Oliver Kahn: "Momentan fühle ich mich wie ein Schwamm"

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Vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein in Leipzig wurde er im Beisein von Dr. Theo Zwanziger als neuer Botschafter der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB vorgestellt. Damit wandelt Oliver Kahn auf den Spuren von Fritz Walter, dem Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, die sensationell den WM-Titel 1954 mit einem 3:2-Sieg gegen Ungarn gewann und dadurch mit dem „Wunder von Bern“ in die Fußball-Historie einging. Heute sind Horst Eckel, damals jüngster Spieler des von Sepp Herberger betreuten WM-Teams, Uwe Seeler und Helmut Haller die Repräsentanten der ältesten Stiftung im deutschen Fußball.

Oliver Kahn, der sein letztes von 86 Länderspielen am 5. Juli 2006 bei der WM im Spiel um Platz 3 gegen Portugal bestritt und sich mit einem 3:1-Erfolg aus dem Kreis der deutschen Nationalmannschaft verabschiedete, unterhielt sich in Leipzig im "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Mediendirektor Harald Stenger über die Entwicklung des DFB-Teams seit seinem Abschied, die Herausforderung seines Engagements beim ZDF, seine Prognosen für die WM 2010 und seinen Alltag nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn.

Frage: Wie verfolgt man als ehemaliger National-Torhüter die aktuellen Auftritte und damit die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft?

Oliver Kahn: Natürlich mit großem Interesse. Mein Job als Experte des ZDF ist in diesem Zusammenhang eine reizvolle Aufgabe. Dafür informiere ich mich auch in der Zeit zwischen den Länderspielen über alles, was rund um die Nationalmannschaft passiert, sehr genau. Denn es ist mein Auftrag, die Länderspiele zu analysieren und dabei mein Hintergrundwissen einzubringen – und dazu muss ich immer auf dem Laufenden sein.

Frage: Und wie beurteilt der langjährige Kapitän der DFB-Auswahl seine ehemaligen Kollegen und die Arbeit des Trainerteams, von dem Joachim Löw und Andreas Köpke bis zur WM 2006 wichtige Wegbegleiter waren?

Kahn: Natürlich sind zuletzt etliche junge Spieler nachgerückt. Wie nach jedem Turnier war das nach der WM 2006 so, und ist jetzt nach der EURO 2008 wieder der Fall gewesen. Die Aufgabenstellung für den Bundestrainer ist im Grunde genommen immer die gleiche: Die Mischung zwischen jung und alt muss stimmen. Und es ist wichtig, dass es eine Hierarchie gibt und erfahrene Spieler entsprechende Verantwortung für das Ganze übernehmen. So gesehen ist das Team weiterhin auf einem guten Weg.

Frage: Es wird ja nicht nur in der DFB-Auswahl in regelmäßigen Abständen mit Leidenschaft über die Erwartungen an Routiniers und ihre Rolle im Blick auf die Führung von Jüngeren diskutiert….

Kahn: Erfahrene Akteure haben das Recht und die Pflicht, unbequeme Dinge beim Namen zu nennen und intern mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Da sollten dann jüngere Spieler nicht gleich so sensibel reagieren, wie sie das gelegentlich tun. Denn Ältere haben einfach eine Vorbildfunktion und müssen ihre Erfahrung einbringen, um das Team zu führen – natürlich immer positiv.

Frage: Wie sieht denn Dein Kontakt zu den langjährigen Weggefährten aus Bundesliga- und Nationalmannschafts-Zeiten aus?

Kahn: Da gibt es schon den einen oder anderen Kontakt, nicht immer so regelmäßig und trotzdem dann intensiv in den Gesprächen. Ich denke da beispielsweise an Mehmet Scholl, Oliver Kreuzer, Matthias Sammer oder Marco Bode. Das ist eine Generation, für die die Zeit als Aktiver nun vorbei ist und die sich jetzt in unterschiedlichen Aufgabenfeldern im Fußball engagiert. Da kann der Gedankenaustausch nur positiv sein, wenn man sich über Nachwuchsförderung, Management-Strukturen oder taktische Entwicklungen unterhält. Momentan fühle ich mich dabei wie ein Schwamm, der alle Informationen aufsaugt.

Frage: Wie ist denn der Kontakt zu den ehemaligen Bayern-Mitspielern?

Kahn: Wenn ich die Jungs sehe, reden wir natürlich miteinander. Doch das ist eher selten der Fall. Eine spezielle Beziehung habe ich allerdings zu Bastian Schweinsteiger, über dessen Entwicklung ich mich freue. Ich habe früh sein Potenzial erkannt und haben ihn damals – wenn ich das so formulieren darf – an die Hand genommen.

Frage: Ist es nicht schwierig, als ZDF-Kommentator dann ihn oder andere gute Kumpels wie Lukas Podolski, Philipp Lahm, Michael Ballack, Miro Klose und Per Mertesacker vor einem Millionen-Publikum beurteilen und im Blick auf die Leistung eventuell unpopuläre Dinge ansprechen zu müssen?

Kahn: Das war am Anfang ein bisschen schwierig. Ich habe da aber klare Kriterien. Meine Aufgabe besteht darin, sachliche Kritik zu üben und nicht die Nationalspieler von heute fertig zu machen. Zumal ich mich trotz aller Distanz, die ich mittlerweile zu dem Geschehen innerhalb des DFB-Teams habe, gut in die Köpfe der Spieler hinein versetzen kann. Es gilt, eventuelle Fehler anzusprechen und eine Erklärung dafür zu geben und gleichzeitig aufzuzeigen, wie man es besser mach kann. Selbstverständlich gehört auch Lob dazu, wenn etwas gelungen ist oder es insgesamt gut läuft.

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Frage: Stichwort WM 2010: Was können die Fans von der deutschen Nationalmannschaft erwarten?

Kahn: Für mich ist es ja die fünfte WM-Teilnahme (lacht). Erstmals war ich 1994 in den USA als dritter Torwart im DFB-Aufgebot dabei. In der neuen Rolle als ZDF-Kommentator werden mir die Tage in Südafrika unter ganz anderen Vorzeichen sicher neue, interessante Eindrücke bescheren. Für Bundestrainer Joachim Löw ist es jetzt erst mal wichtig, dass sich das Team als Gruppenerster in der WM-Qualifikation direkt qualifiziert und nicht in die Play-off-Begegnungen muss. Wenn ich da an unsere Nervenbelastung denke, als wir zweimal gegen die Ukraine antreten mussten, um das Ticket für die WM 2002 zu buchen, da kann ich allen nur wünschen, dass ihnen ein solches Erlebnis erspart bleibt.

Frage: Und was dürfen die deutschen Anhänger dann im kommenden Sommer erwarten?

Kahn: Unsere Nationalmannschaft gehört bei jedem Turnier zum erweiterten Favoritenkreis. Alles andere ist Turnierdynamik und hängt auch von Glück und Pech in entscheidenden Situationen ab. Wir werden dann sehen, ob das Team nach Platz 3 bei der WM 2006 und Rang 2 bei der EURO 2008 den hohen Erwartungen der Fans gerecht wird und es wirklich schafft, wieder mal die Nummer 1 zu sein und einen Titel zu gewinnen. Ich freue mich darauf, bei der WM wieder ganz nah dabei zu sein, und drücke dem Team natürlich die Daumen.

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Vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein in Leipzig wurde er im Beisein von Dr. Theo Zwanziger als neuer Botschafter der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB vorgestellt. Damit wandelt Oliver Kahn auf den Spuren von Fritz Walter, dem Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, die sensationell den WM-Titel 1954 mit einem 3:2-Sieg gegen Ungarn gewann und dadurch mit dem „Wunder von Bern“ in die Fußball-Historie einging. Heute sind Horst Eckel, damals jüngster Spieler des von Sepp Herberger betreuten WM-Teams, Uwe Seeler und Helmut Haller die Repräsentanten der ältesten Stiftung im deutschen Fußball.

Oliver Kahn, der sein letztes von 86 Länderspielen am 5. Juli 2006 bei der WM im Spiel um Platz 3 gegen Portugal bestritt und sich mit einem 3:1-Erfolg aus dem Kreis der deutschen Nationalmannschaft verabschiedete, unterhielt sich in Leipzig im "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Mediendirektor Harald Stenger über die Entwicklung des DFB-Teams seit seinem Abschied, die Herausforderung seines Engagements beim ZDF, seine Prognosen für die WM 2010 und seinen Alltag nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn.

Frage: Wie verfolgt man als ehemaliger National-Torhüter die aktuellen Auftritte und damit die Entwicklung der deutschen Nationalmannschaft?

Oliver Kahn: Natürlich mit großem Interesse. Mein Job als Experte des ZDF ist in diesem Zusammenhang eine reizvolle Aufgabe. Dafür informiere ich mich auch in der Zeit zwischen den Länderspielen über alles, was rund um die Nationalmannschaft passiert, sehr genau. Denn es ist mein Auftrag, die Länderspiele zu analysieren und dabei mein Hintergrundwissen einzubringen – und dazu muss ich immer auf dem Laufenden sein.

Frage: Und wie beurteilt der langjährige Kapitän der DFB-Auswahl seine ehemaligen Kollegen und die Arbeit des Trainerteams, von dem Joachim Löw und Andreas Köpke bis zur WM 2006 wichtige Wegbegleiter waren?

Kahn: Natürlich sind zuletzt etliche junge Spieler nachgerückt. Wie nach jedem Turnier war das nach der WM 2006 so, und ist jetzt nach der EURO 2008 wieder der Fall gewesen. Die Aufgabenstellung für den Bundestrainer ist im Grunde genommen immer die gleiche: Die Mischung zwischen jung und alt muss stimmen. Und es ist wichtig, dass es eine Hierarchie gibt und erfahrene Spieler entsprechende Verantwortung für das Ganze übernehmen. So gesehen ist das Team weiterhin auf einem guten Weg.

Frage: Es wird ja nicht nur in der DFB-Auswahl in regelmäßigen Abständen mit Leidenschaft über die Erwartungen an Routiniers und ihre Rolle im Blick auf die Führung von Jüngeren diskutiert….

Kahn: Erfahrene Akteure haben das Recht und die Pflicht, unbequeme Dinge beim Namen zu nennen und intern mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Da sollten dann jüngere Spieler nicht gleich so sensibel reagieren, wie sie das gelegentlich tun. Denn Ältere haben einfach eine Vorbildfunktion und müssen ihre Erfahrung einbringen, um das Team zu führen – natürlich immer positiv.

Frage: Wie sieht denn Dein Kontakt zu den langjährigen Weggefährten aus Bundesliga- und Nationalmannschafts-Zeiten aus?

Kahn: Da gibt es schon den einen oder anderen Kontakt, nicht immer so regelmäßig und trotzdem dann intensiv in den Gesprächen. Ich denke da beispielsweise an Mehmet Scholl, Oliver Kreuzer, Matthias Sammer oder Marco Bode. Das ist eine Generation, für die die Zeit als Aktiver nun vorbei ist und die sich jetzt in unterschiedlichen Aufgabenfeldern im Fußball engagiert. Da kann der Gedankenaustausch nur positiv sein, wenn man sich über Nachwuchsförderung, Management-Strukturen oder taktische Entwicklungen unterhält. Momentan fühle ich mich dabei wie ein Schwamm, der alle Informationen aufsaugt.

Frage: Wie ist denn der Kontakt zu den ehemaligen Bayern-Mitspielern?

Kahn: Wenn ich die Jungs sehe, reden wir natürlich miteinander. Doch das ist eher selten der Fall. Eine spezielle Beziehung habe ich allerdings zu Bastian Schweinsteiger, über dessen Entwicklung ich mich freue. Ich habe früh sein Potenzial erkannt und haben ihn damals – wenn ich das so formulieren darf – an die Hand genommen.

Frage: Ist es nicht schwierig, als ZDF-Kommentator dann ihn oder andere gute Kumpels wie Lukas Podolski, Philipp Lahm, Michael Ballack, Miro Klose und Per Mertesacker vor einem Millionen-Publikum beurteilen und im Blick auf die Leistung eventuell unpopuläre Dinge ansprechen zu müssen?

Kahn: Das war am Anfang ein bisschen schwierig. Ich habe da aber klare Kriterien. Meine Aufgabe besteht darin, sachliche Kritik zu üben und nicht die Nationalspieler von heute fertig zu machen. Zumal ich mich trotz aller Distanz, die ich mittlerweile zu dem Geschehen innerhalb des DFB-Teams habe, gut in die Köpfe der Spieler hinein versetzen kann. Es gilt, eventuelle Fehler anzusprechen und eine Erklärung dafür zu geben und gleichzeitig aufzuzeigen, wie man es besser mach kann. Selbstverständlich gehört auch Lob dazu, wenn etwas gelungen ist oder es insgesamt gut läuft.

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Frage: Stichwort WM 2010: Was können die Fans von der deutschen Nationalmannschaft erwarten?

Kahn: Für mich ist es ja die fünfte WM-Teilnahme (lacht). Erstmals war ich 1994 in den USA als dritter Torwart im DFB-Aufgebot dabei. In der neuen Rolle als ZDF-Kommentator werden mir die Tage in Südafrika unter ganz anderen Vorzeichen sicher neue, interessante Eindrücke bescheren. Für Bundestrainer Joachim Löw ist es jetzt erst mal wichtig, dass sich das Team als Gruppenerster in der WM-Qualifikation direkt qualifiziert und nicht in die Play-off-Begegnungen muss. Wenn ich da an unsere Nervenbelastung denke, als wir zweimal gegen die Ukraine antreten mussten, um das Ticket für die WM 2002 zu buchen, da kann ich allen nur wünschen, dass ihnen ein solches Erlebnis erspart bleibt.

Frage: Und was dürfen die deutschen Anhänger dann im kommenden Sommer erwarten?

Kahn: Unsere Nationalmannschaft gehört bei jedem Turnier zum erweiterten Favoritenkreis. Alles andere ist Turnierdynamik und hängt auch von Glück und Pech in entscheidenden Situationen ab. Wir werden dann sehen, ob das Team nach Platz 3 bei der WM 2006 und Rang 2 bei der EURO 2008 den hohen Erwartungen der Fans gerecht wird und es wirklich schafft, wieder mal die Nummer 1 zu sein und einen Titel zu gewinnen. Ich freue mich darauf, bei der WM wieder ganz nah dabei zu sein, und drücke dem Team natürlich die Daumen.