Özil, Khedira und ihre reale Erfolgsgeschichte

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Als Mesut Özil und Sami Khedira vor zwei Jahren die Bundesliga verließen, um ihr Glück bei einem der größten Klubs der Welt zu suchen, betraten sie völliges Neuland. Verein, Sprache, Kultur, Alltag – alles anders, alles neu. Anno 2012 steht fest: Die beiden deutschen Nationalspieler sind angekommen bei Real Madrid. Und mehr als das. Sie sind Leistungsträger geworden, geschätzt, gefeiert und jetzt auch gekrönt mit dem Meistertitel. Der freie Journalist Florian Haupt über eine deutsch-spanische Erfolgsgeschichte.

Wer noch nicht wusste, wie sehr die beiden Mittelfeldspieler aus Alemania in Spanien inzwischen integriert sind, der sah neulich beim Meisterempfang bei der Regionalregierung in Madrid, wie gut das funktioniert hat. Präsident Florentino Pérez, Trainer José Mourinho, die Herren Iker Casillas, Cristiano Ronaldo, Sergio Ramos – brav stand die Klubprominenz parat, als der Festakt begann. Nur zwei Spieler fehlten, sie kamen südländisch nonchalant ein paar Minuten zu spät. Es waren die beiden Deutschen.

Deutscher Fußball wird in Spanien geschätzt

Wie in diesem Fall bei der Pünktlichkeit stimmen bekanntlich auch auf dem Platz die alten Klischees nicht mehr. In Spanien wird freudig registriert, wie sehr sich der technische Fußball der neuen deutschen Generation den eigenen Vorstellungen vom schönen Spiel angenähert hat. Entsprechend wohlwollend werden die EM-Chancen des Finalgegners von 2008 und Halbfinalgegners von 2010 eingeschätzt. Dass man als Welt- und Europameister niemanden fürchten muss, ist allgemeine Einschätzung; dass man die Deutschen noch am ehesten für ebenbürtig hält, ebenso.

Zumal sie eben zwei Stammspieler von Real Madrid in ihren Reihen haben. Wie souverän sich Khedira und Özil seit ihrer Ankunft 2010 ihren Platz erobert und auch über kleinere Krisen hinweg verteidigt haben, beeindruckte auch manche Skeptiker in der Heimat. Zwei Jahre nach ihrem internationalen Durchbruch bei der WM in Südafrika kommen sie zum Länderturnier 2012 als gestandene Spielerpersönlichkeiten – und mit dem Prestige einer spanischen Meisterschaft, deren Wert umso höher einzuschätzen ist, als dass sie gegen einen gewissen FC Barcelona errungen wurde.

Zidane: "Er wird die nächste Dekade von Real Madrid prägen"

Zinédine Zidane wird der Satz zugeschrieben, dass eine Saison bei Real Madrid so hart sei wie drei Spielzeiten anderswo – so anspruchsvoll ist das Umfeld, so groß der Druck, so vielschichtig die Medienlandschaft. Insbesondere Özil hat sich unter diesen komplizierten Bedingungen nicht nur behauptet, sondern in den Mittelpunkt gespielt. Teamkollegen, Publikum und Kritik sind sich weitgehend einig, dass er der feinste Fußballer ist, den der Klub seit dem Karriereende eben jenes Zidane gehabt hat.

„Er wird die nächste Dekade von Real Madrid prägen“, prophezeite der damalige Sportdirektor und exzellente Klubkenner Jorge Valdano schon nach wenigen Monaten, „Spieler wie er werden hier sehr gemocht“. Tatsächlich gab es zwischen dem ehemaligen Bremer und den „Madridistas“ so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Bereits beim ersten Ligaheimspiel im September 2010 wurde Özil mit Ovationen gefeiert. Kapitän Casillas wählte ihn bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres auf Platz zwei. Özil schafft es sogar, Befürworter wie Gegner des pragmatischen Spielstils von Mourinho gleichermaßen zu begeistern. „Den kreativen Anker in einer Kontermannschaft“, nannte ihn mal die Zeitung El País.

Top-Vorlagengeber der Primera Division

Zur EM verabschiedete sich Özil mit zwei Toren im letzten Ligaspiel gegen Mallorca. Noch spektakulärer ist er jedoch als Vorlagengeber. Seine Fähigkeit, mit einem überraschenden Pass die gegnerische Verteidigung auszuhebeln, fügt sich hervorragend in das auf Schnelligkeit ausgerichtete Angriffsspiel der Madrilenen. Seit seinem Wechsel hat er in allen Wettbewerben sagenhafte 58 Treffer aufgelegt. In den großen Ligen hat nur Barcelonas Lionel Messi im selben Zeitraum mehr Assists geschafft (65).

Damit nicht genug, kommt auch ein Spieler zurück zum Nationalteam, der gelernt hat, zu verteidigen. Der es lernen musste: Im System von Mourinho ist nur Cristiano Ronaldo von Defensivaufgaben weitgehend freigestellt, alle anderen müssen sich am Pressing beteiligen, Lücken zulaufen, Bälle erobern. Unter dem Portugiesen hat Özil körperlich sichtbar zugelegt. Er kommt in der Regel auf weit über zehn Kilometer Laufleistung pro Spiel und behält trotzdem einen kühlen Kopf für seine entscheidenden Pässe. Insgesamt ist Özil gleichmäßiger, präsenter geworden. Zufrieden mit seinem Werk resümierte Mourinho: „Er hat sich entwickelt. Früher zeigte er Details von Qualität, mischte sie aber mit Ruhephasen. Jetzt hat er mehr Dynamik und Stabilität im Spiel.“

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Ohne Özil wirkt Madrid berechenbarer

Allerdings ist auch Özil gelegentlich schon mal zum Leidtragenden der umstrittenen Taktiken des Portugiesen geworden. Insbesondere in den „Clásicos“ gegen Barcelona setzte ihn der Coach manches Mal nur auf die Bank, weil er lieber die Abwehr stärkte. Jedes Mal wurde Mourinho dafür wütend kritisiert und letztendlich eines Besseren belehrt. Ohne Özil wirkt Real gewöhnlicher, berechenbarer, ungefährlicher.

Wo der Spielmacher immer mit öffentlicher Unterstützung rechnen kann, hat es sein Landsmann Khedira da schon schwerer. Der Unterschied zwischen dem Respekt für die Künstler und die Arbeiter des Fußballs ist in Spanien eher noch größer als in Deutschland, und der ehemalige Stuttgarter wird von vielen Fans eher der zweiten Kategorie zugeteilt. Auch deshalb muss er sich in der wenig zimperlichen Sportpresse und den nicht minder meinungsfreudigen Radiodebatten immer mal wieder bekritteln lassen. Bei Trainer und Mitspielern jedoch ist sein Ansehen über solche Zweifel erhaben.

Khedira bei Real defensiver als im Nationalteam

Sie schätzen, dass er sein Ego hinten anstellt und vor der Abwehr für Struktur sorgt. Khediras Rolle in Madrid ist defensiver als früher beim VfB und selbst als in der Nationalmannschaft. Er hat das sofort akzeptiert, auch wenn es für ihn ungewohnt gewesen sein muss, in seiner ersten Saison kein einziges Tor zu erzielen. Inzwischen hat die Mannschaft ihr Spielsystem so verinnerlicht, dass sich auch für ihn etwas häufiger Gelegenheiten zum Angriff ergeben. Khedira wirkte zuletzt freier und spielte wieder mit mehr Natürlichkeit. Diese Saison schoss er immerhin vier Tore.

Eines davon gelang ihm beim Meisterwerk dieser Elf, dem 2:1-Sieg im April beim FC Barcelona. Den zweiten Treffer an jenem Abend im Camp Nou legte Mesut Özil auf. Es waren die Statements zweier Spieler, die angekommen sind.

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Als Mesut Özil und Sami Khedira vor zwei Jahren die Bundesliga verließen, um ihr Glück bei einem der größten Klubs der Welt zu suchen, betraten sie völliges Neuland. Verein, Sprache, Kultur, Alltag – alles anders, alles neu. Anno 2012 steht fest: Die beiden deutschen Nationalspieler sind angekommen bei Real Madrid. Und mehr als das. Sie sind Leistungsträger geworden, geschätzt, gefeiert und jetzt auch gekrönt mit dem Meistertitel. Der freie Journalist Florian Haupt über eine deutsch-spanische Erfolgsgeschichte.

Wer noch nicht wusste, wie sehr die beiden Mittelfeldspieler aus Alemania in Spanien inzwischen integriert sind, der sah neulich beim Meisterempfang bei der Regionalregierung in Madrid, wie gut das funktioniert hat. Präsident Florentino Pérez, Trainer José Mourinho, die Herren Iker Casillas, Cristiano Ronaldo, Sergio Ramos – brav stand die Klubprominenz parat, als der Festakt begann. Nur zwei Spieler fehlten, sie kamen südländisch nonchalant ein paar Minuten zu spät. Es waren die beiden Deutschen.

Deutscher Fußball wird in Spanien geschätzt

Wie in diesem Fall bei der Pünktlichkeit stimmen bekanntlich auch auf dem Platz die alten Klischees nicht mehr. In Spanien wird freudig registriert, wie sehr sich der technische Fußball der neuen deutschen Generation den eigenen Vorstellungen vom schönen Spiel angenähert hat. Entsprechend wohlwollend werden die EM-Chancen des Finalgegners von 2008 und Halbfinalgegners von 2010 eingeschätzt. Dass man als Welt- und Europameister niemanden fürchten muss, ist allgemeine Einschätzung; dass man die Deutschen noch am ehesten für ebenbürtig hält, ebenso.

Zumal sie eben zwei Stammspieler von Real Madrid in ihren Reihen haben. Wie souverän sich Khedira und Özil seit ihrer Ankunft 2010 ihren Platz erobert und auch über kleinere Krisen hinweg verteidigt haben, beeindruckte auch manche Skeptiker in der Heimat. Zwei Jahre nach ihrem internationalen Durchbruch bei der WM in Südafrika kommen sie zum Länderturnier 2012 als gestandene Spielerpersönlichkeiten – und mit dem Prestige einer spanischen Meisterschaft, deren Wert umso höher einzuschätzen ist, als dass sie gegen einen gewissen FC Barcelona errungen wurde.

Zidane: "Er wird die nächste Dekade von Real Madrid prägen"

Zinédine Zidane wird der Satz zugeschrieben, dass eine Saison bei Real Madrid so hart sei wie drei Spielzeiten anderswo – so anspruchsvoll ist das Umfeld, so groß der Druck, so vielschichtig die Medienlandschaft. Insbesondere Özil hat sich unter diesen komplizierten Bedingungen nicht nur behauptet, sondern in den Mittelpunkt gespielt. Teamkollegen, Publikum und Kritik sind sich weitgehend einig, dass er der feinste Fußballer ist, den der Klub seit dem Karriereende eben jenes Zidane gehabt hat.

„Er wird die nächste Dekade von Real Madrid prägen“, prophezeite der damalige Sportdirektor und exzellente Klubkenner Jorge Valdano schon nach wenigen Monaten, „Spieler wie er werden hier sehr gemocht“. Tatsächlich gab es zwischen dem ehemaligen Bremer und den „Madridistas“ so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Bereits beim ersten Ligaheimspiel im September 2010 wurde Özil mit Ovationen gefeiert. Kapitän Casillas wählte ihn bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres auf Platz zwei. Özil schafft es sogar, Befürworter wie Gegner des pragmatischen Spielstils von Mourinho gleichermaßen zu begeistern. „Den kreativen Anker in einer Kontermannschaft“, nannte ihn mal die Zeitung El País.

Top-Vorlagengeber der Primera Division

Zur EM verabschiedete sich Özil mit zwei Toren im letzten Ligaspiel gegen Mallorca. Noch spektakulärer ist er jedoch als Vorlagengeber. Seine Fähigkeit, mit einem überraschenden Pass die gegnerische Verteidigung auszuhebeln, fügt sich hervorragend in das auf Schnelligkeit ausgerichtete Angriffsspiel der Madrilenen. Seit seinem Wechsel hat er in allen Wettbewerben sagenhafte 58 Treffer aufgelegt. In den großen Ligen hat nur Barcelonas Lionel Messi im selben Zeitraum mehr Assists geschafft (65).

Damit nicht genug, kommt auch ein Spieler zurück zum Nationalteam, der gelernt hat, zu verteidigen. Der es lernen musste: Im System von Mourinho ist nur Cristiano Ronaldo von Defensivaufgaben weitgehend freigestellt, alle anderen müssen sich am Pressing beteiligen, Lücken zulaufen, Bälle erobern. Unter dem Portugiesen hat Özil körperlich sichtbar zugelegt. Er kommt in der Regel auf weit über zehn Kilometer Laufleistung pro Spiel und behält trotzdem einen kühlen Kopf für seine entscheidenden Pässe. Insgesamt ist Özil gleichmäßiger, präsenter geworden. Zufrieden mit seinem Werk resümierte Mourinho: „Er hat sich entwickelt. Früher zeigte er Details von Qualität, mischte sie aber mit Ruhephasen. Jetzt hat er mehr Dynamik und Stabilität im Spiel.“

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Ohne Özil wirkt Madrid berechenbarer

Allerdings ist auch Özil gelegentlich schon mal zum Leidtragenden der umstrittenen Taktiken des Portugiesen geworden. Insbesondere in den „Clásicos“ gegen Barcelona setzte ihn der Coach manches Mal nur auf die Bank, weil er lieber die Abwehr stärkte. Jedes Mal wurde Mourinho dafür wütend kritisiert und letztendlich eines Besseren belehrt. Ohne Özil wirkt Real gewöhnlicher, berechenbarer, ungefährlicher.

Wo der Spielmacher immer mit öffentlicher Unterstützung rechnen kann, hat es sein Landsmann Khedira da schon schwerer. Der Unterschied zwischen dem Respekt für die Künstler und die Arbeiter des Fußballs ist in Spanien eher noch größer als in Deutschland, und der ehemalige Stuttgarter wird von vielen Fans eher der zweiten Kategorie zugeteilt. Auch deshalb muss er sich in der wenig zimperlichen Sportpresse und den nicht minder meinungsfreudigen Radiodebatten immer mal wieder bekritteln lassen. Bei Trainer und Mitspielern jedoch ist sein Ansehen über solche Zweifel erhaben.

Khedira bei Real defensiver als im Nationalteam

Sie schätzen, dass er sein Ego hinten anstellt und vor der Abwehr für Struktur sorgt. Khediras Rolle in Madrid ist defensiver als früher beim VfB und selbst als in der Nationalmannschaft. Er hat das sofort akzeptiert, auch wenn es für ihn ungewohnt gewesen sein muss, in seiner ersten Saison kein einziges Tor zu erzielen. Inzwischen hat die Mannschaft ihr Spielsystem so verinnerlicht, dass sich auch für ihn etwas häufiger Gelegenheiten zum Angriff ergeben. Khedira wirkte zuletzt freier und spielte wieder mit mehr Natürlichkeit. Diese Saison schoss er immerhin vier Tore.

Eines davon gelang ihm beim Meisterwerk dieser Elf, dem 2:1-Sieg im April beim FC Barcelona. Den zweiten Treffer an jenem Abend im Camp Nou legte Mesut Özil auf. Es waren die Statements zweier Spieler, die angekommen sind.