Patzke: "Dann kann so ein 9:1 schon mal zustande kommen"

Besondere Begegnungen, besondere Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesliga an ganz spezielle Duelle, passend zu dem jeweils aktuellen Spieltag. Heute: Vor der 15. Runde spricht der 71 Jahre alte Bernd Patzke mit Mitarbeiter Udo Muras über das Duell Hertha BSC gegen Borussia Dortmund am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky). Am 18. April 1970 schlugen die Berliner mit Patzke den BVB 9:1. Ein unvergessliches Erlebnis für jeden, der dabei war. Wirklich für jeden…?

DFB.de: Herr Patzke, wir sind auf der Suche nach Zeitzeugen des höchsten Berliner Sieges in der Bundesliga. Sicher können Sie sich noch an das 9:1 gegen den BVB erinnern, oder?

Bernd Patzke: Also wenn ich ehrlich sein soll - nein. Ich hab ja öfters mal mit neun Toren gewonnen, gegen Karlsruhe zum Beispiel oder gegen Neunkirchen.

DFB.de: Aber nicht mit der Hertha, die das nur einmal geschafft hat.

Patzke: Stimmt, da war ich noch bei 1860 München. Wissen Sie das überhaupt, junger Mann?

DFB.de: Ja, München war Ihre erste Bundesligastation. Aber bleiben wir in Berlin, bitte!

Patzke: Also ich weiß schon, dass wir das hoch gewonnen haben. Die Dortmunder hatten einen ganz schlechten Tag erwischt.

DFB.de: Auch, weil ihnen sieben Spieler ausfielen, darunter Siggi Held, Willi Neuberger und Reinhold Wosab. Werner Weist und Ferdinand Heidkamp lagen nach einer Pockenimpfung im Bett, Rudi Assauer schied nach zwölf Minuten aus…

Patzke: … und dann kann so ein Ergebnis schon mal zustande kommen. Denken Sie nur an das WM-Halbfinale gegen Brasilien, da hätte auch kein Mensch an ein 7:1 geglaubt.

DFB.de: Mag sein, damals glaubte auch niemand an ein 9:1. Es war ja kein Kampf zwischen David und Goliath, sondern Vierter gegen Fünfter. Beide wollten noch in den UEFA-Pokal, es war der 32. Spieltag.

Patzke: Ja, und wir haben das am Ende auch geschafft. Wir wurden Dritter, ebenso im Jahr darauf. Wir hatten einfach eine starke Mannschaft, die immer auf Tore aus war.

DFB.de: Wie an diesem 18. April 1970. Zur Halbzeit hieß es 6:0, nach drei Minuten stand es schon 2:0 durch Lorenz Horr und Wolfgang Gayer.

Patzke: Ja, der Wolfgang Gayer war ein Typ wie der Gladbacher Hacki Wimmer…

DFB.de: … der aber nie vier Tore in einem Spiel erzielte wie Gayer gegen den BVB.

Patzke: Na trotzdem, er war ein unwahrscheinlicher Antreiber, der nie still stand. Gayer hat viele Tore gemacht. Obwohl ja Franz Brungs unser eigentlicher Torjäger war.

DFB.de: Der sich gegen Dortmund aber zurückgehalten hat. „Nur“ das 5:0 ging auf sein Konto. Es finden sich noch Namen wie Tasso Wild und Hermann Bredenfeld in der Torschützenliste. Bernd Patzke fehlt übrigens. Ist das der Grund, warum Sie sich nicht mehr erinnern können?

Patzke: Na, Sie sind witzig. Ich habe ja Verteidiger gespielt unter Trainer „Fiffi“ Kronsbein. Er war übrigens kein Fan von mir - und ich auch nicht von ihm.

DFB.de: Aber aufgestellt hat er Sie trotzdem.

Patzke: Notgedrungen, da gab es wohl keinen Besseren.

DFB.de: Jetzt machen Sie sich aber etwas klein. Sie waren Nationalspieler und flogen sechs Wochen später mit zur WM nach Mexiko.

Patzke: Es war auch eine schöne und erfolgreiche Zeit. Ich beneide die Spieler von heute eigentlich nur um die beheizten Trainingsplätze, wir mussten ja im Winter auf knochenharten Feldern üben. Und dass die Spieler heute überall hinfliegen können, wir sind noch mit dem Zug nach München gefahren. Abreise am Donnerstag, Ankunft Freitag, Spiel Samstag - so war das damals.

DFB.de: Wie stand es mit dem Teamgeist?

Patzke: Wir waren 1970 sechs Berliner, Volkmar und Lothar Groß, Peter Enders, Bernd Laube, Hans-Joachim Altendorff und ich. Da konnten wir den Zugereisten schon mal zeigen, wo man nach Siegen am besten feiert.

DFB.de: Bis auf Enders waren beim 9:1 alle dabei. Das wurde sicher noch ein netter Abend?

Patzke: Also wenn ich mich an das Spiel nicht mehr erinnern kann, dann weiß ich das natürlich auch nicht mehr. (lacht) Ich weiß nur, dass es früher keinen Menschen interessiert hat, wenn wir mal um die Häuser gezogen sind. Heute wird man ja gleich überall fotografiert, und schon steht’s in der Zeitung.

DFB.de: Am Samstag wird es wohl kein 9:1 mehr geben, obwohl der BVB angeschlagen ist. Was erwarten Sie von dem Spiel?

Patzke: Beide brauchen die Punkte, aber nur Hertha ist es gewöhnt, kämpferisch ans Limit zu gehen. Borussia kennt diese Situation, gegen den Abstieg zu kämpfen, einfach nicht. Ich tippe auf ein 2:1 für meine Hertha.

Bernd Patzke spielte von 1969 bis 1971 für Hertha BSC, dann wurde er wegen der Verwicklung der Berliner in den Bundesliga-Skandal gesperrt. Zuvor hatte er von 1964 bis 1969 für den TSV 1860 München gespielt. In 202 Bundesligaeinsätzen kam der Außenverteidiger auf sechs Tore, 1966 wurde er mit dem TSV 1860 Meister. Für die Nationalmannschaft bestritt er 24 Länderspiele und nahm an der WM 1966 in England und 1970 in Mexiko teil. Nach der Karriere war Bernd Patzke unter anderem Nationaltrainer des Oman, Coach des TSV 1860, später Spielerberater. Er lebt seit 2006 wieder in München.

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Besondere Begegnungen, besondere Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesliga an ganz spezielle Duelle, passend zu dem jeweils aktuellen Spieltag. Heute: Vor der 15. Runde spricht der 71 Jahre alte Bernd Patzke mit Mitarbeiter Udo Muras über das Duell Hertha BSC gegen Borussia Dortmund am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky). Am 18. April 1970 schlugen die Berliner mit Patzke den BVB 9:1. Ein unvergessliches Erlebnis für jeden, der dabei war. Wirklich für jeden…?

DFB.de: Herr Patzke, wir sind auf der Suche nach Zeitzeugen des höchsten Berliner Sieges in der Bundesliga. Sicher können Sie sich noch an das 9:1 gegen den BVB erinnern, oder?

Bernd Patzke: Also wenn ich ehrlich sein soll - nein. Ich hab ja öfters mal mit neun Toren gewonnen, gegen Karlsruhe zum Beispiel oder gegen Neunkirchen.

DFB.de: Aber nicht mit der Hertha, die das nur einmal geschafft hat.

Patzke: Stimmt, da war ich noch bei 1860 München. Wissen Sie das überhaupt, junger Mann?

DFB.de: Ja, München war Ihre erste Bundesligastation. Aber bleiben wir in Berlin, bitte!

Patzke: Also ich weiß schon, dass wir das hoch gewonnen haben. Die Dortmunder hatten einen ganz schlechten Tag erwischt.

DFB.de: Auch, weil ihnen sieben Spieler ausfielen, darunter Siggi Held, Willi Neuberger und Reinhold Wosab. Werner Weist und Ferdinand Heidkamp lagen nach einer Pockenimpfung im Bett, Rudi Assauer schied nach zwölf Minuten aus…

Patzke: … und dann kann so ein Ergebnis schon mal zustande kommen. Denken Sie nur an das WM-Halbfinale gegen Brasilien, da hätte auch kein Mensch an ein 7:1 geglaubt.

DFB.de: Mag sein, damals glaubte auch niemand an ein 9:1. Es war ja kein Kampf zwischen David und Goliath, sondern Vierter gegen Fünfter. Beide wollten noch in den UEFA-Pokal, es war der 32. Spieltag.

Patzke: Ja, und wir haben das am Ende auch geschafft. Wir wurden Dritter, ebenso im Jahr darauf. Wir hatten einfach eine starke Mannschaft, die immer auf Tore aus war.

DFB.de: Wie an diesem 18. April 1970. Zur Halbzeit hieß es 6:0, nach drei Minuten stand es schon 2:0 durch Lorenz Horr und Wolfgang Gayer.

Patzke: Ja, der Wolfgang Gayer war ein Typ wie der Gladbacher Hacki Wimmer…

DFB.de: … der aber nie vier Tore in einem Spiel erzielte wie Gayer gegen den BVB.

Patzke: Na trotzdem, er war ein unwahrscheinlicher Antreiber, der nie still stand. Gayer hat viele Tore gemacht. Obwohl ja Franz Brungs unser eigentlicher Torjäger war.

DFB.de: Der sich gegen Dortmund aber zurückgehalten hat. „Nur“ das 5:0 ging auf sein Konto. Es finden sich noch Namen wie Tasso Wild und Hermann Bredenfeld in der Torschützenliste. Bernd Patzke fehlt übrigens. Ist das der Grund, warum Sie sich nicht mehr erinnern können?

Patzke: Na, Sie sind witzig. Ich habe ja Verteidiger gespielt unter Trainer „Fiffi“ Kronsbein. Er war übrigens kein Fan von mir - und ich auch nicht von ihm.

DFB.de: Aber aufgestellt hat er Sie trotzdem.

Patzke: Notgedrungen, da gab es wohl keinen Besseren.

DFB.de: Jetzt machen Sie sich aber etwas klein. Sie waren Nationalspieler und flogen sechs Wochen später mit zur WM nach Mexiko.

Patzke: Es war auch eine schöne und erfolgreiche Zeit. Ich beneide die Spieler von heute eigentlich nur um die beheizten Trainingsplätze, wir mussten ja im Winter auf knochenharten Feldern üben. Und dass die Spieler heute überall hinfliegen können, wir sind noch mit dem Zug nach München gefahren. Abreise am Donnerstag, Ankunft Freitag, Spiel Samstag - so war das damals.

DFB.de: Wie stand es mit dem Teamgeist?

Patzke: Wir waren 1970 sechs Berliner, Volkmar und Lothar Groß, Peter Enders, Bernd Laube, Hans-Joachim Altendorff und ich. Da konnten wir den Zugereisten schon mal zeigen, wo man nach Siegen am besten feiert.

DFB.de: Bis auf Enders waren beim 9:1 alle dabei. Das wurde sicher noch ein netter Abend?

Patzke: Also wenn ich mich an das Spiel nicht mehr erinnern kann, dann weiß ich das natürlich auch nicht mehr. (lacht) Ich weiß nur, dass es früher keinen Menschen interessiert hat, wenn wir mal um die Häuser gezogen sind. Heute wird man ja gleich überall fotografiert, und schon steht’s in der Zeitung.

DFB.de: Am Samstag wird es wohl kein 9:1 mehr geben, obwohl der BVB angeschlagen ist. Was erwarten Sie von dem Spiel?

Patzke: Beide brauchen die Punkte, aber nur Hertha ist es gewöhnt, kämpferisch ans Limit zu gehen. Borussia kennt diese Situation, gegen den Abstieg zu kämpfen, einfach nicht. Ich tippe auf ein 2:1 für meine Hertha.

Bernd Patzke spielte von 1969 bis 1971 für Hertha BSC, dann wurde er wegen der Verwicklung der Berliner in den Bundesliga-Skandal gesperrt. Zuvor hatte er von 1964 bis 1969 für den TSV 1860 München gespielt. In 202 Bundesligaeinsätzen kam der Außenverteidiger auf sechs Tore, 1966 wurde er mit dem TSV 1860 Meister. Für die Nationalmannschaft bestritt er 24 Länderspiele und nahm an der WM 1966 in England und 1970 in Mexiko teil. Nach der Karriere war Bernd Patzke unter anderem Nationaltrainer des Oman, Coach des TSV 1860, später Spielerberater. Er lebt seit 2006 wieder in München.