel sprach von technischen Kabinettstückchen, Ribbeck von Ästhetik und Neuberger hatte laut Medienberichten sogar tolle 90 Minuten gesehen.

Landers: Das war dem Präsidenten sicherlich eher floskelhaft herausgerutscht und kennzeichnet die zeitgenössische Besonderheit des Frauenfußballes als damals noch ungewöhnlich. Wir haben aber in der Tat viele lobende Worte bekommen und konnten eine sehr positive Berichterstattung in den Medien als großes Echo zum Spiel erleben.

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DFB.de: Die Altersspanne reichte damals von der 17 Jahre alten Flügelflitzerin Birgit Bormann bis zur 34-jährigen Gaby Dlugi-Winterberg. Wie war das Klima damals im Team?

Landers: Ganz normal. Denn auch in den Vereinen war die Altersspanne vergleichbar hoch. Der Grund ist schnell erklärt: Damals gab es noch keine Mädchenteams. Ich selbst habe in Bochum deshalb bereits mit 14 Jahren bei den Frauen mitgespielt.

DFB.de: Trainer Bisanz setzte auf einen großen Block der SSG Bergisch Gladbach. Mit Anne Trabant als Spielertrainerin, was sie ja auch bei der SSG war.

Landers: Die SSG war damals das Nonplusultra. Diese Blockbildung hat natürlich eine große Sicherheit ausgestrahlt, speziell in der Abwehr. Darauf konnte man im Spiel nach vorne aufbauen. Man kannte sich, wusste um die Laufwege. Für Gero Bisanz war Anne Trabant zudem die rechte Hand auf dem Spielfeld.

DFB.de: Ein Turnier auf Taiwan 1981 spielte eine bedeutsame Rolle für die Gründung des Nationalteams.

Landers:  Stimmt. Als der DFB eine Einladung für diese inoffizielle WM erhielt, nahm der für den Spielbetrieb zuständige Horst Schmidt die Offerte an und gab sie an uns von der SSG als amtierenden Meister weiter, weil es ja keine Frauen-Nationalmannschaft gab. Wir gewannen das Turnier, unsere Leistungen sprachen sich herum. Es entstand Handlungsbedarf, und so gründete der DFB 1982 die Nationalmannschaft.

DFB.de: Das 5:1 gegen die Schweiz war ein Aufgalopp für die Qualifikationsrunden zur ersten EM 1984, bei der sich Schweden den Titel sicherte.

Landers: Unser gutes Spiel hat sicherlich auch Skeptiker überzeugt, dass die Gründung des Nationalteams richtig war und genau passend kam, um an den Spielen zur EM teilzunehmen. Ein gelungener Türöffner. Die Entwicklung nahm dann in den folgenden Jahren bekanntlich einen rasanten Verlauf.

DFB.de: Bereits sieben Jahre nach dem Start gab es 1989 den ersten EM-Titel mit dem grandiosen 4:1 Finalerfolg über Norwegen in Osnabrück vor mehr als 20.000 Zuschauern, nach einem Elfmeterkrimi gegen Italien im Halbfinale. Was war prägend für Sie?

Landers: Der große Stolz auf den Titel, aber auch die Erinnerung, wegen einer Kreuzbandverletzung nicht eingesetzt werden zu können. Ich durfte dennoch beim Turnier dabei sein, weil ich in den Spielen auf dem Weg gespielt und so zum Erfolg beigetragen hatte.

DFB.de: 1991 endete Ihre DFB-Karriere aufgrund anhaltender Knieprobleme. Es war lange ruhig um Sie, bis zum Höhenweltrekordspiel auf dem Kilimandscharo in diesem Sommer.

Landers: Ich habe beruflich eine Druckerei geleitet. Das war extrem zeitaufwendig. Bei einer Filmdoku zum Frauenfußball mit mir kehrten alte Erinnerungen zurück. So kam ich vor ein paar Jahren mit der NGO "Discover Football" in Verbindung. Das Statement für mehr Respekt und eine größere Gleichstellung von Frauen im Fußball hat mich am Kilimandscharo-Projekt sofort fasziniert. Ich habe 35 Minuten mitgespielt und so gezeigt, dass Frauen alles können, wenn sie es wirklich wollen.

DFB.de: Was beschäftigt Sie thematisch weiterhin im Fußball?

Landers: Ich unterstütze gerne benachteiligte Mädchen und Frauen, reiche ihnen da eine Hand, wo sie erwünscht ist, wenn ich es möglich machen kann, um etwas aus meiner aktiven Zeit weiterzugeben. Etwa im Mädchenprojekt in Sambia, wo ich noch einiges vorhabe.

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