Olympianeuling Simbabwe: "Dinge geschehen nicht auf Glücksbasis"

Kein Ligabetrieb in Simbabwe

Mlauzi stammt aus dem südlichen Zimbabwe um das Zentrum Bulawayo. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin, die vom nördlichen Zentrum um Harare geprägt ist. Zwischen den Regionen herrscht mehr als nur große Konkurrenz. Gemeinsam ist allen Teams der zweigeteilten Nationalliga das allgegenwärtige Finanzproblem. So werden zahlreiche Spiele mangels Transportmöglichkeiten gar nicht durchgeführt, Saisons bleiben unvollständig, Chaos ist an der Tagesordnung. Derzeit existiert gerade kein Ligabetrieb. Teilweise fehlen sogar Bälle, Trikots und Fußballschuhe.

Entsprechend gering ausgeprägt sind Förderstrukturen im Verband. Immerhin hat der Coach im Frühjahr einen SUV von einem Sponsor erhalten, damit er sich vor Ort mal umschauen kann. Kurioses Problem: Mlauzi hat gar keinen Führerschein. Er wolle zwar Fahrstunden nehmen, aber die Lizenz interessiere ihn deutlich weniger als die Punkte, die es auf dem Rasen zu gewinnen gebe, lässt er wissen.

"Man sollte uns niemals abschreiben"

Sportlich sind die Qualitäten der Mighty Warriors trotz all dieser Mankos umso bemerkenswerter. Das Team gilt als offensivstark, enorm ehrgeizig und kampfkräftig. "Man sollte uns niemals abschreiben, auch wenn unsere Olympia-Vorbereitungen nur gering wirken", so Mlauzi nach drei Wochen im Trainingscamp. "Aber was können wir tun, wenn einfach keine Ressourcen da sind? Wir haben dennoch das Zeug dazu, die Welt in Schockstarre zu versetzen."

Die Absichten, bei Olympia den Gegnern das Leben mehr als schwer zu machen, seien "alles andere als abwegig", schätzt der norddeutsche Entwicklungshelfer Klaus Dieter Pagels, der mehrere Jahre in Simbabwes Fußball tätig war. Seine Worte sollten auch für die DFB-Frauen eine Mahnung sein.

Team Simbabwe: Chido Dzingirai, Lindiwe Magwede, Nobuhle Majika, Sheila Makoto, Eunice Chibanda, Lynett Mutokuto, Emmaculate Msipa, Marjory Nyaumwe, Talent Mandaza, Mavis Chirandu, Daisy Kaitano, Rejoice Kapfumvuti, Felistas Muzongondi, Rudo Neshamba, Erina Jeke, Kudakwashe Basopo, Samkelisiwe Zulu, Rutendo Makore.

[rh]


"Wir sind ganz bestimmt kein Favorit auf den Einzug in die nächste Runde", sagt die bekannteste Spielerin im Team Simbabwes, Rudo Neshamba vom Verein Weerams Ladies. Ihre Tore sorgten maßgeblich für das Rio-Ticket für den 93. der Weltrangliste. Jetzt deutet Simbabwes Soccer-Queen vor dem Auftaktspiel gegen die deutsche Frauen-Nationalmannschaft heute (ab 23 Uhr MESZ/18 Uhr OZ, live in der ARD) in Sao Paulo ihre krasse Außenseiterrolle beim Olympischen Frauenfußballturnier positiv: "Von allen Gegnern erwartet man, dass sie uns schlagen. Wir können also ganz ohne Druck aufspielen, so wie immer. Die Gegner unterschätzen uns möglicherweise."

Dank eines Freiloses griff Simbabwe erst in Afrikas zweiter Qualifikationsrunde ein. Nach dem 1:2 in Sambia gelang im Rückspiel zu Hause ein 1:0. Beide Tore erzielte die in Bulawayo geborene Neshamba. Gegen die Elfenbeinküste reiste Simbabwe danach nicht an. Die Ivorerinnen traten ihrerseits bei den Mighty Warriors nicht an, sondern zogen ihr Team komplett zurück, sodass Simbabwe in der letzten Runde stand. Gegen Kamerun, Olympiateilnehmer von 2012 und wie die Ivorerinnen im letzten Jahr WM-Teilnehmer, traf Neshamba beim 1:2 auswärts ebenso wie beim 1:0 daheim im Rufaro-Stadion von Harare. Die historische erste Olympiateilnahme war perfekt.

"Ich bin sehr stolz, diesen Traum für mein Land mit wahr machen zu können", sagt die 24-Jährige. "Wir spüren, dass das ganze Land hinter dem Team steht. Unsere Aufgabe besteht jetzt darin, auf dem Platz unsere Leistung zu bringen. Ich bin sicher, dass Rio den Frauenfußball bei uns voranbringen wird."

Nach dem Fußball in den Journalismus wechseln

Rudo Neshamba bestritt bereits 2008 ihr erstes Länderspiel. Damals brach sie besessen vom Fußball ihre Ausbildung ab. Was ein Fehler war. "Ich habe erkannt, dass ich in Simbabwe nicht vom Fußball leben kann", sagt sie und hat sich für ein zweijähriges Journalismus-Studium an einem College in Harare eingeschrieben. "Ich hoffe, als Journalistin später dann dem Sport weiter verbunden zu sein."

Nicht zuletzt ihre chronischen Knieprobleme, die im Frühjahr noch zu einer Arthroskopie führten, haben die Leaderin der Mighty Warriors bestärkt, sich über die Zukunft ernsthafte Gedanken zu machen. Trainer Shradeck Mlauzi: "Neshamba ist unglaublich wichtig fürs Team. Ihre Spielintelligenz mit und ohne Ball macht den Unterschied." Mit auf Marktplätzen erbettelten Geldern hat der bitterarme Fußball-Verband letztlich die erforderlichen Untersuchungen und Behandlungen doch noch unterstützen können, um Neshamba fit zu bekommen.

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Schlüsselspielerinnen aus Harare

Als wichtige Stürmerin gilt auch die 26-jährige Erina Jeke. Eine kompromisslose Torjägerin von den Flame Lilys, der im berüchtigten Chikurubi am Stadtrand von Harare beheimateten Zimbabwe Prison Services. Sie kritisierte die mangelnde Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Anerkennung trotz des sensationellen Tickets für Rio in den Medien ebenso wie die Monate langer Untätigkeit in der Vorbereitung auf Olympia und nicht eingelöste Versprechen der Regierung. Oft werde leider nur gepriesen und hochgelobt, kritisiert Jeke, die 2010 hr Debüt im Nationalteam feierte. Auf den staubigen Straßen von Mabvuku, einem Vorort von Harare, hatte sie einst als kleines Mädchen beim Spielen mit anderen Kindern die Freude am Fußball gewonnen und später in der Schule weiterentwickelt. Wegen ihrer Freude am Fußball hatte Jeke damals die Boxhandschuhe beiseite gelegt.

In der Defensive wird Linksverteidigerin Sheila Makoto besonders wegen ihres schnellen Umschaltspiels geschätzt. Im Verein Blue Swallows FC in Harare spielt Makoto oft auf dem Flügel. Aufgewachsen ist die Mutter eines dreijährigen Sohnes in ärmlichen Verhältnissen unter sieben Geschwistern in Harares südlicher Vorstadt Mbare in den Matapi Blocks, wo Dreck, Gewalt, Kriminalität, Prostitution und allgemeine Verwahrlosung vorherrschen. "Meine Eltern wollten nicht, dass ich Fußball spiele, aber mein älterer Bruder Robert hat sich vehement und erfolgreich für mich eingesetzt", erzählt Makoto. "Als ich verheiratet war, wollte ich mich eigentlich den häuslichen Aufgaben widmen. Doch mein Ehemann hat mich geradezu gedrängt, weiterzukicken." Vormittags zähle der Haushalt, nachmittags werde trainiert und danach das Abendessen für die Familie gekocht.

"Der Fußball hat mein Leben komplett verändert", sagt sie. "Ich hatte absolut gar nichts, selbst das Schulgeld fehlte. Ein Stipendium half. An der Schule habe ich begonnen, Fußball zu spielen. Heute lebe ich im eigenen Haus." Mit 17 Jahren wurde Makoto Nationalspielerin. "Ich bete zu Gott, Fußball zu spielen betrachte ich als ein großes Geschenk", sagt sie. "Dieses sollte man nutzen. Olympia ist eine großartige Plattform dazu. Wir spielen aus Liebe zum Sport. Am liebsten würde ich allen Fans danken und ihnen ein T-Shirt mit meinem Namen darauf kaufen."

Trainer Mlauzi: Der Rosenkranz ist immer dabei

Trainer Shradeck Mlauzi hat sein Amt im September 2015 von Rosemary Mugadza übernommen, die in Ungnade gefallen war, weil sie sich nicht an Verbandsvorgaben gehalten hatte. So wählte sie ihre Spielerinnen nicht nur aus der offiziellen Liga aus, sondern auch aus der nicht gestatteten sogenannten "Rebel-League". Mlauzi, ein 35 Jahre alter Hochschullehrer für Sport, vertraut tief religiös auf die Kraft seiner Rosenkranz-Gebete. "Dinge geschehen nicht auf Glücksbasis, deshalb trage ich bei jedem Spiel den Rosenkranz mit mir", sagt er.

Fußballerisch setzt er auf die Erkenntnisse der Sportwissenschaft, besonders auch die Psychologie. "Weil es mehr und mehr gelingt, mentale Blockaden zu beseitigen, werden wir immer erfolgreicher", erklärt er das Olympiaticket genauso wie die Qualifikation fürs Finalturnier um den Afrika-Cup.

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Kein Ligabetrieb in Simbabwe

Mlauzi stammt aus dem südlichen Zimbabwe um das Zentrum Bulawayo. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin, die vom nördlichen Zentrum um Harare geprägt ist. Zwischen den Regionen herrscht mehr als nur große Konkurrenz. Gemeinsam ist allen Teams der zweigeteilten Nationalliga das allgegenwärtige Finanzproblem. So werden zahlreiche Spiele mangels Transportmöglichkeiten gar nicht durchgeführt, Saisons bleiben unvollständig, Chaos ist an der Tagesordnung. Derzeit existiert gerade kein Ligabetrieb. Teilweise fehlen sogar Bälle, Trikots und Fußballschuhe.

Entsprechend gering ausgeprägt sind Förderstrukturen im Verband. Immerhin hat der Coach im Frühjahr einen SUV von einem Sponsor erhalten, damit er sich vor Ort mal umschauen kann. Kurioses Problem: Mlauzi hat gar keinen Führerschein. Er wolle zwar Fahrstunden nehmen, aber die Lizenz interessiere ihn deutlich weniger als die Punkte, die es auf dem Rasen zu gewinnen gebe, lässt er wissen.

"Man sollte uns niemals abschreiben"

Sportlich sind die Qualitäten der Mighty Warriors trotz all dieser Mankos umso bemerkenswerter. Das Team gilt als offensivstark, enorm ehrgeizig und kampfkräftig. "Man sollte uns niemals abschreiben, auch wenn unsere Olympia-Vorbereitungen nur gering wirken", so Mlauzi nach drei Wochen im Trainingscamp. "Aber was können wir tun, wenn einfach keine Ressourcen da sind? Wir haben dennoch das Zeug dazu, die Welt in Schockstarre zu versetzen."

Die Absichten, bei Olympia den Gegnern das Leben mehr als schwer zu machen, seien "alles andere als abwegig", schätzt der norddeutsche Entwicklungshelfer Klaus Dieter Pagels, der mehrere Jahre in Simbabwes Fußball tätig war. Seine Worte sollten auch für die DFB-Frauen eine Mahnung sein.

Team Simbabwe: Chido Dzingirai, Lindiwe Magwede, Nobuhle Majika, Sheila Makoto, Eunice Chibanda, Lynett Mutokuto, Emmaculate Msipa, Marjory Nyaumwe, Talent Mandaza, Mavis Chirandu, Daisy Kaitano, Rejoice Kapfumvuti, Felistas Muzongondi, Rudo Neshamba, Erina Jeke, Kudakwashe Basopo, Samkelisiwe Zulu, Rutendo Makore.

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